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Wirbelfiurm im Westen Bisher ein Toter und über 40 Verletzte Oer Mord an der Mutter Die Mordkommission der Polizei sagt aus
Vletkenberg, IS. Zmtt. Da» Tost der Elf« zwischen herscheid und Holthausen wurde gestern abend von einem furchtbaren wirbelsturm heimgesucht, der mit ungeheurer Geschwindigkeit dochinbranste, Häuser- dächer über 100 Meter weit durch die Luft davontrug. Bäume eut- wurzelte und Mauer- und Giebelwände zum Einsturz brachte. Dachziegel und Dachsparren wurden durch die Luft gewirbelt. Türen und Fensterscheiben eingedrückt und schwere Balten prasselten zu Boden. Aus dem Bahnhos Plettenberg -Oberstadl wurde ein Güterschuppen dem Erdboden gleichgemacht und ein schwerer Eisenbahnwaggon au» den Schienen geschleudert. Eine in der TlShe liegende Fabrik wurde vollkommen zerstört. Zu dem von dem Wlrbelsturm betroffenen Gebiete ist nach den bisher rorliegenden Meldungen eine Person durch einstürzende Mauern um» Leben gekommen, lieber 40 Personen erlitten durch einstürzende Mauern und durch umherfliegende Steine und Balken mehr oder weniger schwere ver- l e h u n g e n. Der Sachschaden Ist nngeheoer grotz; man schätzt ihn aus fast ein« Million Mark. Am schwersten wurde Plettenberg - Oberstadt. Holthausen und h e r s ch e i d heimgesucht. In diesen Ortschaften wurden 120 bi» 140 wohn- Häuser und Nebengebäude schwer beschädigt. Die Dächer von sieben Fabrikgebäuden wurden abgedeckt und deren Einrichtung schwer beschädigt. Die Drahlfiistsabrik von pickardt ist vollkommen vom Erdboden verschwunden. Wald durch Wirbelsturm vernichtet. Rastel, 18. Juni. Ein Wirbelswrm hat am Mittwochabend im Waldgebiet der Lahnwerke, zwischen hassenhausen(Kreis Lumbda) und Staufenberg , furchtbare Verheerungen angerichtet. Etwa 40 Morgen alte über 40 Meter hohe Fichten mit meist ein bis zwei Festmetern wurden vernichtet. Der Sturm hob die Stämme entweder aus dem Boden oder knickte sie in Mannshöhe ab, so daß der alte herrliche Fichtenbestand jetzt ein Ehaos von kreuz und quer durcheinanderliegen- den Stämmen bildet. Es handelt sich um öOOO Festmeter Fichten. Lleberfall aus Gsldbriesträger. Zwei jugendliche Täter festgenommen. Zu den heutigen Vormittagsstunden wurde der SZjährige Ober- geldbriefträger Friedrich Assahk aus der Tilsiter Straße 76, al» der Beamte den Flur des Hauses kopernikusstrahe 10 be- trat, von zweijungenBurfchen überfallen. Die jugend- lichen Räuber versuchten den Geldbriefträger niederzuschlagen und ihm die Geldtasche zu eotrcißeu. Es gelang dem Ueberfallenen jedoch. sich von seinen Gegnern zu befreien, eine Pistole zu ziehen und die Banditen in die Flucht zu jagen. Beide konnten im Laufe der nächsten Stunden festgenommen werden. Die Täter, ein 2l Jahre alter Schmied Fritz M. au» der Gabels- bergerstraße und der 22jährige Arbeiter Erich F. aus der Memeler Straße, sind seit Jahren arbeitslos. In ihren Familien herrscht, wi« festgestellt wurde, bittere Not, und so mögen die beiden jungen Burschen auf den Plan gekommen sein, sich durch einen Ueberfall Geld zu beschaffen. Als heute der Beamte gegen �49 Uhr den Hausflur Kopernitusstr. 10 betrat, stürzten aus einer Nische zwei Burschen hervor und versuchten, den Beamten zu Fall zu bringen. Als das nicht gelang, umklammerte einer der Täter den Geldbriefträger von hinten, während der andere mit einem Sandsack auf sein Opfer einschlug. Die beiden Uebeltäter waren aber an den Unrechten gekommen. Assatzk setzte sich heftigzur Wehr und er tonnte seine Pistole ziehen, so daß die beiden Burschen, als sie sahen, daß ihr Plan gescheitert war. die Flucht ergriffen. Anläßlich der Uebersälle, die in der letzten Zeit in verschiedenen Städten auf Geldbriefträger verübt worden sind, Hot die P o st e i n e �Bewaffnung durchgeführt. Die Geldbriefträger tragen meistens einen Gummiknüppel und eine Pistole bei sich. Diese Vorsicht hat jich hente bewährt.
Für die Schuld des Angeklagten und für die Beurteilung des Zustandes, in dem er sich während der Tat befunden, ist mit von entscheidender Bedeutung, welche Darstellung er von dem blutigen Ereignis bei seiner ersten Vernehmung bei der Kriminalpolizei ge- macht hat. Darüber wurden heute morgen die Beamten der Mord- kommission gehört, als erster Kriminalkommissar Nebe. Zu Beginn der Verhandlung richtete der Vorsitzend« an den Angeklagten folgend« Worte: In der Voruntersuchung hat auch die Frage eine Nolle gespielt, ob zwischen Ihnen und Ihrer
ItluUermörder �hietecke bei der Jlusfage, neben ihm fein Verteidiger Mutter nicht besondere Beziehungen bestanden hätten. Sie haben das bestritten. Sie bestreiten es auch heute noch. An» geklagter: Ja, ganz entschieden. Vors.: Sie haben erklärt, daß es gor nicht in Ihrem Wesen liegen würde. A n g e k l.: Ja. Kommissar Nebe sagte sodann aus, daß er am Morgen des 7. August davon benachrichtigt wurde, daß der Angeklagte sich ge» stellt und erklärt habe, er habe seine Mutter in Notwehr getötet, sei von ihr mit der Pistole bedroht worden, sei ihr zuvorgekommen und habe sie erstochen. In dem Polizeirevier fand der Kriminal- kommissar die Pistole vor; im Laui befand sich eine Patrone. Die Kriminalpolizei schritt nun zur sachlichen Feststellung und dann zur Vernehmung de» Angeklagten. Er schilderte seine Jugend, seine Kindheit, die hysterischen Anfälle der Mutter, beschuldigte sie u. a. der Sodomie. Er habe sie nicht für zurechnungsfähig geHallen und den Eindruck gehabt, sie wolle ihn beseitigen. Seine Darstellung schien in vielen Punkten übertrieben, in manchen Punkten tonnte er sie auch nicht aufrechterhalten. Er hob besonders hervor, daß die Mutter gegen seine Heirat gewesen sei und ihn in der letzten Zeit gehaßt habe. Ueber den 6. August erzählte er, daß er bereit» am Morgen mit der Mutter eine Auseinandersetzung gehabt und es u. a. abgelehnt habe, ihr die 20 Mark zu geben, die sie be- nötigt«, um zur Beerdigung ihrer Schwester nach Chemnitz zu reisen. Als er abends nach Hause kam, setzte er sich zur Mutter in das Badezimmer. Kriminalkommissar Nebe hebt nun ganz besonders diejenigen Punkte hervor, in denen sich die jetzige Darstellung de» Angeklagten von der früheren unterscheidet und die dem Beamten bereits bei der Vernehmung widerspruchsvoll erschienen. So hatte Thtelecke z. B. ausführlich erzählt, wie die.Mutter, als er auf dem Klosettdeckel saß, plötzlich einen Gegenstand genommen hat, der hinter einem Tuch versteckt war und er ein klickendes Federgeräusch vernommen habe. Als er am nächsten Morgen m das Badezimmer gekommen sei, habe er aus dem Stuhl den zum Trockueu hingelegten
Revolver gesehen. Erst als ihm im Laufe der Vernehmung vor- gehalten worden sei, daß das mit der Pistole unmöglich stimmen könne, habe er diese Darstellung fallen gelassen. Auch in den an- deren Punkten erschien die Darstellung des Angeklagten sehr Zweifel- Haft: Er wollte seinen rechten Arm unter die Badewanne gesteckr haben, um die Seife hervorzuholen. Seine rechte Hüfte mußte also der Richtung des rechten Armes gefolgt sein: da konnte aber die in der Badewanne sitzende Mutter unmöglich den Dolch au» der Scheide gerissen haben: er habe immer wiederholt, er besinn« sich auf alles bloß wie im Nebel. Als er dann am nächsten Morgen aufgewacht sei, sei ihm in Erimurung gekommen, daß er im hause ja eine Mumie habe. Er habe daran gedacht, sie nach mexikanischem Ritus zu beerdigen, da« geschehe aber stets im Raum«, in dem der Mensch gestorben sei. Dem Kriminalkommissar ist auch die Ruhe und Sachlichkeit aufgefallen, mit der der Angeklagte den Hergang der Tat geschildert habe. Rechtsanwalt Dr. Mendel macht dem Zeugen verschiedene Vor- Haltungen aus dem Vernehmungsprotokoll. So bat die Mutter z. B. gesagt, man solle ihr aus dem Weg« gehen, ihr Gehirn brenne. Sie habe einen unbändigen Haß gegen die„Weiber" und gegen das Gebären von Kindern geäußert. Sie hat den Standpunkt ver- treten, eine Heirat sei unsittlich: sie wolle mit dreckigen Weibern nicht» zu tun haben, die Bälger müßten vernichtet werden. Sie sei bereit, für den Mann, den sie liebt, jedes Opfer zu bringen, auch den Sohn zu töten. Ferner hatte der Angeklagte bei der Vernehmung ausgesagt, di» Mutter habe versucht, Material gegen ihn zu be- schaffen, um ihn ins Irrenhaus zu stecken. Er habe seinerseits versucht, die Mutter in die Irrenanstalt zu bringen, weil er sie für geisteskrank gehalten habe. Aus eine Frage Sanitätsrats Dr. Leppmann erwidert der Zeuge: Ich habe den Angeklagten 24 Stunden nach der Tat vernommen: seine erste Vernehmung fand 12 Stunden nach der Tat statt. Es kam dann folgender von dem Angeklagten niedergeschriebener Traum zur Verlesung, den er im Untersuchungsgefängnis hatte: Ich lag auf der Ruhestatt, das Bett stand links an der Wand, über mich beugte sich meine Frau, ich wollte sie streicheln, plötzlich stellt sich ein Körper zwischen sie und mich. Es war Marham(so nannle der Angeklagte früher die Mutter). Von dem lähmenden Schreck wurde ich wach. Das war am Uebergang von Mittwoch auf Donnerstag. Wehe, wenn sich das jeden Mittwoch wiederholen sollte. Ich habe Angst vor dem Irrsinn. Außer dem Kommissar Nebe ist am heutigen Tage eine große Anzahl von Zeugen geladen, darunter auch dieFr�iu des Angeklagten, feine Tante Paulinka, die Witwe seines Vaters Frau Krüger, sein bester Freund Ben Gorian und dessen Mutter.
Hindenburg graiulieri Ooumer. Wiederherstellung der Höflichkeit zwischen dem deutschen und französischen Staatspräsidenten. Reichspräsident von Hindenburg hat, wie amtlich mitgeteilt wird/ dem neuen Präsidenten der französischen Republik, Paul Doumer , au» Anlaß seines Amtsantritts ein Glückwunschtelegramm gesandt. Der französische Präsident hat dem Reichspräsidenten sofort gedankt. * So unwichtig man die Höflichkeitsbezeugungen zwischen Staats- oberhäuptern auch nehmen mag, so sind sie doch ein sicheres Kenn- zeichen dafür, ob die Beziehungen zwischen zwei Staaten wieder völlig normal geworden sind. Als Eberl von der Nationalvcrsamm- lung und Hindenburg durch Volksabstimmungen zum Präsidenten der Deutschen Republik gewählt wurden, hat der französische Staats- Präsident diese Aeußerung der Höflichkeit unterlassen; ebensowenig hatte der Reichspräsident in früheren Jahren den neuen französischen Staatspräsidenten zum Amtsantritt gratuliert. Auch vor drei Jahren erhielt zum 80. Geburtstag der Reichspräsident aus Frankreich keinen Glückwunsch. Es ist deshalb zu begrüßen, daß die Reichsregierunz jetzt die Initiative ergriffen hat, um beim Amtsantritt Doumers die deutsch -französtschen Beziehungen in dieser Hinsicht zu normalisieren,