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(Qeitage Freitag, 10. Juli 1931
SivAbmö ShAJo/ii&iße]Jo+u>as4l
nip(uif du ßist fa Spisiei an ein �fxäuCein Pfui, du bist ja sentimental", hört« ich neulich ein sonst gar nicht streng aussehendes, junges Fräulein zu ihrem Bräutigam in der U-Bahn im Tone tiefster Geringschätzung sagen, und das Paar verschwand dann bald in den Gefilden hinter der Jonnowitz-Brücke, so daß ich nicht weiß, was aus dem sehr zerknirscht dreinsehenden jungen Manne geworden ist, der sich wohl durch eine unzeitgemäße Frage(ob er noch geliebt werde oder dergleichen) gegen die auch auf das Gebiet des Eros   übergelaufene neue deutsche Sachlichkeit ver- gangen haben mag. Nun frage ich mich(und dieses Fräulein), wie verhält sich die Sache mit dieser Sentimentalität: sind Gefühlsausbrüche wirklich etwas so Berdammenswertes und warum, und ist die Auflehnung regen die Empfindsamkeit eine moderne deutsche oder eine Welt erscheinung? Gefühlsäußerungen zu unterdrücken ist, verehrtes Fräulein, zwar eine heute sehr sashionable aber gar nicht so neue Angelegen- heit, denn solches auf das radikalste zu besorgen, war schon der gute Ton im alten China   und in ganz Ostasien   vor Tausenden von JahrenMode". Was ein echter, rechter Chinese ist, lacht(wie immer ihm innerlich zumute sein mag), wenn er Ihnen den Tod seiner Mutter anzeigt: auch nur ein betrübtes Gesicht zu machen, wäre ein Verstoß gegen die gute Sitte. Es galt von jeher als etwas ganz Unmögliches, alsdroldiis" und ich habe es nie gesehen, daß ein Chinese eine Geste der Zärtlichkeit oder der Leidenschaft irgend- e-ner Frauensperson auch einem Teehausmädchen gegenüber ösfent- l'ch an den Tag resp. an die Nacht gelegt hätte. Nicht einmal die .fiand seiner Geliebten würde er vor dritten Personen berühren, nicht einmal Augen machen, dergleichen galt als abscheulich un- erzogen im alten China  . Erst in den letzten Jahren ist in diesem Punkt wenigstens die europäische, d. h. die englische Auffassung im himmlischen Reich durchgedrungen: heute flirtet man.... Der Engländer ist aber seinerseits genau wie der gebildete Chinese rigoros dazu erzogen worden in allen übrigen(den keusch und herzlos betriebenen Flirt nicht betreffenden) Dingen seine Gefühle zu verbergen oder wenigstens sehr in Zaum zu halten. Der moderne Engländer trägt wie der alte Chinese der Oesfentlich- kcit gegenüber die starre Maske der Gleichgültigkeit. Wird auch z. B. nie vor Hausangestellten seine Frau küssen, von der er übrigens neutral als Frau(Mistreß) soundso spricht. Aber schämen wird sich weder Chinese noch Engländer seiner Gefühle: keine Engländerin würde sogenpfui, wie sentimental!" Man kehrt im Gegenteil eine empfindsame Seite mehr heraus als man sie im innersten Innern besitzen mag, um nicht vulgär oder roh zu er- scheinen. Man kokettiert mit der Sentimentalität genau, nur sehr viel unaufdringlicher, beschwingter so als man es in Deutschland  iy längst begrabenen und gerne vergessenen Zeiten einmal zu tun pflegte. Das Wort Darling und Dearest und ein ganzes Register vjjn Kosenamen ist noch vollauf in Schwung. Rein höflichkeitshalber sogt man bei der table Ostwie zu seiner Frau:Bitte, Liebe(ckear), reich' mir das Salz!" und dann geht die Konversation, ja. Lieber, nicine Liebe, und in diesem Stil weiter. Auch wenn von Liebe unter vier Augen keine Rede ist. Man heuchelt sie andern vor. Die Koketterie um den Kuß unterm Mistelzweig ist ein Zu- gcständnis an die Gefühlsbedürfnisie junger Leute in England. In Deutschland   ist ein Kuß ein Schmatz aufdem Bahnhof, in letzter Minute, und dann guckt man zu Boden:Fährt der Zug cnd- lich!?" Aber die Hand um die Taille und so und so und so: das ist sllrigbt. Sachlich. Ferner belieben Sie sich, Fräulein, die englische   Lite- ratur von heute zu besehen. Sie trieft vor Sentimentalität. Sie waten drin. Und doch ist die Sache nicht albern, keineswegs. Immerhin wären neun Zehntel der Produkte bei uns unmöglich. Schon Galsworthy   hat einen Stich. Der zynische Oskar Wilde kann Backfisch süßigkeiten auftischen erlaubte sich das. Das englische Publikum verlangt dergleichen. In USA  . liegen die Dinge ähnlich. Was wir hier moderne Literatur nennen, verkauft sich in angelsächsischen Ländern nur in Cliquen. Sachliche Erotik bleibt drüben auf die kleine Schicht derIntellaietuai';" beschränkt. Frankreich  ? Besehen Sie sich Poris am frühen Morgen, Fräulein. Die Paare trennen sich mit einer zärtlichen Umständlich- keit, als ging's nach Amerika  . Nicht selten küssen sogar Männer einander. Die französisch« Literatur weist ebenfalls einen beträcht- licken sentimentalen Einschlag auf, der sich vom englischen indessen dadurch unterscheidet, daß er eine ironisierende, mokante Note in sich aufgenommen hat. Man spottet über die eigene Empfindsamkeit, belächelt sie, spielt damit, legt sie aber nicht ab. Außerdem gibt es eine spezifische französische   Sentimentalität sexueller Natur, die ein Kapitel für sich bildet. Alles in allem kann man zusammenfassend von den romanischen und angelsächsischen Ländern sagen, daß die empsindsame Seite des Menschen dort eher gepflegt als unterdrückt wird. Freilich ist durch eine lange Tradition der sentimentale Geschmack verseinert und trägt selten die Züge plumper Gefühlsduselei wie das bei uns der Fall war. Man zeigt nicht seine Gefühle bei unpassenden Gelegen- beiten, schämt sich ihrer aber keinesfalls, versteht es, auf anmutige Weise sentimental zu sein und widrige Buttrigkeit zu vermeiden. Wenn man nach jahrzehntelangem Auslandsaufenthalt in deutsches Gebiet zurückkommt, fällt der linterschied zwischen diesen zwei Welten besonders stark ins Auge. Das vollständige Brechen mit der Vergangenheit, das sich unter keinen Umständen durch das Durchblickenlassen seiner weichen, seiner Gemütsseite etwas vergeben wollen, die Furcht vor dem Sentiment frappiert. Bestenfalls, daß man zu Weihnachten, am Geburtstag oder bei sonst einer besonderen Gelegenkeit sich gnädigst ein bißchen gerührt zeigt sonst gilt olles Sentimentale in allerweitesten Kreisen als: pfui!, als be- schämend, als ein Odium. Junger Mann, wie konnten Sie es wagen...! Sachlichkeit, Sachlichkeit! Nun frage man sich: ist die Sentimentalität damit in Deutsch- land ausgerottet oder ist sie nicht vielmehr nur v e r st a u t. Ist die zur Schau getrogene Nichtfentimentalität echt oder bloß Mode. bloß Mache? Es gilt als unintelligent, als rückständig, sich in Deutschland   weichherzig zu zeigen: natürlich tut man's nicht: um Gotteswillen! Bitte, durchsuchen Sic mich, kerngesund, keine Spur von Gefühlsbelastungen. Auch die Literatur ist reingefegt, kaum ein Stäubchen von Rührseligkeit vorhanden. Alles blitz und blank..Mlright! Aber jetzt gehe man ins Kino! Kann man kann man vor der Leinewand ehrlich behaupten, daß die deutsche Sentimentalität
/ Von Heinticft Hemmet tot und begraben sei? Kann man das vor dem Kino behaupten, die Gesichter, die Mimik der Photos betrachtend, die sich in Gefühls- tönen gar nicht genug tun kann? Hat die deutsche Empfindsamkeit nicht einfach den Schauplatz gewechselt, ist aus dem Theater raus und in den Kintopp rin? Gehen nicht die kitschigen Filme am besten? Werden nicht noch obendrein kitschige Lieder dazu gesungen und sind diese Dinge bessere Marke als auf der anderen Seite der Welt, wo man seinem Herzen keine Vorwürfe macht, wenn es ein bißchen heftig pumpert, was es übrigens gar nicht unbedingt tut, genau analysiert. Verlogen? Vielleicht. Aber kann man angesichts dieser Furcht vorm Gemütvollen einerseits und den Erfahrungen des Kinos an- dererseits behaupten, daß dieses deutsche Erhabcnsein über alles Gefühlsmäßige echt sei? Sind wir so befreit, als wir es sein möchten? Ich glaube nicht. Ich bin der Ansicht, daß dieses Fräulein
J)et iit&p c £t6t Wafit$eie&en detOtäftung Die rote Fahne ist nicht nur das Feldzeichen der deutschen Sozialdemokratie, sondern rings um den Erdball das Sinnbild der um ihre Befreiung kämpfenden Arbeiterklasse, das Symbol der so- zialistischen Revolution: mit Hammer und Sichel verziert, ward sie darum zur Staatsflagge der Sowjetunion  . Da aber die wenigsten wissen, wie Rot zur Farbe der Auflehnung wurde, kommt eine wissenschaftliche Untersuchung sehr zupaß, die Gabriel Perreux unter dem TitelUes origines du drapeau ränge en France" (Der Ursprung der roten Fahne in Frankreich  ) in dem Pariser Ver- lag der Lresses Universitaires de France herausgibt: weil es sich bei dem purpurnen Banner um ein internationales Wahrzeichen handelt, ist das Buch nicht nur für Frankreich   wesentlich. Als die rote Fahne zum erstenmal in einer Revolution auf- tauchte, hastete ihr gerade die umgekehrte Bedeutung wie heute an. Am 21. Oktober 1789, also drei Monate nach dem Bastillen- stürm, beschloß nämlich die französische   Nationaloersammlung ein Gesetz über die Handhabung des Ausnahmezustandes: Ar- tikel 2, 3, 4 und 12 des Dekrets bestimmten, daß zum Zeichen der bevorstehenden Verwendung von Militär gegen Zusammenrottungen aus dem Hauptfenster des Rothauses eine rote Fahne auszuhängen sei und daß zugleich die Verkündigung des Belagerungszustandes unter Entfaltung einer roten Fahne zu erfolgen habe: Das Zeigen der roten Fahne genügt, um alle An- sammlungen, seien sie bewaffnet oder nicht, zu Verbrechen zu stempeln und mit Gewalt zerstreuen zu lassen. Die Nationalgarde, reguläre Truppe und Gendarmerie ist gehalten, sofort unter dem Befehl ihrer Offiziere unter Vor- antragen einer roten Fahne und unter Begleitung mindestens eines Munizipalbeamten auszurücken... Nach Wiederherstellung der Ruhe erlassen die Munizipal- beamten eine Verordnung über Aufhören des Kriegsrechts, und die rote Fahne wird eingezogen und während acht Tagen durch eine weiße Fahne ersetzt. Woher die rote Farbe bei Verkündung des Ausnahmezustandes, blieb unausgesprochen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach dachten die Gesetzgeber an die Standarte der mittelalterlichen Könige, die berühmte O r i f l a m m e, die ein mit goldenen Flammen besticktes fcharlachenes Tuch war. Denn auch die bescheidene Flagge des De- krets vom 21. Oktober 1789, bei deren Hissung d«r Bürger wußte: Jetzt ist dicke Lust! war nichts anderes als das Sinnbild der Souveränitäk der herrschenden Gewalten. vor der sich in Augenblicken der Gefahr alles zu beugen hatte. Wer da sie sich eben nur dann entrollte, wenn die bewaffnete Macht im Innern eingesetzt wurde, verband sich mit ihr die Vor- stellung von Unruhen, Bürgerkrieg und Blutvergießen, und zwar um so mehr, als die erste Gelegenheit, bei der Paris   sie zu sehen bekam, das Gemetzel auf dem Marsfeld am 17. Juli 1791 war: in eine friedliche Kundgebung für die Republik  , die wegen der Flucht Ludwigs XVI. zum erstenmal eine Losung in vieler Munde war, pfefferte die Nationalgarde rücksichtslos hin- ein und ließ Tote und Verwundete zu Häuf auf dem Platz zurück. Neunzehn Tage flatterte damals die rote Fahne aus dem Fenster des Rathauses, für die Massen, die sie als Symbol der blutigen Gegenrevolution auffaßten, ein Gegenstand des Ingrimms und Ab- scheus. Noch am 29. September 1792, nach Tuileriensturm und Königssturz, verlangte eine Eingabe an die Legislative  , daß die rote Fahne,die noch vom Blut unserer auf dem Marsfeld hin- gemordeten Brüder trieft, zu Füßen des Grabmals, das den Namen dieser unserer Mitbürger und den am 19. August für die Freiheit Gefallenen im Tuileriengarten errichtet wurde, verbrannt werde", und als im November 1793 B a i l l y, der sich als Bürgermeister von Paris   mit der Verantwortung für jenes Massaker belastet hotte, dos Schafott bestieg, wurde die rote Fahne des Kriegsrechts hinten an dem Karren befestigt, der ihn zur Hinrichtung fuhr, und vom Henker angesichts der schaulustigen Menge feierlich den Flammen überantwortet. Aber schon vorher war der Gedanke aufgekeimt, die rote Fahne als das Sinnbild der gesetzlichen Staatsgewalt den Händen der Machthaber zu entreißen und den Fäusten des Volkes zu übergeben. Noch war es bildlich gemeint, wenn H ä b e r t s Blatt äußerte, derPere Dudrene" werde im Namen des souveränen Volksdie große rote Fahne der öffentlichen Meinung" entfalten, ober während der politischen Hochspannung des Sommers 1792 befaßte man sich in den Zirkeln, die die Erhebung gegen die hoch- und landesverräterische Bourbonendynastie vorbe- retteten, auch mit Anfertigung einer roten Fahne, die die bezeich- nend« Inschrift trug:Kriegsrecht des Volkes gegen den Aufruhr des Hofes". Ob über den Tuillerienftürmern wirklich eine solche rote Fahne wehte, steht dahin: Iaure. s wenig­stens nimmt es an, da er im vierten Bande seiner Geschichte der Revolution sagt:Am 19. August flatterte die rote Fahne hier und da über den Sturmkolonnen der Revolution. Sie bedeutete: wir. das Volk, sind seht von Rechts wegen da. W i r sind jetzt das Gesetz. In u n s ruht die rechtmäßig« Gewalt.
ebenfalls ein bißchen kokettiert. Wie die anderen mit dem Gesühl kokettieren, so tut dos Fräulein es mit dem Freisein- wollen vom Gesühl. Weil sie im Grunde gar nicht ganz frei ist. Sonst legte sie gar nicht so viel Wert darauf, sonst lachte sie einfach ihren Bräutigam aus oder an je nachdem. Es wird vielleicht gerade uns Deutschen   vorbehalten sein, die trüben Sumpfwinkel der menschlichen Seele mit der Lampe des Geistes aufzuhellen. Aber wir dürfen uns unserer Regungen nicht schämen. Ich habe geheult im Theater: gut warum habe ich geheult, infolge welcher Schwäche oder Verwechselung von Sen- timent und Sentimentalität, Kunst und Kitsch, fragt man sich. Warum hat der junge Mann zum Fräulein gesagt:Hast du mich lieb", bangte ihn um ihren Besitz oder war es eine alberne Phrase, ein Greisen nach der billigen Kinowonne? Indem man die Dinge zu ihrem Eyde verfolgt, findet man den Kern. Durch vorzeitiges, banges Ablehnen kann er einem am Ende noch entschlüpfen. Zwischen echtem und falschem Gefühl zu unterscheiden, ist sehr schwierig es kann einem passieren, daß man statt des falschen das echte austreibt und nichts in der Hand zurückbehält als die Leere. Glauben Sie mir's, Fräulein! Und was ist eigentlich aus dem jungen Mann geworden?
let toten �afine dann SinnßiCd det(UevoCution Und der König, der Hof, die gemäßigte Bourgeoisie, alle die Heim- tücker, die unter dem Namen Konstitutionelle in der Tat Verfassung und Vaterland verraten, sie sind die Aufwiegler. Indem sie sich dem Volk widersetzen, widersetzen sie sich der wahren Gesetzlichkeit, und darum verkünden wir gegen sie das Kriegsrecht. W i r sind keine Aufrührer. Die Aufrührer sind in den Tuilerien,'und gegen die Aufwiegler des Hofs und der Mäßigungspartei kehren wir im Namen des Vaterlandes und der Freiheit die Fahne der gesetzlichen Unterdrückung." Iauräs fährt fort:So war sie mehr als ein Zeichen der Rache. Sie war nicht die Fahne der Vergeltung. Sie war die präch- tige Fahne einer neuen Gewalt, die sich ihres Rechtes bewußt war, und deshalb wird das Proletariat allemal, wenn es seine Kraft und seine Hoffnung ausdrücken will, die rote Fahne erstfalten." Auf jeden Fall galt seit dem Sommer 1792 die rote Fahne als Symbol der entschlossenen Revolution, des linken Ja- kobinertums, des gnadenlosen Terrors, der sozialen Auflehnung, ob- wohl es an Beweisen dafür fehlt, daß die Ausstände des Jahres 1795 unter der Losung: Brot und die Verfassung von 93! und die Verschwörung Babeufs und derGleichen" diese Farbe hißten. Während der napoleonischen Diktatur tauchte sie nicht nur nicht als Revolutionszeichen auf, sondern wurde sogar de» Gardegrenadieren zu Fuß als Feldzeichen verliehen: ihre Fahne war aus roter Seide, mit goldenen Bienen durchwirkt, in der Mitte der kaiserliche Wler, in den vier Ecken das dl: bei dem berühmten Abschied von Fontaine- bleau im Jahre 1814 war es dieses purpurne Fahnentuch, das der erledigte Imperator an feine Lippen zog. Wenn auch die Barrikadenschlacht des Juli 1839 einzig unter der von der Restauration verfemten Trikolore geschlagen wurde, so band doch die republikanische Opposition gegen das Bürgerkönigtum sehr bald ein rotes Tuch an eine Stange und hielt diese Fahne trutziglich hoch. Als das Leichenbegängnis eines beliebten Redners der Linken, des Generals Lamarque, am 5. Juni 1832 zu einem bedrohlichen Aufmarsch aller Gegner des Regimes führte, schwebte plötzlich über der den Sarg umgebenden Menge ein« rote Fahne.Es hat", erzählt Heinrich Heine   in einem seiner Pariser Bericht« an dieAugsburger Allgemeine Zei- tung",eine mystische Bewandtnis mit dieser roken schwarz umfransten Fahne, worauf die schwarzen Worte: Freiheit oder Tod! geschrieben standen, und die, wie ein Banner der Todesweihe, über alle Köpfe am Pont dÄusterlitz hervorragte. Mehrere Leute, die den geheimnisvollen Fahnenträger selbst gesehen haben, behaupten: Es sei ein langer, magerer Mensch gewesen, mit einem langen Leichengesichte, starren Augen, geschlossenem Munde, über welchem ein schwarzer altspanischer Schnurrbart mit seinen Spitzen an jeder Seite weit hervorstach, eine unheimliche Figur, die aus einem großen schwarzen Klepper gespenstisch unbeweglich saß." Als dieser Fahnen- träger, der siebenundzwanzigjährige Baptlste Francois P e y r o n, sich selber den Gerichten stellte, ließ man ihn mit einem Monat Ge- sängnis davonkommen, weil man ihn für geistig minderwertig er- klärte, aber an jenem Tage, dessen Kundgebung in die erbittertsten Straßen- und Barrikadenkämpfe mündete, wehte auch an anderen Stellen, an der Porte Saint-Denis  , auf dem Vend�me-Platz und auf der Place-des-Petits-Peres, die rote Fahne: sie erhielt ihre Feuertaufe und Blutweihe und flatterte auch 1834 und 183S Auf- standsversuchen in Paris   wie in der Provinz voran. Kaum verspürte denn im Februar 1 848 die französische  Hauptstadt die ersten Anzeichen revolutionären Fiebers, als auch schon die rote Fahne zum Vorschein kam. Die Menge, die am 23. Februar an der Ecke der Straßen Clcry und PetitEareau einen Fiaker umwarf, um Grundstoff zum Barrikadenbau zu erhalten. schwenkte den roten Fenstervorhang der Droschke als revolutionären Wimpel: bald hißten Hunderte von Barrikaden die rote Fahne: die Luft wurde erschüttert von den Rufen: Vive 1p drapeau roiige! Nachdem Arbeitersäuste den Thron des Bürgerkönigs umgestürzt hatten, war darum bei den Massen die Neigung groß, die Trikolore durch die rote Fahne zu ersetzen, und da die Provisorische Regie- rung gegen den Antrag von Louis B l a n c an Blauweißrot fest- hielt, ließ Blanqui   einen Aufruf anschlagen: Das Aolk hat die rote Fahne auf den Barrikaden von 48 gehißt. Versuche man nicht, sie zu entehren! Rot ist sie nur von dem großherzig vergossenen Blut des Volks und der Nationalgarde. Schimmernd weht sie über Paris  , sie sollte beibehalten werden. Das siegreich« Volk wird feine Flagge nicht streichen. Aber in denKlassenkämpfen in Frankreich  " legt Karl Marx   die objektiven Gründe dar, die es begreiflich machten, daß das Pariser   Proletariat sein Interesse neben dem bürger- lichen durchzusetzen suchte, statt es als da» revolutionäre Interesse der Gesellschaft selbst zur Geltung zu bringen, daß es die rate Fahne vor der Trikalre fallen ließ": Merkmal des Kompromisses zwischen den Klassen, die gemeinsam den Iulithroa