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Morgenausgabe

Nr. 291

A 147

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

25. Juni 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Hentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Amerika verhandelt mit Frankreich . Frankreichs große Stunde.

Es erwartet zuversichtlich Annahme des Vorschlages.

Washington , 24. Juni.

Bergery, Paul Boncour und Grumbach teilnahmen. Alle Redner Jm Staatsdepartement ist die Stimmung mit Hinblid auf die waren der Ansicht, daß man Deutschland soweit als möglich ent­endgültige Annahme des Hoover- Borschlages durch alle Mächte nach gegentommen müsse. Es herrschte aber auch Einstimmigkeit wie vor zuversichtlich. Es wird auf Stimsons heutige Feststellung darüber, daß die ungeschützten Zahlungen im Prinzip auf hingewiesen, daß bedeutende Fortschritte bereits er. rechterhalten werden müßten. Die Debatte wird am Mittwoch zielt feien. Auch erblickt man in seiner Erklärung, von den Grund- fortgesetzt. Loucheur ist damit beauftragt worden, einen Bericht über linien des Hoover- Borschlages nicht abweichen zu wollen, ein Zeichen die zu ergreifenden praktischen Maßnahmen auszuarbeiten. Grum der Zuversicht, daß die öffentliche Meinung der Welt sich hinter bach hat den Auftrag erhalten, den Ausschuß über die Lage in

ihn stellen werde.

Es wird erklärt, man sei sich flar darüber, daß einige Zeit ver­gehen werde, ehe die französische Regierung ihren gegenwärtigen Standpunkt ändern würde. Man hoffe aber bestimmt, daß man innerhalb von acht bis zehn Tagen zu einer Einigung gelangen werde, und zwar zu einer Einigung auf der Grundlage des Hoover- Borschlages, von deffen Richtlinien die Regierung der Vereinigten Staaten, wie sie heute ausdrücklich erklärt habe, nicht Vereinigten Staaten, wie sie heute ausdrücklich erklärt habe, nicht

abgehen wolle.

Auf Grund der jetzigen Lage nimmt man an, daß Stimjons Reise nach Europa um einige Zeit verschoben werden würde.

Allgemeine Zustimmung.

Washington , 24. Juni. ( Reuter.) Im Weißen Hause wurde mitgeteilt, daß die Antworten auf den Borschlag Hoovers zahlreich eingingen. Der Widerspruch gegen den Vorschlag sei sehr gering.

Der Weg der Verhandlungen beschritten. Washington , 24. Juni. Staatssekretär Stimson hat am Mittwoch in einer Konferenz vor Pressevertretern folgende Erklärung abgegeben: Der Vorschlag des Präsidenten Hoover war flar und einfach gezeichnet. Auch der Zwed diefes Vorschlages mar flar, nämlich ein einjähriger Zahlungsaufschub. Von dieser allgemeinen Linie wird nicht abge­wichen werden.. Wir machen wirkliche Fortschritte, aber bei einer derartigen Angelegenheit, wo so viele Schuldenarten und Nationen in Betracht kommen, müssen sehr viele Einzelheiten mit den be­teiligten Mächten forgfältig bedacht und besprochen werden. Diese Unterhaltungen müssen notwendigerweise auf dem ordnungsmäßigen diplomatischen Wege und nicht durch die Presse geführt werden."

Jede weitere Erläuterung lehnte Staatssekretär Stimson ab.

Frankreich verlangt deutsche Zahlungen.

Die Antwort an Amerita.

Paris , 24. Juni. ( Eigenbericht.)

Die französische Antwortnote auf den Vor­schlag Hoovers, deren Wortlaut im Ministerrat am Mittwoch festgelegt worden war, ist am Mittwoch nachmittag von Minister präsident Laval dem amerikanischen Botschafter übergeben und zugleich an den französischen Botschafter in Washington tele­ graphisch übermittelt worden.

Ueber den Ministerrat und den Inhalt der Note macht der Intransigeant" folgende Angaben: Die Note hat einen Umfang von etwa vier Schreibmaschinenseiten. Als Unterlage für den end­gültigen Wortlaut hat ein Entwurf gedient, der vom Finanz minifterium ausgearbeitet und der bereits in der Ministerbesprechung am Dienstag abgeändert worden war. Die Note ist in einer sehr höflichen Form gehalten und lobt die hohen Gefühle, die die Initiative des amerikanischen Präsidenten bestimmt habe. Sie weist dann auf die juristische Seite des Vorschlages hin und legt mit aller Deutlichkeit die beiden Grundgedanken der franzöfifchen Haltung dar. Diese lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. der Young- Plan ist vom französischen Parlament ratifiziert worden und kann nicht ohne einen bestimmten Auftrag des Par­laments abgeändert werden. Vor allem darf die wesentliche Unterscheidung zwischen den bedingten und den bedingungslosen Zahlungen von der Regierung nicht ohne weiteres beseitigt werden. 2. Frankreich wünscht, mit allen Mitteln den wirtschaftlichen Wieder­aufbau Europas und der Welt zu erleichtern. Es würde also damit einverstanden sein, daß Deutschland ihm während eines Jahres feine Zahlungen leistet unter der Bedingung, daß der ungeschützte Teil der Annuität an die B33. überwiesen, aber nicht in Devisen umgewandelt wird. Die Bank fann diese Summe dazu benußen, Deutschland und anderen mitteleuropäischen Mächten Kredite zu gewähren."

Die Radikalen gespalten.

Der Auswärtige Ausschuß der Kammer hat sich am Mittwoch eingehend mit dem Hooverschen Vorschlag befaßt. Es mur den zunächst zahlreiche Beschwerden über die Art und Weise laut, in ber Hoover seinen Vorschlag übermittelt hat. Dann tam er zu einer Debatte über die Cage in Deutschland , an der u. a. Loucheur,

Deutschland zu unterrichten.

Die Radikalen haben sich am Mittwoch nochmals mit der Botschaft des Präsidenten Hoover befaßt, ohne jedoch einen Beschluß zu faffen. Die Mehrheit der Fraktion scheint aber gegen ein zu weitgehendes Entgegenkommen in bezug auf die amerikanischen Bünsche zu sein und ihm eine direkte deutsch - französische aussprache vorzuziehen. Zu dieser Auffassung dürfte die Rund funkrede des Reichskanzlers Brüning beigetragen haben. Wie der Sorrespondent des Soz. Pressedienst" in Paris erfährt, scheint man auch im Außenministerium einer solchen Idee nicht ab­geneigt zu sein.

Mussolini nimmt an. Mussolini nimmt an.

Rom , 24. Juni.

Ministerpräsident Mussolini hat auf Grund des Borschlags des Präsidenten Hoover am Dienstag den italienischen Botschafter in Bashington das folgende Telegramm übermittelt: Ich bitte Euer Exzellenz, der Regierung der Bereinigten Staaten von Amerifa mit zuteilen, daß ich den Vorschlag des Präsidenten Hoover über die vollständige Einstellung der Schuldenzahlungen der Regierungen während eines Jahres geprüft habe. Dieser Vorschlag legt Stalien erhebliche Opfer auf, aber ich habe mich nach reiflicher Ueber. legung entschloffen, ihm grundsäßlich meine herzliche 3ustimmung zu erteilen. Ich behalte mir vor, der dortigen Regierung binnen furzem einige Bemerkungen zugehen zu lassen, die dahin zielen, eine zugleich gerechte und praktische Anmen dung der glücklichen Initiative der amerikanischen Regierung ficher: dung der glücklichen Initiative der amerikanischen Regierung sicher­zustellen, wie dies gemiß im Sinne der Vorschläge des Präsidenten liegt. Ich beglückwünsche mich dazu, daß die Initiative des Prä. fidenten, deren hohe moralische Bedeutung vom italienischen Bolke voll gewürdigt wird, eine Periode wirksamerer Zusammenarbeit zwischen den Völkern eröffnen kann, eine Zusammenarbeit, die über­aus notwendig ist im gegenwärtigen Augenblick allgemeiner Schwierigkeiten und am Vorabend der Abrüstungskonferenz."

Snowden für schnellste Durchführung.

London , 24. Juni. ( Eigenbericht.)

In der Mittwochsigung des Unterhauses fragte der Führer der Konservativen den englischen Schatzkanzler Snowden, ob er in der Lage sei, nähere Auskunft über die Durchführung der Botschaft Hoovers zu geben. Snowden nahm zunächst Bezug auf die Erklärung Macdonalds in der Montagsigung des Unterhauses und fuhr dann fort:

,, Ich nehme die Gelegenheit gerne wahr, um die Schritte zu er­läutern, die wir in dieser Richtung zu tun uns entschloffen haben. Je genauer mir die Aktion des Präsidenten Hoover betrachtet haben, um so deutlicher wurde es uns, daß wir uns in ihr eigentliches Wesen zu vertiefen hätten, welches darin besteht, daß diefe Della ration des amerikanischen Präsidenten eine außerordentlich groß zügige Geste der Vereinigten Staaten darstellt, auf die eine Antwort im gleichen Geiste schuldig zu bleiben, jammerschade für Europa wäre. Die Wohltaten, die sie bringen kann, müßten verloren gehen, wenn die durch sie betroffenen Staaten nicht Maßnahmen er­greifen würden, um ihr zur sofortigen Wirksamkeit zu verhelfen. Das ist besonders der Fall, soweit es sich um Deutschland bandelt, und hierin liegt alles in allem die Hauptschwierigkeit. Wir haben der von der amerikanischen Regierung geäußerten Ansicht zu­gestimmt, daß keine 3eit mehr mit der Einberufung Es muß eine einer Konferenz zu verlieren ist. raschere Methode gefunden werden, um den Vorschlag der ameri­fanischen Regierung, die sofortige Suspendierung der deutschen Sahlungen an die Gläubiger- Regierungen, ins Werk zu setzen. Ein Verfahren, das wir bevorzugen würden, wäre, daß die Gläubiger Regierungen umgehend der Bant für Internationale 3ahlungen mitteilen, daß sie mit dem Vorschlag einer Suspendierung aller deutschen 3ahlungen für ein Jahr einverstanden sind. Die Entscheidung Pönnen wir natürlich nicht allein fällen, und mir erwarten die Er­tlärungen der anderen Gläubiger- Regierungen. Wir hoffen aber, daß es möglich sein wird, ein lebereinkommen auf dieser Grundlage so bald wie möglich zu treffen." 0:00:

Snowden erwähnte schließlich noch, daß die Arbeiterregierung sich entschlossen habe, den Dominien die zum Teil recht erheb lichen Zinsen für die Kriegsschulden zu stunden. Es handelt sich um einen Betrag pon insgesamt 11 Millionen Pfund Sterling

Es geht um mehr als um Geld und Prestige!

Von Rudolf Breitscheid .

Borte, wie sie der deutsche Reichskanzler am Dienstag­abend an Frankreich gerichtet hat, sind der vollen Zu= ftimmung aller Freunde des Friedens und der europäischen Verständigung sicher. Sie atmen denselben Geist, aus dem heraus insbesondere die deutsche Sozialdemokratie in der ganzen Zeit nach dem Kriege das Verhältnis zu Frank­ reich beurteilt hat und der sie immer wieder veranlaßte, die leberwindung der deutsch - französischen Spannung in den Vordergrund ihrer auswärtigen Politik zu stellen. Daß der leitende Staatsmann den Entschluß gefaßt hat, seiner Ueber­zeugung vor aller Welt offen und rückhaltlos Ausdruck zu geben, verdient um so größere Anerkennung, als er sich damit genau so wie die Sozialdemokratie bei jenen Patrioten, die in Frankreich den hassenswerten Erbfeind sehen, dem Vor­wurf des Verrats vaterländischer Interessen aussehen wird.

Die Rundfunkrede ist ja auch im gewissen Sinne ein Ab­rücken von denen, die auch in diesem Augenblick die Verlegen­heiten, in die Frankreich durch den Hooverschen Vorschlag ge= raten ist, für ihre Zwecke auszubeuten suchen und die Dinge so darstellen, als ob die Kritik, die man drüben an der Idee des Moratoriums übt, ausschließlich in politischer Böswillig­feit und dem Wunsche nach der Vernichtung Deutschlands ihren Grund habe. Dieselben Leute, die stillschweigend über den italienischen Bersuch hinweggehen, jetzt von Deutschland den Berzicht auf die Zollunion zu erpressen, zitieren mit Eifer jede Stimme des Mißbehagens, die in der Pariser Presse laut wird, und tragen dadurch in voller Absicht zu der Vertiefung Der Kluft zwischen uns und unserm westlichen Nachbarn bei. Brünings Berdienst ist es, gezeigt zu haben, daß es bei uns auch andere Auffassungen gibt, und daß er selbst auf der Seite derer steht, die guten Willens find.

Das deutsch französische Berhältnis war in der letzten Zeit alles andere eher denn erfreulich. Wir dürfen wohl ohne Uebertreibung sagen, daß seit dem Ruhrkampf das beiderseitige Mißbehagen nicht so stark ge­wesen ist wie in unseren Tagen. Es fehlt das Berständnis und es fehlt das Vertrauen. Daß auf deutscher Seite schwere Fehler begangen worden sind, wird sich nicht in Abrede stellen lassen. Niemand konnte annehmen, daß die Art, wie der Zollunionsplan vorbereitet und eingeleitet wurde, die öffentliche Meinung in Frankreich für uns günstig stimmen werde. Niemand darf erwarten, daß Stahlhelmparaden von dem französischen Bolf als Beweis unseres Friedenswillens aufgefaßt werden. Gar nicht zu reden von dem national­sozialistischen Wahlerfolg im vergangenen September. Aber es wäre falsch, die Schuld nur bei Deutschland zu suchen.

Frankreich ist für die tiefe Berstimmung in hohem Maße mitverantwortlich. Es hat die Ausschreitungen des deutschen Nationalismus gebucht, aber es hat die un­geheuren und opferreichen Anstrengungen zu seiner Abwehr nicht genügend gewürdigt. Es hat bei dem Widerstand gegen die 3ollunion Argumente ins Treffen geführt, die den Ein­druck aufkommen lassen mußten, als ob es Deutschland und Desterreich die Rechte abspreche, die freien und selbständigen Staaten zustehen. Es hat zwar immer wieder von der Not­mendigkeit einer Sanierung Europas geredet, aber es blieb dann doch mit verschränkten Armen vor Deutschland stehen, deffen wirtschaftliche Not die größte Gefahr für Europa be­deutete. Es hat endlich bei dem Zusammenbruch der Wiener Kreditbank eine Politik getrieben, die sich offen gegen das österreichische Selbstbestimmungsrecht richtete und die zum mindesten mittelbar ihre vergiftete Spitze auch gegen Deutsch­ land fehrte.

Mit alledem hat sich Frankreich allerdings selber ge­sch a det. Sein Verhalten rief nicht nur in Deutschland , sondern auch anderswo Unwillen hervor, und eben meil man in Paris fein gutes Gewissen haben konnte, witterte man nun Intrigen und schrieb Deutschland die Absicht zu, an internationalen Verschwörungen zur Isolierung Frankreichs führend beteiligt zu sein. Auch bei der Kritik an der Hoover­schen Botschaft klingt dieser unbegründete und törichte Ber­dacht wieder mit, und es sind nicht nur die finanziellen Be denten und die Sorge um die Aufrechterhaltung des Young­Plans, die die ablehnende französische Haltung bedingen, son­dern im gleichen Maße auch das unbehagliche Gefühl, man sei übergangen worden und habe zugunsten Deutschlands einen Prestigeverlust erlitten.

Brüning bemüht sich, diesen Eindruck zu zerstören und gleichzeitig die außerordentlich große Bedeutung ins Licht zu