1931
Der Abend
Erscheinttäglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des„ Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff( A 7) 292-297
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Spätausgabe des„ Vorwärts
Wilhelm Bock
Jn Bad Sulzbach, wo er seit mehreren Wochen zur Erholung weilte, ist heute der frühere Reichstagsabgeordnete, Genosse Wilhelm Bock- Gotha, im 86. Lebensjahre einem Schlaganfall erlegen.
Mit Wilhelm Bod ist einer der letzten Repräsentanten der Partei hingegangen, die noch an der Wiege der Partei gestanden haben. Wilhelm Bod war am 28. April 1846 geboren, stand also im 86. Lebensjahr. Obwohl man bei einem so hohen Alter alle Tage auf einen plötzlichen Abschied gefaßt sein muß, hat doch sicher feiner der Teilnehmer des Leipziger Parteitags vorausgesehen, daß Wilhelm Bod diesen Parteitag, dessen Ehrenpräsident er war, nur um wenige Wochen überleben würde. Hatte er doch mit erstaunlicher Frische den Bericht der Kontrollkommiffion erstattet und ihn unter ungeheurem Beifall mit dem Ausdruck der Hoffnung
geschlossen, noch einmal einen Tag der Einigung der Arbeiterklasse wie in Gotha und in Nürnberg erleben zu dürfen. Am Sonntag zuvor hatte er auf der Tribüne gegenüber dem Volkshaus den ungeheuren Vorbeimarsch der Arbeiterschaft an sich vorüberziehen laffen und 2½ Stunden lang in strömendem Regen ausgeharrt.
10 Pf.
Nr. 286
B 143 48. Jahrgang
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Ein Jahr Kriegsschuldenpause
Der Vorschlag Hoovers- die ersten Schwierigkeiten
Washington , 21. Juni. Präsident Hoover gab gestern abend folgende Erklärung ab, deren Wortlaut er den Missionschefs der beteiligten, Länder, darunter dem deutschen Geschäftsträger, Gesandtschaftsrat Dr. Leitner, durch das Staatsdepartement überreichen ließ:
Die amerikanische Regierung schlägt einen einjährigen Aufschub wiederaufbauschulden vor, und zwar sowohl bezüglich des Kapitals aller Zahlungen auf Schulden der Regierungen, Reparationen und wie der Zinsen, ausgenommen natürlich Schuldverpflichtungen der Regierungen, die fich in Privathänden befinden. Borbehaltlich der Zustimmung des Kongresses ist die amerikanische Regierung bereit zu einem Auffchub aller ihr von fremden Regierungen geschuldeten Wilhelm Bock hat zwei Menschenalter lang in der deutschen Ar- Zahlungen während des am 1. Juli 1931 beginnenden Etatsjahres beiterbewegung hervorragend gewirkt. Schon im Jahre 1873 war der unter der Bedingung, daß die wichtigeren Gläubigerstaaten ebenfalls damals 27jährige Präsident der deutschen Schuhmacher alle ihnen geschuldeten Zahlungen auf Regierungsschulden für ein gemertschaft und Redakteur des Verbandsorgans der Schuh- Jahr aufschieben. Dieser Schritt ist von folgenden Senatoren bereits gebilligt worden: Ashurst, Bingham, Borah, Byrnes , Capper, Feß, Fletcher, Glaß, Harris, Harrison, Hull, King, Morrow, Mojes, Reed, Swanson, Vandenberg, Wagner, David Walsh, Thomas Walsh, Waljon, ebenjo von 18 Mitgliedern des Repräsentantenhauses. Er wurde ferner gebilligt von dem Botschafter Dawes und Owen D. Young .
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Zweck dieses Schrittes ist, das kommende Jahr der wirtschaftlichen Erholung der Welt zu widmen
Die Autorität des Präsidenten der Bereinigten Staaten zur Lösung dieser Probleme ift begrenzt, da er hierin vom Kongreß unterstützt werden muß. Dem Präsidenten ist von führenden Mitgliedern beider Säufer des Kongreffes herzliche Unterstützung zugesichert worden. erlangung ihrer nationalen Prosperität zu geben, und ich richte an
Der Kern des Vorschlages ist, den Schuldnern Zeit zur Wiederdie Amerikaner den Rat, in ihrem eigenen Intereffe gute Gläubiger und gute Nachbarn zu sein.
Ich möchte diese Gelegenheit dazu benuken, meine Ansicht über
unsere
Beziehungen zu den deutschen Reparationen und den uns von den europäischen alliierten Regierungen geschuldeten Summen
offen zu äußern: Unsere Regierung hat sich nicht an der Auferlegung der Reparationen beteiligt, noch fich irgendwie bezüglich ihrer Festfehung geäußert. Wir haben mit voller Absicht feinen Anteil gehabt an den allgemeinen Reparationen oder an der Aufteilung von Kolonien oder von Privateigentum. Die Rückzahlung der Anleihen, die wir den Allierten für den Krieg und für Wiederaufbauzwede gewährten, wurde auf einer Basis geregelt, die weder mit den deutfchen Reparationen irgendwie zufammenhing, noch von deren Zahlung abhängig gemacht wurde. Daher ist die Reparationsfrage notwendigerweise ein rein europäisches Problem, mit dem wir nichts zu tun haben. Ich billige nicht im Entferntesten die Streichung der uns geschuldeten Summen. Das Weltvertrauen würde durch einen derartigen Schrift nicht gefördert werden. Keiner unserer Schuldner Funhat das je vorgeschlagen, aber da die Basis der dierung dieser Schulden die Zahlungsfähigkeit des Schuldners unter normalen Verhältnissen war, so führen wir nur konsequent unsere eigenen Prinzipien durch, wenn wir die gegenwärtigen anormalen Verhältnisse ins der Welt in Rechnung ziehen. Ich bin davon überzeugt, daß das amerikanische Bolt nicht den Wunsch hat, den Versuch zu machen, vom Schuldner mehr herauszuholen, als er zahlen fann, und meiner Ansicht nach verlangt eine weitschauende Politik, daß unsere Regierung die gegenwärtige Situation in ihrer Realität anerkennt. Diese Haltung entspringt vollkommen unserer
macher. Im Jahre 1875 eröffnete er den berühmten Einigungs. und die Eisenacher Lassalleaner zusammenführte. 47 Jahre später stand Wilhelm Bock auf dem Einigungsparteitag zu Nürnberg auf der Tribüne und legte seine Hand in die des fast gleichalterigen Wilhelm Pfannkuch eine Szene, die feiner, der sie jemals erlebt hat, vergessen wird. Mitglied des Reichstags war er von 1884 mit einigen Unterbrechungen bis 1928. 3weimal war er sein Alterspräsident. Dem ehemaligen Landtag des Herzogtums Koburg- Gotha hatte er gleichfalls Jahrzehnte lang angehört. Er spielte dort im roten Herzogtum" die führende Rolle. Ein großer Schmerz war es für ihn, daß die Bewegung in Gotha , wo er feit 1869 lebte, unter bem Einfluß der kommunistischen Zersetzung verübergehend zerfiel, und es war für ihn gewiß eine große Genugtuung, daß er im Frühjahr dieses Jahres an einer machtvollen Demonstration der Partei in Gotha teilnehmen konnte. Wilhelm Bock starb in dem ficheren Glauben, daß die sozialistische Arbeiterbewegung trotz aller Echwierigkeiten und Hemmnisse unaufhaltsam ihrem Sieg entgegen mangelnde Bertrauen in die wirtschaftliche und politische Stabilität bisher befolgten Politit. Wir werden dadurch
und die Kräfte in den Bereinigten Staaten, die bereits am wieder aufbau arbeiten, von den von außen kommenden verzögernden Faftoren zu befreien. Die über die ganze Welt verbreitete Depresfion hat die europäischen Staaten mehr in Mitleidenschaft gezogen als uns. Einige jener Staaten fühlen die Verminderung ihrer wirtfchaftlichen Stabilität durch diese Depression in ernstem Maße. Das Gewicht der Regierungsschulden, das in normalen Zeiten tragbar wäre, drückt inmitten dieser Depression schwer auf die Bölker. Aus einer Reihe von Gründen, die aus der Depression resulfierten, beispielsweise der Preissturz fremder Waren und das im Ausland, begann eine abnorme Zuwanderung von Gold nach Heute trauert die ganze Partei an der Bahre ihres geliebten und den Bereinigten Staten, wodurch die Kreditfähigkeit vieler fremder Derehrten Alterspräsidenten . Staaten vermindert wurde. Diese und andere Schwierigkeiten im Ausland verringern die Kaufkraft für unsere Exportwaren und find daher in gewiffem Umfang fchuld an unserer fortdauernden Arbeitsprodukte. Rechtzeitige Maßnahmen sind daher geboten, um den Drud dieser ungünftigen Fattoren im Ausland zu lindern, zur Wiederherstellung des Bertrauens beizutragen und dadurch den politischen Frieden und die wirts schaftliche Stabilisierung in der Welt zu fördern.
marschiert.
nicht in die Diskussion rein europäischer Probleme, zu denen die Reparationsfrage gehört, hineingezogen, wir wollen lediglich unsere Bereitschaft ausdrüden, zur baldigen ist, unseren ist, unseren Teil beizutragen.
Reichsbannerauto verunglückt! geit und den fortdauernd niedrigen Prelijen für unsere Farm- Erholung der Weltproſperität, an der unſer Bolk fo ftart intereffiert
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Zwei Zote! Giebzehn Kameraden schwer verletzt. Frankfurt a. M., 22. Juni. ( Eigenbericht.)
Der Reichsbannerkapelle Ilmenau , die sich am Sonntag an einer Bezirks- Sonnenwendfeier in GroßBreitenbach beteiligte, stieß auf der Rückfahrt ein furchtbares Unglück zu, durch das zwei Kameraden getötet und 17 zum Zeil schwer verletzt wurden. Die Heimfahrt erfolgte in einem Lastauto, das in einer Kurve in Mans bach gegen eine steinerne Hausplatte fuhr und umstürzte. Der Chauffeur und ein Mitglied des Reichsbanners wurden getötet. Nur vier von den zahlreichen Insassen des Autos famen ohne Verlegungen davon.
Motorrad raft gegen Postauto.
In der Nähe des Bahnhofes Charlottenhof in Potsdam ereignete sich am Sonntag ein schweres Berkehrsunglück, daß z mei Todesopfer forderte. Das Unglück ist darauf zurückzuführen, baß ein Motorradfahrer in voller Fahrt gegen einen Postomnibus prallte. Der Fahrer des Rades, ein 20jähriger Mann aus Ebers walde , und seine Mitfahrerin wurden vom Rade geschleudert und blieben bewußtlos liegen. Im Krankenhaus fonnte nur noch der Tod der beiden jungen Menschen festgestellt werden.
Fallières geftorben. Fast 90 Jahre alt, ist der frühere Präbent der französischen Republit, Fallières, gestorben. 1883 mar
Die Mißvergnügten
Hoover
Ich möchte noch hinzufügen, daß wir, obgleich dieser Schrift mif der für nächsten Februar angefehlen Konferenz zur Beschränkung der Landrüstungen nichts zu tun hat, doch die Hoffnung haben, angesichts des starten Einflusses des Wettrüffens auf die gegenwärtige Depression werde unser Schrift zu freundschaftlichen Beziehungen beitragen, die für die Lösung dieser wichtigen Rüftungsfrage so notwendig find.
Die Reichsregierung hat bereits die Annahme dieses Vorschlags in Washington erklären lassen.
Die Durchführung des Hoover- Plans würde für den Reichshaushalt und die Reichsbahn eine Gesamtersparnis von rund 1500 Millionen Mark bedeuten. Der Zusammenhang: Einladung der britischen Arbeiterregierung an Brüning und Curtius, Konferenz von Chequers , Bericht Macdonalds, Hendersons und Angel Normans an Mellon und von diesem an Hoover- Vorschlag der Zahlungsunterbrechung, liegt flar zutage.
Hindenburg an Hoover.
Reichspräsident v. Hindenburg hat vor wenigen Tagen eine Botschaft an Präsident Hoover gerichtet.
Dazu erklärt, wie aus Washington gemeldet wird, Staatsfefretär Stimson : Seitdem die finanzielle Lage in Deutschland hier Gegenstand des Studiums wurde, hat Präsident Hoover sich bemüht, möglichst genaue und authentische Infor
Die Herren am Fenster:„ Ein Jahr Ruhe verordnet er mationen zu erlangen. Er erbat daher fürzlich von der deut
Ministerpräsident und von 1906-1913 Bräsident der Republit. ihm! Was sollen wir denn in der Zeit machen!"
schen Regierung eine derartige Information, wobei er den Wunsch