ÜSeila�e Donnerstag, 18. Juni 1931
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4-ugen Leöerer:
Ilm ö»e Nuhrkmöer
In Nr. 1(1S31, 7. Jahrg.) der„Z e ch e n- Z e i t u n g' der Rheinischen Stahlwerke feiert ein Verfasser„B." die Verbringung erholungsbedürftiger Ruhrkinder in Landaufenthalt als ein„großes Werk der Nächstenliebe'. Er redet von..glänzenden Er- fahrungen', weil er bei dem An- und Abtransport eine..herzliche' Begrüßung und Verabschiedung zwischen den Pflegeeltern und Kindern beobachtet hat. Er schwenkt..das rote Tuch', weil er Tat- fachen, die das„Hilfswerk' alles andere denn als ein Werk der Nächstenliebe kennzeichnen, hilflos gegenübersteht— und schreibt: „Es ist durchaus unberechtigt und den Tatsachen völlig wider- sprechend, wenn linksgerichtete Zeitungen aus Berlin usw. sich über diese Kinderunterbringung in ungehöriger Weise auslassen und nur völlig unnütze Erregung in die maßgebenden Kreise hineinbringen. Aber mit der Wahrheit halten diese Leute es nicht so genau, sie lassen sich von einem Uneingeweihten die Ohren vollhängen und posaunen dann den schönsten Unsinn in unverantwortlicher Weis« in die Welt hinaus." Diese unsachlichen Ausführungen lassen immerhin daraus schließen, daß bei der Ruhrkinderverschickung mitunter Interessen wirksam sind, die mit der vielgerühmten Sorge um das Wohlergehen der Kinder nichts zu tun haben. Was hat denn die Landunterbrin- gung für die Kinder und die Ausnahmefamilien in Wahrheit zu bedeuten? Die im„Abend" veröffentlichten, gegen die dilettantische Verschickungsaktion gerichteten Aufsätze beruhen keineswegs aus einer SpezialMeinung des Verfassers. Man höre doch nur, was Fachleute und Kenner der ländlichen Verhältnisse zu dieser Landunterbringung von Stadt- und bzw. Ruhrkindern zu sagen haben. Die nachfolgenden Aeußerungen stammen zum Teil von Kreisfsirforgerinnen, Landlehrern, Kreisjugend- pflegern, Sandpfarrern, Amts« und Gemeinde- Vorstehern, Vertrauenspersonen von Kreis- jugendämtern.Landjägereibeamtenundanderen. Mögen sie auch denen, die die„Kulturwidrigkeit' dieses Verschickung«- systems noch nicht genügend erkannt haben, endlich die Augen öffnen. Da wird gesagt: „Die Ruhrkinder sind miserabel untergebracht. Sie haben keinen Schrank, kein Schubfach für Kleidtr und Wäsche. Viel- fach werden die ihnen zugewiesenen Aufenthaltsräume noch zur Ab- stellung von Geräten und altem Gerumpel benutzt. An die k ö r p e r- liche Leistungsfähigkeit der Kinder werden über Ge- bühr hohe Anforderungen gestellt. Im günstigsten Falle stehen sie morgens um 6 Uhr auf und gehen um 9 Uhr abends zu Bett.' „Die Kinder(elf- bis dreizehnjährige Mädchen) haben die völlige Arbeit eines Dienstmädchen» zu oerrichten: Reinigen der gesamten Wohnung, Versorgen der vorhandenen Klein- linder. Sie erhalten keinen Pfennig Geld.' „Der Unterricht wird durch die Ruhrkinder sehr erschwert. Sie kommen müde und abgespannt zur Schule. Schularbeiten werden meistens nicht gemacht. Offensichtlich werden sie mit Arbeit überla strt.* „Die Kinder müssen vor der Schul« Vieh füttern. Don den Handarbeit»- und Spielnachmittagen werden sie ferngehalten. Do» Geld zur Beschaffung der notwendigsten Lernmittel wird ihnen von den Pflegeeltern nicht gegeben.' „Die Kinder werden nur in dem Gedanken aufgenommen: Das sind einige Hände mehr in meiner Wirtschaft, die kann ich gut gebrauchen.' „Die Kinder werden stark in der Landwirtschaft be- schäftigt. Aber die Arbeit läßt wenigstens keinen Unfug auf- kommen, zu dem die meisten Ruhrkinder neigen."(!) „Da die Ausbeutung der Kinder auch bei schärfster Kontrolle nicht verhütet werden kann, sollte die Verschickung der Ruhr- linder grundsätzlich unterlassen werden.' „Die Kinder machen einen verwahrlosten Eindruck. Beim Landwirt ist gegen 4 Uhr die Nacht vorbei.' In anderen Fällen wird darüber geklagt, daß die Kinder schmutzig, auch mal mit Ungeziefer behaftet in die Schule kommen und schlechtes, unsauber zubereitetes Essen erhalten. Dann heißt es wieder:
„Die hier untergebrachten Kinder sind Hilfsschüler. Ein Umschulungsschein fehlt. Sie hoben keine Hefte, kein Schreibzeug. Die Ausstattung der Kinder mit Lernmitteln macht große Schwierig- kciten. weil die Landwirte das Geld dazu nicht hergeben.' „Die Uebcrweisung von Ruhrkindern ist nicht zu verantworten. Von Pflege und Erziehung kann keine Rede sein. Als sie im vorigen Jahr im Dorf spazieren gingen, wurde dies als Sünde bezeichnet." „Eine schulische Versorgung der zwanzig Ruhrkinder besteht nicht. Die vorhandene Schule reicht knapp für die einheimischen Kinder aus. Nicht schulfreundlich eingestellte Land- wirte finden das in Ordnung." „Die Ausnutzung der wehrlosen Ruhrkinder ist unerhört. Sie werden von der Schule abgehalten, in der Haus» und Landwirtschaft oder beim Dreschen beschäftigt. Auch hören und lernen sie nichts Gutes." „Gegen die Unterbringung von Ruhrkindern muß ich mich ganz entschieden aussprechen. Niemandbehandeltsiepfleglich. Sie müssen nur schwer schuften." „Ungewaschen, mit zerrissenen Kleidern, verdreckten Schuhen und schmutziger Wäsche gehen die Kinder zur Schule. Es fehlt jede erziehliche und hygienische Beeinflussung- Es ge- hört ins Reich der Phantasie, wenn die Pslegestellen als Erholungs- stellen für die Kinder bezeichnet werden. Die Kinder werden nur als Arbeitskräfte behandelt. Die Arbeitszeit dauert von ZUHrfrühbisIv Uhrabends. Ist das nicht entsetzlich traurig und empörend zugleich?" „Es ist nicht mit anzusehen, wie die Kinder, die in schlechten Schlafräumen untergebracht sind, bei schlechter B«- Handlung unter der harten Arbeitsleistung, die von ihnen verlangt wird, zu leiden haben. Schulpflichtige Kinder sollten den Bauern grundsätzlich nicht zugewiesen werden."
„Die Kinder sind außerhalb der Schule nur schädigenden Einflüssen ausgesetzt. Die Landwirte bevorzugen selbstver- stöndlich Schulentlassene. Ich muß mich aber auch gegen deren Zuweisung aussprechen, weil sie ebenfalls nur als k o st e n- lose Arbeitskräfte ausgebeutet werden." „Für die Ruhrkinder auf dem Lande bleibt nach meinen viel- festigen Beobachtungen die ihnen in Aussicht gestellte Erholung eine Fata Morgan a. Wer die Not der Landwirtschaft kennt. weiß, daß die zur Pflege überwiesenen Kinder vom frühen Morgen bis in den späten Abend hinein arbeiten müssen, ohne auch nur die geringste Entschädigung dafür zu er- halten. Soll eine abgerissene Hose oder ein schlechtes Kleid für eine Jahresarbeit als Geschenk oder gar Arbcitsver- güwng anzusprechen sein?" „So wie ich die Sache sehe, bedeutet die Landunterbringung sür die Ruhrkinder nichts anderes als die Ableistung eines Arbeitsdienstes, der sich auf neun Monate, ein Jahr oder noch länger erstreckt. Wo bleibt da die Erholung, die man den Kindern verspricht und die ihre Eltern für sie erhofsen! Soll denn ein neuesHeerFürsorgebedürftiger gewaltsam heran- gezogen werden? Die Schädigung, die diesen Kindern widerfährt, bedeutet letzten Endes doch Schädigung des Volkskörpers." Durch diese Aeußerungen ist die wirkliche Sachlage genügend charakterisiert. Sie könnten betrübend lang fortgesetzt und durch be- sonder» krossc, aber typische Einzelfälle ergänzt werden. Warum die Ruhrkinder auf dem Lande im Rahmen der gegenwärtigen Unter- bringungsart zwangsläufig ausgenutzt werden müssen, ist im„Abend" vom l. Juni 1931 in dem Aufsatz„Ruhrkinder wieder auf dem Lande!" nachgewiesen worden. Mögen sene grund- sätzlichen Erörterungen durch die hier wiedergegebenen Aeußerungen verdeutlicht werden. Mit vorbeugenden erholungs- oder gesundheits- fürsorgerischen Grundsätzen, mit dem Volkswohl ist es niemals vereinbar, daß schulpflichtige, irgendwie bereits geschädigte, als er- holungsbedürftig deklarierte Kinder als Arbeitskräfte auf dem Lande Verwendung finden. Zudem noch in einer Zeit bedrückendster Arbeitslosigkestl
Fensterscheiben«nöSchnlorönnng
Ich bedauere es, so begann ich meine Rede in der Schüler- Vertreterversammlung, daß ich erst heute mit meinen Sorgen zu Euch komme; vielleicht, nein sicher hätte ich es schon früher tun sollen. Mit einer Kleinigkeit will ich den Anfang machen, und wenn wir uns verstehen, werde ich mich häufiger bei Euch sehen lassen. Und nun setzte ich den SV Jungen und Mädchen, den Vertretern von KSl) Kindern, auseinander, wie die Zahl der zerbrochenen Fensterscheiben merkwürdig groß sei, entschieden recht viel größer, als sie bei einem ordnungsmäßigen Kaputtgehen zu sein hätte. Gewiß, Scheiben gingen immer entzwei, das sei nicht ver- wunderlich, und die Glaser müßten auch Arbeit haben-, aber in unserem Falle sei es wirklich zu schlimm. Einige Kinder nickten verständnisvoll. Andere taten ziemlich desinteressiert, als ob st« es nicht für so sehr wichtig hielten und auch nicht für merkwürdig bei solch zerbrechlichem Material. Kleine Pause.— Niemand meldete sich zu meiner Unter- st ü tz u n g oder zur Abwehr oder mit S ch u tz m a ß- nahmen. So mußte ich denn selbst Vorschläge andeuten: Gitter an den gefährdeten Stellen, polizeiliche Ueberwachung der Straßen in den Nachmittagsstunden, bessere Unterrichtung der Klassen über den zum mindesten der Schulleitung unangenehmen Sachverhalt, straffere Ordnung und mehr Aufsicht beim Spiel... Weiter brauchte ich nicht zu sprechen. Die Wortmeldungen wurden zahlreich und dringend. Gleich der erste Redner stürzte sich mit Eifer ins Gefecht. Wenn es darauf hinausliefe, eine neue Liste von Geboten oder Verboten zu schaffen, so mühte er sich von vorne- herein energisch dagegen wenden. Macht man bei jeder Kleinigkeit eine Vorschrist, so braucht niemand mehr über sein Tun und Lassen nachzudenken. Je mehr Gesetze, desto weniger Selbständigkeit. In unserer Schule gibt es überhaupt zu viel Anordnungen und Aufsicht. Auf dem Spielplatz, an den Treppen, auf den Fluren, in
-Lmpreisausschrelben öcs ftOHV.
Die Einsicht in die inneren und äußeren Schwierigkeiten, mit denen die deutsche studierende Jugend zu kämpfen hat, hat den A l l- gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund veranlaßt, ein Preisausschreiben zu erlassen, das den jungen Studie- renden ermöglichen soll, sich intensiv mit konkreten Fragen des modernen deutschen politischen Lebens zu beschäftigen. Es handelt sich um Fragen, deren Beantwortung gleicherweise geeignet ist. die Beziehungen zwischen der akademischen Jugend und der Arbeiter- schaft zu vertiefen und die jungen Studierenden anzuregen, an der Lösung von Problemen mitzuarbeiten, die das Leben selbst, der Kampf um ein neues deutsches Arbeits- und Wirtschaftsrecht, aufge- warfen hat. Das Preisausschreiben stellt folgende Aufgaben: l. Der Meinungsstreit um die Wirtschaftsdemokratie feit dem Hamburger Gewerkschaftskongreß. Der Gedanke der Wirtschaftsdemokratie, wie er auf dem Ham- burger Gewerkschaftskongreß(1928) und in dem Buche„Wirtschafts- demokratie" behandelt worden ist, hat in der Oeffentlichkeit lebhasten Widerhall gefunden. Die gegen den Gedanken erhobenen Einwände, Gegenvorschläge, Ergänzungen usw. sind systematisch darzustellen und kritisch zu würdigen. An eine geschichtliche Darstellung ist nicht gedacht. Ausführliche Zitate sind zu vermeiden. Wichtig ist eine knappe, übersichtliche und klare Systematik. Genaue Hinweis« im Text und ein Literaturverzeichnis sind erforderlich. 2. Wirkungen des modernen Arbeitsrechts auf die Rechtsgestallung der Sozialversicherung. Auszugehen ist bei der Behandlung des Themas von den wesent- lichen Grundgedanken, die sich im Arbeitsrecht der Nachkriegszeit durchgesetzt haben. Insbesondere sind also die arbeitsrechtlichen Bs- ftimmungen der Reichsversassung. ferner die Tarisvertragsverord- nung, die Arbeitszeitoerordnung, das Betriebsrätegesetz, das Arbeits- gerichtsgesetz, die Aendeningen der Gewerbeordnung und des Handelsgesetzbuches zu berücksichtigen. Es ist zu prüfen, inwieweit
diese neuen arbeitsrechtlichen Gesetze sich in den einzelnen Sozial- Versicherungsgesetzen ausgewirkt haben bzw. inwieweit sie Reformen notwendig machen, z. B. Auswirkungen der Anerkennung der Ge- werkschaften als Vertreter der Arbeitnehmerschaft durch Artikel 165 der Reichsverfassung auf die Wahl oder Berufung der Beisitzer in Körperschaften der Sozialversicherung: Konsequenz des Grundsatzes der„Mitwirkung" der Arbeitnehmerschaft bei Gründung von Krankenkassen usw.; Auswirkung des Tarifgedankens(im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung): Bedeutung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen für Versicherungsträger oder Der- ficherungsbehörden. Für die Lösung beider Aufgaben hat der ADGB . 4999 M. zur Verfügung gestellt, die sich in folgender Weise auf die Preisträger verteilen würden: je lOM) Reichsmark als 1. Preise W 600„ M 2. W „ 400„„ 3.„ Den PriWrichtern steht es frei, die Preise nach dem Wert der eingereichten Arbeiten anders zu bemessen. Preisrichter sind für die erste Aufgabe: Dr. B. Harms, Professor an der Universität Kiel , Dr. B. K u s k e, Professor an der Universität Köln , Theodor Leipart . Vorsitzender des ADGB . Für die zweite Aufgabe: Dr. H. D e r s ch, Professor an der Universität Berlin , Dr. A. Grieser. Ministerialdirektor im Reichsarbeits» Ministerium. Theodor Leipart , Vorsitzender des ADGB . Das Preisausschreiben ist an olle deutschen Universitäten, Tech- nischen Hochschulen(einschließlich Danzig ) und Handelshochschulen übersandt worden. Die Studierenden können sich daher über die Bedingungen der Arbeiten, die bis zum 1. Mai 1932„Einge- schrieben" an den ADGB . zu senden find, bei chrer Hochschule in- formieren.___
den Klassen: überall stehen Jungen und Mädchen, die aufpassen, daß alles zu seiner Richtigkeit kommt. Keiner braucht mehr aus sich selbst zu achten, es ist ja immer einer da, der ihm das abnimmt. Zum Schluß machte der Vierzehnjährige den Vorschlag, die ganze Aufsicht abzuschaffen, dann habe in Zukunft jeder auf sich selber aufzupassen, und das wäre erst die richtige Ordnung. Ein gleichaltriges Mädchen widersprach dem Vorredner energisch. Sie könne sich schon denken, was dabei herauskäme. Gewiß, viele Kinder verhalten sich so, wie Hans es will: aber manche Hadem sich, so wenig in der Gewalt, daß sie immer w jeder Dummheiten machen. Sollen die frechen Jungs denn einfach durch die Spiele der Mädchen laufen? Soll jeder mit der Mütze auf dem KiDf über den Flur spazieren? Soll aus den Treppen olles durch- einander und gegeneinander laufen? Wir müssen unsere Gesetze behalten, und wir müssen unsere Aufsicht behalten, weil es immer Kinder gibt, die sich nicht in acht nehmen. Die müssen wir zurechtweisen, denen müssen wir helfen. Die Debatte wurde lebhaft in diesem Gegensatz geführt. Der Vertreter der radikalen Selbstverantwortlichkeit fand Zustimmung bei fast allen größeren Kindern. Sie waren tn diesem Augenblick völlig davon durchdrungen, daß Gesetze und vor allem die Polizei den Menschen unselbständig machen, ihm jegliche Verantwortung ob- nehmen und deshalb schädlich seien. Das vorsichtigere Mädchen hatte Unterstützung bei den Kleinen, die vielerlei Bedenken vor- trugen und sich ausmalten, was nun alles geschehen könne, wenn niemand mehr aufpasse. Nach Ablauf einer Stunde tonnte der Leiter der Versammlung zur Abstimmung kommen. Der Antrag war im Laufe der Aussprache so abgemildert worden, daß man zunächst nur einen Versuch machen wolle, gänzlich ohne Aufsicht auszukommen. Sie solle auch nicht plötzlich überall verschwinden, sondern etappenweise und möglichst unmerklich abgebaut werden. So umgeändert, wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Da saß ich nun mit meinen schutzlosen Fensterscheiben. Kaum ein Wort war dazu gesprochen, und ich selbst hielt die nun gänzlich veränderte Situation auch nicht für geeignet, darauf zurückzukommen. Da» Schicksal ging seinen Weg. Die Aussicht wurde nach und nach eingezogen, zuerst auf dem obersten Flur, dann auf dem mitt- leren und so weiter. Die Hofaufsicht sollte als letzte herankommen. Bevor man jedoch den letzten entscheidenden Schritt tat, etwa ein Vierteljahr nach jener denkwürdigen Sitzung, kam ein Antrag zur Verhandlung, den. ursprünglichen Zu st and wieder- herzustellen. Ebenso gründlich und ebenso ernst wie beim ersten Mal wurde die Angelegenheit besprochen, das Für und Wider noch einmal erwogen, vor allem aber das Ergebnis des bisherigen Versuches mit anerkennenswerter Offenheit behandelt. Der Versuch habe bewiesen, daß man sich getäuscht habe. Die Zahl der Kinder, die nicht ohne Gesetz und Helfer(freundlicherer und sinngemäßerer Ausdruck für Aufsicht!) leben könnten, sei doch größer, als man gedacht. Man wolle es lieber wieder so halten wie früher. Ein Antrag in diesem Sinne fand eine noch größere Mehrheit wie jener entgegengesetzte vor einem Vierteljahr— und niemand schämte sich seiner Bekehrung durch die harte Sprache der Tatsachen. Und meine Fensterscheiben? Noch immer lag die Anregung unerledigt da. Es hatte ja auch Wichtigeres zu überlegen und zu tun gegeben. Aber merkwürdig, es schien, als ob die Behandlung des Themas überhaupt nicht mehr vonnöten sei. Der Scheiben- bruch war so zurückgegangen, daß er erheblich unter dem lag. was «in Glasermeister wohl sür einen Haushalt als normal bezeichnet haben würde. Auch in der Folgezeit blieb dieser angenehme Zu- stand bestehen. So wurde das, was eine Hauptsache werden sollte. auf ein Nebengleis abgeschoben. Aber im Unterbewußtsein haben sich die Dinge ohne ein Dazutun aufs beste geordnet, woraus zu schließen wäre, daß das Wohlgelingen der Kindererziehung nicht immer von Anordnung, Vorschrift und Kontrolle abhängig ist, son- dern sich auch in der Stille ergeben kann, wenn man Zeit und Geduld für das ollmähliche Reifen als Erziehungsfaktor nicht gering einfHätzt. �evernwun.