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Berlin   sendet:

Jugend hilft der Jugend

Eine Veranstaltungsreihe der Deutschen   Welle heißt: ,, Jugend hilft der Jugend". Der Titel flingt schön und trostreich. Ob die Veranstaltung ihn erfüllen wird, läßt sich nach den bisher gehörten zwei Stunden nicht voraussagen. Allerdings scheint die Leiterin Carola Hersel ein Mensch zu sein, dem es gelingt, Fühlung zu Jugendlichen zu finden. In diesen ersten Dar bietungen verstand sie jedenfalls, manches wertvolle zu geben. Man kann diese Stunden nur richtig beurteilen, wenn man berücksichtigt, daß sie nicht nur in Berlin  , sondern wahrscheinlich in weit größerem Maße in kleineren Städten und Flecken ab­gehört werden. Hier lebt der junge Mensch oft noch in großer per­sönlicher Einsamkeit, besonders, wenn er mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat oder wenn er leidend ist. Carola Hersel steht in der bürgerlichen Welt. Ihre Ratschläge gehen immer nur an Jugendliche dieses Lebenskreises. Aber zu dieser Jugend spricht hier ein Mensch, der sie wirklich zum Leben, ins Leben herein erziehen will. Man ist so sehr gewohnt, hochtlingende Phrasen oder gegenwartsfremdes Gerede zu hören, wenn in Wort oder Schrift der junge Mensch der bürgerlichen Welt von Erwachse nen seines Kreises zum Lebensmut, zur Lebensbejahung ermahnt werden soll, daß man sich über die sachlichen, vernünftigen Rat­schläge von Carola Hersel ehrlich freut. Manches, was sie sagt, mag primitiv flingen; aber es dient dazu, eine Grundlage für das Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, und es ist daher not­wendig für jene Jugend, an die es sich richtet und die überhaupt erst einmal von der Einsamkeit ihres Denkens, in die Erziehung oder eigener Unverstand fie führte, weitergeführt werden muß zum Ge meinschaftsgedanken. Carola Hersel erzieht ihre Hörer zu den Menschen hin; wenn sie anregt, anderen zu helfen, so bemüht fie sich dabei, dem Jugendlichen in dem anderen das eigene Ich zu zeigen. Nicht die hochmütige Geste des Wohltuns soll den Jugend­lichen einige Augenblicke über die eigenen Nöte hinwegtäuschen, sondern sinnvolle Handlungen sollen ihm das Gefühl der Daseinsberechtigung geben, sollen ihm Freude am Dasein weden. Carola Hersel regt zur Hilfsbereitschaft an. Geben und nehmen zeigt sie als gleichwertig, sofern beides richtig, der Notwendigkeit entsprechend, ausgetauscht wird. Sie bemüht sich, unter ihren jugendlichen Hörerinnen das Gefühl einer großen Gemeinsamkeit zu

schaffen. Man darf annehmen, daß es ihr gelingen wird, da sie selbst als guter Kamerad sich zwischen diese Jugend stellt und fragt und berät. Niemals klingen ihre Ratschläge und Ermahnungen herablassend wie von einem Menschen, der all diesen Dingen längst entwachsen ist. So hat sie sich rasch Vertrauen erworben, was sich in einem umfangreichen Briefwechsel bewies, in dem die jugend­lichen Hörerinnen ihre Lebens und Berufsfragen ent­rollten. Manchmal wird es nicht leicht sein, für die Beantwortung oder die Diskussion den richtigen Ton zu finden; ein ganzer Teil der Fragerinnen scheint an den Briefkästen" der Familienblätter geschult. Doch Carola Hersel verstand es bisher, in ihren Antworten diesen Stil durchaus zu vermeiden.

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In der letzten Stunde vermißte man allerdings einmal ihre Rritit in einem wesentlichen Punkte. Bei den Mit­teilungen über fremdsprachliche Korrespondenz war von einem Fragebogen die Rede, in dem u. a. auch der Beruf des Vaters an gegeben werden muß. Daß Angaben über Schulbildung, After, Interessengebiete als Grundlage für einen Briefwechsel in fremden Sprachen zwischen Menschen, die sich sonst unbekannt sind, not­mendig ist, leuchtet ein; die Frage nach dem Stand der Eltern mutet jedoch sehr unzeitgemäß an. Carola Hersel trägt keine Schuld an ihr. Die Fragebogen find ihr von Stellen, die solche Korrespondenz vermitteln, zugeschickt worden. Sie hätte jedoch ein Wort der Kritik finden sollen zu dieser Frage, die so ausgesprochen im Gegensaß zu dem stand, was ihre Stunden bringen wollen. Diese Veranstaltung: Jugend hilft der Jugend!" ist hier aus­führlicher erörtert worden, weil man in dieser Darbietung einen Anfang sehen tann auf einem neuen Wege, der die Jugend zum Geist des Rundfunks, des Symbols der Gemeinschaft, hinführt. Carola Hersel hat Wertvolles nur Mädchen, und zwar nur Mädchen des Bürgertums zu sagen. Der Titel Jugend hilft der Jugend" reicht weiter als der Inhalt, den ihre Stunden ihm geben. Die Deutsche Welle sollte sich bemühen, hier für Ergänzung zu sorgen. Ueber diese Veranstaltung in der Jungmädchen stunde" sollte sich eine andere für reifere jugendliche Hörer auf­bauen, für solche, die bereits Gemeinschaftsgefühl besigen und nicht erst mühsam dazu herangepäppelt werden müssen. Aus dem Ge= fühl der Verbundenheit mit der Gegenwart und ihren Menschen erwächst für den Jugendlichen eine Fülle von Fragen, auf die sich sicher mancher sehr gern von einer Stelle, die ihm möglichst objektiv erscheint, Antwort oder Auskunft holen möchte. Auch hier könnte oft Jugend der Jugend helfen; denn die Frage des einen würde vielfach die Antwort des anderen brin­gen, manchmal vielleicht die beste und erschöpfendste Antwort, die dem jugendlichen Frager überhaupt zuteil werden kann. Man könnte auch in diesem Zyklus Jugendliche gelegentlich selber sprechen oder diskutieren lassen, etwa dann, wenn ein Problem auftaucht, das ganz besonders die Anteilnahme der Hörer fand. Wenn dann eine Anzahl dieser Hörer vor dem Mitrophon ihre Meinungen aus­tauscht, tann unter Umständen eine weitgehendere Klärung ge= lingen als auf jedem anderen Wege, und selbst wenn nur die ganze Beite eines Problem so angedeutet wird, kann das schon für junge Menschen Rat und Hilfe sein.

Ob für männliche Jugendliche eine Parallel veranstaltung zu den von Carola Hersel geleiteten Stunden wünschenswert ist, kann man schwer sagen. Es wäre wohl denk­bar, daß in manchen Gegenden im Reiche Schüler von höheren oder Berufsschulen für eine ähnliche Darbietung dankbar wären. die ihren besonderen Lebensfreis, der sich mit dem wirklich großen Leben nur stellenweise berührt, berücksichtigt und allmählich er­weitert. Daß das Bedürfnis nach solcher Veranstaltung besonders groß ist, fann man jedoch kaum annehmen. Die Berufs- und Le­bensfragen der jungen Mädchen, zu denen Carola Hersel spricht, entspringen ja zum größten Teil der Tatsache, daß viele eine un­genügende Berufsvorbereitung haben, andere wieder überhaupt nicht berufstätig oder wenigstens nicht voll berufstätig sind oder doch bis vor kurzem waren, daß also diese Mädchen von der Schulbant statt ins Leben hinein aus ihm herausgewachsen sind.

Sehr wichtig war dagegen eine Aussprachestunde, die beson ders die proletarische Welt berücksichtigt und die zu einem Meinungsaustausch junger Menschen aus allen Arbeitsgebieten über Lebensfragen führt. Fragen und Antworten fönnten von dieser Stunde aus zwischen bürgerlicher und proletarischer Jugend gewechselt werden, Verständnis tönnte angebahnt werden zwischen jungen Menschen, die einander fernstehen, obgleich fie im Grunde den gleichen Lebenstampf tämpfen. Diese Stunde fönnte auch für jene ganz abseits stehende Jugend Bedeutung ge­winnen, der man heute durch den Rundfunk auf etwas pri­mitive Weise helfen will. Wer von diesen Jugendlichen einmal in den Lebensraum des Proletariers blickt, wird manche seiner eigenen Nöte weniger bedeutend finden.

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Rechtsfragen des Tages

Von der Grundstücksspekulation

Hat ein Grundstückseigentümer gegen einen Makler, der sich von beiden Seiten Provision versprechen läßt, auch noch An­spruch auf Schadenersatz? Diese Frage ist fürzlich vom Kammer­gericht in verneinendem Sinne beantwortet worden. Der Sach­verhalt war folgender:

Ein Grundstückseigentümer beauftagt einen Matler sein Grundstück zu verkaufen; er verlangte einen Kaufpreis von 60 000 Mark, und versprach dem Makler eine Provision von 3 Proz. Der Makler trat mit einem Käufer in Verbindung und teilte ihm den Kaufpreis mit. Der Käufer war nicht abgeneigt, diesen Breis zu bewilligen, vereinbarte indes mit dem Makler, daß er ihm ebenfalls eine Provision zahlen würde, wenn er das Grundstück billiger erhalten könnte. Der Berkauf tam zustande, wobei es dem Käufer gelang, den geforderten Kaufpreis um 1600 Mart herabzudrücken. Nachträglich erfuhr der Verkäufer den Sachverhalt und verweigerte daraufhin die Zahlung der Provision. Der Mafler erhob Klage, murde aber auf Grund des§ 654 des Bürgerlichen Gesetzbuchs   mit seinem Provisionsan­spruch a bgewiesen. Dieser Paragraph bestimmt, daß der An­spruch auf Maklerlohn ausgeschlossen ist, wenn der Makler ohne Wissen des Auftraggebers auch für den anderen Teil tätig ge­wesen ist.

Die Provision brauchte also der Grundstückseigentümer nicht zu zahlen; er wollte aber darüber hinaus auch die 1600 Mart vom Matter erstattet haben, um die der Kaufpreis herabçedrückt worden war, und erhob seinerseits Klage. In erster Instanz wurde ihm auch diese Forderung zugesprochen, aber das Kammergericht wies die Klage ab, mit der Begründung: ein Nachteil sei dem Kläger nicht entstanden; die Provision, die er dem Makler hätte zahlen müssen, wenn er den verlangten Kaufpreis erzielt hätte ( 3 Proz. von 60 000 mt.) betrug mehr, als die 1600 Mr., um die er den Kaufpreis ermäßigt hatte. Sein Nachteil und sein Vorteil waren gleicherweise durch das Verhalten des Maflers enstanden. Der Verlust an dem Kaufpreis sei durch den Wegfall der Provision ausgeglichen.

Margarethe Falkenfeld.

Zwei Brüder waren wegen der Hinterlassenschaft ihrer Mutter in Streit geraten, weil sich der eine bei der Verteilung der Nachlaß gegenstände für benachteiligt hielt. Er verklagte den Bruder, der mit der Mutter bis zu ihrem Tode in häuslicher Gemeinschaft gelebt hatte, und verlangte Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Borlegung eines Nachlaßverzeichnisses.

Kläger   bestritt dieses Schriftstüd nicht, behauptete aber, es fei ihm vom Beklagten erpreßt worden. Der Beklagte hätte seine Unterschrift dadurch erzwungen, daß er ihm die auf ihn entfallenden Sachen nur aushändigen wollte, wenn er auf alle weiteren An sprüche verzichte.

Mit dieser Erklärung des Schriftstückes drang der Kläger   nicht den bedingungslosen Verzicht auf weitere Ansprüche einen Bera durch; der Richter sah in der Annahme der Nachlaßgegenstände und gleich und wies die Klage ab.

A

Margarethe Falkenfeld.

Das neile Bu

Das flowakische Dorf

Einen Kriegsroman und einen Dorfroman hat Milo Urban  , ein junger tschechischer Dichter, mit seinem in der Universum­Bücherei erschienenen Wert Die lebende Peitsche" ge= schrieben, indes mehr einen Dorfroman als einen Kriegsroman. Es ist Weltkrieg, aber in das kleine flowakische Dorf Raztoky dringt der Lärm der Schlachten, dringen die Donner der Frontgewitter doch nur sehr gedämpft. Das Dorfvolt weiß nicht, weshalb dieser Welt Beherrscher Raztokys und Vertrauensmann der hohen Regierungs­frieg tobt und worum es in ihm geht. Der Notar Okolizky, der stellen, sagt dugendmal am Tage das Wort ,, Vaterland". Aber auch damit können die Bauern keinen Sinn verbinden. Sie wissen nur, daß im Namen des Vaterlandes ihre Söhne von ihnen gerissen und ihnen die Kühe aus dem Stall geholt werden. Je länger der Krieg dauert, desto offenkundiger wird der Riß zwischen dem Bolk auf der einen und den Herren": den Reichen und Beamteten, auf der anderen Seite, zwei Lager, zwischen denen einige niedere Organe der Staatsexekutive trostlos hin und her pendeln. Der Zusammen­Raztofy. Die Rache ihrer Opfer fegt über sie hinweg: aber es ist bruch der Front zertrümmert schließlich die Macht der Großen von durchaus nur eine Rache, die den verhaßten Menschen und nicht dem eigentlichen System gilt.

Um diese Geschichte eines Dorfes hat Urban eine private Ge Vergleich über eine Nachlaßforderung schichte gerankt: der Notar Okolizky ist nicht nur der Berkörperer grausamer Staatsgewalt, sondern auch als Einzelperson ein Schuft. Er hat die Eva Hlavaj, eine Kriegerfrau, vergewaltigt und trägt die Schuld daran, daß sie den Tod im Wasser sucht. Auf der an­deren Seite ist auch sein Gegenspieler Adam Hiavaj, der ein Jahr vor Kriegsende als Deserteur nach Raztofy heimkehrt, nicht nur die treibende Kraft beim Sturz der alten Ordnungswächter, sondern außerdem der Rächer seines zertrümmerten Familienglüdes. Diese Manier Urbans, das Politische mit dem Menschlichen zu identi fizieren und etwa den politisch Bekämpften auch privat als grund­schlechten Kerl abzumalen, wirft primitiv und fonstruiert, wie über­haupt dem Buch die feinen Zwischentöne fehlen und Urban der ein­fühlenden Beobachtungsgabe ermangelt.

Der Beklagte legte auch ein Verzeichnis vor, behauptete aber, daß er mit dem Kläger über die Verteilung der Nachlaßgegenstände einig geworden sei. Zur Bekräftigung legte er ein vom Kläger unterschriebenes Schriftstück vor, in welchem dieser sich nach Erhalt verschiedener, einzeln aufgeführter Gegenstände für alle feine An­Sprüche aus dem Nachlaß als abgefunden erklärt.

WAS DER TAG BRINGT

Der Archimedes von Stroppen

ERZÄHLT VON YORICK amh

Tage ein Automobilist. Er hielt Raft und verlangte im Gasthaus Durch Schlesiens winziges Städtchen Stroppen fuhr dieser eine Ansichtspostkarte. Er befam sie; sie stellte den Marktplatz dar, und darunter stand: ,, Stroppen, Mittelpunkt der Welt."

Der Reisende, dem die Tatsache, daß er sich augenblicklich im Mittelpunkt der Welt befand, noch nicht recht einleuchtete, erkundigte sich nach der sozusagen wissenschaftlichen Grundlage des Phänomens. Und man erzählte ihm die herrliche, gleichnisreiche Geschichte vom Apotheker von Stroppen.

zehnten Jahrhunderts. Er lebte lange dort, er braute seine Tränklein Dieser Apotheker lebte in Stroppen um die Mitte des acht und mischte sein Sälblein und drehte seine Billulein; aber als er eines warmen Mittags über den Marktplatz schritt, tam seine große vieleicht durch ein Windstößchen, vielleicht beim devoten Gruß vor Stunde. Nämlich der Herr Apotheker   verlor seinen Zylinder, dem Herrn Bürgermeister jedenfalls rollte der Zylinder ein fonne stehen. Stehen, wirklich stehen, nicht etwa liegen; nur aus Stück über den Blatz und blieb dann mitten in der schönen Mittag­dieser Tatsache erklärt es sich, daß der Herr Apotheker  , der eben noch eiligen Schrittes dem Entflohenen nachgeeilt war, plößlich duktem Gesicht auf seine Kopfbedeckung hinunterstarrte, ohne sie vor ihm wie angewurzelt auch seinerseits stehen blieb und mit ver­aufzuheben. Der Zylinder nämlich, das war es, was der Herr Apotheker   sah- der Zylinder warf feinen Schatten!

Der maßlos Ueberraschte rieb sich die Aleuglein, er stelzte mit feierlichen Schritten rings um den Zylinder herum. aber es blieb dabei: nirgends ein Schatten! Er lief in seine Apotheke, holte ein Stück Kreide, zog einen Kreis rings um des Zylinders tadellosen Rand, nahm dann den Hut sorgfältig auf und trug ihn fünfzig warf der Bylinder wieder seinen Schatten, einen fleinen, furzen Meter weiter, auf die andere Seite des Plages. Und siehe, hier zwar nur, denn es war ja Mittagszeit jo gut wie der Herr Apotheker seinen Schatten warf und die Häuser aber er warf ihn doch, um den Plaz und alle Gegenstände, die der Erstaunte in allen ihm bekannten Gegenden Schlesiens je gesehen hatte, ihren Schatten geworfen hatten! Er trug den Gegenstand des erstaunlichen Experiments wieder zurück und stellte ihn in den Kreis von Kreide und siehe, der Schatten war weg!

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gefalteter Stirn und gehobenem Beigefinger um die Lösung des Da dachte der wackere Apotheker lange nach; er rang mit Rätsels. Und dann rief er sein Heureka, ich habs gefunden", rief rief es und argumentierte also: ,, Da mein Zylinder inmitten des es als ein zweiter Archimedes, als ein Archimedes von Stroppen, Marktplages von Stroppen mittags um zwölf Uhr keinen Schatten aber die Sonne genau senkrecht über mir steht, so stehe ich im lange wirft, so muß die Sonne genau senkrecht über ihm stehen; wenn gesuchten Mittelpunkt der Welt, so bildet der Marktplatz von Stroppen den Mittelpunkt der Welt!"

Also sprach der Archimedes von Stroppen und versäumte nicht, es feinen Mitbürgern zu erzählen, und die Mitbürger freuten sich und feierten die Entdeckung, die ihrer Stadt eine große Zukunft Derhieß, laut und lange.

Also ließ der Automobilist des Jahres neunzehnhunderteinund­dreißig sich berichten, und er lachte überlegen; denn es war ihm natürlich flar, daß der Marktplatz von Stroppen zufällig eine Steigung von Süd nach Nord besitzt, welche den Steigungswinkel der Sonnenstrahlen ausgleicht. Aber er hätte vielleicht lieber in weiser Selbsterkenntnis lächeln sollen; denn es gibt noch heute viele Stroppener, die über alle Dinge und Geschehnisse der Welt so urteilen, als läge Stroppen im Mittelpuntt der Welt; wirklich,

Hans Bauer.

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unendlich viele Stroppener urteilen so, und sie wohnen durchaus Justiz in USA  . nicht alle in Stroppen...

In einem Dorf unweit von Oklahama in USA  . wohnt Mister Cromwell; Bauer unter Bauern; Gleicher unter Gleichen; und Dorfe, eine Dreschmaschine besitzt. Diese Dreschmaschine drischt, och etwas mehr als die anderen: weil er nämlich, als einziger im unter Jim Cromwells technischer Leitung, das Korn des ganzen Dorfes; gegen entsprechende Entschädigung natürlich.

Jim Cromwell also hat eine gewisse Macht im Dorf. Er be und vorbei ist und das Getreide gedroschen werden muß: dann nutzt sie zu gewissen Geschäften. Wenn nämlich die Ernte heran pflegt Jim Cromwell die Bauern zu erpressen. Wer das meiſte zahlt, dem wird zuerst gedroschen. Ein für Cromwell recht förder= liches Prinzip. Bon Jahr zu Jahr erhöht er die Dreschsummen. Von Jahr zu Jahr aber steigt auch die geheime Wut der Bauern. Und im letzten Jahr haben sie ihn angezeigt. Der Richter von Ollahama fand, daß Jim Cromwells Vorgehen ganz besonders niederträchtig sei. Und weil Jim wohl aus früheren Jahren einiges auf dem Kerbholz hatte, brachte er Gefängnis. Die Bauern freuten sich, und Jim Cromwell faß. es auf zwölf Jahre

Heuer aber ist etwas merkwürdiges geschehen. Bei dem hohen ein. Darin wurde gebeten, Jim Cromwell- freizulaffen; wenig Gerichtshof von Ollahama lief ein Revers der beteiligten Bauern stens für einige Zeit. Nämlich er sei der einzige weit und breit, der eine Dreschmaschine besize. Die Ernte stehe gut; wie aber folle man sie dreschen ohne Mr. Cromwell?

Und siehe: der hohe Gerichtshof ist einfichtig. Er beurlaubt Jim Cromwell für sieben Monate; genau so lange, wie er braucht, um das Korn der Nachbarn zu dreschen. Danach hat er sich wieder in seiner Belle einzufinden.

So geschieht es; und so hat jeder das seine. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan, die Bauern bekommen ihr Getreide billig und ganz ohne Erpressungen gedroschen; und Jim Cromwell hat sowohl seine Strafe weg als auch seinen Urlaub...

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Auch die Weisheit des Richters Goodman verdient hier fest­gehalten zu werden.

Der Fall war weit weniger schwer. Drei sonst recht brave Männer hatten des verbotenen Moonshine- Schnapjes zu viel getan. Als sie fröhlich lärmend die nächtlichen Straßen durchwallten, hielt ein neidischer Policeman sie auf. Die Drei entwickelten für den zweckentsprechende Gegenargumente hielten. Delift: tätlicher Wider­Pflichteifer des Beamten so wenig Sinn, daß sie Faustschläge für stand gegen die Amtsgewalt; Sühne: fünfzehn Tage Gefängnis. auch festgestellt, daß jeder der drei Bösewichte eine Familie hatte; Aber der brave Richter Goodman hatte in der Verhandlung eine Familie und eine Stellung. Daß jeder diese Stellung durch die halbmonatige Unterbrechung verlieren würde. Daß also drei Familien der Not ausgesetzt wurden, wenn das Urteil vollstreckt würde.

Da verwandelte Richter Goodman die fünfzehn Tage Gefängnis in dreißig Nächte Haft. Wohlverstanden: dreißig Nächte! Wenn ihr Tagewerk vollbracht war, mußten sich die Drei im Gefängnis melden, und sie verbachten ihre Nächte in der Zelle; und am anderen Morgen begaben sie sich aus der Zelle in ihre Werkstätten und Büros. Sie verloren ihre Stellungen nicht, ihre Familien gerieten nicht in Not, und beide hatten auch hier, was ihnen gebührte, der Staat und der Menschh; der Staat seine Gerechtigkeit, und der Mensch seine Barmherzigkeit.

Dies war die Weisheit des braven Richters Goodman.