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Nr. 297 48. Jahrgang

Die

1. Beilage des Vorwärts

Rache

Sonntag, 28. Juni 1931

der Alten Spree

gr

Die Spree von der Oberbaumbrücke aus gesehen braucht sich durchaus nicht hinter der Elbe   bei Magdeburg   oder der Oder bei Frankfurt   zu verstecken. Aber um diese Fähigkeit. der Konkurrenz zu erlangen, bedurfte es allerdings für die Spree des moeiten Weges von den Bautzener Bergen bis zu den Wiesen um Erkner  ; noch bis zu ihrem Einfluß in den Dämeritz­see ist sie eine bescheidene Wasserstraße zweiter Ordnung, deren Ufer vom Fürstenwalder Wasserbauamt meder sonder­lich befestigt, noch daß ihr Bett jemals ausgebaggert würde. Kaum jemand wird diesen etwas besseren Bach, der sich himmelblau durch die Wiesenlandschaft zroängt, für die Spree halten. Man traut ihr nicht einmal zu, daß sie einen 200- Tonnen­Finommaßkahn zu tragen vermag; die Schiffahrt geht abseits durch den Oder- Spree- Kanal. Für diese Degradierung zur Wasserstraße zweiter Ordnung hat die Alte Spree"- nennt man den Teil ihres Laufes zwischen Fürsten­walde und Erkner   gewissermaßen Rache genommen, was sie an Sand und Schlick in der Lausitz   oder in der Mark beizutreiben vermag, das schleppt sie in wirbelnder Strömung unablässig stromabwärts, um schließlich alles im Dämeritz­see abzulagern. Und der arme Dämeritzsee wird durch diese Ränke von Jahr zu Jahr kleiner.

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Das operierte Flußbett.

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SO

Man hat alles mögliche versucht, diese Ungezogenheit der Spree  wenigstens einzudämmen. Jahrelang stand auf dem Dämeriẞsee ein Bagger. Auf diesem Bagger arbeiteten die Leute im Schweiße ihres Angesichts, um den Sand wieder zu heben, den die Spree an­schwemmte. Vergebens, gegen die Heimtücke dieser winzigen Spree waren alle Maschinen machtlos; es war beinahe so, je mehr man baggerte, desto mehr versandete die Mündung. Wogegen übrigens die Ausflügler wieder gar nichts einzuwenden hatten, denn eine schöne Badestelle gab es faum ein zweites Mal in der Umgebung Berlins  , eine Badestelle, auf der man gefahrlos bis in den halben See spazieren konnte. Bis eines Tages im Jahre 1926 die Geduld der Schiffahrtsbehörden zu Ende war und für die Spreemündung das Todesurteil beschlossen wurde. Wo das alte Flußbett am Mün­dungsed noch nicht ganz versandet war, sondern noch etwas Fuß wasser stand, wurde jezt einfach alles zugeschüttet und ein wenig weiter nach Osten hin der Allen Spree" ein neues Bett ge­graben. Das war eine entschlossene Radikaltur, deren Ergebnisse unser obiges Bild zeigt: da, wo die Zelte stehen, zwischen den Bäumen und dem Gebüsch, das war einmal das Bett der Spree  ,

Diese Operation muß jedoch die Spree nur noch mehr ver­schnupft haben, und wenn die Schiffahrt glaubte, jetzt endlich geruhig ihres Weges ziehen zu können, ohne jeden Moment damit rechnen zu müssen, an einer der aufgetürmten Sandbänke sich das Ruder abreißen oder die Schrauben abhauen zu lassen, dann war das even eine verfehlte Hoffnung. Denn jetzt liegen die roten und die schwarzen Bojen schon längst wieder weit draußen im See und warnen den Unfundigen, nur ja die Fahrtroute zu halten. Fünf Jahre alt ist erst die neue künstliche Mündung der Alten Spree", fein säuberlich mit Buhnen am Ufer befestigt, und schon wieder ist die ganze Mün­dung so versandet, daß ein Kind durchspazieren könnte. Wer weiß, mas man nun machen wird, vielleicht rücken die Wasserbaumänner abermals ein Stück weiter, aber das wird schlecht gehen, ein Fluß rcic die Spree ist nun eben mal fein Spidaal, den man hinpaden fann wo man lustig ist. Es ist nur gut, daß wenigstens ein Teil der ungestümen Kraft der Spree bei Große Tränke durch ein Wehr ge= bändigt wird, wo man ihr Wasser abzweigt, um damit den Oder­ Spree  - Kanal zu speisen. Denn noch in ihrer doppelt und dreifach regulierten Form hat sich die ,, Alte Spree" stärker erwiesen als der Menschen Hand.

Fischer und ihre Grenzen.

Dabei ist die Alte Spree" ein Anglerparadies von hohen Graden. Nur daß keiner aus den ganzen Gerechtsamen und Privilegien dort unten an den Spreemiesen recht schlau wird. Buchstäblich das einzig Greifbare ist das Schild, das die Köpenider Fischerinnung ein paar hundert Meter stromauf an der Alten Spree" aufgestellt hat und an dem zu lesen steht: Grenze der Köpenicker  Fischereiberechtigung." Dahinter kommen dann die Neu- Zittauer Fischer, das heißt, das ist nur einer, und schließlich die Wernsdorfer Fischer. Jetzt hängt aber noch ein Anglerverein dazwischen, und obendrauf sitzt der Preußenfiskus, der auch ein Wörtchen mitzureden hat. Jedenfalls gab es eines schönen Tages keine Angelkarten mehr, worauf der Anglerverein fam und so lange mit dem Finger drohte, bis die fgl. privilegierten Fischer zwanzig Angelkarten für die Ver­cinsbrüder herausrückten und gegen Geld und gute Worte noch weitere zehn Karten an Hinz und Kunz abgegeben wurden. So hätte fich eigentlich alles mit Hilfe der Grenztafeln und der Angelkarten

Blick vom Dämeritzsee auf die verschüttete Spreemündung.

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Trauriger Gruß vom Ruhrgebiet  .

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regeln lassen, aber so einfach ist das mit der Fischerei nicht, denn| besonders gute Stelle wüßte, im Modder, unter den alten Angel­nun kommt der Sohn von dem alten Fischer aus Neu- Zittau  , den fähnen, da holt er sie. hatte der Vater nach Potsdam   geschickt, um Fischereimeister zu merden, jetzt fam der also wieder und wollte eine Existenz haben. Aber da saßen die Angler und pfuschten ihm ins Handwert, und Aber da ist noch mehr los an der Alten Spree". So zieht eine nun wird es wohl von vorne losgehen: eines Tages gab es feine merkwürdige Kavalkade die Chaussee gen Neu- Zittau   fürbaß. Ein Angelfarten mehr, bis der Anglerverein kam und so weiter. großer, stämmiger Mann in den ersten Vierzigern, sein Noch schwerer ist es, sich ein einigermaßen sicheres Bild über buschiges rotes Haar gibt ihm einen leichten grimmigen Zug, die das Einkommen eines Fischers zu machen. Einer hat neulich, nach- Kleidung samt den Wickelgamaschen und dem Schuhzeug ist längst dem er eine Woche lang gefischt hatte, 18 Zentner Weißfische nach überfällig, dieser Mann schiebt einen Kinderwagen. Einen ur­Köpenid auf den Martt gebracht, wo er für die Plögen, Barsche alten, rohrgeflochtenen Kinderwagen, mit braunem Wachstuch aus­und Schleie pro Pfund 40 Pfennig bekommen hat, das wären immer gelegt, das Verdeck ist hochgeschlagen. In dem Kinderwagen wimmert hin 720 Mart, ein schöner Bazen Geld für eine Woche Arbeit. leise ein Neugeborenes. Von der Außenwand des Kinderwagens Andere fischen wieder wochenlang die Seen ab und schmeißen alles hängt ein wenig Hausrat herunter, eine Milchkanne, ein Kochtopf wieder ins Wasser, so klein sind die Stekerlinge. Wenn man alles und eine Waschschüssel. Hinter dem Mann mit dem Kinderwagen gegeneinander abwägt, dann kommt heraus, daß allein von der folgt eine Frau, mit einem noch gut erhaltenen dunkelgrauen Kleid Fischerei faum ein Fischer lebt, die Volleristenz verschafft er sich und einem Hut auf dem Kopf. Sie macht schon gar nicht den Ein­erst mit Hilfe seiner Wiesen, die ihm die Grundlage zu einer je nach druck einer Bettlerin, schiebt aber ebenfalls einen Kinderwagen; das Besiz und Größe verschieden rentablen Milchwirtschaft geben, für die kind in dieser Kalesche ist etwas größer und schaut unbekümmert um das nahe Groß- Berlin immer noch ein einigermaßen aufnahmefähiger alles in den herrlichen blauen Himmel. Was ist das für eine felt­Markt ist. Wesentlich günstiger liegen die Dinge jetzt mit den same Familie? Werter Herr", beginnt der Hüne seinen Sermon, Krebsen. Es ist, als hätten wir eine Renaissance des Krebssegens haben Sie keine Arbeit für mich? Sehen Sie, ich bin Familien­vom Ende des vorigen Jahrhunderts. Der Krebszug am Landwehr- vater, meine Kinder müssen Milch haben. Ich mache jede Arbeit, fanal war nur so etwas wie ein Vorspiel für den Massenzug der haben Sie Erbarmen!" Ja, Arbeit haben wir nicht, warten Sie Krebse, der jetzt bei einbrechender Nacht ans Ufer friecht. Wer nicht mal, wo kommen Sie denn eigentlich her?" Ich komme vom Ruhr­darauf achtet, trift einfach auf diese begehrten Biecher. Um diese gebiet, ich bin Bergmann, es sieht schlimm aus im Kohlenpott, Stunde kommen die Jungens aus den Dörfern, fangen die Schmuh nirgends Arbeit. Ich bin alle deutschen   Bergbaugebiete abgelaufen, flumpen und stecken sie in den Beutel. ,, Wieviel hast du gestern ge­im Zwickauer   Steinkohlenrevier hatte ich früher einmal fünf Jahre fangen?" fragten wir zwischen Gosen und Ertner einen Dreifäse- gearbeitet, ich habe da noch ein paar Bekannte gehabt, aber die hoch. 3wanzig", sagte er seelenruhig und verriet noch, daß er eine fonnten mir auch nicht helfen. Dann bin ich ins Waldenburgische rüber, war auf der Zeche Gottes Segen", aber was ist da im Waldenburger Bergland   für ein Elend." Wo haben Sie im Ruhr­ gebiet   zuletzt gearbeitet?" In Bochum  , Zeche Präsident", als Hauer." Nun ja, wie kommen Sie denn aber bloß zur Alten Spree" hier, Neu- Zittau   hat 1700 Einwohner, davon sind bald 200 arbeitslos. Und das ist ein Dorf, wo eigentlich jeder satt zu essen haben sollte." Herr, ich habe gehört, hier ist eine Kiesgrube, vielleicht kann ich da unterkommen. Ich will nur arbeiten, gestern nahm mich ein Bauer mit ins Heu, Herr, es ist schlimm, wofür man arbeiten muß, wenn man Hunger hat, eine Mart und fünfzig Pfennige hat mir der Bauer für den ganzen Tag mähen gegeben und das Essen und Milch für meine beiden Kinder." So ging das Gespräch noch eine Weile hin und her, dann setzten sich die Kinderwagen wieder in Bewegung und rolltem dem Hause des Amtsvorstehers zu, wo sich die vier Menschen für die Nacht obdachlos meldeten. Dazu bekam jedes Kind einen Liter Milch und für die Großen ein Nachtmahl und ein Frühstück. Beim Amtsvorsteher standen schon fünf hungrige obdachlose Gesellen und warteten geduldig auf die milde Gabe der Hand des Staates.

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Die Spree   bei Neu- Zittau  .

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Krieg gegen 36 Schlesier..

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So gibt nun eins das andere. Wenn sich die Bauern von allen Landstreichern diejenigen aussuchen würden, die das Mähen ver­stehen, würden sie eben für den Tag eine Mark und fünfzig Pfennige Lohn zu zahlen haben und bekämen das Heu auch in die Scheune. So weit hat sich das ,, Umschau halten" allerdings noch nicht aus­gewirkt, aber leise beginnt es sich anzubahnen: im vorigen Jahr zahlten die Bauern auf den Spreewiesen pro Morgen Gras mähen noch 7 Mart, in diesem Jahr nur noch 6 Mart. Im benachbarten Gosen   ist sogar ein fleiner Krieg im Gange. Da ist ein Kalfsand­steinwert. Davon lebte einmal halb Gosen. Heute arbeiten in diesem Werk vielleicht noch acht oder neun Gosener, die anderen sind

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