10 Pf. Nr. 306 B 154 48. Jahrgang
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Polizei im Braunen Haus
Alle Llniformierte zur Polizeidirektion gebracht
München , 4. Znfl. Die polizeidircklion München erläßi mil sofortiger Wirksamkeit eine ortspolizeiliche Vorschrift, wonach es verboten ist. auf öffeut- lichen wegen. Strahen und Plätzen einheitliche Kleidung (Uniform, Bundestracht) sowie Armbinden zu tragen, durch die die Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung oder zu einer Schuh- einrichtung einer solchen zum Ausdruck gebracht wird. Die Vor- schrift tritt am 15. Zuli 1931 auher Kraft. Heule nachmittag gegen%2 Uhr fuhren drei Lastautos der grünen Landespolizei vor dem Braunen haus vor. Ein Teil der Mannschaft begab sich ins haus. Diese Aktion der Landes- Polizei gründet sich lediglich aus die Verordnung der Slaatsregierung, die das llniformverbot erweiterte, und hatte lediglich znm Ziel, diese Verordnung durchzuführen. Das mit der Durchführung beauftragte Kommando der Landespolizei besehte das Braune haus und stellte Posten im Umkreis auf. Sämtliche in Uniform betroffenen Angehörigen der SA. wurden mil dem Kraftwagen zur Polizeidirektion zwecks Zeststel- lung ihrer Personalien gebracht. Sie wurden dann wieder entlasten.
2700 Eltern ins Gefängnis. Amnestie für Vraunschweiger Schulstreik abgelehnt. Braunschweig , 4. Juli. (Eigenbericht.) Tie sozialdemokratische Fraktion des Braunschweigischen Landtags hat einen Amnestiegesetz- entwurf vorgelegt, nach dem alle die Eltern, deren Kinder am zweitägigen«chulstrcik der weltlichen Schulen in Braunschweig teilgenommen haben straffrei bleiben sollten. Die 2700 Strafbefehle, die bei mehreren Kindern bis auf 15 Tage Hast lauten, sind von dem jüngsten Assessor des Polizeipräsidiums, der erst wenige Wochen im Amt ist, verfügt worden. Franzen erklärte jetzt im Haupt- auSschuß, daß er dem Amncstiegesetzentwurf ablehnend gegenüberstehe. Die Regierung will also, daß die Eltern ihre Strafen antreten sollen. Bis jetzt sind etwa 2000 Einsprüche eingelegt worden. Der BolkSParteiler, der den Ausschlag gab, erklärte ebenfalls seine Abneigung gegen eine generelle Maßnahme. Dabei ist zu beachten, daß dieser Abgeordnete Marquart vor wenigen Wochen durch Franzen zum Ministerialrat befördert wurde. Der Gesetzentwuf wurde dann gegen die Stimmen der Sozial- demokraten abgelehnt. Es sollen also 2700 Eltern inS Gefängnis! 1450 Todesopfer der Hihe. Aber auch 40 Millionen Mark Verluste an Sachwerten. London , 4. Zuli. Meldungen der Exchange Telegraphen Company zufolge hat die enorme Hitze in den vereinigten Staaten, die im Miltelweften bereits abzuflauen beginnt, in vielen Teilen des Landes auch noch am Areitag nacht angehalten und bisher l450 Todesopfer gefordert. Der Verlust an Ernte und Vieh wird auf etwa 40 Millionen Mark geschäht. Von allen Großstädten soll Ehikago mit 368 Toten am meisten gelitten haben, während in den Staaten 3owa 173, Wisconsin 164 und Mistouri 114 Tote verzeichnet wurden. Oberschlefische Justiz. Wie Nichter den Sinn verdrehen, um Nazi freizvfprechen. Oppeln . 4. Juli. (Eigenbericht.) Der„Vorwärts" hat vor kurzem von dem skandalösen Urteil des Schöffengerichts in Ratibor berichtet, durch das der Kriminal- a f f i st e n t Albin F a b e r in Ratibor vom Vergehen nach§ 5 des Republitfchutzgefetzes freigesprochen worden ist. obwohl diesem famosen Kriminalassistenten nachgewiesen werden konnte, daß er in einer Naziverfammlung als Diskussionsredner geäußert habe, daß„in Oberschlesien von dem marxistisch verseuchten Staat das Deutschtum bekämpft werde".
Paris , 4. Juli. (Eigenbericht.) Frankreich und Amerika sind im Laufe der Nacht zum Sonnabend zu einer grundsätzlicheu Einigung über den Vorschlag HooverS gelangt, die aber noch der Be» ftätigung durch die französische und amerikanische Regie- rung bedarf. * Die Beratung zwischen den Amerikanern und Franzosen , die um 21 Uhr 30 begonnen hatte, war gegen Mitternacht zu Ende. Gegen%1 Uhr wurde der Presse folgendes Kommunique übergeben: „Die Delegierten der beiden Regierungen haben die Prüfung des Vorschlages des Präsidenten hoover und der französischen Note fortgesetzt. Schatzsekretar Mellon hat bestätigt, daß die amerikanische Regierung beschlossen habe, die Aufrechterhaltung der Zahlung der im Poung-Plon vorgesehenen ungeschützten Annuität durch Deutschland anzunehmen. Andere Meinungsver- schiedenheitcn, die von geringerer Bedeutung sind, sollen einem Ministerrat unterbreitet werden, der heute nachmittag statt- findet. Die Einigung über den technischen und finanziellen Teil der Verhandlungen dürfte unter Vorbehalt der Zustimmung der anderen interessierten Mächte sehr bald zustande kommen." Aus dem Schlußsatz dieses Kommuniques geht hervor, daß die Signataurmächte des Poung-Planes wahrscheinlich in kurzem zu einer Konferenz zusammentreten werden, um verschiedene Fragen, vor allem die des Garantiefonds, zu regeln. Nach dem „Petit Parisien" sollen sich Frankreich und Amerika dahin geeinigt hoben, daß der Garantiefonds im Falle eines Moratoriums für die geschützten Zahlungen nicht von Frankreich , sondern durch eine internationale Anleihe aufgebracht wird. Dazu bedarf es der Zustimmung aller Unterzeichner des Pounr-Planes. In bezug auf die Rückzahlung der Deutschland gestundeten Summe hat Amerika nach derselben Zeitung den Vorschlag Frankreichs angenommen, wo-
nach im Prinzip die Rückzahlung nach fünf Iahren erfolgen soll. Diese Frist kann aber jeweils um fünf Jahre verlängert werden, so daß Rückzahlung tatsächlich erst in etwa 15 Iahren oder gar 20 oder 25 Iahren erfolgt. Parlamentssession beendet. Paris , 4. Juli. (Eigenbericht.) Die Tagung des französischen Parlaments ist heute früh um 2.30 geschlossen worden, nachdem Kammer und Senat die wich- tigsten ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe, die aber keine inter - nationale Bedeutung haben, angenommen hatten. Die Börse macht schlapp. pariser Verhandlungsabschluß bleibt ohne Eindruck. Die Börse, die trotz der Verzögerung der pariser Verhandlungen die ganze letzte Woche einen bemerkenswerten Oplimis- mus aufrechterhalten hatte, machte heule zum Wochenende völlig schlapp. Die Stimmung wurde besonders durch das Gerücht beeinflußl. daß die Reichsbank sich in der nächsten wache zu weiteren verschärften Maßnahmen bei der Sredildrosselung entschließen könnte. Die Stimmung verschlechterte sich noch mehr, als aus Wien Meldungen über eine völlige Pleite des Bankenkönigs Rothschild einliefen. Vach einer zunächst noch zuversichtlichen Stimmung im Freiverkehr des vormittags fanden mehrere schwere Kurseinbrüche stall, so bei Siemensaktien. die um 9 Punkte von 169 auf 151 proz. sanken, Z. G. Zarben ginge« von 138 bis auf 131 zurück und Kaliwerke Salz- delhfurt. die in letzter Zeit verhältnismäßig fest geblieben waren, sanken von 206 bis auf 191 proz.— Die Devisen- abznge, die auch heute noch anhielten, sollen sich gegen gestern verringert haben.
Für jeden logisch denkenden Menschen liegt in dieser Aeußerung eine beabsichtigte Herabsetzung des heutigen Staates, und man mußte daher auf die schriftliche Urteilsausfertignng be- sonders neugierig sein. Wie würden die oberschlesischen Berufsrichter diesen Freispruch begründen? Nun liegt uns die Urteilsausfertigung vor und wir müssen ge- stehen, daß sie alle Erwartungen übertrifft. Jenes Urteil, durch das seinerzeit ein Naziflegel, der die Reichsfarben mit Schwarz-Rot- Mostrich bezeichnet hotte, freigesprochen worden war, weil ihm nicht nachzuweisen gewesen sei, daß er die Reichsfarben und nicht die Farben des Reichsbanners gemeint habe, ist durch das Ratiborer Urteil weit in den Schatten gestellt. Wozu sich überhaupt in solche juristische Ueberlegungen wie bei dem Schwarz-Rot-Mostrich-Urtetl einzulassen, wenn man es— wir zitieren das Urteil— folgendermaßen machen kann: „Die Hauptoerhandlung hat jedoch eine Schuld des Angeklagten nicht ergeben. Zwar ist durch die Bekundungen der eidlich gehörten Zeugen Rostalski und Zniszol gegenüber dem Bestreiten des Ange- klagten, der den Ausdruck„Staat" überhaupt damals nicht gebraucht, sondern nur von dem Eindringen marxistischer Elemente in die oberschlesrsche Kriminalpolizei gesprochen haben will, erwiesen, daß der Angeklagt« am 12. Januar 1931 in einer Versammlung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei als Diskussionsredner geäußert hat, er habe fe st gestellt, daß hier oben— in Oberschlesien — v ö n dem marxistisch verseuchten Staat das Deutschtum bekämpft werde. Doch konnte in dieser Aeußerung ein Vergehen gegen das Republikschutzgesetz n i cht erblickt werden. Denn es ließ sich nicht feststellen, in welchem Zusammenhang der Angeklagte, der damals im wesentlichen sich öffentlich wegen der gegen ihn im Oktober 1930 erfolgten Amts- enthebung wegen— von ihm bestrittener— nationalsozialistischer Betättgung hat rechtfertigen wollen, die in Frage stehende Rede- Wendung gebraucht und was oder wen er mit dem Ausdruck„Staat" gemeint hak. Er kann damit den preußischen Staat, die Staatsregierung, aber
auch die Führer einer politischen Partei oder irgendwelche staatlichen Organe gemeint haben. Infolgedessen war er mangels einer ausreichenden Feststellung im Sinne des Erössnungsbeschlusses mit der Kosten- folge aus 88 464, 467 StPO. freizusprechen." Die deutschen Gerichte werden nach diesem Beispiel, falls die eingelegte Berufung keinen Erfolg haben sollte, künftig untersuchen müssen, ob ein Angeklagter, der blau gesagt, wirklich blau und nicht rot gemeint habe. Jedenfalls kann eine Rechtspflege, die in solcher Werse Recht spricht, jedes Kunststück vollbringen. Am Anfang d«s Urteils aber steht:„Im Namen des Volkes!" Herr Zustizministeri Was gedenken Sie gegen die Sabotage des Gesetzes zu unternehmen? Schmeling bleibt Weltmeister. Eleveland. 4. Juli. In dem Kampf um die Box-Weltmeisterschaft im Schwergewicht zwischen dem deutschen Titelverteidiger Max Schmeling und dem amerikanischen Herausforderer Poung Stribling, der gestern abend im hiesigen Stadion vor etwa 40000 Zuschauern stattfand, siegte Schmeling durch technischen k. o. 46 Beduinenräuber erschossen. pari». 4. Juli. Im südlichen Teil von Marokko kam es in der Nacht zum Freitag zwischen den Einwohnern eines unter französischer„Schutz- Herrschaft" stehenden Dorfes und etwa 60 Beduinen eines noch nicht unterworfenen Stammes zu einem blutigen Kampf, als die Beduinen in das Dorf eindrangen und es zu plündern oersuchten Im Verlaufe des Feuergesechtes wurden 46 der Räuber er- schössen, während es den übrigen 14 gelang, die Flucht zu er- greisen. Auf feiten der Angegriffenen sind fünf Tote, darunter das Oberhaupt des Dorfes, zu beklagen.