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Hamburg-Sk. Pauli. Zu einem Rudel zusammengedrängt stehen die Pferde in der kleinen Galopparena inmitten eines Restaurants. Rund um diese zirkusähnliche Reitdahn, die nur fußhoch von künstlichem Strauchwerk umgrenzt ist, setzt sich derGrüne Rasen" in Form von nassen Sägespänen fort. Tischchen, merkwürdig hohe Tischchen, wachsen aus dem weichen Boden. Ein riesiger Schanktisch, blech- beschlagen, ragt wie ein Panzerkreuzer aus der sägespünenen Bran­dung. Auf einem Balkönchen zusammengepfercht klebt die Musik- kapelle gleich einem Schwalbennest an der Decke. Scheinwerfer tauchen diese sonderbare Landschaft in alle Regenbogensarben. Trara! Ein Posaunensignal, ein schmetternder Marsch es geht wieder los. Natürlich begrüßt der Wirt seine Gäste hoch zu Roß. Er ist in vollem Reiterdreß, der Zylinder glänzt wie das Lackstiefelpaar, auch der Frack... Ebenso ist die Bedieming im Sattel zu Hairse. Cowboys als Billettverkäufer und schimicke Amazonen mitRox-Dropps" undZigarren-Zigaretten". In der abgegrenzten Arena kann man Galoppreiten, und wer das nicht will, der kann gemütlich an den Schanktisch herantraben und ein Glas Bier genehmigen. An den merkwürdig hohen Tischchen läßt sich vom Sattel aus äußerst bequem Banille-Eis schlürfen oder Bockwurst mit Salat verzehren. Bezahlt wird an den berittenen Ober. Er ist stets im Handgalopp da und reitet gegebenenfalls einem Zechpreller durch das ganze Restaurant bis auf die Straße nach. Statt der weißen Schürze ziert ihn ein Schimmel, an dem er sich auch gelegentlich die bierfeuchten Hand« abwischt. Die Pferde sind natürlich alle auf Musik dressiert. Sobald die Kapelle loslegt, ist es mit der Alleinherrschaft der Reitlustigen aus. Dann geht es immerzu rund im Kreise um den Panzerkreuzer und um das ganze Restaurant. Der Ober begleitet seine Gäste, und das Zigarettensräulein rechnet im Tanzschritt ihrer Stute ab. Irgend- welche Seitensprünge werden nicht geduldet. Der Andrang ist groß. Jeder möchte einmal in seinem Leben ein Pferd in einem Restaurationsbetrieb umherlenken. Ins­besondere sind es die jungen Mädchen, die vom Herrensattel nicht mehr herunterzukriegen sind. Sorgenvoll blicken Mütter und

Kavaliere von der Galerie aus dem Treiben zu. Reiten kostet Geld, ganz besonders in einem Restaurant... Daß man aus alten Sachen immer wieder neue machen kann, das weiß jede Hausfrau, jeder Schneider und Dichter. Der Unter- nehmer dieser neuartigen Reitbahn ein verkrachter Zirkusdirektor hat es lediglich verstanden, aus dem schon etwas veralteten Hippodrom unserer Väter eine neue großstädtische Rummelplatz- Attraktion zu schassen. Hals- und Beinbruch!. ie Hinter diesemreitenden Restaurant" liegt Old Billies Schieß- bude, dieLebende Zielscheibe". Die Schießerei nach den papiernen Scheiben und langweiligen Tonpfeifen war Billies Publikum schon längst zum Halse herausgewachsen. Sechs Schuß für einen Groschen, nichts sehen, nichts treffen und nichts gewinnen können, nööö Old Billies Schießbude sackte langsam ab. Donnerwetter!" Statt der alten, zerlöcherten Pappscheib« stand plötzlich ein ausgestopftes, nacktes Mädchen im Ziel. Schieß man, min Junge, schieß sie toot!" grunzte Billie und strich für drei Schuß den neuen �arif von fünfundzwanzig Pfennigen ein. Sobald man aber das Ziel anvisierte, sträubten sich einem die Haare. Das war kein« ausgestopfte Puppe! Man hatte das Gewehr auf ein lebendes, junges Mädchen in hauchdünnem Trikot angelegt. Es lachte, gähnte und warf ab und zu eine Kuß­hand nach den Schützen. Trotzdem schoß man fingerlange, spitze Bolzen mit roten Haarbüscheln aus das arme Wesen... Rätseihaft! Old Billie, der tüchtige Schießbudenbesitzer, holte mit der Zange einen Bolzen nach dem anderen wieder aus dem Mädchen heraus. Aus Herz, Busen und Eingeweide, lind das arme Wesen lächelte... Schieß, min Junge, schieß sie toot!" Dieser Ruf klingt bis zum reitenden Restaurant, den ganzen Tag und die halbe Ngcht. Aber man kann sie nicht erschießen, obwohl man sie von oben bis unten durchlöcherte. Man kann nicht um die Ecke feuern, denn das Mädel steht in Wahrheit seitwärts in der Kulisse des Schicßzeltes. Raffinierte Spiegel-Reflextechnik verHilst der alten Schießbude plötzlich zu neuem Leben. Neue Sachlichkeit, vermenschlicht... Brrrrr.

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In Madrid , unter einem Stück Erde , das bei den republikanischen Spaniern ein ähnliches Ansehen genießt, wie die Gräber der März- gefallenen bei den dankbaren Berlinern, liegen die Maigefallcnen des Jahres 1M8, das sind jene Aufständischen, die für ihr bour- bonisches Königshaus gegen die napoleonische Gewalt gekämpft haben und auf Murats Befehl erschossen worden sind. Als Europa Napoleon niedergekämpft und der große Ver- gewaltiger des Erdballs den vielen kleinen wieder Platz gemacht hatte, kehrte der Spanier Ferdinand VlI. auf den Thron zurück. Wie in allen Ländern hatten sich auch die spanischen Massen optimistisch dem Traum von Frecheit und besseren Tagen hingegeben, ergeben warteten sie auf die Verwirklichung der töniglicherseits ver- fprochenen Verfassung. Aber derselbe Ferdinand, der einmal als Prinz von Afturien, in seiner Eigenschaft als Thronfolger, die Hoff- nung der Nation und der Sammelpunkt ihrer Liebe gewesen war, zögerte nun die Erfüllung der alten Verpflichtung hinaus. Unruhen begannen im Lande auszubrechen. Endlich mußte es auch dem Vertrauensseligsten klar geworden sein, daß regieren Politik treiben heißt, und daß es in der Politik keine Gefühle und vom Königshause keine Dankbarkeit gibt. Det König das ist die Reaktion. Der Königsbegriff schließt diese Bedeutung in sich ein. Der Mann, der dem jahrelangen Gewittermurren den erlösenden Blitz entlockte, war Don Rafael Riego, der Oberst des Regiments Afturien. Wir können uns heute, zu unserem Glück, eine Revolution, deren Führung Generale und Oberste innehaben, nicht mehr vor- stellen, denn die Ausgabe der Revolution ist inzwischen dem Pro- letariat zugesallen, das sich zur Wahrung seiner Interessen nur durch sich selber oertreten kann. Der Aufstand jenes spanischen Obersten erhärtet die uns längst bekannte Lehre, daß eine Revolution, die sich dem Individuum, der unkontrollierten Persönlichkeit anvertraut, auf gefährlich lockerem Boden steht. Am 1. Januar 182!) hob Riego in Eadix die Fahne des Auf- stands: Es war die Fahne der Verfassung, die Spanien versprochen und nicht erfüllt worden war. Nach seinem festen Glauben und wohl auch in Wahrheit waren die Erwartung und die Unzu- friedenhett im Lande mittlerweile so heftig geworden, daß es ihm nichts anderes als dieses Signals zu bedürfen schien, um das wahre Volksgefühl zu entfesseln. Die Fahne wehte im Winde aber die Wirkung blieb aus. Keine der erwarteten Aktionen geschah. Die Soldaten der Garnisonen, die Besatzungen der Schiffe vor Eadix blieben still das heißt, die Führer vollzogen nicht den erwarteten Uebertritt. Mangelnde Vorbereitung, das Grundübel der vielen spanischen Aufstandsoersuche, wurde der Sache zum Verderben. Indem Riego noch auf die Wirkung seines Beispiels wartet sein Batallion hatte sich laut zu seinem Führer bekannt, wächst die Gefahr um ihn her. Die Freunde, rwr allem der General Ouirogq auf San Fernando, sehen sich bereits in ihrer eigentlichen Absicht gehindert die Königlichen sind auf dem Weg, um sie zur Kapi- tulation zu zwingen. Statt freier Angrifssmöglichkeit bleibt den Bedrängten das harte Muß der Verteidigung. In dieser verzweifelten Lage, in der es keine Wahl mehr gibt, tritt Riego seinen nachmals berühmten Marsch durch Aydalusien an. Dieser Zug seiner Armee die aus 1000 Mann bestand soll die noch unentschlossenen Freunde der Sache zum Anschluß entflammen. Ohne sichtbaren Erfolg gelangt er in 25 Tagen nach Malaga . Hier eirdlich stellt sich der Zuzug von neuen Truppen ein; dazu gute Meldungen aus andalufiscken Garnisonen, die ihre Erhebung ver- sprechen, sobald Riego sich nur persönlich bei ihnen zeige. Das Glück scheint sich ihm zuzuwenden, der Marsch durchs Land scheint sich nun endlich segensreich auszureisen. Neuer Mut... Aufbruch, Wanderung, Abenteuer, Kämpfe mit königlichen Truppen, hier und da stoßt Verstärkung dazu.... Aber es find nicht die erwarteten großen Ströme, die ihm entgegenkommen, sondern nur Bächlein. Riego weiß, daß nur ein großer Erfolg, ein Sieg das Land auf seine Seite ziehen und zur Erhebung bestimmen könnte. Wie aber siegen, da die verbündeten Freunde, vollauf in ihren eigenen schwierigen Situationen gesangen, nicht mehr zum Beistand imstande sind? In den Straßentämpfen von Moron verliert der auf- ständische Oberst des Asturien -Regiments mehrere hundert Mann. Aber der wesentliche Zug der Unternehmung und das ist Riegos Charakterzug zeigt sich darin, daß selbst Niederlagen nur vor- wärts treiben. Es gibt kein Zurück, die Flamme im Führer ist zu stark zum Verlöschen. Mit dem Rest seinesHeeres" setzt er den leidensvollen Propagandamarsch fort. Er wandert nach Cordoba aber dort endlich angelangt, kann die moralische Kraft des

Führers nicht mehr helfen: Strapazen und vor allem Erfolg­losigkeit haben die Widerstandsfähigkeit seiner Truppe ausgehöhlt. Die Soldaten ziehen nach Haus, in die Garnison, müde des un- stäten Daseins nur noch willens, von der Amnestie, die ihnen vom König zugesichert ist, zeitig Gebrauch zu machen. Jetzt scheint der Aufstand nur noch eine Idee, die im Herzen Riegos wohnt. Der besiegte Revolutionär zieht sich in die Berge zurück, lebt scheu wie ein Mörder. Die gewaltsame, übermenschliche Arbeit der letzten Wochen die Revolution selber... ist nicht alles verloren? Eine aufschlußreiche Pointe der Weltgeschichte bietet sich hier dem Betrachter: Während der Mann seine Sache verloren glaubt, hat sie im Zentrum des Landes eigentlich schon gesiegt. Sein Beispiel hat gewirkt, was es wirken sollte: Es hat den Tatgewillten in Madrid den Boden geschaffen, auf dem sich weiter voranschretten läßt. Der Ruf nach der Verfassung bricht unhemmbar los, er schallt bis in die Zimmer des Königs, der sich zur Nachgiebigkeit gezwungen sieht. Dieser Erfolg macht die Bewegung noch größer. Im ganzen Lande ist ihr Heller Widerschein sichtbar. Das Leuchten dringt auch in Riegos Versteck in der Sierra de Ronda. Ein gewaltigerer Umsturz in der Seele eines Menschen als jetzt in Riegos ist nicht denkbar. Der berauschende Duft dieser ver- späteten Frucht seines Heroismus macht ihn taumeln. Die Glut seiner Phantasie, die ihm vormals trügerisch im voraus den Erfolg vorgaukelte, ü b e r st e i g t jetzt noch das Maß des Ruhmes, der schon in Wirklichkeit lohendheiß ihm entgegenschlägt. Wo er, der Mann des Volkes, erscheint, stehende Tausende an den Wegen, nun, da auf eine zauberhafte Weise der Erfolg mit ihm ist, findet er Unterstützung in Hülle und Fülle. Selbst die Soldaten, die. sich seinen Aufrufen verschlossen hatten, können sich nun keinen rühm- licheren Führer mehr denken, als diesen Mann, den das Land mit Ehren überhäuft. Konnte es für den König unter diesen Umständen ein sichereres Mittel geben, seinen gefährlichsten Feind unschädlich zu, machen, als indem er ihn sozusagen in seinen Freund zu verwandeln suchte? Der Revolutionär wird zum�lariscal de campo"(Feldmarschalleutnant) befördert; jetzt untersteht chm die andalusische Armee. Die nationale Armee das heißt aber diesmal: die Revolu- tionsarmee war verwirklicht. Was mußten die Gemäßigten, die inzwischen ans Regierungsruder gelangt waren, dazu für Gesichter machen? < Wie erzählt wird, hat sich Riego in einer Audienz mit dem König männlich gerad gehalten. Der König bekam einige Wahr - heiten seltene Leckerbissen für einen Monarchen zu hören. Die republikanische Festigkeit die oberste Tugend, Unbestechlichkeit, wäre für Riego wohl zu proklamieren. Indessen löst sich jetzt aus dem Bilde des Mannes ein Charakterzug oder nennt man es richtiger eine Wirkung seines Temperaments? kurz, ein sehr menschliches und sehr verhängnisvolles Laster: das Uebergewicht der Persönlichkeit zuungunsten der Tätigkeit für die Masse. Es wäre für Riego und feine Anhänger vermutlich klüger gewesen, bei aller Entschlossenheit und Kraft doch nicht das provozierende Muskelspiel der Ueberlegenheit vor seinen Gegnern auszuführen. So aber lieferte er ihnen die Mittel in die Hände, ihn aus Madrid zu snt- fernen. Zum Generalkapitän von Galicien ernannt, wird er nach Oviedo im nordwestlichen Spanien geschickt um nichtverschickt" zu sagen. Er ist ein Spielball der Politik seiner Feinde aber das Rad der Ereignisse schwingt wieder herum: Seine Rehabilitie- rung wird zur polittschen Notwendigkeit. Er wird zum General- kapitän von Arragonien gemacht. Aber dies ist sein Schicksal: Wieder trägt ihn die Begeisterung des Volkes im mitreißenden Rausch über die Grenzen kluger, dem Ziele dienlicher Zurückhaltung fort wofern Riegos Leben sich nicht überhaupt jenseits solcher Vernunftsgrenzen entwickelt. Die Regierung hat allen Grund, die F-ssellosigkeit dieses Führers zu fürchten, die den Funken zur allgemeinen Entfesselung schleudern kann. Eine Verdächtigung gegen Riego. die seine revolutionären Pläne im aktuellen Stadium erscheinen läßt, gibt die Handhabe, ihn wieder dem Kreise seiner gefährlichen Wirkung zu entziehen. Die Folge davon daß sein Name den ihm ergebenen Waffen mächtiger noch als vorher zum Symbol der Befreiung wächst. E r ist gleichsam die Fahne, die auf keinen Fall verletzt, beleidigt oder gar verloren werden darf. Und so ist es durchaus natürlich, daß der Soldat zur Führung de» Kongresses berufen wird. Wie

vormals rettet sich der König aus seiner Verlegenheit, indem itVk' Hand, die ihn hinabstoßen will, scheinbar freundlich festhält. Riegos soldatische Tugenden, Unerschrockenheit und Zähigkeit» stützen ihn in seiner neuen Posstion aber sie gefährden ihn auch. Es ist eben der Soldat in ihm, der die Entscheidung durch die kürzeste, explosive Entwicklung sucht. Bedrohlich schwingt er sich auf die Stufen des Throns, der König fühlt die Grundstützen wanken aber das Wagnis löst naturgemäß die Gegenaktion der anderen Seite aus. Riego, der Soldat als Politiker, fordert, ja, zwingt Entscheidung, Stellungnahme, Bekenntnis der Parteien heraus. Der Mangel an diplomatischem Willen ruft einen Eingriff der Franzosen in die spanischen Verhältnisse hervor und nun ist die Armee präzise vor die Wahl gestellt, ob mit den Franzosen gegen Riego oder für ihn. Eine Spaltung des Heeres ist die Folge. Noch einmal, zum letzten, entwickell Riego den unnachgiebigen Siegeswillen, der ihn vom 1. Januar 1820 bis hierher getragen hat weniger als vier Jahre genügen für so viele Stürze und neue Erhebungen in einem Leben. Die ihm treuen Truppen führt er gegen die mit den Franzosen vereinigten Spanier. Er unterliegt. Und nun scheint das Rad seines Lebens um die Spanne der letzten drei Jahre zurückgedreht: Wieder, wie einst nach seinem andalusischen Marsch, verbirgt er sich in den Bergen. Er wartet auf die erneute Stunde der Revolution. Aber nicht die ersehnte gute Botschaft dringt in sein Versteck, sondern Soldaten, um ihn gefangen zu nehmen. Zwei Hirten um die auf seinen Kopf ausgesetzte Be- lohnung zu verdienen haben den gestürzten Mann des Volkes verraten. Ein grausiges Nachtftück ist der Weg, den Riego jetzt gehen muß. Wo sind die Klänge des Jubels, der freudigen Marschgesänge, die ihn sonst bei seinem Nahen am Eingang der Städte empfingen? Dies Spanien , das ihn nun auslacht, bespuckt, verhöhnt ist es dasselbe von ehemals? Wiederholt sich hier das abgeschmackte Spiel von der käuflichen, hin und her schwankenden Pöbelgunst? Null, es ist eben das andere Spanien , das den Ton der Musik jetzt be- stimmt und diese Musik reißt viele andere Melodien, die zu widerstehen nicht kräftig oder einfach nicht mutig genug sind, mit in ihren zerstampfenden Rhythmus. Ist das spanische Volk, das, vor Gier, den Helden von gestern fallen zu sehen, heute schon sein nachgeformtes Abbild durch die Straßen Madrids schleift, um es unter wollüstigem Seufzen und vergnügtem Heulen an den Galgen zu hängen? Oder ist es nur derjenige Teil der Massen, der dem republikanisch gesinnten Führer auch ehemals Feind war? Laßt uns dies letzte glauben, es wäre die geringere Schande. Wenige Tage nach dem Vorvergnügen folgt die Haupt- Vorstellung. Dieselben Straßen, die von dem freudigen, bewegten Spalier der Begeisterten bei jedem Erscheinen des Helden wogten, die von jubelndem Zuruf hallten dieselben Straßen sehen letzt denselben Mann, in einen Sack genäht, aus dem nur der Kopf herausragt, den Weg bis zum Galgen geschleppt. Will jemand bc- haupten, es gäbe in ganz Madrid keine Hundert, keine Tausend, die diese Schande nicht empfänden, mit der sich Spanien , nein, die Menschheit, selber beschmutzt? O doch, es gibt diese Hundert, es gibt diese Tausend... aber die Gewehre der königlichen Armee halten die Sprungbereiten in Schach . Nur in den Augen des Pöbels starb er in Schande. Menschen wie ihn adelt der Galgen. Seine Schuld war eine tragische. Er kämpfte seinen Kampf für die Republik als Persönlichkeit er wußte nichts von der selbstüberwindenden Mäßigung, die der Kampf für die Massen der zuletzt wieder ein Kamps für den einzelnen ist{ordert. Er mußte untergehen. Tyrannen sind nicht vom einzlenen aus bekampsbar der Wille der Millionen, die, bei aller individuellen Abgegrenztheit voneinander, in dem einen, revolutionären Gefühl eins sind: Nur dieser Wille, der für viele ein Opfer ist, kann die Menschen vom Schwärm der blutsaugerijchen Parasiten.befreien. Aber Don Rafael Riego lebte in einer zu frühen Epoche der Revolution, als daß er von sich aus den'Weg und das Ziel hätte finden können.__...

ä)a8 rveiße Ilashorn nird gefchillsl Wie es weiße Elefanten tris große Seltenhett grbt, so gibt es auch noch eine winzige Anzahl weißer Nashörner. Und zwar kommen diese klafstschen, höchsten Schutzes bedürftigenNaturschutz- den-kmäler" in dem Uganda -Protektoratsgebiet in Nordostafrika vor, in dem westtich vom Albertnil gelegenen Teil. Die. Regierung dieses englischen Territoriums wünscht, daß das seltene Tier sorgfältig erhalten werde, und hat zu seinem Schutz eine Verordnung erlassen, die selbst noch eine in Selbstverteidigung geschehene Tötung des weißen Nashorns ahndet. Wie es in der Verordnung heißt, sind Fälle vorgekommen, in denen Personen, die anderes Wild in diesen Gebieten jagten, in Selbstverteidigung weiße Nashörner getötet haben. Indessen ist dieses Tier nicht gewohnheitsmäßig angriff?- lustig, und ein geschickter und jorgfälliger'Jäger dürfte keine Schwierigkeiten haben, Angriffe zu vermeiden. Künftig wird der Gouverneur von Uganda Jagdscheine eines jeden aufheben, der ein weißes Nashorn tötet oder verwundet, selbst wenn er das unter Umständen getan hat, die nach den geltenden Bestimmungen keine Uebertretung bedeuten. Sehr originell ist die Einschärfung für Tierphotographen. Personen, die das Schutzgebiet betreten, um das weiße Rashorn zu photographieren, werden nämlich daraus auf- merksam gemacht, daß jede unnötige Betätigung gegenüber einem geschützten Tier, die geeignet erscheint, es zu stören, zu erschreckei öder in Wut zu versetzen, mit einer Geldstrafe von 100 Pfund»de- 6 Monaten Gefängnis, wenn die Uebertretung sich auf mehrere Tiere erstreckt, mit einer Geldstrafe von 2S0 Pfund oder 18 Monaten Haft geahndet wird. Es wird auch zur Kenntnis gebracht, daß es die Absicht der Regierung ist, gegen jeden, der ein weißes Nashorn als Folg« eines Versuchs, das Tier zu pholographieren, verwunde! oder tötet, ein Verfahren einzuleiten, es sei denn, daß vorher beim Gouverneur eine besondere Erlaubnis zum Photographieren ein- geholt worden ist. A. G.

Wie die Trichinose erkannt wurde. Im Januar 1861 erkrankten in München fünf Personen einer siebenköpfigen Familie unter Symptomen von Müdigkeit, Frost- und Hitzegefühl, sowie starkem Fieber. Die anfänglich gestellte Diagnose, Darmerkrankung oder Typhus, mußte wegen der völlig neuartigen Ueberempfindlichkeit der Extremitäten aufgegeben werden, deren reringste Berührung die heftigsten Muskelschmerzen ausloste. Schließlich wurden zwei der am stärksten befallenen Personen, bei denen Lungenasfektionen hinzugekommen waren, hinweggerasst, während die übrigen Familienmitglieder genafen. Die Sektion ergab, so liest man in der Umschau", die völlige Durchsetzung des Gewebes der willkürlichen Muskeln mit kleinen Würmchen, die. im Gegensatz zur richtigen Aus- sassung des Assistenten Dr. K. Weigel. der die Sektion kettende Professor nicht als Krankheitsursache ansah. Erst das Auftreten eines gleichartigen, ebenfalls zum Tode führenden Falles in Dresden brachte Professor Zenker dazu, diese bisher als harmlos angesehenen Würmchcn, die Trichinen, als Krankheitserreger zu erkennen. Diese Erkenntnis zog dann die obligatorische Fleischbeschau nach sich, wodurch eine Erkrankung an Trichinose bei ordnungsgemäßer Hand- habung der gesetzlichen Vorschriften heute zu den Seltenheiten gehört. Australien hat mehr als die zehnfache Zahl Schafe als Ein- wohner, und zwar sind etwa hundert Millionen Schafe vorhanden.