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Morgenausgabe

Nr. 287

A 145

48.Jahrgang

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1970

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

23. Juni 1931

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Was ist mit Frankreich ?

Nimmt es Hoovers Borschlag an oder nicht?

In der ganzen Welt hat der Borschlag Hoovers ein sehr

Amerika fordert Eile!

günſtiges, ja zum Teil fogar ein begeiſtertes Echo gefunden. Aber Italien treibt quer, Belgien läßt sich Zeit- und Frankreich ?

Nur in der französischen Deffentlichkeit werden Stimmen des 3weifels und zum Teil sogar des lebhaften Protestes laut, und wir müssen uns darauf einrichten, daß es noch einiger Anstrengungen bedürfen wird, um Frankreich , ohne dessen Zu­stimmung der Plan nicht in Kraft treten fann, zu gewinnen.

Am Dienstag, so heißt es, werde die französische Regie: rung offiziell Stellung nehmen, aber es wird gleichzeitig an gedeutet, daß sie genauere Feststellungen über die Art seiner Durchführung verlange, die nur durch Verhandlungen zwischen allen beteiligten Mächten zu erreichen zwischen allen beteiligten Mächten zu erreichen seien. In einer halbamtlichen Mitteilung betont außerdem die Agence Havas die Notwendigkeit, den Moratoriumsplan mit dem Young- Plan in Einklang zu bringen.

Man wird abzuwarten haben, welchen Zweck das Be mühen um die Schaffung einer Uebereinstimmung zwischen Moratorium und Young- Plan verfolgt. Wenn etwa daran gedacht ist, daß nach dem Ablauf des Feierjahres das alte Zahlungsschema wieder unverändert in Kraft treten müsse, so wird man Frankreich nicht im Zweifel darüber lassen können, daß Deutschland selbstverständlich in der ihm jetzt vergönnten Frist alles tun wird, um auf dem Wege internationaler Ver­handlungen zu einer Verminderung seiner 3ah lungsverpflichtungen zu gelangen. Ebensowenig aber könnte das Berlangen einen Sinn haben, den Young­Plan insofern innezuhalten, als Deutschland auch jetzt noch an die Bestimmungen des Transfermoratoriums gebunden und verpflichtet sei, die ungeschützten Annuitäten weiterzuzahlen.

Doch wenn wir von vornherein diese Einwendungen er­heben, so wollen wir nicht die Eigenart der Lage verkennen, in die Frankreich durch den amerikanischen Schritt versetzt worden ist. Es hätte für das Jahr 1931/32 einschließlich der Sachlieferungen an Deutschland einen Anspruch von 838,4 millionen Mart. Es hätte an England und Amerika nur 423,3 Millionen abzuführen gehabt, so daß ihm also- für Miederaufbauzwecke rund 415 Millionen verblieben wären. Auf diese 415 Millionen soll es jetzt, und zwar ziemlich plötz­lich und unvorbereitet, verzichten, und wenn es zu dieser For­derung ein schiefes Gesicht schneidet, so müssen wir objektiv genug sein, feine Mißstimmung zu begreifen. Kein Staat in der Welt, auch der reichste nicht, würde eine solche Anregung, wenn sie von dritter Seite an ihn herangebracht wird, mit be­sonderer Freude aufnehmen. Nun gehört Frankreich zweifel­los zu den Ländern, die von der gegenwärtigen. Krisis am wenigsten berührt sind, und wenn es auch darauf hinzuweisen vermag, daß seine Landwirtschaft durch den allgemeinen Breis­sturz in Mitleidenschaft gezogen ist, daß die Lebenshaltungs­fosten steigen, daß seine Industrieausfuhr zurückgeht, so wird es doch den großen Unterschied, der zwischen seiner Situation und der der meisten anderen kapitalistischen Länder besteht, nicht zu bestreiten vermögen. Es kann also mohl von ihm ein Opfer erwartet werden, um so mehr, als dieses Opfer ja dazu beitragen soll, eine Katastrophe zu verhin dern, deren Folgen auch Frankreich spüren würde.

Trotzdem sollen wir, wie gesagt, für das Unbehagen unferes westlichen Nachbarn Berständnis zeigen und es nicht so darstellen, als ob der Widerspruch, den er zunächst erhebt, nur bösem Billen entstamme. Wir würden es auch für falsch halten, wenn Deutschland , gewissen amtlichen Anregungen entsprechend, sich nun darauf beschränken wollte, alles weitere Amerika allein zu überlassen. Nach unserer Ansicht hat die deutsche Regierung ein sehr starkes Interesse, an der Herbei führung einer Berständigung mit Frankreich aktiv mitzu­wirken. Es könnte sonst der Fall, eintreten, daß die Verwirk­lichung des Hooverschen Vorschlags vielleicht verschleppt würde.

Was aber würde eine solche Verschleppung bedeuten?

Wirtschaftlich einen Zusammenbruch der Hoffnungen, die

heute vielleicht schon in etwas überschwänglicher Weise an den Hoover- Plan geknüpft werden, politisch aber eine Stim­mung, die den deutschen Rechtsradikalen das Wasser auf ihre Mühle leiten würde. Alle, die nicht nur in Deutschland , sondern in der ganzen Welt heute noch hoffen, morgen aber aufs schlimmste enttäuscht wären, sie würden Frankreich die Schuld geben.

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Frankreichs Haltung darf nicht negativ bleiben! Sie muß positiv werden und verhindern, daß die großzügige ameria nische Initiative im Gewirr fleinlicher europäischer Kabinetts intrigen steden bleibt!

Stimson drängt.

Washington , 22. Juni.

In der heutigen Preffekonferenz teilte Staatsfetretär Stimjon mit, daß die formelle Unterbreitung des amerikanischen Planes bei den beteiligten Mächten bereits auf diplomatischem Wege erfolgt fei. Die Vermutung, daß eine internationale on­ferenz zur Diskussion über Hoovers Borschlag einberufen werden folle, lehnte Stimson rund weg ab. Er betonte, die Angelegenheit arängt jo jehr, daß man zu konferenzen und langen Debatten feine Zeit mehr habe. Was man brauche, sei eine

fofortige herzliche Zustimmung aller Mächte. Nur das werde die benötigte pinchologische Wirkung auslösen, und die spätere Ratifitation durch den Kongreß der Vereinigten Staaten so gut wie sicherstellen. Wenn aber die Attion nicht einstimmig erfolgt, fo fönnte überhaupt nichts erreicht werden.

Eile tue not,

eine lange Debatte würde alles zunichte machen.

Stimson ging hierauf auf den Hindenburg- Brief ein, zu dem er bemerkte, daß er erst am Sonntag, aljo nach der Er­flärung Hoovers, hier eingetroffen fei. Er erklärte, daß es nicht der Hindenburg- Brief gewesen sei, der Hoover zu einer fofortigen Affion veranlaßt habe, sondern

daß der Hindenburg- Brief lediglich die Richtigkeit des Hooverschen Schrittes bestätigt hatte.

und faktischen Abrüstung, als erstes Zeichen für den günstigen Ber­lauf der Abrüftungskonferenz. Immerhin muß Italien eine Reserve machen, nämlich die, daß Deutschland die Berpflich­tung eingeht, die materielle Hilfe nicht zu der Wiederaufnahme der 3ollunionspläne mit Defterreich zu benutzen. Jeder Gedanke an eine Zollunion und einen Anschluß müsse endgültig auf­gegeben werden.

Die Forderungen Italiens gegen die Zollunion und den An­

schluß werden am Montag in der gesamten römischen Preise unter­strichen. Im übrigen begrüßt die presse den Vorschlag Hoovers als

eine überaus wichtige Erleichterung.

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Wir wollen diese Meldung zunächst nur als einen Versuchs=

ballon auffaffen, obwohl kein Zweifel daran ist, daß in amt. lichen Kreisen der faschistischen Regierung Stimmung gemacht wird für eine Verquidung des Schuldenmoratoriums mit der Zollunion oder gar mit dem Anschluß.

Eine solche Verquickung ist absolut unmöglich und unzu= lässig. Wo fäme man hin, wenn jede der Signatarmächte des Haager Abkommens munmehr mit ihren Spezialwünschen politischer Art hervortreten und aus ihrer Berücksichtigung eine Borbedingung für ihre Zustimmung zu dem Borschlag Hoovers machen würde! Was Frankreich erst dieser Tage bei der neuen Sanierung Desterreichs mißglückt ist, das darf und wird auch nicht Italien gegenüber Deutschland gelingen.

Die Angelegenheit der Zollunion befindet sich jetzt im Stadium eines vor dem Haager Gericht schwebenden Verfahrens. Es geht nicht an, fie aus. Anlaß eines Weltschuldenmoratoriums, mit

Eive Frage nach der Abrüstung beantwortete Stimjon da­hin, daß gutes Einvernehmen in einer gerechten Sache, nämlich in der Erleichterung der Lage Deutschlands , sicher zu gutem Einver­nehmen in einer anderen Angelegenheit, nämlich in der Einigung dem sie nichts zu schaffen hat, aufzurollen. über Rüftungsbeschränkungen beitragen würde.

Der

Macdonald begrüßt Hoovers Schritt.

London , 22. Juni. ( Eigenbericht.)

englische Premierminister Macdonald erklärte am Montag im Unterhaus die grundsätzliche Bereitschaft der englischen Regierung zur Annahme der Botschaft Hoovers. Die Er­tlärung war am Vormittag von einem Kabinettsrat be­schlossen worden. Der Führer der Liberalen, Lloyd George , fowie der Führer der Opposition, Baldwin, schlossen sich der Er­flärung Macdonalds an. England steht also einheitlich zu dem amerikanischen Vorschlag.

Der Premierminister führte aus, daß die englische Regierung den Vorschlag Hoovers herzlich begrüße und ihn für ihren Teil grundsäglich unterschreibe. Sie sei bereit, mitzuwirken an der Ausarbeitung der Einzelheiten, um dem Vorschlag unverzüglich prattische Wirkung zu geben.

Die Lage Englands auf Grund des Vorschlages von Hoover ist die, daß ein Berzicht Englands auf seine Einnahmen aus den Zahlungen Deutschlands , Frankreichs und Italiens tein Opfer bedeutet, da England bis auf einen fleinen Betrag von jährlich 1,4 Millionen Pfund Sterling von diesen Ländern nicht mehr er­hält, als es an Amerifa zu zahlen hat. Diesen Betrag von 1,4 Mil­lionen erhält England seit dem Young- Plan als Entschädigung für frühere Zahlungen an Amerita, welche durch Reparationseinnahmen nicht gededt waren. Diese Summe wird also dem Schazkanzler während des Feierjahres in seinem Budget fehlen.

In bezug auf die Beurteilung der Wirkungen des amerika­ nischen Borschlages find die Engländer sehr zurückhaltend. Man hofft jedoch allgemein, daß nach dem Feierjahr die ganze Frage der Kriegsverschuldung mit mehr weitblick als bis­her behandelt wird. Das Feierjahr werde beweisen, daß die ganze Welt von einer Revision des Schuldenproblems Vorteile erlangen tönne und schon deshalb eine Rückkehr zu dem alten Stand der Dinge nach dem Feierjahr unmöglich sei.

3talien stimmt zu- mit Vorbehalt gegen Zollunion und Anschluß.

Rom , 22. Juni. ( Eigenbericht.) Italiens Stellungnahme zu dem Vorschlag Hoovers wird offiziös wie folgt erläutert: 3taliens Regierung begrüßt das großherzige Vorgehen des Präsidenten Hoover mit größter Sympathie und nimmt es günftig auf. Daß dies nicht eine leere Redensart ist, geht aus der Tatsache hervor, daß Italien froh feiner schlechten Finanzlage auch zu Opfern bereit ift, nämlich zum Berzicht auf jene 42 Millionen Mart, die ihm als Ueberschuß nach den Schuldenzahlungen aus den deutschen Reparationsleiftungen nerbleiben. Die italienische Regierung be­trachtet Hoovers Borschlag als ersten Schrift zu einer moralischen

Noch unmöglicher ist es, von Deutschland bei dieser Gelegenheit einen endgültigen Verzicht auf den Anschluß zu er= pressen. Deutschland und Desterreich haben wiederholt erklärt, daß sie den Anschluß niemals widerrechtlich vollziehen würden. Aber die Verträge von Versailles und St. Germains lassen die Möglichkeit des Anschlusses mit Zustimmung des Völkerbunds= rats offen. Auf diese Zukunftsmöglichkeit, mag sie noch so fern erscheinen, solange insbesondere der italienische Faschismus am Ruder sein wird, wird Deutschland nicht verzichten.

Ministerbesprechungen in Paris .

Paris , 22. Juni. ( Eigenbericht.) Die Auswirkungen der Botschaft Hoovers für Frankreich wurden am Montag im französischen Finanzmini­sterium eingehend geprüft. Im Anschluß daran hatte der Finanzminister Flandin eine eingehende Aussprache mit dem Ministerpräsidenten av al und dem Außenminister Briand . Die französische Presse setzt unterdessen ihre Kritit an Hoopers Borschlag fort. Die nationalistische ,, Liberté" über die Grundlagen des Problems noch so schlecht unterrichtet sein, schreibt: Jeder beliebige Mensch aus irgendeinem Lande, möge er wird sofort sagen, daß das Angebot Hoovers das Ende der Repa rationen bedeutet. Denn die amerikanische Regierung täuscht sich, wenn sie ernsthaft glaubt, daß nach einjähriger Unterbrechung die regelmäßige Rückzahlung der Kriegsschulden wieder aufgenommen wird. Es besteht also kein Zweifel, daß es sich um eine Revision. des Young Planes handelt, der vollständig und endgültig sein sollte, und daß man wieder von vorn anfangen muß."

Der Temp s" versucht dagegen einzulenten und erklärt, der land die von Hoover vorgeschlagene Erleichterung außerhalb des Young- Plan müsse als solcher bestehen bleiben. Man könne Deutsch­Blanes gewähren, aber es müßten Maßnahmen dafür getroffen werden, daß nach dem Ablauf des Jahres die Ausführung des Young- Blanes in normaler Weise fortgesezt wird.

Der radikale Abgeordnete Margaine hat in der Kammer eine Interpellation über den amerikanischen Vor­schlag eingebracht. Das Datum für die Besprechung dieser Inter­pellation foll am Dienstag festgesetzt werden.

Die radikale ,, Bolonté" und das Gewerkschaftsorgan ,, Le Peuple" treten für den Vorschlag Hoovers ein, ohne sich jedoch über die finanziellen Folgen für Frankreich zu äußern. Die Regierung hat noch nicht offiziell Stellung genommen. Das wird erst in dem Ministerrat am Dienstag geschehen. Ein besonders qualifiziertes Regierungsmitglied" hat einem Mitarbeiter des Echo des Paris " erklärt: Amerifa fann nicht verlangen, daß der Sanierungsversuch der deutschen Finanzen mit einer Operation unternommen wird, aus der allein Deutschland zum Schaden Frankreichs und der mitteleuropäischen Länder, die ihr Vertrauen in Frankreich gesetzt haben, Muzen ziehen würde."

Im Populaire" äußert der sozialistische Abg. Léon B1 um, die tiefliegenden Gründe, die" Hoover zu seinem Entschluß