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Tropen- Schicksale

Deutsche in Südamerika / Der Reisende, der Buchhalter und der Plantagenbesitzer

In Benezuela erzählte ein junger Deutscher über eine Geschäfts­reise nach Kolumbien durch das Hochgebirge Venezuelas . Alles flang wunderbar abenteuerlich. Es famen Jaguare vor, die das Auto be drohten, Indianer und Urwälder. Ich erkundigte mich dann auch bei dem jungen Mann nach dem Zweck seiner Reise. Nun, er war Geschäftsreifender und er enthüllte mit einigem Stolz den Inhalt feines Musterkoffers. Es kamen Waren zum Vorschein, die das Herz eines Direktors des Greuelmuseums in Stuttgart höher hätte schlagen lassen können. Liförflaschen und Gläser, die eine Ente mit Küken darzustellen versuchten, Papierlampenschirme mit himmel­schreienden japanischen Landschaften, mit Bergißmeinnicht verzierte Bahnstocherbehälter, eine ganze reichhaltige Kollektion aus Bunz lau, Gablonz und Umgegend.

,, Das verkaufen Sie den Indianern? Deshalb die gefährliche Fahrt und Jaguare?"

,, Gerade mit den Indianern kann man gute Geschäfte machen, die von der Welt ganz abgeschlossen sind. Das war in Deutschland auch so. In den Dörfern, wohin nicht mal eine Lokalbahn fährt, fann man am besten verkaufen. Solche Fahrten waren auch in Deutschland mühevoll. Und bissige Köter, die es auf einen Motor­rabfahrer abgesehen haben, sind im Grunde nicht weniger unan­genehm wie Jaguare, die Angst vor den Menschen haben. Ueber­haupt, abenteuerlich käme mir das Leben hier in den Tropen nur vor, wenn ich in Deutschland darüber lesen würde. Hier habe ich andere Sorgen. Ich muß daran denken, wie ich meine Aufträge hereinbekomme und eine billige Unterkunft finden kann, genau so als wäre ich in Deutschland ."

*

Holländisch- Guayana ist ein reiches, faum bevölkertes Land, das einem unternehmungsluftigen Geist anscheinend jede Entwid lungsmöglichkeit bietet. Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Es gibt hier verhältnismäßig viele Deutsche, aber kaum einen, der selb= ständig wäre.

"

Pioniere, Kerle, die den Urwald urbar machen, die eine neue Welt aufbauen in einer neuen Welt, das klingt alles sehr großartig, aber wenn man näher hinsieht, was stellt sich heraus? Auch am Rande des Urwaldes, auch im Urwald selbst bleibt dir nichts an­deres übrig, als für einen Wochenlohn von soundso viel und bei einem Arbeitstag von 10 bis 12 Stunden dieselbe Arbeit zu ver­richten wie drüben im alten Europa . Für wen? Für irgendeine Aktiengesellschaft mit unsichtbaren Häuptern, die in London , in Amsterdam , in Paris fizen. Und nicht nur uns Deutschen ergeht es so. Betrachten Sie hier in unserer Hauptstadt die sogenannte bessere Gesellschaft. Alle die Konsuln, also die erfolgreichsten Ge­schäftsleute, auch sie sind nur Angestellte.

Unsere Kolonial- oder Kurzwarenläden, die manchmal so pri­mitiv aussehen, find trotzdem meist sehr rationell ausgebaut, mit einer Einkaufszentrale in London oder Amsterdam und mit Filialen auf den Inseln und in den Kolonialländern."

Einen Berliner traf ich in einer neuentstandenen Stadt mitten im Urwald. Muß der da ein phantastisches Leben führen! Was macht er hier?

,, Ich bin Buchhalter, Arbeitszeit von morgens sieben Uhr bis abends um sechs, eine Stunde Mittagspause, Gehalt 140 Dollar, aber die Lebenshaltungskosten sind hoch, ich verbrauche fast alles, was ich verdiene."

Phantastisches Leben? Genau so phantastisch wie das eines Buchhalters in Berlin .

Ein Rheinländer in Maracaibo , der nur nach vielen Schwierig­feiten eine Stellung auf den Delfeldern fand, erklärt seinen Wirkungskreis.

,, Ich kontrolliere die Arbeitskarten, wenn sie gestempelt werden." ,, Kontrolluhren bei den Indianern? Hier, wo es vor kurzem nur Urwald gab?"

,, Ja natürlich, wir haben genau denselben Großbetrieb wie in Deutschland . Und auch bei 40 Grad Hige bleibt die Hauptlosung Arbeitsdisziplin."

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Ein Kaffee- Plantagenbefizer aus Guatemala , der mit einer schweren Malaria nach Hamburg fuhr, gehörte zu den wenigen selbständigen" Deutschen , die ich unterwegs traf.

,, Auf eigenen Füßen zu stehen, das hört sich schön an und das mar auch immer mein Wunsch. Aber heute ist das, menn man nicht zu den Großgrundbesitzern gehört, die auch die Macht haben, nichts meiter als eine Illusion. Es kommt nicht mehr darauf an, wieviel man produzieren, sondern wie man verfaufen fann. Die Ernte ist glänzend, aber die Kleinen gehen dabei zugrunde."

Ein Buchdrucker, ein Leipziger, der schon seit Jahrzehnten in San Juan , auf der schönen Insel Porto Rico , lebt, seufzt melan cholisch, als von der Schönheit der Insel die Rede ist.

" Ich merke nicht viel davon. Die Arbeitszeit ist zu lang und trotz all der Jahre kann ich mich an die Hige nicht gewöhnen. Einer meiner Brüder arbeitet auf den Delfeldern in Venezuela , ein an­derer in den Raffinerien auf Trinidad . Wir bekommen genug Briefe aus Deutschland , in denen man uns um unser ,, interessantes" Leben beneidet. Worin besteht das Interessante? Ich bin überzeugt, man denkt dabei nicht gerade an die Arbeit. Was aber ist das Neu­artige, das wir hier erleben? Die Hize, Tropenfrankheiten? Wir finden es gar nicht so spannend, Chinin zu nehmen und von den Moskitos gequält zu werden. Ja, mir verdienen mehr als drüben. Der Wochenlohn eines gelernten Arbeiters schwankt zwischen 25 und 60 Dollar, aber die untere Grenze ist die häufigere. Dagegen find die Lebenshaltungskosten entsprechend höher als in Europa . Kampf ums Dasein ist auch hier der Wahlspruch."

Maria Leitner .

Kurt Rudolf Neubert: Die Notlüge

Ohne Notlügen fommt man eben nicht aus!" seufzte die kleine, etwas rundliche Frau des bekannten Verlagsbuchhändlers der Stadt, nachdem sie von ihrem Erlebnis erzählt hatte.

Mit ihrem Ausspruch entfesselte sie einen lebhaften Meinungs­austausch in der kleinen Gesellschaft, die sich abends in der Wohnung des Studienrats Mandek eingefunden hatte.

Zu Notlügen fann mitunter sogar eine moralische Verpflichtung vorliegen", warf der Schauspieler Bachenheim, Mitglied des dortigen Etadttheaters, nachdenklich ein.

,, Gewiß!" sagte jemand, ,, einem Sterbenden fann man mit einer Notlüge die letzte Wohltat erweisen, einem Kranken sein Los erleichtern, einem Abschiednehmenden die Illusion lassen...."

Für mich gibt es feine Notlügen!" fagte der Hausherr energisch. ,, Nein!" lachte seine Frau ,,, immer sagt er mir die Wahrheit. Frage ich ihn: wie gefällt dir mein neuer Hut, so bekommt er es fertig: Scheußlich! zu sagen." Der Studienrat gab dem Gespräch wieder einen Unterton von Ernsthaftigkeit: Notlügen sind einfach eine Schwäche, behaupte ich. Man macht es sich bequem damit. Man geht damit den kleinen Entscheidungen des Alltags aus dem Wege." ,, Wollen wir wetten, Herr Studienrat, daß Sie noch im Laufe des Abends eine Notlüge gebrauchen werden?" fragte der Schau­spieler.

Der Studienrat lächelte voll Nachsicht.

Die kleine Gesellschaft hatte sich nach dem Abendessen in das Zimmer des Hausherrn begeben, wo es einen großen, zum Garten hinausführenden Balkon gab. Man sprach vom Stadttheater, vom Gymnasium und von der Frau Bürgermeister.

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,, Ehe ich vergesse, Herr Studienrat", fragte der Schauspieler ganz unvermittelt ,,, können Sie mir wohl hundert Mark leihen?" Diese Frage war so seltsam in diesem Kreise, daß man zu­nächst wie erstarrt war. Auch der Hausherr schien einigermaßen be­troffen zu sein, aber er gewann sein nachsichtiges Lächeln rasch

wieder.

,, Es tut mir leid, lieber Bachenheim....

,, Aber warum nicht, Herr Studienrat, bei unserer langen Be­Tanntschaft?"

., Sehen Sie, meine Herrschaften", wandte sich nun der Studien­rat an seine Gäste ,,, hier erleben Sie einen Fall, der nach Ihrer Mei­nung eine Notlüge erfordert. Ich könnte sagen: herzlich gern, aber im Augenblick selbst große Verpflichtungen.... Wäre meine Antwort so ausgefallen, hätte unser Freund hier Ihnen bewiesen, daß ich die erste Notlüge dieses Abends gebraucht habe."

Die Gäfte lächelten.

,, Selbstverständlich war Ihre Bitte nicht ernst gemeint, Herr Bachenheim, das weiß ich, aber Sie sollen trotzdem eine Antwort bekommen: ich würde Ihnen prinzipiell fein Geld borgen! Sie fennen meine Grundsäge!"

Der Studienrat hatte in einem versöhnlichen Ton gesprochen, der eine Verstimmung bei dem Künstler nicht aufkommen ließ. Das Ganze wurde von der Gesellschaft als Scherz betrachtet.

Man saß noch lange im Dunkel auf dem Balkon, während im Herrenzimmer alle Flammen brannten. Die Standuhr schlug halb zwölf. Um diese Zeit begann manchmal im Garten eine Nachtigall zu fingen, man wartete jetzt darauf und unterhielt sich nur im Flüsterton. Der Garten selbst lag wie erwartungsvoll im Dunkel der Nacht.

Aber die Nachtigall ließ heute auf sich marten. Die Damen hüllten sich fester in die Tücher, die sie über die Schultern gelegt hatten. Der Mond kam über den Garten herauf und zog sich hin und wieder eine Malte vor das Gesicht

Die Hausfrau war später in die Küche gegangen, um noch einige Brötchen mit faltem Braten und Fischdelikatessen zurechtzu­machen, denn Frau Verlagsbuchhändler Vogel befam nach zwölf Uhr gewöhnlich wieder Hunger. Das Hausmädchen war schon um zehn Uhr zur Nachtruhe entlassen worden.

Da begann plöglich, als man es faum mehr erwartete, die Nachtigall. Auf dem Balkon saß man ganz still, wie bei einer Wagnerouvertüre im Stadttheater. Man hatte gar nicht bemerkt, daß Herr Bachenheim seinen Plaz verlassen hatte. ,, Wunderbar!" sagte Frau Bogel.

,, Ein Genuß!" meinte der Studienrat. Die Nachtigall fang.

,, Aber wo bleibt nur Ihre Frau?" flüsterte jemand auf dem Balton ,,, man sollte sie doch schnell herbeiholen. Wer weiß, wann die Nachtigall sich wieder hören läßt...."

Und wo bleiben die Brötchen?" dachte auch Frau Berlagsbuch­händler Bogel und folgte dem Studienrat, der seine Frau endlich aus der Küche holen wollte. Es war eine instinktive Abwehr­bewegung, die ihn die eben geöffnete Tür zur Küche wieder schließen ließ, eine Bewegung ähnlich jener, mit der man sich gegen einen Bor­hieb in die Magengegend zu schüßen sucht. Der Studienrat mußte den Hieb aber schon empfangen haben, denn er wurde ganz blaß und schien für einen Moment die Sprache verloren zu haben. Indessen hielt er immer noch die Türflinke in der Hand, einerseits, um sich festzuhalten, denn er hatte soeben eine Entdeckung gemacht, die ihn in den Knien zittern ließ, anderseits, um Frau Berlagsbuchhändler Bogel den Eintritt in die Küche zu verwehren....

,, Nun?" fragte Frau Vogel hinter ihm.

In diesem Augenblid hörte er seinen schlechtesten Tertianer ballade angedonnert hatte: Seßen! Mangelhaft!", in diesem Augen Michael Bolle, den er vormittags beim Vortrag der Belsazar­blid hörte er ihn geisterhaft die Worte sprechen:" Mene, tekel

upharsin!"

,, Nun?" flötete Frau Verlagsbuchhändler Bogel .

,, Bitte schön", sagte er da in Gedanken zu ihr, die wie Sekunden­blize durch sein Hirn zucien, bitte schön, liebe Frau Vogel, treten Sie näher, Sie sehen meine Frau Eva, geborene Gallenstein, in den Armen unseres Freundes Bachenheim. Den Kuß werden Sie nicht mehr zu sehen bekommen, aber die Verwirrung meiner Frau Eva, geb. Gallenstein, ihr zerzaustes Haar und die verrutschte Krawatte unseres lieben Freundes Bachenheim. Bitte, wollen Sie nicht näher treten? Ich denke natürlich gar nicht daran, in diesem Falle eine Notlüge zu gebrauchen.

Aber als wäre sein studienrätlicher Geist wohl willig, doch sein Fleisch schwach, legte er jetzt seinen Arm in den der Frau Bogel und fagte, wie in der Klasse zu einem unbegabten, aber gefährlichen Schüler: Kommen Sie, meine Liebe, meine Frau ist nicht zu sehen, suchen wir sie im Musikzimmer!"

In der Küche waren die zwei zusammengefahren. Frau Mandek fuchte verlegen ihr Haar in Ordnung zu bringen. Verzeihung!" stammelte der Schauspieler ,,, ich habe mich hinreißen lassen!"

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en sterkes Brötchen zu stürzen, griff er entstoffen gr. her Tee Studienrat war nicht zu bewegen, sich an Brötchen mit Sardelle und Ei zu versuchen. Während das Gespräch rings einzuschlafen drohte, ergriff er die Zügel der Konversation und lenkte sie auf Themata wie ,, Indische Witwenverbrennung"," Der Ehebruch bei den Griechen" und Die Reformbedürftigkeit unserer heutigen Ehescheidungs­gefegze".

Als fich die Gäste schließlich gegen ein Uhr verabschiedeten, fiel es der Frau Berlagsbuchhändler Bogel plöglich ein: Aber Sie. haben ja Ihre Wette verloren, Herr Bachenheim!" Der Schauspieler lächelte ehrlich bekümmert. ,, Niederträchtiger Kerl!" dachte der

nachfizen oder ein Stück aus der The Studienrat. Ich möchte ihn Ilias dreimal abschreiben lassen!" In der nächsten Zeit fiel es den Bekannten auf, daß man den Schauspieler nicht mehr bei Studienrats antraf.

,, Er hat ihm jene Offenheit doch wohl übelgenommen!" mut­maßte man.

Und Frau Bogel seufzte: Ohne Notlügen, meine Lieben, fommt man eben nicht aus...."

Gerechtigkeit für alle!

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Die Chroniken bestätigen die Wahrheit dieser Geschichte. Am 26. Juli 1501 stand auf den amtlichen schwarzen Brettern des Fürstentums Neapel zu lesen: Viertausend Dukaten dem, der lebendig oder tot den Kalabreser Banditen Rocco del Pizzo den Händen der Behörden ausliefern. Dafür bürgt die Regentin Isa­ bella von Aragon .

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Drei Tage später erbittet ein Mann, der von weit her gefommen zu sein scheint, eine Audienz bei der Regentin. Argwöhnisch von den Höflingen befract, weigert er sich, seinen Namen zu nennen. Schwört aber beim Haupte seiner Mutter, es aufrichtig zu meinen. De: Gerechtigkeit zu dienen, jagt er, sei ein eoles Wert. Der Fremde wird vorgelassen.

,, Reden Sie frei", ermuntert ihn Isabella, es soll Ihnen nichts geschehen. Was ist Ihr Anliegen?"

Meine Geschichte", erwiderte der Unbekannte, greift etwas weit zurück, aber ich will mich furz faffen. Vor Jahren wohnte ich mit meiner Familie in einem Hause bei Cosenza . Mit meinen be­tagten Eltern, meinen zwei jüngeren Brüdern und meiner ein­zigen Schwester Costanza. Rund um unser Haus lagen die Län­dereien eines mächtigen Herrn, dessen Leibeigene wir auch heute noch sind..."

Die Regentin unterbricht ihn: Wie heißt dieser Herr?"

Der Fremde fährt fort: Darf ich erst meine Geschichte zu Ende erzählen? Den Namen nenne ich später. Meine Schwester Costanza ist schön. Der vornehme junge Herr hatte sich hoffnungslos in fic verliebt. Mein Vater widersetzte sich. Um diese Zeit wurde die Leiche eines Mannes im Walde aufgefunden. Mein Vater geriet auf die fälschliche Anzeige des jungen Herrn in Mordverdacht. Er murde verhaftet, obwohl er schuldlos war. Costanza flehte den Herrn, dessen Leibeigene wir sind, um Gnade für den Vater an. Sie wurde gewährt. Aber.... aber... man frage mich nicht, welchen Preis diese Gnade foſtete Mein Vater starb vor Kunimer, als er nach seiner Freilassung davon erfuhr. Costanza liebte den Berführer wirklich. Sie liebt ihn heute noch, trotzdem er fie schmählich im Stiche gelassen hat....

So erzähit der Unbekannte. Isabella verharrt in tiefem Nach­denken. Endlich sagt sie: Das ist eine häßliche Geschichte, die Sie da erzählen. Aber: Gerechtigkeit für alle! Der Fall soll untersuch! werden. Wie ist der Name des Herrn?" Herr von Cosenza ..." Nun sagt es der Fremde heraus: Graf Antonio Carracciolo,

Jfabella erbleicht: Er..?!?

Der Unbekannte: Sawohl! Gerechtigkeit für alle! Benn der Berführer meiner Schmester bestraft wird, verspreche ich, den Be­hörden einen Gegendienst zu erweisen. Ich werde den gefuchten Banditen Rocco del Pizzo der Justiz lebend überliefern

BOO

Unbekannten als Bürgen fest! Und dann verhaften Sie den Grafen Isabella ruft den Offizier der Leibwache: Nehmen Sie diesen Antonio Carracciolo! Auf der Stelle...!"

Am 10. August 1501. Neapel ist in ungewohnter Erregung. Der Marktplatz ist schwarz von Menschen. Ein nie erlebtes Schau­spiel steht bevor. Mitten auf dem Plaz ein Gerüst. Ein Geistlicher steht darauf. Er soll eine Trauung vornehmen. Ein sonderbares Baar führt man herbei. Einen mit schweren Ketten gejesjelten Mann: Graf Antonio Carracciolo. Und ein schönes Mädchen: Costanza. Die Regentin Isabella waltet als Trauzeugin. Der Staatsanwalt als zweiter Trauzeuge. Die Feierlichkeit beginnt. Alle Lippen verstummen. Ueber zehntausend Menschen hören deut­lich die Worte.

Der Pfarrer fragt: Graf Antonio Carracciola, sind Sie ernff­lich gewillt, die Ehe mit diesem Mädchen einzugehen, ihr die Treue zu bewahren und sie zu lieben, wie es fich für einen rechtschaffenen Gatten gebührt, immer und ewiglich?"

Schweigen. Die Menge lauscht atemlos. Die Retten des Ge­fesseiten flirren abwehrend. Isabella ſtampft mit dem Fuße auf und hebt warnend den Blick. Der Gefangene zuckt zusammen. Dann hört man aus seinem Munde: Ja!"

Wenige Sekunden später vernimmt man auch Costanzas beben­des Einverständnis. Die Ehe ist geschlossen. Die Menge bricht in Beifallsrufe aus. Aber ein Wint schafft Ruhe. Das Schauspiel ist

noch nicht zu Ende.

ein Schriftstück. Der unterzeichnet stumm, legt die Hand auf die Der Staatsanwalt reicht einem abschreckend häßlichen Mann Schulter des Gefesselten und nimmt damit sinnbildlich von seiner Berson Besiz. Die Reçentin verläßt das Gerüst. Costanza, die meint, sich mehrt und sich an ihren Gatten festklammern will, wird mit Gewalt davongeführt.

Kurze Zeit darauf fällt unter dem Beile des Scharfrichters das Haupt Antonio Carracciolas.... So wollte es Isabella von Ara­ gon . Gerechtigkeit für alle!

Am gleichen Abend. Der Unbekannte, der die Regentin auf, gesucht hatte und als Bürge im Gefängnis verblieben ist, steht wie. der vor Isabella.

Die Tat ist gefühnt," sagt sie." Antonio Carracciola hat Ihre Schweiter geheiratet. Dann hat er sein Bergehen unter dem Richt­belle gebüßt. Wir fommen zum anderen Teil. Sie versprachen, den gesuchten Banditen auszuliefern. Wo ist er?"

Der Mann tritt noch einen Schritt näher. Hier! Ich selbst bin Rocco del Pizzo...!" Isabella ist nicht erstaunt.

Ich dachte es mir. Bereuen Sie aufrichtig Ihre Taten?" Ja! Und auch ich bin bereit, sie mit dem Leben zu führen." Das soll geschehen!" Isabella ruft wieder den Offizier der Leibwache herbei. Dieser Mann", sagt sie, ist. sofort zu ent laffen! Er wird ein neues Leben beginnen und das frühere da­durch entfühnen. Die Aften über den Fall Rocco del Pizzo find geschlossen."

Sie faßen alle wieder zwanglos auf dem Balton, nur war die Nachtigall verstummt, als Frau Mandet zurückkehrte. Frau Bogel hatte sich bereits das dritte Brötchen diesmal mit Kaviar genommen, und der Schauspieler fämpfte gegen sein Ver­langen, sich auch eins von den delikaten Brötchen anzueignen. Er hielt das zunächst für barbarisch, nach den vorausgegangenen feeli­jchen Evolutionen, da Frau Bogel aber Miene machte, sich noch auf wieder

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Und sie steht auf, wendet sich nicht um und geht hinaus. roniken findet man seinen Namen nach seiner Begnadigung nicht Rocco del Piz30 hat noch lange gelebt. In den Gerichts­Bodo M. Vogel.