(Beilage Dienstag, 9. Juni 1931
SivMimS �fio/ndktftitfsi koft&osA Prof. Dr. Walter Crropius: Bekenntnis zum Hochhaus
Prof. Dr. F. Bernstein: Alterssichtlgkeit und liehensdaaer In dem Institut für mathematische Statistik der Universität Gottingen wurden von mir und meinem Mitarbeiter in den letzten zwei Jahren Untersuchungen über Vergreisung und Lebensaus- sichten angestellt, deren erste Ergebnisse jetzt vorliegen. Es handelt sich dabei um den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Eintretens des bekonnten Altersmerkmals des Menschen, das als A l t e r s s i ch t i g k e i t bezeichnet wird. Dos Altern des Menschen findet in sämtlichen Organen statt. wobei allerdings unbekannt ist, ob diese Organe gleichartig von den Alterserscheinungen ergriffen werden, oder ob nicht beträchtliche Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Die Alterssichtigkeit des Auges beruht darauf, daß die Augen- linse durch Ablagerung von gewissen Produkten des Stoffwechsels ollmählich in einen Erstarrungszustand übergeht. Infolge- dessen vermag die Augenlinse nicht mehr die gekrümmte Form an- zunehmen, die notwendig ist, wenn wir in der Nähe deutlich sehen wollen. Die Ablagerungen, um die es sich hier handelt, sind die gleichen, die auch in anderen Teilen des Körpers erfolgen und auch in diesen den Alterszustand hervorrufen. Diese Ablagerungen scheinen schon sehr früh einzusetzen, denn die Fähigkeit der Augenlinse, ge- krümmt zu werden, nimmt bereits von den ersten Lebenstagen an ständig ab. Man Hot festgestellt, daß der sogenannte Nahepunkt des menschlichen Sehens, das heißt derjenige dem Auge am nächsten gelegene Punkt, in welchem man noch deutliches Sehen erzielen kann, im Alter von 10 Iahren etwa 10 Zentimeter beträgt und dann im Laufe des Lebens ständig hinausrückt. Ueberschreitet dieser Punkt die Entfernung bequemen Lesens, die etwa bei 30 Zentimeter Augenabstand liegt, so macht sich das Bedürfnis nach einer Zusatz- linse geltend, welche den Nahepunkt wieder auf bequeme Leseent- fernung bringt. Diese Zusatzlinsen sind die Altersbrillen, welche verordnet werden müssen. Die Stärke der Altersbrille wird in sogenannten Dioptrien gemessen. Mit diesen Borgängen hat es nichts zu tun, daß die Augen ihrem Bau entsprechend in kurzsichtige, normalsichtige und weitsichtige unterschieden werden, je nachdem die Linse vom Augenhintergrund zu weit entfernt ist, in richtiger Entfernung sich befindet, oder ihm zu nahe steht, um ein deutliches Bild zu geben. Diese Abnormitäten müssen zunächst einmal korrigiert werden, damit ein auf den unendlichen Horizont eingestelltes Auge diesen deutlich sieht, und erst dann, wenn das Sehen auf unendlich korrigiert ist, kann man das Nohefehen untersuchen, dessen Gelingen von der Biegbarkeit der Linse und nicht vom Bau des Auges ab- hängt. Hieraus erklärt sich, daß zum Beispiel kurzsichtige Personen, bei denen beide Korrekturen in entgegengesetzter Richtung liegen� noch im höchsten Alter ohne Altersbrille lesen, ohne daß etwa die Bieg- barkeit der Linse, das heißt die eigentlich« Alterssichtigkeit günstiger wäre Die Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, wie hoch die noch zu erwartende Lebensdauer für bestimmte Altersgruppen ist, bei denen starke, mittlere oder geringe Alterssichtigkeit festgestellt war. Diese Fragen wurden an dem Material der Göttinger und Leipziger Universitätsaugenkliniken sowie an dem zweier Privat- ärzte geprüft. Es wurde bei den Personen, die diese Kliniken in dem Zeitraum von 1880 bis 1008 konsultiert hatten, die damalig« Alterssichtigkeit ermittelt, wobei, um möglichst Gleichartigkeit der Fälle zu erhalten, mannigfache Beobachtungen auszuschalten waren. Das so gewonnene Material wurde von den Wohnungsämtern zum Zwecke der weiteren Feststellung über die Lebensdaten bear- beitet und führte zu Ermittlungen der T o d e s d a t e n der Per- sonen, die inzwischen verstorben waren. Auf Grund dieser Feststellungen ergab sich aus dem ganzen Material einwandfrei, daß in jeder untersuchten Alters- klaffe die Personen von geringerer Alterssich- tigkeit eine höhere Lebensdauer, die Personen von hSherer Alterssichtigkeit«ine geringere Lebensdauer zu erwarten haben. Danach ist der Erstarrungsgrad der Linse bis zu einem ge- wissen Grade ein wirklicher Maßstab für die eingetretene Dergrei- siing des Körpers, welche die natürliche Lebensdauer beschränkt. Bei dem Leipziger Material war es möglich, diesem Zusammen- hang noch genauer nachzugehen, weil die Todesursachen ermittelt werden konnten. Dabei ergab sich, daß, wenn man alle diejenigen Todesursachen ausschaltet, die mit der Vergreisung wenig oder gar nichts zu tun haben, daß dann der Zusammenhang noch viel deut- licher wird. Bei Beschränkung auf diejenigen Fälle, in denen der Tod durch Herzschlag oder Gehirnschlag erfolgt war, und die im Alter über S0 Jahre die Hälfte oller Todesfälle ausmachten, er- gaben sich nach dem Grade der Alterssichtigkeit in der mittleren Lebenserwartung durchschnittliche Unterschiede von mehr als zehn Iahren, dos heißt von nahezu der Hälfte der noch zu erwartenden Lebenszeit. Genaueres lehrt die folgende Tabelle: Mittlere Lebenserwartung lMänner und grauen)
Untersuchungs- Grad der Alterssichtigkeit altersgruppe übernormal normal unternormal 44—49..... 17,9 22,5 31,8 50—53..... 15,5 18,9 23,2 54-58..... 11,2 13,9 19.8 59—63..... 11,4 10,3 13,4 64...... 6,4 9,9 10,9
Das heißt also, daß ein Mann von 52 Iahren, der im Jahre 1900 eine Alterssichtigkeit von 1,0 v hatte, mit einer Lebensdauer von etwa 23,2 Jahren rechnen konnte, wenn Todesfall infolge einer äußeren Infektion oder Schädigung(Tuberkulose, Unfall usw.) außer Betracht bleibt, und nur Todesfall an Alterserscheinungen(Herz- und Gehirnschlag) in Betrocht gezogen wurde. Es war eine be- kannte Tatsache, daß die Lebensdauer der Frauen durch- schnittlich VA Jahre höher ist, als die der Männer. Demgegen- über konnten wir feststellen, daß hinsichtlich des Eintritts der Alters- stchtigkeit und der durch diese gemessenen Dergreisung zwischen Männern und Frauen ein merklicher Unterschied nicht besteht. Die kürzere Lebensdauer der Männer ist also eine Folge ihrer ungünstigeren Lebensweise und nicht die Folge früherer Ber- greisung. Es haben si» auch kleine, ober keineswegs sicher gestellte Unterschiede zwischeu Stadt- und der Landbevölkerung und
Die Meinungen über die ideale Wohnform stehen sich scharf gegenüber; sie entsprechen in ihren Wurzeln der alten Antithese von Stadt und Land. Der Mensch braucht Gegensätze zur Anregung und Entspannung. Die sortschreitende Entwicklung hebt nun neuer- dings die krassesten Gegensätze auf, bringt Errungenschaften der Stadt ouss Land hinaus und Reize der Natur zurück in die Stadt. Der Wunsch des Städters nach dem Land, des Landmenschen noch der Stadt ist elementarer Natur und sucht stetig nach Befriedigung. Der Kampf um die Wohnsorm ist also in seinem Kern psycho- logischen Ursprungs, daher auch panischen Rückschlägen und Psychosen unterworfen, wie wir sie in dem leidenschastlichen Kampf gegen die Mietkaserne erlebt hoben. Die verheerenden Folgen der wilden Bautätigkeit in den Städten brachten als gesunden Rück- schlag die Tendenz des„Zurück in die Natur" und den Kampf der Behörden und privater Persönlichkeiten um das Ziel, die Mehr- zahl des Volkes im Einsamilienheim mit Garten unterzubringen. Schuld an dem Wohnungselend dicht zusammengedrängter Miet- kasernen ist ober nicht die Wohnform des mehrctagigen Groß- Hauses, sondern die kurzsichtig« Gesetzgebung, die den Bau der Dolkswohnungen ohne ausreichende soziale Sicherung skrupelloser Spekulation preisgab. Das mit Verantwortung geplante, mit reich- lichen Abständen in breite Grünflächen gestellte Großhaus kann jedoch alle Bedingungen nach Licht, Lust und Auslauf erfüllen, und außerdem dem Bewohner ein Fülle weiterer Vorteile bieten. Die Besonderheit der Großstadtsiedlung vieler werktätiger Menschen um einen engen Eitykern fordert kurze Wege, das heißt Ausnützung der vertikalen Baugliederung zur Verkürzung der horizontalen Entsernungen. Die Wohnsorm des Flachbaus steht dieser Grundtendenz der Stadt entgegen. Ist eine vernünftig« Stadtenwicklung denkbar, wenn alle Bewohner im Eigenheim mit Garten wohnen? Ich glaube, nein. Di« wirtschastlichen Erfahrungen und die Umstellung.zahlreicher Bolkskreise in der Lebens- und Wohnausasssung lassen keinen Z weisel, daß die einseitige Ziel- setzung zugunsten des Eigenheims zu Verwirrungen führte und nachteilig auf die gesamte Wohnungspolitik wirkte. Nach dem Stand der Dinge ist der Gedanke, die Mehrzahl des Volkes in Eigenheimen unterzubringen, bestimmt eine wirt- schaftliche Utopie. Entscheidend für die Wahl der Wohnform des Städters sst der höchste für ihn erreichbare Wohneffekt. Dieser hängt ab von seinen Neigungen, von seinem Beruf und seinem Geldbeutel. Für den Durchschnitt der Bevölkerung ist das Wohnen im Eigenheim un- wirtschaftlich, da es als Kleinwohnung unrentabel und außerdem zeitraubend in der Bewirtschaftung ist. Den Vorteil der unmittel- baren Erdnähe tauscht der Bewohner mit dem Nachteil langer Anmarschwege, weiter-Schulwege und erschwerten Einkaufs ein. Die Belastung durch Fohrkosten ist sehr hoch und die Nebenkosten des Einfamilienhauses, wie: Reparaturen. Wasserzufuhr, Ab- Wässerung, Müllabfuhr, Straßenreinigung usw. dürfen nicht ver- gessen werden. Wenn nun die Praxis des Wohnungsbaues unter Würdigung auch der nicht wirtschaftlichen Faktoren zeigt, daß umfassende Teile der Bevölkerung auf dem Wege des Heimstättenbaues nicht versorgt werden können, so ergibt sich daraus eindeutig, daß das gut organisierte, moder ne Großhaus nicht als notwendiges
zwischen Bevölkerung verschiedener Gegenden ergeben. Ebenso er- gaben sich klein« Unterschiede zwischen der Dergreisung von heute und früher. Die Untersuchungen werden noch in der Richtung fortgesetzt, alle Unterschiede zu prüfen. Weitere Altersmerkmale sollen in gleichem Zusammenhang untersucht werden, und es erscheint nicht unmöglich, daß es gelingt, aus der Kenntnis des Alterszuftandes eines Menschen viel weiter- gehende Voraussagen auf den natürlichen Lebenslauf zu machen, als dies bisher möglich war.
OderreKiernnxGrnt Dr. E. Rösle: Krank'enkarten in Rnssland Wenn ein Arzt in Deutschland etwas über die Krankheiten der Ellern oder sonstigen Verwandten eines Patienten erfahren will, so ist er in den meisten Fällen auf die Aussag'en des Patienten selbst angewiesen, der jedoch meist nur oberflächlich oder falsch darüber orientiert ist. Aber nicht überall ist es so schlecht hiermit bestellt. Kommt i m ländlichen Gebiet des Moskauer Gouvernements ein Patient zum Arzt seines Reviers, so sucht auch der sich zunächst Kenntnis von der Krankengeschichte der Familie zu verschajfen— aber nicht mittels der Aussagen des Patienten, sondern mittels seiner Familienkartei. Da ein Landarzt in Rußland nicht— wie es bei unseren Land- örzten der Fall ist— einen ärzllichen Zwergbetrieb in seiner Wohnung leitet, sondern über ein kleines Krankenhaus oder mindestens über ein Ambulatorium verfügt, so ist er verpflichtet, organisierte Arbeit zu leisten. Dazu gehört die Familienkartei, in der die für jeden behandelten Patienten ausgefüllten Kranken- karten familienweise nach Dörfern aufbewahrt werden und deren wichtigster Inhalt außerdem noch auf einer Familienkarte übersichtlich zusammengefaßt wird. Da diese Einrichtung schon lange vor de ni Kriege von der Semstwo-Verwaltung, der die Wohlfahrtspflege auf dem Lande oblag, geschaffen wurde, so kann der Arzt sich rasch über die in der Familie und bei den Vorfahren beobachteten Krankheiten an Hand dieser Auszeichnungen Kenntnis verschaffen und braucht sich daher nicht auf die meist unzuverlässigen Aussagen des Patienten zu verlassen. In dieser Einrichtung hoben wir die erste medizinische Familienregistrierung für engbegrenzte Gebiete mit einer bodenständigen Bevölkerung. vor uns, bewirkt von Aerzten für A e r z t e, ein Idealgebilde, wie es wohl keiner unserer Erblichkells- und Familienforscher sich hätte erträumen lassen— und wie wir es sonst nirgends finden, weil die Vorbedingungen hierzu nur in Ruß- land gegeben sind. In Rußland sind nämlich die Dorfbewohner schon wegen öe'r großen Entsernung der Dörfer voneinander gezwungen, zu keinem anderen als zu ihrem Reoierarzt zu gehen, der si« un-
llebel betrachtet werden darf, sondern als echtes Wohngebilde unserer Zeit mit aller Sorgsalt behandelt statt vernachlässigt werden muß. Die schlechten Beispiele der bisherigen Mietkasernen dürfen uns nicht hindern, dieses Problem völlig neu anzufassen! Dabei ergibt sich, daß die bisher bekannte Form des mi t t e l h o h e n Stockwerkhouses weder die Vorteile des Flachbaus, noch die des vieletagigcn Hochhauses zeigt, dem es in sozialer, psychologischer und teilweise auch wirtschaftlicher Hinsicht unterlegen ist. Es hat den Nochteil zu geringer Blockabstände, geringer Besonnung, zu kleiner Grünflächen und zu geringen Auslauss. Beim zehn- stöckigen Bau steigt jedoch bei gleicher Ausnutzung des Geländes und gleicher Wohnfläche der Abstand der Gebäudeblöcke voneinander nahezu auf die doppelte Entfernung, und zwar ohne jede Wirtschaft- liche Einbuße. Im zehn- oder zwölsstöckigen Hochwohnhause kann auch der Erdgeschohbewohner den Himmel sehen! Statt auf 20 Meter breite begrünte Korridore schauen die Fenster auf 100 Meter breite baumbestandene Grünflächen, die die Luft reinigen helfen und weite Tummelplätze für die Kinder bieten. Hier dringt die Natur in die Großstadt ein, und wenn auch olle Dächer zu Gärten werden, was ja fast noch nirgends ge- schehen ist, so würde sich der Städter dort oben auch noch dos Land zurückerobern, das durch den Bau des Hauses an Boden ver- lorengeht. Nur das Großhaus kann außerdem dem einzelnen Bewohner einen großen Teil der mühseligsten und zeitraubendsten Haus- arbeiten abnehmen durch zentrale Bewirtschaftungsanlagen, die auch vom vollswirsschaftlichen Standpunkt aus so bedeutungs- voll sind, weil sie auch in der Endabrechnung an Zeit und Material- aufwand sparen. Zentrale Beheizungs- und Warmwasseranlagen, zentrale Wäschereien, Aufzüge, zentrale.Küchenonlagen, elektrische Kühlschränke, Vakuumanlogen, mechanische Be- und Entlüftungen, ja schließlich auch gemeinsame Klubräume, Sportanlagen und Kinder- gärten lassen sich im Großhaus viel eher, verwirklichen, da die Kosten auf eine große Anzahl von Familien verteilt werden, Kosten, deren Sinn es ist, den errungenen Zeitgewinn in das Aller- wichtigste umzumünzen, in Lebensgewinn! Gemeinschafts- einrichtungen bedeuten keine neue Mechanisierung des Individuums, sondern sie befreien das Leben von unnötigem Ballast, um es desto ungehemmter und reicher entfalten zu lassen. Die Großstadt muß sich positivieren! Sie braucht den Anreiz der eigen entwickelten, ihrem Lebensorganismus entsprechenden besonderen Wohnform, die ein Maximum an Lust, Sonne und Pflanzenwuchs mit einem Minimum an Verkehrswegen und an Bewirtschostungsaujwand vereint. Der Flachbau kann nicht allein das Allheilmittel sein; die logische Folge wäre die Auflösung und Verleugnung- der Stadtl- Nicht Ausläsung-, sondern A-us» lockerung ist aber das Ziel! Diese Forderungen kann das vielstöckige Wohnhochhaus erfüllen und deshalb gehört seine Förderung zu den dringendsten Aufgaben des Wohnbaus. Großstädter, bekennt euch zur Großstadt! Aber: Laßt Raum in ihr für die Vegetation! Baut Wohnhochhäuser, dann wird das ge- wonnene Bauland zum Garten!
entgeltlich behatjdest, da er nicht nur Arzt, sondern auch ein sanitärer Beamter ist, der für die Gesundheitsverhältnisse seines Reviers ver- antwortlich ist. Er erleichtert also sich und seinem Nachfolger die Arbeit, wenn er über jede Familie Buch führt. Es ist verständlich, daß eine so praktische und nützliche Ein- richtung von der Sowjetregierung gefördert wurde. Diese ging hierin noch weiter, indem sie die Aufstellung und Führung eines Gesund- heitspasses—„Sanitäres Journal" genannt— s ü r die werktätige Bevölkerung in den Städten und Industriezentren vorschrieb. Ein solcher Paß hat allerdings nur individuellen Charakter: jedoch wird auch hierin nach den Krank - hellen und bemerkenswerten krankhaften Merkmalen der Eltern des Inhabers gefragt. Er wird bereits beim Uebergang von der Schule zur Erwerbsorbeit ausgestellt, da von dem Ergebnis der erstmaligen Untersuchung durch einen sachkundigen Gewerbearzt die Eignung des Inhabers zu dem gewählten Berufe abhängig ist, und da vor dem Eintritt in die Beschäftigung etwaige Krankheitsbefunde beseitigt werden müssen, soweit dies möglich ist. Dieser Paß soll nicht nur der staatlichen Fürsorge für das gesundheitliche Wohl des Inhabers dienen, sondern auch dem Staate Unterlagen für die Untersuchung des Einflusses der verschiedenen Beschäftigungen auf den Ge- sundheits'zu stand der Arbeiter verschaffen, damit der Arbeitsschutz rationell gestaltet werden kann. In einer solchen gewiß ideal gedachten Einrichtung haben wir eine offene Krankheitsregistrierung bei der werk- tätigen Bevölkerung vor uns, wie eine solche in diesem Umfang noch nirgends besteht. Aber die Offenheit der ärztlichen Befunde in dem mit dem Inhaber wandernden Passe ist schon manchem— selbst wenn es sich nur um einen harmlosen Defekt handelte— zum Verhängnis geworden: sie würde auch den deutschen gesetzlichen Be- stimmungen zur Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses wider- sprechen. In Ruhland ergaben sich Nachteile dadurch, daß Arbeitgeber keine Arbeiter einstellen wollten, in deren Gesundheitspaß irgendwelche Defekt« verzeichnet sind. Aus diesem Grunde sahen die russischen Gewerkschaften sich veranlaßt, gegen diese zwar wohlgemeinte, aber für manchen schädliche Einrichtung Stellung zu nehmen. Mit diesem russischen Gesundheitspaß ist eine schon lange vorher auch bei uns erörterte Idee verwirklicht worden. Aber diese Idee hat auch bei uns nach dem Kriege bereits eine praktische Anwendung gesunden— allerdings nur bei der wohl kleinsten, ober sehr auserlesenen Beoölkerungsgruppe, nämlich bei der Reichsmarin«. Die Dortell« eines Gesundheitspasses für jeden Angehörigen der Reichsmarine lagen schon in Anbetracht der langen Dienst- und ärztlichen Beobachtungszeit klar auf der Hand. Aber die Reichsmarine führt diese Pässe geheim, da sie nur der ärztlichen Informierung dienen. Damit ist die Idee einen Schritt vorwärts gekommen, der dort zu weiteren praktischen Ausführungen Anlaß geben dürfte, wo die Vorbedingungen dafür ge. geben sind.