Einzelbild herunterladen
 

Nr. 289 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Berlin in der Zange

-

Zwangsläufigkeit im Etat Ein lehrreicher Vergleich Erhaltet die Sozialleistungen!

Der Haushaltsausschuß der Stadtverordneten­

verfammlung hat die erle Lehung des Berliner Haushalts- Der Mehrbedart

planes beendet. Nachstehend soll ein Einblick in die schwierige Gestaltung dieses Etats der Not gegeben werden.

Die nebenstehende Darstellung zeigt die Not des Ber­ liner Haushalts 1931, die zugleich die Not aller deutschen Städte ist. Die Bildhaftigkeit der Darstellung wird auch dem, der Etatszahlen nicht zu lesen oder zu deuten gewöhnt ist, die inneren Zusammenhänge zwischen Mehrbedarf und not­wendiger Einschränkung vor Augen führen.

Berglichen sind das letzte Jahr vor der Wirtschaftskrise ( 1928/29) und das laufende Haushaltsjahr 1931/32. Um ein­wandfreie Bergleichszahlen zu erhalten, ist der Zuschuß­bedarf( Ausgabe nach Abzug der Einnahme) für die einzelnen Verwaltungszweige im Verhältnis zum gesamten Zuschußbedarf des betr. Jahreshaushalts in Prozenten dar­gestellt. Der Zuschußbedarf betrug 1928 insgesamt 522,8 Mil­lionen, 1931 beträgt er 654,9 Millionen. Dieser Bedarf mußte und muß im wesentlichen durch Steuern, zu einem ge­ringen Teile durch Ueberschüsse der gewinnbringenden Betriebe gedeckt werden( für 1931 sind 92 Millionen ungedect).

fur

1928

% 14 16 38 64 372 539 Wohnungs Schulden- Wohlfahrt Siedlungs wesen wesen

Man erkennt ohne weiteres die enorme Steigerung des Anteils der Wohlfahrtslasten( von 37,2 auf 53,9 Proz.) am gesamten Bedarf des Haushalts und der Schuldentilgung ( 3,8 auf 6,4). Diese Steigerung ist durch eine Steigerung der Ausgaben hervorgerufen, wie man aus der fleinen Hilfsdar ftellung ersieht, die die reinen Ausgaben für die beiden Etatsjahre

Es stiegen die Ausgaben

for

1928

BERLINER HAUSHALT 1928 1934

Es sanken die Ausgaben

for

4928 1931

$ 50 34 45 44 435072 102598 12s1159 23 All

173 2 6 443 22 385 Polee Scheldes- Wohlfahrts Bay Wobesagt Zoschos 6eeck Scholars verwalt rem weten Vervalt vervalt Siedlung. Betriebe wesen Kuta Brid

angibt( also ohne Berücksichtigung der Einnahmen in dem beir. Verwaltungsgebiet). Anders steht es mit dem Bedarf für das

Neuer Flug Amerika - Europa . Amerikanische Flieger zum Weltrundflug gestartet. New Yort, 23. Juni. Auf dem Flugplatz Roosevelt Field find die amerikanischen Flieger Poft und Gatty in den frühen Morgenfunden des Dienstag zum Flug nach Harbor Grace als der ersten Etappe des beabsichtigten Welfrundfluges gestartet. Sie planen einen Ohne­Half- Flug von Harbor Grace nach Berlin .

Zwei Kinder schwer verunglückt.

Beim Spielen auf dem Fahrdamm lief Dienstag nachmittag der 7jährige Paul Steinhausen aus der Posener Straße 24 in ein Lieferlastauto hinein. Das Kind erlitt einen schweren Schädelbruch und Zerreißung der Armmuskeln. In bedenklichem Zustande wurde es in das Krankenhaus am Fried­ richshain eingeliefert. Der zweite Straßenunfall trug fidh in Char

[ 26

لاجن

Vtüble

12/1

VON

1. ILF UND F. PETROW

,, Hundertzwanzig Rubel hinten. Hundertfünfunddreißig Rubel, auch hinten. Hundertvierzig."

Ostap stand ruhig da, den Rücken zum Podium ge­wendet und betrachtete lächelnd seine Konkurrenten.

Die Auktion war in vollem Gange. Es gab feinen freien Platz mehr. Gerade hinter Ostap bekam eine Dame Lust auf die Stühle. Nachdem sie sich mit ihrem Mann beraten hatte ( Wunderbare Arbeit, Sonja! Und aus dem Palast!), hob sie den Arm.

,, Hundertfünfundvierzig, fünfte Reihe rechts. Zum

erstenmal."

Im Saal wurde es ruhiger. Das war schon zu teuer. ,, Hundertfünfundvierzig. Zum zweitenmal." Ostap blidte gleichgültig zur Dede. Worobjem saß mit gesenktem Kopf da und erschauerte.

,, Hundertfünfundvierzig, zum drittenmal."

Aber knapp bevor der schwarzlackierte Hammer auf das Brett niederfiel, wandte sich Ostap um, hob den Arm und jagte nicht besonders laut: 3meihundert!"

30 30 Polizei verwalt

BERLINER HAUSHALT 1928 UND 1931 ANTEIL DER VERWALTUNGSZWEIGE AM GESAMTBEDARF

erfordert Kurzung fúr

4928

1931

$ 1.33 149 61 47 106 62 257 160% Zuschuss- Bau- Allg. Gesundh Schuhwesen, Betriebe verwalt Verwalt. wesen Kunst Bild

Wohnungswesen, bei dem die Ausgaben durch die Einschrän tung der Hauszinsmittel rapid gefallen sind. Die Erhöhung des Zuschußbedarfs erklärt sich hier daraus, daß die Einnahmen( even die Hauszinsmittel) ebenso stark zurüdgegangen sind, während die übrigen Ausgaben( für den Zinsendienst der Zusazhypotheken) meiter gestiegen sind. Der Anteil des Bedarfs für die Polizeiverwaltung ist der gleiche geblieben. Die Ausgaben find im gleichen Verhältnis wie der gesamte Etat gestiegen.

Alle anderen Berwaltungszweige mußten in ihrem Zuschuß bedarf gekürzt werden. Die nebenstehende Darstellung läßt das Ausmaß dieser Kürzungen ebenso wie ihre Notwendigkeit mit aller Deutlichkeit erkennen. Ein Bergleich mit der Hilfs Darstellung zeigt aber, daß die Ausgaben durchaus nicht ebenso start mie der prozentuale Anteil des Zuschußbedarfs gesunken find, daß also foziale und tulturelle Forderungen trog aller notwendigen Sparmaßnahmen im Rahmen des finanziell irgend Möglichen noch einigermaßen erfüllt sind.

lottenburg vor dem Hause Schillerstr. 95 zu. Dort geriet der vierjährige Heinz Eggert in der Nähe der elterlichen Woh­nung unter die Räder eines Privatautos. Schwer verletzt wurde das verunglückte Kind in das Westend- Krankenhaus übergeführt.

C

Tragisches Ende einer Weltreise.

3wei junge Augsburger Arbeitslose namens Spöd und Bössel, die am 16. April von Augsburg aus im Paddelboot zu einer Reise um die Welt gestartet und nach

mancherlei Gefahren auf der Donau durch das Schwarze Meer glüd: lich bis nach Konstantinopel gelangt waren, sind auf der Weiterfahrt nach Smyrna nach einer in Augsburg eingetroffenen Nachricht während eines Sturmes in den Fluten des Aegäischen Meeres um­gekommen.

Sprechchor für proletarische Feierffunden. Donnerstag, den 25. Juni, abends 7% Uhr, Weinmeisterftr. 16/17, im Gesangsfaal der Sophienschule Uebungsstunde.

,, Nun, Vorsitzender, war das effektvoll?" fragte Ostap. Ich möchte wissen, was Sie ohne den technischen Leiter ge­macht hätten."

Borobjem fnurrte beglückt. Das Fräulein fam im Laufschritt heran. Sie sind es, die die Stühle gekauft haben?"

Wir!" rief Worobjem, der sich lange zurückgehalten hatte. Wir, wir. Wann fönnen wir die Stühle bekommen?" Wann Sie wollen. Auch gleich."

Die Melodie: ,, Andere haben andere Hirne..." sprang plötzlich in Worobjews Kopf herum. Die Stühle find unser, unser, unfer! Sein ganzer Organismus schrie es. Unser! rief die Leber. Unser! bestätigte das Zwerchfell.

Es war ein solcher Freudenchot gewesen, daß er jetzt an ganz unerwarteten Stellen den Buls schlagen fühlte. Alles vibrierte, wankte und erzitterte unter dem Ansturm solch un­erhörten Glücks. Er sah einen Zug vor sich, der sich dem Gotthard näherte. Auf der offenen Plattform stand er selbst in weißer Hose und rauchte eine Zigarre. Edelweiß fiel still auf sein Haupt, das wieder wie einst mit dem aluminium­farbenen Haar geschmückt war, Worobjem fuhr nach Italien .

,, Warum zweihundertdreißig und nicht zweihundert?" hörte Worobjem neben sich fragen.

Ostap war es, der dies fragte und die Quittung in den Händen drehte.

Fünfzehn Prozent werden für die Kommission zuge­schlagen", antwortete das Fräulein.

,, Da ist nichts zu machen. Hier nehmen Sie." Ostap zog seine Brieftasche heraus, zählte zweihundert Rubel und wandte Alle Köpfe wandten sich den Konzessionären zu. Die fich dann an den Generaldirektor des Unternehmens. Zahlen Müßen und Hüte waren in Bewegung. Der Ausrufer hob Sie dreißig Rubel, mein Lieber, und rasch, Sie sehen, die bas gelangweilte Gesicht und sah Ostap an. 3weihundert, Dame wartet. Nun!" zum erstenmal", sagte er. 3weihundert, in der vierten Worobjew machte keine Anstalten, das Geld herauszu­Reihe rechts, zum zweitenmal. Gibt niemand mehr? 3wei- nehmen. hundert Rubel, eine Möbelgarnitur, bestehend aus zehn Nuß­holzstühlen aus dem faiserlichen Balast. Zweihundert Rubel, zum drittenmal, vierte Reihe rechts."

Die Hand mit dem Hammer hing über dem Ratheder in der Luft.

Bu menig!" sagte Worobjem.

Ostap lächelte, hatte gerötete Wangen und war ruhig. Der Hammer schlug nieder und ließ einen himmlichen Ton pernehmen.

Bertauft", sagte der Ausrufer. Fräulein! Vierte Reihe rechts."

Nun? Warum sehen Sie mich an wie der Soldat die Laus? Sind Sie vor Glüd verrückt geworden?"

Ich habe tein Geld", murmelte Borobjew endlich. ,, Wer hat nicht?" fragte Ostap sehr leise. Ich habe es nicht."

,, Und die zweihundert Rubel?"

, Ich. h- abe-fie verloren."

..

Oftap sah Worobjem an, prüfte rasch sein müdes Gesicht, die grüne Farbe der Wangen und die Säcke unter den Augen. Geben Sie rasch das Geld her!" flüsterte er haßerfüllt. Alter Schuft..."

1

Mittwoch, 24. Juni 1931

Pulverfabrik explodiert.

-

Bisher elf Tote geborgen. Viele Schwerverletzte. London , 23. Juni.

Am Dienstag ereignete sich in der Nitroglyzerin­Abteilung der Marine- Pulverfabrik Holton Heath bei Poole ( 70 Kilometer westlich von Portsmouth ) eine schwere Explosion. Bisher wurden elf Tote und mindestens zehn Verwundete festgestellt. Viele Arbeiter trugen leichte Verlegungen davon. Der Sach­schaden ist außerordentlich groß. Die Wirkung der Ex­plosion wurde in einem Umkreis von 35 Kilometern ver­spürt. Man glaubte in der Umgebung zunächst an ein Erdbeben. Die gleiche Fabrik war bereits vor zwei Jahren der Schauplatz eines ähnlichen Unglücks, dem damals vier Arbeiter zum Opfer fielen.

Eine riesige Rauchwolfe lag über der Unglücksstelle, die sofort für alle Zivilpersonen in einem weiten Umkreis abgesperrt wurde, da die Herstellung der Sprengstoffe geheimgehalten wird, so daß es sogar feiner zivilen Feuerwehr, sondern nur den Lösch­zügen des Werkes erlaubt war, das Feuer zu bekämpfen. Der Leiter des Werkes äußerte sich, daß die Explosion im Nitrierhaus ent­standen sei und die angrenzenden Gebäude zerstört hätte. Nach der ersten Explosion sei ein Tank mit Schwefelsäure in die Luft geflogen, und die Säure sei in das Flammenmeer der ur­sprünglichen Explosion geflossen, so daß es wie ein Wunder er­scheinen müsse, daß die Verluste an Menschenleben nicht größer ge­wesen wären.

Um den Könnecke- Bericht.

Scharfer Widerspruch im Landtagsausschuß.

Der Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages über Mißstände in der Berliner Stadtverwaltung" besprach gestern den umstrittenen abschließenden Bericht des deutschnationalen Bericht erstatters Könnede.

Die

Hierbei wandte sich der staatsparteiliche Abgeordnete Riedel vor allem gegen die allzu schroffen Feststellungen über den früheren Oberbürgermeister Böß und verlangte, daß man sich der Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Disziplinarurteil anschließe. Rechte widersprach in einer Form, die namentlich beim Vertreter der Deutschnationalen abseits von jeder Sachlichkeit lag. Der so­zialdemokratische Abgeordnete Drügemüller betonte, daß gegen die Grundstücksgeschäfte grundsäglich nichts einzuwenden sei. Es sei nur festgestellt, daß der wirtschaftsparteiliche Stadtrat Busch diese Dinge persönlich ausgewertet habe. Ueber Oberbürger­meister Böß fönne der Ausschuß kein anderes Urteil aussprechen, als es das Oberverwaltungsgericht nach viel ausgiebigerer Beweis­aufnahme gefällt habe. Der Berichterstatter Könnecke wollte zum Ausdrud gebracht wissen, daß die Aufsichtsbehörde nicht rechtzeitig Der Vertreter des Innen­genug tatkräftig eingegriffen habe. ministeriums trat dem energisch entgegen. Der sozialdemokratische Bertreter Harnisch wünschte gleichfalls eine mildere Fassung in der Frage des Verhaltens der Aufsichtsbehörde umb fetzte sich im Falle Böß für den Vorschlag des Abg. Drügemüller ein.

Die Feststellungen des Berichterstatters und die Anträge gingen an einen Redaktionsausschuß, der heute vormittag berät.

Heute

nachmittag wird der Vollausschuß die Abstimmung vornehmen.

Der ADGB. , Ortsausschuß Berlin , veranstaltet mit den anderen Organisationen der Arbeitnehmerschaft Filmvorführungen Im Westen nichts Neues". Näheres ist im Inseratenteil zu er­ichen. Es wird gut sein, daß man sich sofort mit Eintrittskarten versieht, da sonst die Möglichkeit besteht, daß die Karten ver­griffen find.

,, Werden Sie also zahlen?" fragte das Fräulein. ,, Einen Augenblic", sagte Ostap und lächelte bezaubernd, ,, ein fleines Mißverständnis. Es gab noch eine kleine Hoffnung. Man konnte den Ber­fäufer vielleicht überreden, mit dem Geld zu warten.

Da griff der zu sich gekommene Borobjem speichel­sprigend in das Gespräch ein.., Erlauben Sie!" schrie er. " Wozu diese Kommission? Wir wissen nichts von einer solchen Kommission! Man muß die Leute warnen. Ich weigere mich, diese dreißig Rubel zu zahlen!"

,, Gut", sagte das Fräulein sanft ,,, ich werde gleich alles einrichten." Sie nahm die Quittung, lief zum Ausrufer und sagte ihm einige Worte. Der Auktionär stand fofort auf. Sein Bart glänzte im Licht der starten Glühlampen. Nach den Regeln der Auktion", sagte er laut, hat die Person, die sich weigert, den vollen Betrag für den von ihr gekauften Gegen­stand zu bezahlen, den Saal zu verlassen! Der Kauf wird annulliert."

Die erstaunten Freunde saßen regungslos da. B- bitte sehr-" sagte der Auktionär.

Der Effekt war groß. Man lachte boshaft im Publikum. Ostap stand aber doch nicht auf. Er hatte schon lange nicht einen solchen Schlag verseßt bekommen.

,, B- i- i- tte sehr!" Der Verkäufer sprach mit einer fingend- monotonen Stimme, die keinen Widerspruch zuließ. Das Gelächter im Saal wurde stärker.

Und sie gingen. Nicht viele sind je aus diesem Saal mit einem so bittern Gefühl geschritten. Worobjem ging voran. Seine Inochigen Schultern waren gebeugt, sein turzer Rock und die breiten Schuhe ließen ihn einem Kranich ähnlich er­scheinen. Auf seinem Rücken spürte er den warmen freund­schaftlichen Blick des großen Kombinators.

Die Konzessionäre blieben im Zimmer, das sich neben dem Auktionsjaal befand. Jetzt konnten sie die Auktion nur durch eine Glastür verfolgen. Der Weg zurück war gesperrt. Ostap schwieg freundschaftlich.

,, Empörende Wirtschaft", murmelte Worobjem feige. ,, Ein Standal! Man sollte sich bei der Miliz beschweren." Ostap schwieg.

,, Nein, wirklich, es ist empörend!" erhitzte sich Borobjem weiter. Man beraubt die Arbeiterklasse. Bei Gott !... Für so abgenützte Stühle zweihundertdreißig Rubel. Zum Ber­rücktwerden

-

,, Ja", sagte Ostap mit einer hölzernen Stimme. ( Fortsetzung folgt.)