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Nr. 30348. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Die Tuilerien auf

Das schöne Eiland in der Havel war früher Halb­insel. Vor einer Reihe von Jahren ist es durch einen Damm mit dem Festlande verbunden worden. Große Villen, kleinen Schlössern gleich, stehen umgeben von weiten gepflegten Gärten. Und inmitten dieser mo­dernen Wohnungen reicher Leute steht der Rest einer Ruin e. Eine schlanke Säule in dem feinen graziösen Stil einer vergangenen Zeit, die mit einem Mauerrest in gleicher Höhe zusammenhängt. Das ver­witterte und altersmorsche Gestein ist von Efeu um­sponnen. Man glaubt zuerst, die Ruine eines Bau­merkes aus der Zeit Friedrichs II. vor sich zu haben. Doch die Inschrift ,, Fragmenteder Tuilerien 1564-1871" belehrte mich eines anderen. Nach einigem Suchen findet man auf der Rückseite des Granitsteines noch einen kleinen, kaum mehr leser­lichen Vers:

Dieser Stein vom Seinestrande, Hergepflanzt in deutsche Lande, Ruft dir, Wanderer, mahnend zu: Glück, wie wandelbar bist Du!

Auf Nachfragen erfährt man, das alte Steinbild sei ein Fragment der Tuilerien. Und zwar hätte Herrmann Wessel die Ruine um 1880 herum aus Frankreich eingeführt und auf der Insel aufstellen lassen. Wessel erschloß Schwanen­werder, bebaute es und vermietete die Villen. Beim Bau des Aussichtsturms, der, meniger schön als hoch, auf der Insel steht, sind übrigens auch Ausgra­bungen gemacht worden. Steinbeile, Steinmesser

Schuß auf Reichswehrsoldat.

Die Täter noch unbekannt.

Grunewald 28 Kraftfahrer Unteroffizier der Reichswehr Frizz Koch, der dem Waffenamt in Charlottenburg zugeteilt ist, von einem un­bekannt gebliebenen Manne angeschossen. Koch, der bei dem Landposten am Torsgraben Anzeige erstattete, mußte nach dem Hildegard Krankenhause gebracht werden. Dort stellte sich heraus, daß der Schuß aus nächster Nähe auf den Unteroffizier abgegeben worden ist. Die Kugel ist unterhalb der Rippen eingedrungen und im Gefäß steden geblieben.

Der Blutverlust hatte den Verlegten so geschwächt, daß anfäng­lich von einer Bernehmung abgesehen werden mußte. Später fonnte Koch die Einzelheiten des Vorfalles berichten. Er war am Mittwoch­vormittag in Zivilkleidung mit einem Horchwagen mit der Nummer IA 28 924 nach dem Grunewald hinausgefahren und hatte sich un­meit des Wagens ins Gras gelegt. In einer Entfernung von etwa 20 bis 30 Schritten sah er flüchtig zwei Leute ebenfalls im Gras sitzen und liegen, die sich, wie ihm schien, mit Zeitunglesen beschäf­tigten. Gleich darauf wurde der Unteroffizier gewahr, daß einer der Männer herbeigekommen war und sich an dem Auto zu schaffen machte. Koch stand auf und jetzt erhielt er von dem Fremden einen Schlag mit einem Gummischlauch. Auch der zweite

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Mühle

VON

1. ILF UND F. PETROW

,, Hohe Klasse!" murmelte Awessalom Wladimirowitsch und wußte nicht wohin mit seinem überschüssigen Tempera­ment. Ach!... Ach...!" Er stürzte zum Fenster und be­grüßte heftig immer wieder die beiden jungen Mädchen, die ihn vom Fenster des gegenüberliegenden Hauses ansahen. Er stampfte auf und ließ ein schwärmerisches Ach" ver­nehmen."

,, Mädchen von der Peripherie! Die besten Früchte!. Hohe Klasse!! Ach!... Und eines Morgens, da lächelte sie wieder...

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Ich werde also gehen, Bürger", sagte der General direktor etwas verdattert. ,, Barten Sie, warten Sie!" regte sich Iznurentom plötz­lich auf. Einen Augenblick! Ach!... Und der Kater? Nicht wahr, er ist ganz besonders flaumig? Warten Sie! Ich fomme gleich!." Er suchte verschämt irgend etwas in allen Taschen, lief weg, fam wieder zurüd, ächzte, sah aus dem Fenster hinaus, lief meg und fam wieder.

,, Barten Sie, mein Täubchen", sagte er zu Borobjem, der während alle dieser Manipulationen wie ein Soldat- habt acht stand. Und mit diesen Worten reichte er dem Vorsigen­den fünfzig Kopefen. Nein, nein, bitte nehmen Sie es. Jede Mühe muß bezahlt werden."

,, Danke schön", sagte Worobjew und staunte innerlich über feine Gemandtheit.

,, Dante schön, mein Teurer, danke schön, mein Täubchen!" Draußen im Gang noch vernahm Worobjem von Iznurenkos Zimmer her ein schallendes Meckern, Kreischen, Singen und ein leidenschaftliches Geschrei.

Auf der Straße erst mußte Worobjem wieder an Ostap denken und er zitterte vor Furcht. Ernst Pawlowitsch Schlufin irrte in der leeren Wohnung umher, die ihm sein Freund liebenswürdig für den Sommer abgetreten hatte, und dachte nach, ob er ein Bad nehmen sollte oder nicht.

des Vorwärts Donnerstag, 2. Juli 1931

Schwanenwerder

und Töpfe. Der Ort, an dem die Altertümer gefunden wurden, ist durch einen Felsstein mit einer Inschrift gekennzeichnet.

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FGMENT TUILERIEN 1564-18

Ein Stück der Tuilerien an der Havel .

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fam herbei, und er war es, der auf den Unteroffizier einen Schuß abgab. Wahrscheinlich mar es eine Waffe vom Kaliber 6,35 Milli­meter. Koch brach zusammen, und die beiden Angreifer flüchteten in südlicher Richtung nach Schildhorn zu. Das Ueberfallkommando, das

den Brunewald in dieſem

auf, doch zeigte sich bei der Gegenüberstellung mit dem Unter­offizier, daß sie für den Anschlag nicht in Frage kommen. Die Täter waren wahrscheinlich entweder Autodiebe oder sogenannte Spanner", die im Grunewald ihr Unwesen treiben. Die Unter­fuchung zur Aufklärung wird jetzt vom Raubdezernat A5 geführt, das Mitteilungen von Spaziergängern, die etwas gesehen haben,

erbittet.

Selffame Kindesunterschiebung.

Einer Kindesunterschiebung mit feltenen Begleitumständen ist die Polizei dieser Tage auf die Spur gekommen. Im Februar dieses Jahres machte eine junge Hausangestellte in der Frauenklinik Ziegelstraße furz vor ihrer Niederkunft die Bekanntschaft einer Frau, die sich als Gattin eines Hauptmanns a. D. 5. aus Hamburg vorstellte. Das junge Mädchen willigte darin ein, das erwartete Kind von Frau H. adoptieren zu lassen. Am 26. März wurde das Kind, ein gerade vier Tage alter Junge, von der Ham­burgerin in Empfang genommen. Als die Adoptivmutter überhaupt nichts von sich hören ließ, setzte sich die Hausangestellte mit der

Die Dreizimmerwohnung befand sich unter dem Dach eines neunstöckigen Hauses. Außer einem Schreibtisch und Worobjews Stuhl gab es hier nur noch einen großen Wand­spiegel. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in seiner Fläche und blendeten die Augen. Der Ingenieur legte sich der Länge nach auf den warmen Tisch, sprang aber gleich wieder auf. Alles war heiß von der Sonne.

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Ich werde ein Bad nehmen beschloß er.

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Er zog sich aus, ließ sich ein wenig von der Luft fühlen, besah sich im Spiegel und ging ins Badezimmer. Er froch in die Wanne, schüttete aus einem blauemaillierten Krug etwas Wasser über sich und seifte den ganzen Körper gehörig ein. Bald war er total mit Seifenschaum bedeckt und schnee­weiß wie ein Nikolo.

Angenehm!" sagte Ernst Pawlowitsch. Alles war an­genehm. Ihm wurde behaglich zumute. Seine Frau war nicht da. Vor ihm lag ein Leben voll Freiheit. Der Ingenieur schnalzte mit der Zunge und drehte den Wasserhahn an, um die Seife abzuwaschen. Der Hahn röchelte und begann zögernd etwas zu murmeln. Es war kein Wasser da. Ernst Pawlo­witsch steckte den glitschigen Finger in die Oeffnung des Hahns. Nur ein dünner Wasserstrahl sickerte hervor. Er versiegte aber sofort wieder.

Ernst Pawlowitsch runzelte die Stirn, stieg aus der Wanne heraus und begab sich in die Küche zur Wasserleitung. Aber auch dort gelang es ihm nicht, etwas aus der Röhre Aber auch dort gelang es ihm nicht, etwas aus der Röhre herauszupressen.

Ernst Pawlowitsch ging ins Zimmer und blieb vor dem Spiegel stehen. Die Augen taten ihm vom Seifenschaum weh, der Rücken juckte, die Flocken sprigten auf das Parkett. Ernst Pawlowitsch lauschte, ob das Wasser im Badezimmer nicht schon floß, dann beschloß er, den Hausbesorger zu rufen.

Er soll mir wenigstens Wasser bringen, dachte der Ingenieur, rieb sich die Augen und wurde ärgerlich. Die Sache wird schon ziemlich fatal!

Er sah zum Fenster hinaus. Im Hof spielten Kinder. ,, Hausmeister!" schrie Ernst Pawlowitsch, Hausmeister!" Niemand antwortete ihm.

Da erinnerte fich Ernst Pawlowitsch, daß sich die Woh­nung des Hausmeisters im Treppenhaus befand. Er trat auf die falten Steinfliesen hinaus, hielt die Türe mit einer Hand fest und spähte hinunter. In seinem Stockwerk gab es nur noch eine Wohnung und Ernst Pawlowitsch hatte feine be­sondere Befürchtung, daß ihn von da aus jemand in diesem sonderbaren Seitenflockenaufzug sehen könnte.

Polizei in Verbindung. Dabei stellte sich überraschend heraus, deß Frau H. den Jungen am 28. März als ihr eigenes Kind beim Standesamt angemeldet hatte. Sie erzählte, daß sie bei einer Droschkenfahrt in Berlin plößlich niedergekommen sei. Ihr Mann glaubte auch an den Schwindel, bis die Polizei die Borgänge flärte. Der Frau Hauptmann war es hauptsächlich darum zu tun, die verschiedenen Vergünstigungen für Wöchnerinnen zu erlangen und Geldunterstützungen zu beantragen. Die Schwind­lerin wurde festgenommen und das Kind der Hamburger Fürsorge übergeben.

Ferienreiseverkehr beginnt.

Die ersten Vor- und Nachzüge.

Obwohl schon am letzten Tage des Juni der Ferienreise­verkehr sich durch lebhaften Betrieb auf den Berliner Fernbahn­höfen bemerkbar machte, fonnte er doch mit den üblichen fahrplan­mäßigen Zügen bedient werden. Am 1. Juli mußten dagegen eine ganze Anzahl von Vor- und Nachzügen, insgesamt 39, eingelegt werden, um dem Ansturm der Reiselustigen begegnen zu können. Vom Anhalter Bahnhof wurden 10 Vor- und Nachzüge abgelassen, davon 5 nach Frankfurt a. M., 4 nach München und 1 nach Dresden / Bad Schandau . Vom Stettiner Bahnhof fuhren 8 Vor- oder Nachzüge nach Swinemünde , von der Stadtbahn nach dem Osten 11, davon nach Schlesien , vom Lehrter Bahnhof 3 nach Hamburg , vom Görlitzer Bahnhof 4 in Richtung Görlitz , von der Stadtbahn 2 in Richtung Westen und vom Potsdamer Bahnhof 1 nach dem Harz. Außerdem verließen am 1. Juli 12 vollbesetzte Feriensonderzüge die Reichshauptstadt. Davon fuhren 4 nach München , je 2 nach Königsberg und nach der Nordsee und je 1 nach Basel , Köln , Warnemünde und nach dem Riesengebirge . Der stärkste Ver­tehr wird für heute erwartet.

Billige Wochenendfahrten

nach Kopenhagen 18. bis 19. Juli und 1. bis 2. August, nach der Insel Rügen 15. bis 16. August. Preis der Fahrt: nach Kopen­ hagen 20 Mark, nach Rügen 14 Mark ab Berlin und zurück.

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Gutscheinkarten für Teilnehmer sind bei den bekannten Stellen( f. Borwärts"-Ausgabe vom 25. Juli) oder direkt beim Reichsausschuß für sozialistische Bildungsarbeit, Berlin S. 68, Lindenstraße 3, zu haben.

Mörder seiner Kinder.

Alle vier mit der Art erschlagen.

Neumarkt ( Oberpfalz ), 1. Juli. Der verwitwete 31jährige Maurer Michael Stiegler von Pollanten tam in der Nacht zum Montag früh gegen 1 Uhr beirunken nach Hause und verließ seine Wohnung früh gegen 6 Uhr. Am Montagmorgen wurde die grauenhafte Entdeckung gemacht, daß Stiegler in dieser Zeit seine vier schlafenden Kinder im Alter von acht, neun, zehn und 16 Jahren mit einer Art erschlagen hat. Der Täter ist flüchtig, und zwar nimmt man an, daß er die Richtung Neumarkt eingeschlagen hat.

Haftbefehl gegen die Brüder Heckendorf .

Gegen die Brüder Walter und Franz Heckendorf wurde vom Vernehmungsrichter im Polizeipräsidium Haftbefehl erlassen. Dem beschuldigten Walter Heckendorf wurde schwerer Diebstahl in zwei Fällen und zwar in strafverschärfendem Rück­fall vorgeworfen, dem Kunstmaler Franz Heckendorf wurde schwerer Diebstahl in einem Falle und Hehlerei zur Last gelegt. Der Haft­befehl wurde auch deshalb erlassen, weil Verdunkelungsgefahr besteht.

haus.

,, Hausmeister!" rief er. Der Ruf schallte durchs Treppen­Hu- hu!" antwortete die Treppe. ,, Hausmeister! Hausmeister!"

In dem Moment glitt der Ingenieur, der mit den nackten Füßen ungeduldig sirampelte, aus und ließ, um das Gleich­gewicht nicht zu verlieren, die Türe los. Sie fiel zu, das ame­rikanische Schloß schnappte fest ein. Ernst Pawlowitsch be­griff nicht gleich das Unwiderrufliche dessen, was sich eben er­eignet hatte, und riß an der Türklinke. Die Tür gab nicht nach. Der Ingenieur rüttelte noch einigemal an der Tür und horchte klopfenden Herzens, ob sich etwas rührte. Ringsum herrschte dämmrige firchliche Stille. Durch die hohen Fenster­scheiben drang trübes Licht.

Eine schöne Situation dachte Ernst Pawlowitsch. ,, Eine Gemeinheit!" schrie er gegen die Tür hin. Bon unten her hallten die krächzenden menschlichen Stim­men. Dann wieder bellte ein Hündchen wie ein Lautsprecher. Jegt schob man einen Kinderwagen die Treppe herauf. Ernst Pawlowitsch irrte erschrocken auf der Treppenplatt­form umher. Es ist zum Verrücktwerden!

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Alles schien ihm allzu mahnwißig, zu absurd, als daß es Wirklichkeit hätte sein können. Er näherte sich wieder der Tür und horchte. Da glaubte er irgendwelche neue Töne zu ver­nehmen. Es war fo, als gehe jemand in der Wohnung herum. Vielleicht ist jemand durch die Küchentüre hinein­gekommen? gekommen?- dachte er, obwohl er wußte, daß die Küchen­tür fest versperrt war und daß niemand hineingelangen konnte.

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Das eintönige Geräusch hielt an. Der Ingenieur lauschte atemlos. Mit einemmal wurde ihm flar, daß das fließende Wasser dieses Geräusch verursachte. Wahrscheinlich lief das Wasser aus allen Wasserhähnen der Wohnung. Ernst Pawlo­witsch war dem Weinen nahe. Die Sitution war fürchterlich.

Da stand in Moskau auf dem Treppenabsaz des neunten Stodwerfs eines großen Mietshauses ein erwachsener bärtiger Mensch mit hoher Bildung, absolut nadt und von oben bis unten mit Seifenschaum bedeckt! Und es gab feinen Ausweg aus dieser Situation. Er wäre eher bereit gewefen, ins Ge fängnis zu gehen, als sich nadt zu zeigen. Es blieb nur ein fich umbringen. Der Seifenschaum reizte die Ausweg Rückenhaut. Auf Geficht und Händen war der Schaum ein­getrocknet und zog die Haut wie in einem Alaunbad teuflisch zusammen. Der Körper machte den Eindruck, als wäre er von oben bis unten mit Etzemen bedeckt.

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( Fortsetzung folgt.)