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Beilage

Sonnabend, 13. Juni 1931

Der Abend

Shalausgabe des Vorwärts

TECHNIK EROBERT

DIE EDER EINE LANDSCHAFT

zu

vervollständi gen. Gerade in den letzten Jahren find bedeutende Neuanlagen standen.

In Mitteldeutschland  , abseits von großen Verkehrsstraßen,| Unternehmen noch liegt das liebliche Tal der Eder  . Auf dem Massiv des Ederkopfes auszubauen und in Westfalen, wo auch die Quellen von Sieg und Lahn   liegen, entspringt dieser wenig bekannte Fluß und nimmt seinen Lauf durch Hessen  ( Regierungsbezirk Kassel  ) und das ehemalige Waldeck   vorbei an dem Heilbad Wildungen und der altehrwürdigen Bischof­stadt Frizlar  , und mündet unweit der Stadt Kassel   in die Fulda  . Von den Ausläufern des rheinischen Schiefergebirges reichlich mit Zuflüssen versorgt, bildet die Eder   mit ihrem Wasser­reichtum eine bedeutende Zubringerin für die Weser; besonders im Frühjahr und Herbst kann sie zum reißenden Strome werden, und das Flutgebiet im Unterlauf zeugt noch heute von Ueber schwemmungen und Hochwasser.

Mit dem zunehmenden Schiffsverkehr auf der Weser   ergab sich die Notwendigkeit, diesen wichtigen Zufluß zu regulieren. Um einen gleichmäßigen Wasserstand zu ermöglichen und gleichzeitig das Gefälle für technische 3mede nußbar zu machen, beschloß man die Anlage eines großen Staubedens. In der Nähe der Ortschaft Hemfurth  , wo das Tal nach einem breit ausladenden Becken sich start verengt und damit die günstigste Stelle für eine Talsperre bot, wurde im Jahre 1910 mit dem Bau begonnen. Eine riefige Staumauer von faft 50 Meter Höhe und entsprechender Stärke eine Fahrstraße führt jetzt darüber murde errichtet und iroz mancherlei Hindernissen Hochwasser, Frost, Terrain­

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Edertalsperre

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schwierigkeiten Die größte Tal­in menigen Jahren vollendet. Sperre Europas   war damit geschaffen. 25 Kilometer Tal wurde in einen See verwandelt, fruchtbares Land geopfert; blühende Ortschaften mußten verlassen und zerstört, die Bewohner

an anderer Stelle wieder neu angefiedelt werden. Heute noch tann man in dem flaren Wasser die Ueberbleibsel des früheren Bring­ hausen   erkennen.

Wer in die Gegend von Kassel   fommt, soll nicht unterlassen, die Talsperre zu besuchen. Der Edersee, diejes fünstliche Beden, wird ihm ein unvergeßliches Erlebnis bleiben. Man glaubt, an einem Alpensee zu stehen, so flar und farbig ist das Wasser, so fräftig spiegeln sich Berge und Wälder darin wider. Das vielfach gewundene Tal zeigt immer wieder wechselnde Formen und eröffnet ständig neue Perspektiven und Ausblicke. Dort, wo früher die Seitentäler und Zuflüsse mündeten, schneiden jetzt spiegelnde Buchten tief in das Land ein. Felspartien ragen wie Inseln und Riffe aus der Wasserfläche hervor. Als Abschluß liegt dominierend auf waldiger, steiler Höhe die alte Feste Waldeck   über dem breiten Endbeden vor der Sperre. Jmponierend sind die Ab­messungen dieser umgeformten Natur Rund 2 Millionen

Staurverk Affolderu

Rubikmeter Wasser faßt das Becken, die Tiefe erreicht fast 40 Meter; das Gefälle an der Staumauer schwankt zwischen 17 und 41 Meter.

Vielfach sind die Vorteile dieser großzügigen Anlage: Die Hochwassergefahr ist so gut wie beseitigt, die Wasserzufuhr zur Weser  einheitlich gesichert, der Wasserüberschuß im Frühjahr und Herbst aufgespeichert. Ferner ist ein See geschaffen worden, an dessen idyllischen Ufern die einstmals ärmlichen Dörfer sich zu lebhaft be= suchten Sommerfrischen und Kurorten entwickelt haben.

Der entscheidende Gewinn ist jedoch die neu erschlossene Kraftquelle: Aus dem konzentrierten Gefälle werden zwei Elektrizitätswerte getrieben, die eine Leistung von 20 000 Kilowatt verbürgen. Das erste Wert Hemfurth I wurde im Jahre 1914 in Betrieb genommen, das zweite erst nach dem Kriege. Eigentümerin ist die Preußische Elektrizi täts A. G.( Preag), die weiterhin bemüht ist, das fruchtbare

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AUSGLEICH BECKEN

Unterhalb der großen Talsperre ist ein zweites Beden angelegt worden, um die Wasserabgabe an die Weser   noch besser regulieren zu fönnen und das weitere starte Gefälle der Eder rationell zu ver­werten. Zugleich sollte es Entnahmebeden merden für die Itung ein: der Strom fließt zurüd aus den kleinen Zentralen, die anschließende Errichtung eines Speicherfraftmerfes. In einer Länge von 6 Kilometern zieht sich dieser zweite Stausee tal­abwärts bis zu dem Dorf Affoldern  , allerdings nicht in ganzer Talbreite; ein fräftiger Staudamm trennt ihn von dem Gelände ab. Am Ende ist eine starke Wehranlage mit Kraftwerf errichtet. Bei einem Gefälle von 7 bis 9 Meter läuft hier eine Turbine mit getuppeltem Generator, der zirka 2500 Kilowatt er­zeugt. Diese Anlage entstand in den Jahren 1928 bis 1929. Im Anschluß daran wurde mit dem Speichertraftwert. Bringhausen   begonnen.

Eine Zentrale ist hier im Bau begriffen, wo der Strom, nicht wie in Hemfurth   und Affoldern  , direkt durch das Edergefälle erzeugt wird, sondern die Wasserkraft durch anderseitig gelieferte Elektrizität erst energiebringend aufgespeichert werden muß.

Es ist ein Nachteil der Dampffraftwerke, daß sie einen un­unterbrochenen Betrieb erfordern und in den Nachtstunden sowie an Sonn- und Feiertagen leerlaufen müssen, das heißt ihren Strom nicht absetzen können, während sie zu den Haupttageszeiten, morgens und abends, nicht Strom genug liefern können. Das mußte zu dem Gedanken führen, Energie aufzuspeichern, um Spigenleistungen zu ermöglichen.

Die Erfahrungen, die man mit Akkumulatoren gemacht hatte, waren schlecht und ließ diese Form der direkten Stromansammlung bald wieder aus der Praxis verschwinden. Vorteilhafter erwies sich schon das Verfahren, überschüssigen Dampf in isolierte Be hälter zu faffen, wie etwa in der berühmten Ruthfpeicheranlage im Kraftwerk Charlottenburg  . Nach den letzten Erfahrungen ist die Methode, Wasserkräfte aufzufpeichern, die meitaus rationellste.( Allerdings ist das nur in bergigem Gelände möglich.) In höher gelegene Baffins wird in den Leerlaufftunden Wasser hinaufgepumpt, um dieses Kapital von Energie in den starten Verbrauchszeiten wieder zu verwenden. An der Eder entsteht bei Bringhausen   so ein Speicherkraftwerk. Es hat auf der Welt kaum feinesgleichen.

300 Meter über dem Spiegel der Eder, in der Nähe von Neu- Bringhausen, ist ein Beden von mächtigen Dimensionen angelegt worden. In einen Berg­sattel eingebaut, braucht es nur an einer Seite durch eine Mauer ab­In dieses geschlossen zu werden. Hochreservoir sollen die vereinigten Dampfkraftwerke der Breag( Hessen­Nassau, Hannover  , Westfalen  ) wäh= rend der Feierstunden das Wasser aus dem unteren Ederbecken hinauf­pumpen. Zwei Druckrohre Don 2,5 Meter Durchmesser bei einer Länge von rund 1000 Meter stellen die Verbindung her Don Beden und Maschinenhaus( Kraft- und Pumpwerk), das zwischen Hemfurth  und Affoldern   errichtet wird. Vier Maschinensäge tommen hier zur Aufstellung, bestehend aus je einer Turbine von 40 000 Pferdefräften, direkt verbunden mit der elektrischen Maschine, die zweifache Arbeit zu leisten Dermag: sowohl strom­erzeugend ihr eigentlicher Zweck als auch motorisch zum Antrieb der Bumpe, mit der sie automatisch gefuppelt werden kann.

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Riesige Energiemengen können hier umgesetzt werden. In elektri­schen Einheiten ausgedrückt, fann bas Wert 115 000 Kild­watt leisten. Dementsprechend groß ist auch sein Aktionsradius. Das ganze Gebiet der Preußischen Elektrizitäts A.-G., das von der Dstsee bis zum Main  , von der Elbe bis nach West=

falen reicht, wird von hier aus zu den Hauptverbrauchszeiten mit Strom versorgt werden. Das Werk steht sozusagen im Lieferungsverhältnis zu den Dampfkraftanlagen, die dadurch be deutend rentabler werden und vor der Ueberlastung gesichert sind.

Eine Arbeitsgemeinschaft der fräfteerzeugenden Stätten der Preag ist so entstanden, die in dem Speicherfraftwerk Bringhausen ihren Mittelpunkt hat. Man vergegenwärtige fid) nur diesen ungeheuren Kraftwechsel, dieses Fort- und Zurück, Auseinander- und Zu­fammenfließen der elektrischen Energie. Für die Spitzenleistungen am Abend haben die Wassermengen mit dem Gefälle aus der mächtigen Höhe die enorme Arbeit geleistet, den Strom Hunderte Don Rilometern im Umkreis in das Land geschickt, um die fleinen Werke zu unterstützen, da segt in der Nacht die Umschal

Maschinen des Speicherwertes, die kurz vorher noch Strom ge­liefert haben, werden zu Verbrauchern. Als Motoren sehen sie die gewaltigen Pumpen in Bewegung, um das Wasser, das vorher treibende Kraft mar, wiederum auf die Höhe hinauf zu treiben; nach kurzer Ruhe tritt dann der Wechsel des gewaltigen Spieles wieder ein.

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Auf der Abbildung von Bringhausen   sehen mir die Maschinenhalle mit Werkstatt und Nebenräumen 135 Meter lang umgeben von gewaltigen Eisenmasten und Tragekonstruktionen. Sie bilden das Gerüst für das Schaltwerk, diese wichtige Verteilungs-, Umformungs- und Sicherungseinrich tung, die sonst wohl in Gebäuden, hier, aber auch vielfach ander­märts, im Freien aufgebaut mind; aus Raummangel ist sogar das Dach mitverwendet worden. Hoch oben sind die Sammelschienen aufgehängt. Auf kleinen Gerüsten stehen die Spannungswandler, Spulen und sonstige Apparate, die wiederum mit den Transforma­toren und Delschaltern, die hinter dem Gebäude aufgestellt werden, verbunden sind. Hier wird der Strom umgeformt und über mächtige Fernleitungen dem Verbrauchernetz zugeführt, resp. er fließt aus dem Lande hier zusammen und wird wieder umgeformt für die motorische Arbeit des Pumpwerkes.

In Hemfurth  , Affoldern   und Bringhausen   hat die Preag eine eigenartige Vereinigung verschiedener Wasserkraftwerke geschaffen, die zusammen eine Leistungsfähigkeit von 210 000 PS darstellen. Berlin   ist infofern an der Anlage beteiligt, als die Siemens­Schudert Berte für Bringhausen   und Affoldern   General­unternehmer sind und auch für die Kraftwerke Hemfurth   die elek­trische Einrichtung geliefert haben.

Noch im Laufe des Sommers soll der erste Maschinensatz von Bringhausen   in Betrieb genommen werden. Ein geniales Werk geht damit seiner Vollendung entgegen, das nicht nur in Deutsch­ land  , sondern auch im Auslande gebührende Achtung und Be­wunderung finden wird.

( Text und Zeichnungen von Hugo G. Müller.)

Speicherwerk Bringhausen