Die Schnüffler.
Berpuffte„ Enthüllungen" der„ Kreuz- Zeitung ". Der Vorsigende der sozialdemokratischen Reichstagsfrattion, Ges noffe Rudolf Breitscheid , schreibt uns:
Die Berliner Kreuz- Zeitung hat dieser Tage aus dem vor einer ganzen Reihe von Jahren erschienenen Kriegstagebuch des früheren deutschen Reichstagsabgeordneten H. B. Hanssen( Bertreters der deutschen Minderheiten in Nordschleswig) eine Reihe von Notizen ausgegraben, mit denen sie wieder einmal den Landesverrat der deutschen Sozialdemokratic beweisen mill, und es ist selbstverständlich, daß die national. sozialistische Presse sich mit Geheul auf dieses gefundene Fressen stürzt.
In dem Tagebuch werden eine Reihe von Unterhaltungen erwähnt, die Herr Hanssen mit Mitgliedern der Sozialdemokratischen und der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei während des Krieges gehabt hat, und es wird besonders mir ein Strid daraus zu drehen versucht, daß ich mehrfach mit Herrn Hanssen und auch mit dem damaligen Reichstagsabgeordneten Korfanty somie mit dem französisch eingestellten" Schriftsteller Schickele zusammengewesen sei.
Ich habe gar feine Veranlassung, in Abrede zu stellen, daß folche Unterhaltungen stattgefunden haben und ebensowenig brauche ich mich ihrer nachträglich zu schämen. Die Kreuz- Zeitung " teilt im übrigen ja selbst mit, daß bei den Zusammenfünften auch andere Personen anwesend waren, die, wie beispielsweise der katholische e, Philosoph Profeffor Scheler, auch bei ihr nicht im Verdacht landesverräterischer Gesinnung stehen werden. Vielleicht stellt fie auch einmal Nachforschungen darüber an, welche amtlichen deutschen Stellen zu jener Zeit mit Herrn Korfanty in Verbindung gestanden haben.
Als besonders bedenklich wird es von den Hütern des nationalen Gedankens hingestellt, daß ich Herrn Hanssen von der Lich= nomstischen Dentschrift Renntnis gegeben hätte. Diese Dentschrift war im Frühjahr 1917 in zahlreichen Exemplaren verbreitet, und da sie weiter nichts enthielt als eine von der amtlichen abweichende Auffassung des früheren deutschen Botschafters in London über die Möglichkeit einer gemeinsamen deutsch englischen Aktion zur Verhütung des Kriegsausbruchs, dürfte jedermann ohne Gefährdung der deutschen Interessen von ihr Kenntnis nehmen. Alles das hatte mit dänischem Separatismus" und anderen ,, landesverräterischen" Dingen nicht das geringste zu tun, und vielleicht erinnert sich auch die Kreuz- Zeitung " daran, daß der Abgeordnete Hanssen, der übrigens für die Kriegskredite gestimmt hatte, in allen Kreisen des Vorkriegs- und Kriegsreichstags große persönliche Sympathien genoß. Auch seine ihm von den dänischen Chauvinisten stark verübelte Opposition gegen die Gin verleibung der Stadt Flensburg und der sogenannten dritten Zone verleibung der Stadt Flensburg und der sogenannten dritten zone in das Königreich Dänemark sollte dem Blatt bekannt sein.
Es iſt im übrigen geradezu kindiſch, aus Zuſammenkünften und Unterredungen, die während der Kriegszeit statt gefunden haben, Schlüsse auf landesverräterische Absichten der Beteiligten ziehen zu wollen. Und will die„ Kreuz- Zeitung " die Hand dafür ins Feuer legen, daß bei vertraulichen Unterredungen von Mitgliedern der damaligen Deutsch - tonservativen Partei nicht am Ende Dinge erörtert worden sind, die das Licht der Deffentlichkeit viel mehr zu scheuen hatten als das, was in Anwesenheit von So zialdemokraten besprochen wurde. Die Herren haben nur das Glück, daß bei diesen Gelegenheiten niemand Tagebuch geführt hat oder daß jedenfalls solche Tagebuchnotizen nicht veröffentlicht morden sind. Aber wenn man glaubt, die Sozialdemo frafie diskreditieren zu fönnen, fo hält man auf der Rechten jeden Quart und jeden Dred für ein willkommenes Wurf geschoß.
Steinwürfe ins Bezirksamt.
Die Verwendung von Schupobeamten zu Zivilstreifen.
2mm 10. Juni fam es bei einer der alltäglich gewordenen fommunistischen Demonstrationen zu den üblichen Ausschreitungen: im Bezirksamt Wedding und in der Städtischen Sparkasse wurden Fenster eingeworfen. 3 mei Steinmerfer fonnten verhaftet werden; einer von den beiden, der 17jährige B., verantwortete fich gestern vor dem Jugendgericht Wedding wegen schweren Landfriedensbruch.
Der 17jährige Angeklagte bestritt, an der Demonstration und an den Steinwürfen beteiligt gewesen zu sein. Er habe sich unterwegs zu den Rehbergen befunden, habe in der Limburger Straße Polizei beamte mit Knüppein auf Demonftranten emschlagen gesehen, vor ihm seien etwa 15 junge Menschen gelaufen. Zwei Zivilisten haben plöglich die Pistolen gezogen, der eine habe zum anderen gefagt, greif die beiden", und so sei er und ein anderer verhaftet worden. Die Befundungen der beiden Polizeibeamten ergab folgenden Sachverhalt: Kurz nach 7 Uhr bildete sich in der Nähe der Pharusfäle ein Demonstrationszug von 50 Teilnehmern; fie erhielten Zuzug aus verschiedenen Straßen, der Zug schwoll auf 300 Personen an und bewegte sich unter Absingen von Liedern die Müllerstraße entlang. Die Beamten, die sich auf einer 3ivilstreife befanden, eilten ans Telephon, der eine alarmierte vom Bezirksamt Wedding aus das Ueberfalltommando, der andere aus einem Zigarrenladen das Polizeirevier. Als sie auf die Straße zurückkehrten, sausten die ersten Steine in die Fenster des Bezirksamts und der Sparkasse. Der Polizeiwachtmeister N. sah vom Rande des Zuges fich etwa 12-15 Personen lösen, die Steine aus den Taschen nahmen und sie gegen das Gebäude schleu= derten. Zwei von den Steinschleuderern merkte er sich ganz besonders, der eine fiel ihm durch seinen fleinen Wuchs auf, der andere durch seine Kleidung er hatte bei hellen Hosen einen blauen Sweater und durch sein eigenartiges Gesicht. Diese beiden jungen Leute ließ er nicht mehr aus den Augen. Er folgte den Demonstranten im Laufschritt, als diese in die Genther Straße einbogen und hier von einem Steinhaufen Steine in die Taschen steckten. Da er fich beobachtet fühlte, nahm er auch selbst einen Stein vom Haufen und steckte ihn in die Tasche dann lief er mit dem Haufen zurück zum Bezirksamt; hier wurden wieder gegen die oberen Stockwerke Steine geschleudert. Als er seinen Revolver zog, um nun zur Bethaftung zu schreiten, flüsterten ihm zwei Demonstranten, im Er tat es auch. Einige Augenblicke später zog er noch einmal die Bistole, fein Rollege folgte seinem Beispiel, er rief hände hoch." Sieben Burschen hoben auch tatsächlich ihre Hände hoch. Mit Hilfe seines Rollegen verhaftete er darauf die beiden jungen Burschen, die er wie auch sein Kollege die ganze Zeit im Auge behalten hatte. Beide Beamten wiederholten auf mehrfache Fragen des Richters wie des Berteidigers, daß ein Irrtum vollkommen aus geschloffen sei.
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Der Staatsanwalt beantragte eine Gefängnisstrafe non drei Monaten. Das Gericht entsprach diesem Antrage, rechnete dem Angeklagten die Untersuchungshaft auf die Strafe an und billigte ihm für den Rest von 1 Monat Bewährungsfrist zu. Der Haftbefehl marbe aufgehoben,
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3mmer haben wir Industriefapitäne die Ueberlegenheit der Privatwirtschaft betont. 200 Millionen in einem Unternehmen verpulvert, so was hat die öffentliche Hand doch noch nicht fertig gebracht!"
" Mahnruf."
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über innerparteiliche Vorgänge austauscht, deren Redner in Mitgliederversammlungen als von uns", das heißt einer geschlossenen Gruppe innerhalb der Partei, zu sprechen pflegen. Die Spuren diefer Tätigkeit sind für den, der rednerisch in allen Teilen des Reiches herumkommt, fast überall zu beobachten.
Im Juni 1915 erschien ein von den Genossen Bernstein ,| Organisation auf, die Referenten vermittelt, die Situationsberichte Haase und Kautsky gezeichneter Mahnruf Das Gebot der Stunde". Er richtete sich gegen die Haltung der Fraktionsmehrheit zur Bewilligung der Kriegskredite und enthielt die Aufforderung, Genossen, die diesen Aufruf unterſtügten, möchten Zustimmungserklärungen einsenden. Die drei Unterzeichner, die der Partei durch Jahrzehnte unter großen Opfern dienten, hatten sicher nicht den willen, eine Spaltung der Partei heraufzubeschwören. Tatsächlich hat ihre Aktion aber die Spaltungsbewegung eingeleitet. Sie führten unbewußt einen Stoß gegen die organisatorische Einheit der Partei. Die Wirkung war ganz anders als der Wille.
Die Genoffen Rosenfeld , Seydewig und Ströbel haben vor einigen Tagen das Beispiel aus dem Juni 1915 nachgeahnit. Sie fühlen sich berufen, einen Mahnruf an die Partei" zu richten, der Schluß mit der Tolerierungspolitik verlangt. Das ist ihr gutes Recht. Ob die drei Genossen mahnrufen oder nicht: die Frage, ob das Reichskabinett Brüning weiter ge duldet werden könne, wird überall in der Partei erörtert. Die drei Genossen beschränken fich aber nicht auf ihre Meinungsäußerungen, sondern sie geben das Signal zur Sammlung einer geeinten Opposition innerhalb der Partei. Nicht ein Geistestampf, sondern ein Mt a cht tampf foll in der Partei geführt werden. Die drei Genossen sammeln Zustimmungen. Diese Adressen sind die Mitgliederlisten der Opposition, find die Stamm rolle für die Mobilifierung der Scharen, die man in den Partei. förperschaften des ganzen Landes aufbieten will. Es hieße Geist und Willen der drei Genossen beleidigend unterschäzen, wenn man annehmen wollte, fie beabsichtigen etwa nur eine platonische Petitionsbewegung an den Vorstand unserer Reichstagsfraktion und an den Vorstand der Gesamtpartei, der soeben in Leipzig mit überwältigender Mehrheit gewählt worden ist.
Das Heraustreten der drei Genossen, ihr Kampfruf, ihre öffentliche Aufforderung zur Bildung eines Bertrauensmännerförpers der Opposition innerhalb der Partei macht es zur Pflicht, daß allzulange Opposition innerhalb der Partei macht es zur Pflicht, daß allzulange Schweigen über die innerparteiliche Entwicklung in den letzten Jahren zu brechen. Wir müssen deutlich miteinander reden. Die Wahrheit ist: Dieser öffentliche Aufruf ist nur die erste öffentliche Be tundung der Tatsache, daß es längst eine wohlorgani fierte oppositionelle Organisation innerhalb unserer Barteiorganisation gibt. Dieser Sonderförper innerhalb der Partei erstreckt sich über das ganze Reich. Eine seiner Grundlagen ist die Margistische Büchergemeinde". Man weiß aber auch andere Organisationen an der Peripherie der Bewegung in den Dienst der Opposition zu stellen. Sonderbesprechungen solcher Gruppen über das gemeinsame Vorgehen in den Mitglieder versammlungen und bei Delegiertenwahlen find häufig. Neben dem offiziellen Parteiapparat baut sich so allmählich eine besondere
Wien , 8. Juli( Eigenbericht.) Am Mittwoch nahm Wien von dem verstorbenen Chefredat teur der Arbeiterzeitung, Friedrich Austerlig, für immer Abschied.
Die Trauerfeierlichkeiten begannen im Hofe der Arbeiter3eitung". Zahlreiche bürgerliche Politiker, darunter der Bundestanzler, mehrere Minister, ferner christlichsoziale und großdeutsche Abgeordnete erwiesen dem Verstorbenen die letzte Ehre. Auch zahlreiche bürgerliche Journalisten waren erschienen. So der Leiter des Bundes Pressedienst" sowie der Chefredakteur der christlichsozialen„ Reichspoſt" und viele andere. Die deutsche Sozialdemokratie wurde durch das Mitglied des Parteivorstandes und den Chefredakteur des„ Vorwärts " Friedrich Stampfer vertreten.
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Im Namen der Redaktion der Arbeiter- Zeitung " widmete Karl Leuthner dem Dahingeschiedenen einen herzlichen Nachruf. Er feierte Austerlitz als großen Journalisten, dem seine Arbeit Berufung gewesen sei. Der Sozialismus sei ihm die höchste Entfaltung der menschlichen Solidarität gewesen.
Anschließend erfolgte die Ueberführung der sterblichen Hülle von Friedrich Austerlitz ins Krematorium, wo zunächst Ab geordneter Pick als Obmann der freien Gemerkschaften der kaufmännischen Angestellten den Verstorbenen als Organisator der fauf männischen Angestellten feierte, Dunn sprach im Namen der deutschen
Am kommenden Dienstag tritt der Parteiausschuß in Berlin zusammen, um die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage zu beraten. Er würde seine Pflicht grob vernachlässigen, wenn er nicht auch die Aktion Seydewiß- Rosenfeld- Ströbel zum Gegenstand ernster Beratungen und Beschlüsse machte.
Es geht nicht um Spaltung und nicht um Ausschlüsse, auch nicht um die Unterbindung irgend welcher Parteidiskussion. Zur Ent scheidung steht die einheitliche Parteiorganisation gegen Sonder gruppen irgendwelcher Art. Wir sind durchaus sicher, daß unsere
Genossen einschließlich der allermeisten gegen die Politik der Reichstagsfrattion fritisch eingestellten Mitglieder mit einer Parteibildung innerhalb der Partei nichts zu tun haben wollen.
Der Parteiausschuß hat das Wort. Der Sozialdemokratische Breffebienft" teilt mit: Die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Rosenfeld , Sende mig und Ströbel haben uns unter dem 8. Juli als Erwiderung auf unsere Stellungnahme zu ihrem Mahnruf an die Bartei" eine längere Erklärung zugehen lassen, in der sie ,, mit Nachdrud feststellen", daß fie ,, meder mit der Einheit der Partei spielen noch gar an Spaltung" denken. Der übrige Inhalt der Erklärung ist im Sinne ihres Mahnrufs" gehalten. Wieder tun sie so, als ob nur sie die Interessen der Partei vertreten und als ob es niemals einen Leipziger Parteitag gegeben habe, der die Politit der Partei und der Reichstagsfrattion erst vor drei Wochen ausdrücklich gebilligt hat.
Wir sehen von der Wiedergabe der Erklärung ab, meil uns ihre Veröffentlichung nicht opportun erscheint. In der Sache selbst hat jetzt zunächst der Parteiausschuß das Wort. Die Urheber des Mahnrufs find schriftlich aufgefordert worden, an den Beratungen des Parteiausschusses, dieser vom Barteitag eingesetzten Instanz, teilzunehmen. Sie haben also Gelegenheit, sich am fommenden Dienstag eingehend zur Sache zu äußern. Der Parteivorstand wollte ihnen dazu schon am Donnerstag dieser Woche verhelfen. Er hat die Sigung des Parteiausschusses jedoch auf ausdrücklichen Wunsch eines Anhängers der Opposition verschoben. Jezt macht die gleiche Opposition den Versuch, dieses Entgegen.. tommen zur Fortsetzung der unerquicklichen Debatte in der | Deffentlichkeit auszunuzen. Dazu durch Veröffentlichung der uns zugegangenen Zuschrift beizutragen, müssen wir um so mehr ablehnen, als diese Veröffentlichung eine längere Erwiderung unsererseits notwendig gemacht hätte.
Sozialdemokratie Friedrich Stampfer . Er gedachte der großen Rede, die Austerlig vor wenigen Wochen während des Leipziger Parteitages gehalten hatte und bezeichnete Austerlitz als den Führer und Meister der sozialistischen Publizistit. Als letzter gelobte Dr. Otto Bauer , daß die österreichische Sozialdemokratie wie Austerlitz weiterhin Rämpfer erziehen werde.
Die Kieler Verhaftungen. planmäßige Störungsversuche der Nazis gegen Remarque - Film.
Kiel , 8. Juli. ( Eigenbericht.) Die Verhaftung des Borsigenden der nationalsozialistischen Orts
gruppe Kiel , Suntel, erfolgte im Zusammenhang mit Demonftrationen der Kieler Nationalsozialisten gegen den ReDer Film wird in Kiel entsprechend den Vorschriften in gemarque Film Im Westen nichts Neues". schlossenen Borstellungen aufgeführt. Trotzdem war es Nationalsozialiften möglich, Zutritt in das betreffende Lichtspieltheater zu erlangen. Sie warfen Tränengasbomben und setzten, ähnlich wie in Berlin , meiße Mäufe aus. Da während der legten Tage die Nationalsozia liften auch auf der Straße Unfug verübten, fah sich die Polizei mehrfach gezwungen, mit dem Gummifnüppel die Ordnung wiederherzustellen. Die Polizei hát bestimmte Nachrichten darüber erhalten, daß die Demonstrationen von der Leitung der nationalsozialistischen Ortsgruppe veranlaßt sind. Sie hat deshalb außer dem Vorsitzenden der Kieler NSDAP . einige andere Führer der hiesigen Nazis jeft gefest