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48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Freitag

3. Juli 1931

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Verhandlungen noch nicht beendet. Die wiedererweckte Todesstrafe

Kein Abbruch Paris - New York , sondern Einigungsversuche.

Paris , 2. Juli.

Havas veröffentlicht folgendes kommuniqué: Finanzminister Flandin hat heute nachmittag mit dem amerikanischen Schahsekretär Mellon eine lange Besprechung gehabt. Ueber das Ergebnis dieser Zusammenkunft wird von eingeweihten Kreisen das strengste Still­schweigen bewahrt. Man hat jedoch den Eindruck, daß im Laufe dieser direkten Besprechung die Verhandlungen fich relativ be­friedigend entwickelt haben, und daß es möglich ist, daß das Zustandekommen einer Einigung dadurch erleichtert wird. Die franzöfifch- amerikanischen Verhandlungen werden morgen, vor­

mittag 10 Uhr, im Laufe der Vollkonferenz wieder aufgenommen." Im übrigen ist in politischen Kreisen bekanntgeworden, daß die Bertagung der franzöfifch- amerikanischen Konferenz auf morgen auf einen Wunsch des amerikanischen Schatzsekretärs Mellon zurückzu­führen sei. Außerdem berichtet Havas noch, ein Mitglied der franzö­fischen Regierung, das an den Verhandlungen teilnehme, habe in den Wandelgängen der Kammer erklärt, die französischen Minister würden morgen, Freitagabend, 21.30 Uhr, eine Zusammen­funft mit dem amerikanischen Botschafter Edge haben.

Washington ist sehr optimistisch.

Washington , 2. Juli.

Nach einer langen Konferenz mit Hoover erklärte heute der stell­pertretende Staatssekretär Castle: Die Verhandlungen in Paris dauern in ausgezeichneter Atmosphäre an, und wir sind sehr opi­mistisch in bezug auf ihren Ausgang."

Ein englischer Borschlag.

Parlamentssession erst zu schließen, nach dem eine Debatte über die gegenwärtig schwebenden außenpolitischen Fragen, d. h. über den Vorschlag Hoovers stattgefunden hat. Das gleiche Ziel verfolgen einige Abgeordnete der Lints parteien.

Die Antwort auf das A und B.

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Paris , 2. Juli( Eigenbericht).

Der Senat stimmte dem Marinebauprogramm der Regierung am Donnerstag mit 209 gegen 35 Stimmen zu. Im Verlauf der Debatte erklärte der Marineminister, daß nur der Banzerfreuzer Deutschland" die französische Regierung zwinge, ein Linienschiff von 23 000 Tonnen zu bauen. Der deutsche Banzer­freuzer bringe es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 28 Knoten und habe bei 20 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit einen Aktionsradius von 10 000 Kilometern. Er könne also im Atlantischen Ozean die französische Zufahrtswege für Petroleum sowie die Verbindung zwischen Frankreich und den westafrikanischen Kolonien abschneiden. Dieser Drohung müsse vorgebeugt werden. Später müsse noch ein zweites Linienschiff auf Stapel gelegt werden, um dem deutschen Panzerfreuzer B die Stirne zu bieten.

Das Verfahren um die Zollunion.

Haag, 2. Juli. der deutsch - österreichischen Zollunion ist vom Ständigen Internatio­Die Eröffnung des mündlichen Verfahrens in der Angelegenheit nalen Gerichtshof auf den 20. Juli festgelegt worden.

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Brüning gegen Versailles - Kundgebung. Die Kundgebung der Kölner Studentenschaft gegen den Ber Die englische Regierung hat am Donnerstagabend, veranlaßtailler Bertrag hat nicht stattgefunden. Das ist, wie die Deutsch­Die englische Regierung hat am Donnerstagabend, veranlagt nationale Bressestelle wutentbrannt mitteilt auf das Eingreifen durch den kritischen Stand der Verhandlungen in des Reichskanzlers zurückzuführen. Der Staatssekretär der Reichs Paris , folgende Berlautbarung veröffentlicht: fanzlei habe am 25. Juni an den Rektor der Universität Köln folgendes Telegramm gesandt: Reichskanzler dankt vielmals für die Bemühungen, dortige Studentenschaft zu einer einheitlichen Rundgebung zu veranlassen. Reichskanzler verkennt nicht die tiefe vaterländische Gesinnung, die Kölner Studentenschaft beseelt. Hält vaterländische Gesinnung, die Kölner Studentenschaft beseelt. Hält es aber aus politischen Gründen im gegenwärtigen Augenblick für richtiger, Kundgebungen der vorgeschlagenen Art überhaupt zu ver­meiden. Ich verweise auf Rundfunkrede Reichskanzlers, deren Widerhall im Auslande durch solche Kundgebungen selbst in ge­mäßigter Form start beeinträchtigt werden könnte."

,, Die englische Regierung hofft ernstlich, daß die Verhandlun­gen, die jetzt in Paris über den Vorschlag des Präsidenten Hoover stattfinden, erfolgreich sein werden. Sollte aber keine bal dige Lösung gefunden werden, so hat die Regierung ihre Be­reitschaft kundgegeben, eine 3 usammenkunft von Vertretern der hauptsächlich beteiligten Mächte zu einem baldigen Zeitpunkt abzuhalten, damit ein lebereinkommen mit einem Minimum von Verzug erreicht werden kann."

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Dieser Vorschlag ist sicherlich herzlich gut gemeint, wie die eng­lische Arbeiterregierung von allem Anfang an für die wirtschaftliche Lage Deutschlands außerordentlich großes Verständnis gezeigt hat und der Hoover Plan ohne ihre Initiative wahrschein­lich nicht so schnell das Licht der Welt erblickt hätte. Aber wie lange will man noch verhandeln? Die Situation Deutsch­ lands wird von Tag zu Tag schwieriger. Am Donnerstag find wiederum 37 Millionen von der Reichsbant abgewandert, so daß von dem uns unter Führung der Bank von England fürzlich zur Verfügung gestellten Rediskontkredit in Höhe von rund 400 Mil­lionen Mark nur noch ein kleiner Reft zur Verfügung steht. Inzwischen rückt der 16. Juli heran, an dem der Kredit zurück gezahlt werden soll. Angesichts dieser finanziellen Situation der Reichsbank ist die Besorgnis der Reichsregierung, daß die uns zu gedachte Hilfe schließlich zu spät kommt, angebracht und ihr neuester dringender Appell an das Ausland durchaus berechtigt. Es ist wenige Minuten vor zwölf. Was es bedeutet, wenn es erst zwölf geschlagen hat, hat der amerikanische Staatspräsident wiederholt selbst öffentlich dargelegt. Also handele man, bevor zum Ver­handeln eine Zeit mehr ist.

Die englische Regierung hat die jetzt vorgeschlagene Konferenz in Paris bereits am Mittwoch anregen lassen, aber am Donners­tag von der französischen Regierung die Antwort erhalten, daß die französischen Minister Paris vorläufig nicht verlassen könnten. Es ist bisher nicht ersichtlich, ob diese Antwort so zu deuten ist, daß Frankreich den englischen Plan überhaupt ab= Iehnt oder ob ihm der Konferenzort, d. h. London , nicht angenehm ist. Anderseits aber würde der englische Vorschlag den französischen Wunsch, mit Deutschland direkt zu verhandeln, erfüllen, obwohl dabei nicht zu verkennen ist, daß Frankreich auf einer der artigen Konferenz allein gegen den Hoover Plan stehen

würde.

Die Kammer foll zusammenbleiben.

Paris , 2. Juli. ( Eigenbericht.) Die Abgeordneten Franklin Bouillon und Marin haben am Donnerstag im Senat Unterschriften für einen an den Ministerpräsidenten zu richtenden Brief gesammelt, in dem die Regierung aufgefordert werden soll, die gegenwärtige

Gegen die Mordhezze!

Die Partei des Reitergenerals Thälmann verbreitet in Köln Flugzettel, durch die die Arbeitslosen auf gefordert werden, auf den Polizeipräsidenten in Köln aus dem Hinterhalt zu schießen. Diese Mordheke wird auch an anderer Stelle gegen die Schutzpolizei betrieben. In Berlin sind zwei freigewerkschaftliche Polizeibeamte, die Sozialdemokraten 3äntert und Kuhfeld, dieser Mordheze zum Opfer gefallen.

Die sozialdemokratische Arbeiterschaft wendet sich mit Empörung gegen die frivole Haltung der Kommunisti­schen Partei, die anläßlich der Ermordung des Schupo­Oberwachtmeisters Kuhfeld kein Wort des Bedauerns findet. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß das 3entralkomitee der KPD. in einem Aufruf von den An­weisungen, die in der Zeitschrift Oktober" veröffentlicht wurden, wonach gegen die Polizei bei Straßendemon­ftrationen ein bewaffneter Kampf geführt werden soll, abrückt.

Die Berliner Sozialdemokratie bekundet vor aller Oeffentlichkeit den Schutzpolizeibeamten ihr tiefstes Schutzpolizeibeamten ihr tiefstes Mitgefühl.

Parteigenoffinnen und Parteigenossen! Wendet euch mit aller Entschiedenheit gegen national­sozialistische und kommunistische Verhekung notleidender Massen. Klärt die arbeitende Bevölkerung auf, das Massennot und Massenelend nicht durch die Ermordung freigewerkschaftlich organisierter Schutzpolizeibeamten beseitigt werden.

Die Beseitigung des Massenelends und der Aufstieg der arbeitenden Klasse wird nur durch den geschlossenen Kampf der Sozialdemokratie in Gemeinschaft mit den freien Gewerkschaften erzwungen.

Der Bezirksvorstand.

3ur Hinrichtung Peter Kürtens.

Wir schrieben 1928. Der junge, eifrige Justizminister Dr. Schmidt hatte damals sein Amt angetreten. Begierig, alle Bezirke seines neuen Wirkungsbereichs persönlich kennen­zulernen, unternahm er unangemeldete Besuche in Straf­anstalten und versäumte nicht, persönlich einer Hinrichtung beizuwohnen. Keine Neugierde trieb ihn, sondern ernster Drang, die Wirklichkeit dieser vielumstrittenen Strafart zu erfassen. Der Minister erfaßte sie. Unter dem Eindruck fürchterlichen Abscheus erklärte er, daß unter seiner Minister­schaft ein derartig barbarischer Aft nicht noch einmal vollzogen werden sollte.

Drei Jahre lang ist der Justizminister seines Eindrucks und seines Wortes eingedenk geblieben. Jetzt aber ist er von der Bahn gewichen und hat die Hinrichtung Kürtens voll­ziehen lassen. Wir hoffen vorerst, als einen ganz besonderen Einzelfall. Aber niemand weiß im voraus, wann beim Ver­lassen eines Grundsages der Haltepunkt eintritt. Nach dem Fall Kürten wird der Fall des Versicherungsmörders Saffran, werden neue Fälle von Schwerverbrechern den Justizminister in Versuchung bringen. Und immer wird man ihm dann ins Ohr raunen: Du hast es ja bei Kürten auch geschehen lassen."

Wir wollen dem Justizminister Schmidt, dessen persönlich menschliche Einstellung uns bekannt ist, dabei zugestehen, daß er sich in außerordentlich schwieriger Lage befunden hat. Nicht nur die Hetze der Rechtspresse, die Blutgeruch witternd ihre Partei drückte auf ihn. Das Zentrum in dem katholischen Begierden kaum noch meistern konnte, auch seine eigene Düsseldorf , der von Kürten heimgesuchten Stadt, besonders start, glaubte der dortigen ,, Volksstimmung" Rechnung tragen zu müssen. Ob wirklich die Zahl der Düsseldorfer, die gestern nach der Lektüre der Hinrichtungsschilderung hochbefriedigt zu Bett gingen, um in einen besonders festen Schlummer der Ge­rechten zu verfallen, gar so groß ist?! Wirklich vollzogen sieht ein Guillotineatt ganz anders aus als die vorherige Phantasie!

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Erschwert wurde die Lage des Justizministers weiter da­durch, daß Kürten ein Mensch war, der weder Sympathie ver­diente noch erwecken konnte. Das harte Wort, das einmal bei Dostojewski fällt ,,, wozu lebt ein solcher Mensch?" dieses Bort fönnte direkt auf Kürten gemünzt sein. Auch unter den Gegnern der Todesstrafe gab es keinen, der sich nicht darüber flar war, daß Kürten für alle Zeiten unschädlich gemacht, aus der Gesellschaft ausgeschieden werden mußte.( Was bei jedem Geisteskranken durch Einsperrung erreicht wird.) Um Kürten ging es also nicht. Aber da ist außer Kürten noch der Scharfrichter. Er tut im Auftrage des Staates und gegen gute Bezahlung das, weswegen Kürten hingerichtet wurde: er bringt Menschen um. Hätte nicht zufällig an der Stelle des Scharfrichters, von dem wir nicht wissen, warum er neben seinem bürgerlichen Beruf durchaus noch die eines Menschen­umbringers betreiben muß,- Peter Kürten stehen können? In früheren Jahrhunderten, wo die Todesstrafe noch ganz alltäglich war und dabei auch noch für den Henkergehilfen eine schöne Nebenpraris im Auspeitschen, Foltern usw. abfiel, hätte ein Kürten sehr bequem seine tierischen Gelüste streng legal" befriedigen fönnen. Sicher ist auch unter den Scharf­richtern und Folterknechten früherer Zeiten mehr als ein Peter Kürten gewesen.

Das ist der springende Punkt: muß der Staat, weil eine Verirrung der Natur alle zehn Jahre einmal einen Beter Kürten hervorbringt, deswegen noch einen zweiten Mann hinstellen, der im Namen der Obrigkeit geschäftsmäßig und dabei gut honoriert genau die gleiche vorsätzliche Tötung vollbringt, die der Staat als abscheulichstes aller Verbrechen mit der höchsten Strafe belegt? Aber wir wissen, daß die gegenwärtige Zeit für die Lösung rein ethischer Probleme wenig geeignet ist. Das ist vielleicht der tiefste Grund, warum es zur Wiedererweckung der schon fast abgeschafften Todesstrafe kommen konnte. Wir haben durchaus Verständnis dafür, wenn die harten Sorgen des Alltags, wenn die Arbeitslosigkeit, die Notverordnungs­steuern, die Gehaltsabzüge die Menschen weit mehr erregen als die Hinrichtung eines Schwerverbrechers.

Aber das ist es nicht allein. Wir befinden uns in einer Epo che der Verrohung, in der zweifellos das sittliche Gefühl gegenüber Gewalttat und Blutvergießen abgeſtumpft ist. Die kommunistische Presse wird aus politischen Gründen zweifellos versuchen, diese Hinrichtung agitatorisch auszu­schlachten. Aber ist das nicht dieselbe Presse, die über die ganze Titelseite gebrüllt hat: Erschießen! Erschießen!", als die Moskauer Ab­schießen! lenkungsprozesse gegen die sogenannten Schädlinge" geführt

wurden?

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Er=

Die Rote Fahne " veröffentlichte damals seitenweise die