Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 307

A 155

48.Jahrgang

Böchentlich 85 Bf., monatlich 3,60 m im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 M. einschließlich 60 Pf. Postzeitungs- und 72 Pf. Postbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- m. pro Monat; für Länder mit ermäßigtem Drudfachen porto 5,-m

*

Der Borwarts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme". Technik"," Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u., Stadtbeilage

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

4. Juli 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezette 80 1. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zuläffig zwei fettgedruckte Morte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Larif. Stellengesuche das erste Wort 15 Bf. jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien­anzeigen Zeile 40 f. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vorl

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Fernspr.: Dönhoff( A 7) 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Laval will boren.

Franklin Bouillon packt ihn am Rock.- Schwerer Zwischenfall in der Kammer.

Paris , 3. Juli.

In der Kammer tam es heute abend zu einem ungewöhn­lich schweren Zwischenfall zwischen dem Miniflerpräfi­denten Laval und dem Abgeordneten Franklin- Bouillon. Kurz nachdem der Kammerpräsident die Sigung aufgehoben hatte, trat Franklin- Bouillon an den noch auf der Ministerbank sihenden Ministerpräsidenten heran und begann mit ihm eine heftige Auseinandersehung, die fich offenbar um die Frage der Vertagung der Kammer drehte. Als der Ministerpräsident dem Ausgang des Saales zuftrebte, stellte fich ihm Franklin­Bouillon in den Weg und

packte ihn in hellstem Zorn mit beiden Händen an den Rodaufschlägen,

Der

um ihn am Verlassen des Saales zu verhindern. Ministerpräsident riß sich energisch los und holfe zu einem Fauftschlag gegen den Abgeordneten aus. In diesem Augen­blic warf sich ein Unterstaatssekretär dazwischen, während zwei andere Minister den erregten Abgeordneten mit den Armen umschlangen und ihn aus dem Saale hinausdrängten. In

parlamentarischen Kreisen hat dieser Ueberfall Franklin- Bouillons auf den Ministerpräsidenten, der sich vor etwa 100 Abgeordneten

abfpielfe, größtes Aufsehen erregt.

Vor dem Abschluß?

Paris , 3. Juli. ( Eigenbericht.) Die französisch- amerikanischen Verhandlun gen wurden heute abend um 21,30 Uhr im Imenministerium fort gelegt. Schatjekretär Mellon und Botschafter Edge hatten vor­her einem Bankett der amerikanischen Handelskammer aus An­laß des Unabhängigkeitstages beigewohnt. Bei diesem Essen hatte der Botschafter eine Rede gehalten, in der er natürlich auch von dem Vorschlag Hoovers sprach. Er verglich die Proklamation des Präsidenten mit einem Blitz, der ein dunkles und nieder­gedrücktes Weltall erleuchtet habe". Die Welt warte mit Hoffnung und Vertrauen, führte Edge weiter aus, daß diese großartige An­strengung, mit der Amerika ohne Zögern die Einfassierung von Einnahmen in Höhe von einer Viertelmilliarde Dollars hinaus­

schiebt, das für den wirtschaftlichen Wiederaufbau notwendige Ber­trauen schaffe. Der Botschafter entschuldigte sich, daß er sich über den Stand der Verhandlungen mit Frankreich nicht aussprechen fönne, da er selbst einer der Unterhändler sei.

Kurz nach 21 Uhr verließen Mellon und Edge das Bankett, um nach dem Innenministerium zu fahren. Ministerpräsident Laval nahm nur eine Viertelstunde an den Verhandlungen teil, da er sich zum Senat und zur Kammer begeben mußte, die beide Nachtsitzungen abhalten, um einen Gesetzentwurf über die Stüßung der vor dem Zusammenbruch stehenden Transatlantischen Schiffahrtsgesellschaft zu verabschieden. Die Regierung ist fest entschlossen, um jede neue außenpolitische Debatte zu ver hindern, die Parlamentsfeffion furzerhand zu schließen. Beim Ber­lassen des Ministeriums erklärte er, die Verhandlungen seien auf gutem Wege, und

die eine Annäherung mit Deutschland begünstigen wür­den, vor allen Dingen aber auch den Maßnahmen, die zur finan ziellen und wirtschaftlichen Stüßung Deutsch­ lands im Rahmen der internationalen Solidarität führen könn­ten. Die Radikalen würden jedoch fordern, daß das Recht Frank­ reichs auf Reparationen loyal entsprechend den freiwillig ange­nommenen Abkommen beachtet werde, und eine direkte deutsch­französische Aussprache verlangen.

Der Senat nahm am Freitag nachmittag mit 277 gegen 24 Stimmen den bereits von der Kammer genehmigten Gesetz­entwurf zur Bewilligung. eines Kredits 2,4 milliarden Franken für den Ausbau der Verteidi gungsanlagen an der französischen Ostgrenze an. Der Kriegs­minister wurde gleichzeitig verpflichtet, dem Parlament alle sechs Monate Auskunft über den Stand der Arbeiten zu erteilen.

Unter Breitscheids Diktat"...

Postscheckonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u.Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Der lange Weg.

Briefe, die sie nicht erreichten.

Von Eugen Prager .

,, Das Reichsfinanzministerium wird nunmehr dem Ver­nehmen nach durch einen Einschreibebrief die Empfän ger hoher Pensionen auffordern, freiwillig auf einen Teil ihrer Bezüge zu verzichten."

,, Der Deutsche", 14. Juni 1931. ,, Von diesem Sachverhalt wird die Reichsregierung die hohen Pensionsbezieher in Kenntnis setzen und sie fragen, welche Konsequenzen sie daraus zu ziehen gedächten. Die Antworten werden zweckmäßig der Deffentlichkeit zugänglich gemacht."

Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald an den Generalsekretär der Zentrumspartei Dr. Bodel. Es ist ein langer, langer Weg vom Reichsarbeitsmini sterium zum Reichsfinanzministerium, von hier zum Reichss kabinett und von da schließlich bis zu den Höchstpensions= empfängern. Sind die eingeschriebenen Briefe abgegangen? Hat die Reichspost sie richtig mit Empfangsbestätigung an die Adressaten befördert? Welche Antworten sind darauf einge­laufen? Wie hoch sind die Beträge, die durch den freiwilligen Verzicht der Großpensionäre auf einen Teil ihrer Bezüge dem Reich schon zugeflossen sind oder noch zufließen werden? Man fragt vergeblich viel, um feine Ant­

In den letzten Tagen beschuldigten die deutschen Ratio nalisten den sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Breitscheid wieder einmal des Verrats deutscher Interessen. Seine Anwesenheit in Paris während der Verhandlungen zwischen Frank- wort zu erhalten. So lang auch der Weg nach Tipperary iſt, reich und Amerika konnte nach Ansicht der nationalistischen Hezer von dem das englische Soldatenlied singt; noch viel, viel länger ist der Weg von der Not des Volkes zu den Geldbeuteln der Leute mit den hohen Pensionen und noch höheren Nebenver­diensten.

-

nur dem Zwecke dienen, die deutschen Belange zu sabotieren". In den gleichen Tagen beschäftigte sich auch die französische Nationalistenpresse ,, Echo de Paris", Liberté", Journal", ,, Action de Francaise" mit Breitscheids Anwesenheit und Tätig- In dem Schreiben des Reichsarbeitsministers Dr. Steger­feit in Paris . In allen diesen Blättern, die für eine glatte bwald ist außer von den Einschreibebriefen noch davon die lehnung des Hooper- Vorschlages eintreten, weil ihnen Rede, daß auch auf die Parteien des Reichstags nach­jener Gedanke einer Hilfe für Deutschland und einer Abweichung drücklichst eingewirkt werden soll, daß sie das Pensions= vom Young Plan als ein fluchwürdiges Verbrechen erscheint, wurde kürzungsgesetz baldigst mit der notwendigen Zwei­Breitscheid beschuldigt, die Entscheidung der französischen Sozialisten zur Rettung Lavals und Briands, also zugunsten einer Berständi drittelmehrheit verabschieden. Das ist eine Anspielung dar­zwungen zu haben. gung mit Amerita, nicht nur beeinflußt, sondern sogar er auf, daß man vergeblich den Großpensionären nur mit einer Aenderung der Reichsverfassung zu Leibe gehen könne. Es ist hier wie immer: Sobald es sich um die wohlerworbenen Rechte der minderbemittelten Volksschichten handelt, sind die Bestimmungen der Verfassung nur Zwirnsfäden. Handelt es sich aber um die Interessen der besitzenden Klassen, so werden die Verfassungsbestimmungen zu dicken Tauen, zu deren Schutz die Juristerei des ganzen Reiches aufgeboten

Von den französischen Nationalisten wird Breitscheid also be schuldigt, als Beauftragter der Reichspolitik eine den Interessen Frankreichs schädliche Haltung der sozialistischen Kammerfraktion ,, diftiert" zu haben, von den deutschen Nationalisten wird er wieder einmal geziehen, die deutschen Interessen in Paris preis­gegeben zu haben. Die eine verleumderische Unterſtellung ist so unsinnig wie die andere. Aber ihre Gegenüberstellung ist nicht unsinnig wie die andere. Aber ihre Gegenüberstellung ist nicht ohne Reiz.

Kampf der Notverordnung!

Entschließung des Groß- Berliner Bezirksvorstandes. Eine Sigung des sozialdemokratischen erweiterten Bezirks­vorstandes für Groß- Berlin gemeinsam mit den Berliner Reichs tags- und Landtagsabgeordneten faßte gestern einstimmig die fol­

gende Entschließung:

Am 16. Juni hat die Reichstagsfraktion darauf verzichtet, den Reichstag zu einer Stellungnahme zur letzten Notverordnung zu veranlassen, da die Reichsregierung die Notwendigkeit von Berhand­lungen anerkannte und solche in Aussicht stellte. Inzwischen ist die Notverordnung in Kraft getreten und beginnt ihre verheerende Wir­fung auf die Massen auszuüben. Freie und christliche Gewerk­ordnung den Kampf angesagt. Die sozialdemokratische Reichstags fraktion hat durch ihren Vorsitzenden sofortige Berhand lungen verlangt. Nichts Wesentliches ist trotzdem seitens der Reichsregierung getan.

er glaube, daß im Laufe der Nacht ein optimistisches Kommuniqué ausgegeben merden könne. Briand , Flandin und Francois Poncet verhandelten schaften haben ohne Ausnahme dieser sozialreaktionären Notver­inzwischen mit den Amerikanern weiter.

Washington erwartet Einigung.

Der Bezirksvorstand und die Berliner Reichs- und Landtags­abgeordneten fordern daher von der gesamten Partei, daß sie ihre Aktivität in der Aufklärung über die verhängnisvollen Wirkungen der Notverordnung in den breiten Massen des arbeitenden Bolkes steigert und die politische Führung in dem Kampf um die be­schleunigte Abänderung der Notverordnung verstärkt.

Washington , 3. Juli. Unterstaatssekretär Castle erklärte in der heutigen Presse­fonferenz, er hoffe noch heute abend die Verständi gung mit Frankreich in allen bisher strittigen Punkten mit­teilen zu können. Auch in der Frage des Garantiefonds scheine Frankreich nachzugeben und auf die Einzahlung dieses Betrages durch Deutschland zu verzichten. Darnach müßten in technischen Besprechungen der Finanzsachverständigen der beteiligten europäischen Länder die Einzelheiten ausgearbeitet Der Bezirksvorstand und die Berliner Reichs- und werden, und Amerika hoffe, daß diese Besprechungen in versöhn- Landtagsabgeordneten erwarten von der Reichstags: lichem Geiste erfolgen und ein gutes Einvernehmen zwischen Deutsch fraktion, daß sie mit Energie, auch mit Einschaltung aller land und Frankreich herbeiführen. Diese Einstellung sei ebenso wich parlamentarischen Möglichkeiten, sofortige Verhandlun­tig wie die sachliche Einigung. Amerika merde sich an diesen rein technischen Besprechungen voraussichtlich nur in sehr ge= ringem Umfange beteiligen, da es sich vorwiegend um die Anpassung des Young- Plans an die einjährige, in diesem Monat beginnende Zahlungspause handele.

Lenft Herriot ein?

gen zu erzwingen sucht.

Das Ziel solcher Verhandlungen muß sein:

1. Wiederaufbau und Sicherung der Arbeitslosenversicherung und der sonstigen Sozialgesetze.

2. Beseitigung des Eingriffes in das Tarifrecht. 3. Sanierung der öffentlichen Haushalte und soziale gerechte Verteilung der Basten.

Paris , 3. Juli. Die radikale Kammerfraktion hat heute vormittag 4. Festlegung eines wirksamen Arbeitsbeschaffungsprogramms. unter dem Borsig von Herriot zu den französisch- amerikanischen Berhandlungen eine Erklärung beschlossen, in der es u. a. heißt, Zur Durchführung dieses Kampfes sind Einheit baß die Rabitalen allen Maßnahmen günstig gegenüberstanden, und Geschlossenheit dringend erforderlich.

wird.

Wie aber stehen die Parteien des Reichstags zu der An­gelegenheit der Höchstpensionen, die sich mit der Zeit zu einem öffentlichen Standal auswächst? Dazu sei vorerst festgestellt, daß die Sozialdemokratische Partei schon seit vielen Jahren für die Beseitigung dieses Standals kämpft. In die Personalabbauverordnung vom 23. Oftober 1923 ist auf Be­treiben der sozialdemokratischen Minister unter der Kanzler­schaft Stresemanns eine Kürzung der Pensionen veranlaßt worden, wenn der Pensionsempfänger neben seinen Versor= gungsgebührnissen noch ein weiteres steuerbares Privat­einkommen von mehr als 235 Mart monatlich bezog. Diese Pensionstürzung ist im Jahre 1925 auf Veranlassung des deutschnationalen Reichsfinanzministers von Schlieben gegen den Widerspruch der Sozialdemokratie mit den Stim­men der Deutschnationalen, der Demokraten, der Deutschen und der Bayerischen Volkspartei , sowie eines Teiles des 3entrums wieder aufgehoben worden. Im Jahre 1927 for= derte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion erneut die Kürzung der hohen Pensionen, wenn daneben noch Privat­einkommen vorlag. Das ist von allen Parteien rechts von der Sozialdemokratie abgelehnt worden. In der Wahlbewegung vom Frühjahr 1928 brachte die Wirtschaftspartei einen Agitationsantrag ein, monach Pensionen über 12 000 Mart nicht mehr gezahlt werden und die dadurch erzielten Erspar­niffe für die notleidenden Rentner verwertet werden sollen. Mit Hilfe der Sozialdemokratie fand dieser Antrag Annahme, er ist jedoch niemals verwirklicht worden, da sich Dr. Bredt darum fümmerte.

meder die Wirtschaftspartei noch ihr Reichsjustizminister

neuen Initiativgesehentwurf gegen den Standal Im Frühjahr 1930 ging die Sozialdemokratie mit einem der hohen Pensionen vor. Um den bürgerlichen Parteien die Ablehnung dieses Gesetzes so schwer wie möglich zu machen, hatte die Sozialdemokratie bei seiner Formulierung mit Vor­bedacht eine gewisse Mäßigung beobachtet. Gegen das Wider­streben der bürgerlichen Parteien erzwang die Sozialdemo­tratie die Beratung ihres Antrags. Hören wir, wie die De­batte darüber verlief. Als Redner der deutschnationalen Fraftion trat Herr von Troilo auf, der als Bergwerks­befizer ein Einkommen von sicher mehr als 30 000 Mart be­zieht. Daneben hat er noch als ehemaliger Oberst eine Bension