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Nr. 263* 46. Jahrgang

± Beilage des Vorwärts

Sonnabend, 20. Zum il9Zl

Das 25-'Pfcnm6-Wochenende Wanderung im Norden Berlins : Der Park von Buch

Viel zu wenig ist den Berlinern der herrliche ParkvonBuch bekannt. Buch gehört noch zum 19. Berliner Verwaltungsbezirk (Pankow ) und ist sehr bequem mit der Eisenbahn zu erreichen. Seit dem 15. November 1929 ist es auch durch die Autobus- linie A 42 mit Berlin verbunden. Diese Linie beginnt an der Prenzlauer Promenade, Ecke Wisbyer Straße, und endet in Buch, Ltndcnhofstraße, Ecke Bucher Aue , wenige Schritte von dem Eingang des Schloßparks. Die Haltestelle Prenzlauer Promenade, Ecke Wisbyer Straße, erreicht man. mit den Straßenbahn- l i n i e n 8, 17, 56, 71, 72 und 73. Der Autobus sährt durch die Heinersdorfer und Berliner Straße nach Heinersdorf , das bereits in einer ländlichen Umgebung liegt. Von hier geht die Reise auf der Landstraße entlang an kleinen Siedlungshäusern und gepflegten Gärten vorbei über Blankenburg und Karow nach Buch. Schon von weitem grüßen der Wasserturm und die beiden Schornsteine des Kraft- roerks, das die Heilanstalten der Stadt Berlin , die hier errichtet würben, mit Strom versorgt. Die südlich der Eisenbahn liegenden Anstalten bleiben rechts liegen, der Autobus biegt alsbald links ein und hat nach wenigen Minuten sein Endziel erreicht. Wir schreiten über die Straße. Neben einem Giebelhaus ist der unscheinbare Eingang zu dem wundervollen alten Park von Buch, dessen grüner Vipseldom uns alsbald umfängt. Nach wenigen Schritten schon ist die Welt, dieda draußen stets betrogen braust", versunken. Wenn wir vom Eingang aus in geroder Richtung weitergehen, stoßen wir aus das alte Schloß, einen einfachen, ländlichen Bau, der bisher dem Berliner Ober- bürgermeister als Sommeraufcnthalt diente. Ketten sperren den Weg ab. Aber links ragt ein anderes Bauwerk auf, dessen schmale, hohe Fenster auf einen grünen Rasenplatz blicken, in dessen Mitte eine bronzene Tiersigur aufgestellt ist. Von hier aus gesehen, wirkt dos Bauwerk wie ein in seinen Anfängen steckengebliebenes Schloß. Ei» merkwürdiges Gebäude, das man zum zweiten Male nicht wiederfinden dürfte: Seine Borderseite ist aus roten Backstein ge- bildet und soll ein wehrhaftes Kastell darstellen. Hohe, von Efeu umrankte Bäume ragen über das Haus empor, das sich in einem stillen See spiegelt, auf dem weiße Schwäne dahingleiten. Mitten durch das grüne Reich des alten Parks fließt im Schatten dichter Sträucher und hoher Bäume die muntere Ponte, die in der Nähe der Straße sogar eine Art von Liliputwasserfall bildet. Da- neben gibt es noch weitere kleine Fließe und Gräben, über die zahl- reiche Brücken und Stege hinwegführen. Auf unbewegten Gewässern haben sich Wasserpflanzen friedvoll angesiedelt. Im nördlichen T.eil des Parks steht ein einfacher, mit einem Relief verzierter, fast würfelförmiger Gedenkstein, der an die unglückliche Julie von Voß erinnert. Friedrich Wilhelm II. hatte sie zur Gräfin Ingelheim ernannt, um sie neben seiner rechtmäßigen Gattin und seinen anderen Mätressen besitzen zu können. Bald darauf starb Julie von Voß bei der Geburt ihres Sohnes, als sie kaum 23 Jahre alt war. Sie ist im Grunde das Opfer eines höfischen Intrigenspiels geworden, dessen Zweck es war, den König von feiner einflußreichen Mätresse, der Madame Rietz, zu entfernen. Den höfischen Cliquen war jedes Mittel recht, um Macht und Einfluß zu gewinnen. In der 1731 bis 1736 erbauten Rokokokirche von Buch, die sich prächtig in den alten Park einfügt, liegt Julie von Voß begraben. Der Park und das angrenzende Gut gehörten zur Zeit der Reformation einer Familie von Röbel , bei der Luthers Freund, Philipp Melanchton , häufig zu Gast war. Ausgrabungen des Märkischen Museums , die in Buch vorgenommen wurden, förderten Reste von Pfahlbauten, Töpfer- und anderen Arbeiten zutage. Buch soll früher eine wendische Sied- lung gewesen sein. Auf Schritt und Tritt geht man hier auf ge- fchichtlichcm Boden. Nach dem Verlassen des Parks wenden wir

uns nach rechts, gehen unter der Ueberfllhrung der Eisenbahn hin- durch und kommen alsbald zu einem hübschen kleinen Wald, der sich nordwestlich der Eisenbahn erstreckt. Nach einem Weg von etwas Über einen Kilometer Länge erreichen wir die Chausiee, die von Schönow nach Buchholz führt. In der Witte des Wäldchens, das

und mehr von dem Verfügungsberechtigten innerhalb eines Monats nach der Freimeldung an jeden Wohnungsuchenden frei v e r- mietet werden, der sich im Besitze einer entsprechenden Be- scheinigung des Wohnungsamtes befindet. Der Mietvertrag bedarf jedoch zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung des Wohnungsamtes. Die Bestimmungen des Reichsmielcngesetzes und des Mieterschutz- gesetzcs werden durch die neue Lockerung nicht berührt.

Schlößchen im Park von Buch. vom Lietzengraben durchflössen wird, liegt die F ö r st e r e i B u ch. Schöne Spazierwege führen nach allen Seiten. Wir können nach Buch zurückkehren und die bereits genannten Verkehrsmittel zur Heimfahrt benutzen, wir können aber auch nach Buchholz wandern und mit Straßenbahnlinie 24 nach Hause fahren. Buch- holz hieß bis 1913 Französisch-Buchholz , zur Erinnerung an seine französischen Bewohner, die ihres Glaubens wegen ihre Heimat ver- la�en.liatteN' Und vom Großen Kurfürsten' hier- angesiedelt wurden. Büchholz- gehört heute cbeli7ölls' zum 19. Verwaltungsbezirk und hat' sich kin' allgemeinen noch seinen ländlichen Charakter bewährt. Die Straßenbahnlinie 24 endet dicht bei der Kirche.

Wohnungszwangswirtschast weiter gelockert. Große Altwohnungen können frei vermietet werden. Das Zentralwohnungsamt teilt mit: Am 1. Juli 1931 tritt in Berlin eine weitere Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft ein. Von diesem Zeitpunkt ab können ohne Rücksicht auf die Zahl der vorhandenen Wohnräume Altwohnungen mit einer Jahresfriedensmiete von 1<XK) M.

Blitzkatastrophe in polen . Sechs Tote, zwölf Schwer- und zwanzig Leichtverletzte. Warschau , 19. Zuni. In«tudzienice bei Tierpce tKongresiPolen> waren während der dortigen Manöver in einer Scheune 49 militärisch ausgebildete Schüler der höheren Klassen unter dem Kommando eines Oberleutnants mit theore- tischen Uebungcn beschäftigt, als ein schweres Ge» Witter heraufzog,(sin Blitz schlug so unglücklich in die Scheune ein, daß fünf Schüler auf der Stelle getötet wurden und zwölf schwere Berletzun- gen erlitten, lleber 29 Schüler trugen leichtere Ber- letzungen davon. Tie Scheune geriet in Flammen und wurde in kurzer Zeit vollständig eingeäschert. Unter den Toten befindet sich außer den fünf Schülern auch noch der Abteilungsführer Oberleutnant Ploso, der als Schwerverletzter unterwegs zum Krankenhaus seinen Wunden erlag. Acht Opfer de» Llnwetters in Ostpreußen . Königsberg , 19. Juni. lieber Königsberg und der Provinz Ostpreußen gingen mehrere schwere Gewitter nieder. In der Stadt sielen von 8 Uhr abends bis heute früh fast 26 Millimeter Regen. In einzelnen Kreisen der Provinz hat das Unwetter stark gewütet. Schwer mitgenommen find nach den bisherigen Meldunze» die Kreise Heiligenbcil, Osterode , Ortelsburg und Jnsterburg. 3n Heiligenbeil erschlug der BUH in dem Wohnhaus eines Besitzers dessen ISjährigen Sohn und die ZZjäHrige Tochter. In Ortelsburg wurde die Familie eines Besitzers bei einer Begräbnisfeier von einem Gewitter überrascht. Der Blitz schlug in das Haus und tötete die Frau des vesiheos und den Sohn eines anderen Landwirts. Auch die übrigen Trauergäste erlitten Brandwunden. Auch im Kreise Jnsterburg traf der Blitz das 5iaus eines Landwirts. Der Besitzer wurde vom Blitz erschlagen, während die übrigen Bewohner mit dem Schrecke» davonkamen. Im Kreise ' Preußifch-Halland wurde eine 57 Jahre alte waldarbeiterin aus den, Heimweg von ihrer Arbeitsstätte vom Blitz getötet. Mit den bereits aus den Osteroder Kreis gemeldeten zwei ge- töteten Personen hat das gestrige Unwetter also acht Todesopfer gefordert.

propellerwagen auf der Fahrt nach Hamburg . Der Krukenbergsche Propellerwagcn ist gestern voni 5?aupt? bahnhos in Hannover in Richtung L e h r t e H a m b u r g' ab- gefahren. Die Fahrt vollzieht sich im Rahmen des allgemeinen Zug- Verkehrs und kann nur mit Rücksicht auf diesen durchgeführt werden, so daß sich, aus der Strecke verschiedentlich Aufenthalte ergeben. In Uelzen erfolgte die Ankunft, wie es vorgesehen war, pünktlich uni 16,36 Uhr. Nach einem Aufenthalt von zwei Minuten wurde dann die Fahrt nach Lüneburg und Hamburg sortgesetzt, wo der Wagen um 12 Uhr mittags eintreffen soll. Auf dem Bahnhos Uelzen hatte sich, wie von dort gemeldet wird, ein zahlreiches Publikum eingefunden, das den Propellerwagen bei seiner Durch- fahrt mit lebhaftem Interesse in Augenschein nahm.

Von I. ILF UND F. PETROW

Jetzt sitze ich auf dem Bahnhos in Charkow und schreibe Dir in folgender Angelegenheit. Erstens habe ich Dich sehr lieb und denke sehr oft an Dich und zweitens ist Bruns nicht mehr da. Sei aber nicht traurig. Bruns ist, wie man mir sagte, jetzt in einer Zementfabrik in Rostow angestellt. Meine Mittel reichen gerade noch für diese Fahrt. Ich fahre in einer Stunde mit dem Personenzug hin und Du, meine Gute, geh bitte zu unserem Schwiegersohn und borge fünfzig Rubel von ihm er ist mir diesen Betrag schuldig und hat versprochen, mir ihn so bald als möglich zu- rückzuerstatten. Das Geld schicke nach Rostow , an Fedor Iwanowitsch Wostrikow, hauptpostlagernd. Aus ökonomischen Gründen schicke das Geld mit der Post. Es wird dreißig Kopeken kosten. Was gibt es Neues in unserer Stadt? Was hört man? Ist Kondratjewa bei dir gewesen? Dem Vater Kirill sage, daß ich bald zurückkomme, daß ich zu meiner sterbenden Tante nach Woronesch gefahren bin. Bitte, sei sparsam. Ißt Ewsignecw noch bei uns zu Mittag? Grüße ihn von mir. Sag ihm, daß ich zu meiner Tante gefahren bin. Wie ist das Wetter bei Euch? Hier in Charkow ist marmer Sommer. Charkow ist eine geräuschvolle Stadt, das Zentruin der ukrainischen Republik . Wenn man aus der Provinz kommt, scheint es einem immer so, als wäre man im Ausland. Zu tun: 1. Gib meine Sommersoutane zum Putzen es ist besser, drei Rubel für Putzen auszugeben, als eine neue zu kaufen. 2. Gib acht auf Deine Gesundheit. 3. Wenn Du der Gulcnka schreibst, so sage ihr unter an- derem. daß ich zur Tante nach Woronesch gefahren bin. Grüße alle von mir. Sag, daß ich jetzt schon bald zurück- komme.

Ich umarme Dich zärtlich, küsse und segne Dich. Dein Mann Fedja. N. B. Wo irrt Worobjew wohl jetzt umher? Die Liebe quält den Menschen. Der Stier brüllt vor Leidenschaft. Der Hahn wird unruhig. Der gewesene Vor- sitzende des Gubernial-Adels verliert den Appetit. Worobjew verließ Ostap im Wirtshaus, schlich ins rosa Häuschen und stellte sich zum Panzerschrank. Sein Herz schlug wie ein Uhrpendel. Es fauste ihm in den Ohren... Die Unruhe teilte sich dem Räume mit. Nichts aber konnte den Panzerschrank erwärmen, er blieb düster. Die Grammophone schnarrten in den Federbehältern. Um es mit einem Wort zu sagen. Worobjew war ver- liebt, war stark verliebt in Lisa Kalatschewa. Zuweilen gingen Menschen durch den Gang, an Worob- jew vorbei. Alle rochen irgendwie nach Tabak, Wodka, Apotheke oder Suppe. Im Dunkel des Korridors konnte man die Menschen nur nach dem Geruch oder nach dem Geräusch ihrer Schritte unterscheiden. Lisa kam nicht. Worobjew war davon überzeugt, daß sie weder rauchte, noch Wodka trank, auch trug sie sicherlich keine eifenbeschlage- neu Schuhe. Sie roch auch nicht nach Jod oder Fisch. Nur ein zarter Puderduft mochte sie umschweben. Plötzlich hörte Worobjew leichte, unsichere Schritte. Jemand ging durch den Gang und atmete sanft. Sind Sie es, Elisaweta Petrowna?" fragte Worobjew mit Zephirstimme. Als Antwort erscholl ein tiefer Baß:Bitte können Sie mir sagen, wo hier die Familie Psefferkorn wohnt. In der Finsternis kennt sich der Teufel aus." Worobjew schwieg erschrocken. Der Besucher der Pfeffer- korns wartete eine Weile auf Antwort, da er sie nicht bekam, trottete er weiter. Lisa kam erst gegen neun Uhr. Sie gingen auf die Straße und schritten unter dem grünlichen Abendhimmel dahin. Wohin wollen wir spazieren gehen?" fragte Lisa. Worobjew sah ihr in das weiße strahlende Gesicht und begann weitläufig und lalngwcilig davon zu sprechen, daß er schon lange nicht in Moskau gewesen, daß Paris zweifel- los schöner sei als diese Stadt, die doch immer nur ein ohne System gebautes großes Dorf bleibe.

Ich erinnere mich noch an ein anderes Moskau , Elisa- weta Petrowna. Jetzt spürt man überall das Knausern. Zu meiner Zeit ha: man nicht so mit dem Geld gerechnet. Und es gibt ein Liedchen:Man lebt nur einmal in der Welt..." Sie gingen über den ganzen Pretschistensky-Boulevard und kamen auf den Quai zur Christuskirche. Lisa fa�te Worobjew an der Hand und erzählte ihm ihren ganzen Kummer. Bon dem Streit mit ihrem Mann, von dem schweren Leben, umgeben von neugierigen Nachbarn den Chemiker und von der Monotonie der vegetarischen Küche. Worobjew hörte zu und war sehr nachdenklich. Dämonen erwachten in ihm. Er träumte von einem ganz besonderen, feinen Nachtmahl. Solch ein Mädchen mußte man mit etwas Nettem überraschen. Die Halste der Summe, die die Konzessionäre bei der Stargoroder Verschwörung eingenommen hatten, lag in Worobjews Tasche. Es war für Worobjew, der nicht mehr an Luxus gewöhnt war, ein großer Betrog. Jetzt wollte er Lisa mit feinen Weltmannsallüren uiw seiner Großzügigkeit in Erstaunen setzen und er war durch die Möglichkeit eines reizvollen Abenteuers geblendet. Zu all dem glaubte er sich gut vorbereitet und in Form. Er erinnerte sich stolz daran, mit welcher Leichtigkeit er einst das Herz der schönen Elena Baur gewonnen hatte. Damals war er gewohnt gewesen, das Geld leicht und mit vollen Händen auszugeben. In Stargorod hatte man auch seinerzeit sein gutes Benehmen gerühmt und die Gabe, mit jeder beliebigen Dame Konversation machen zu können. Wenn er sich daran erinnerte, kam es ihm ein wenig lächerlich vor, seinen ganzen Glanz für einen Sieg über ein kleines Sowjctmädchen zu verwenden, das noch nichts gesehen hatte und nichts kannte. Nach kurzer Ueberredung fuhr er mit Lisa in das elegante RestaurantPrag " gegenwärtig das beste Etablissement Moskaus , wie ihm Bender gesagt hatte. Prag " überraschte Lisa durch die Menge von Spiegeln, Licht und Blumentöpfen. Es war verzeihlich Lisa hatte noch nie noble Lokale besucht. Unerwarteterweise machte auch auf Worobjew der große Spiegelsaal einen überraschenden Eindruck. Er war nicht mehr ganz auf dem Laufenden, was Luxus betraf, und hatte das Restaurantleben ganz vergessen. Jetzt begann er sich seiner Stiefel mit den quadratischen Spitzen, seiner Weste mit den silbernen Sternen zu schämen. (Fortsetzung folgt.)