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Felix Scherret: Gespräch zu Dritt" Buck: Tag ohne Feierabend

umzugehen!"

,, Wo haben Sie die petits fours her, Miamaus? Sie sind ja| fann euch also nur raten, nicht so leichtfertig mit eurem guten Ruf fabelhaft!" Ellen wirtschaftet hingebungsvoll mit dem Küchenbested. ,, Sie schmecken reizend", bestätigt Marianne und lehnt den Kopf mit den rostbraunen Haarwellen zurück. Doch jetzt ist's genug. Von wegen der schlanken Linie..."

,, Aber... aber Sie haben's wirklich nicht nötig." Mia rüdi als aufmerksame Gastgeberin mit der reich belegten Platte Marianne auf den Leib. ,, Was darf ich Ihnen auflegen? Dies hier mit Ananas? Oder vielleicht Pistazie...?" Ohne abzuwarten, wo­für sich die Freundin entscheidet, läßt sie beide Stücke auf Mariannes Teller landen. ,, Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Ellen, die läßt sich nicht bitten."

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,,..." faut Ellen. Für Kuchen könnt ich mich umbringen." Sie fizzen in Mias Barockspeisezimmer auf den hohen, ge= schnigten Stühlen. Das Gemach ist der Stolz der Hausfrau. Es war ihre Idee, sich in diesem Stil zu etablieren. Man sizt sehr stilvoll und sehr unbequem. Der Tisch ist niedlich gedeckt. Zartes Porzellan, Spitzen und die in der Schale schwimmende Orchidee vereinigen sich, um den Nachmittagskaffee der drei Freundinnen fo nett wie möglich zu gestalten. Man fühlt sich wohl: Gepflegte Frauen in gepflegtem Raum. Aus Gesundheitsrücksichten trinkt man Kaffee Hag.

,, Wenn mein Mann kommt, können wir doch nicht offen reden. Also erzählt das Interessante jetzt gleich", fordert Mia auf. Mar ist so sonderbar darin. Er vergöttert mich und hat es nicht gern, wenn ich mich über... intime Dinge unterhalte."

Ellen lacht. Sie streicht über ihr glattes, blondes Haar. Der ist ja süß, dein Mar! Wenn der wüßte..."

,, Ich glaube immer, dein Mann weiß genug, liebe Mia", piekt Marianne ,,, und er schweigt nur, weil es bequemer ist." Sie redet von hoher Warte. Sie kann sich diesen Lurus leisten, denn sie ist die Vertraute Mias und Ellens, die sich gern in erotischer Beziehung aussprechen. Marianne lauscht teilnahmsvoll den kleinen und großen Heimlichkeiten der beiden, um von Zeit zu Zeit sittliche Ermah­nungen vom Stapel zu lassen. Sie selbst ist über jeden Zweifel erhaben, wie Mia und Ellen schon oft neidisch feststellen mußten. ,, Was weiß mein Mann?!" schreit Mia. Vielleicht hat er etwas von der Affäre mit Ewald erfahren, denkt sie ängstlich. Dabei war es gänzlich harmlos, versucht sie sich einzureden. Woher soll er was wissen?"

Ja! Woher!?" echot Ellen.

Marianne ist aufgestanden und nimmt sich eine Zigarette vom Rauchtisch. Sie weidet sich an Mias Erregung. Es ist ein so hübscher, fleiner Triumph, die Freundin zappeln zu lassen. Bos:

ihren hübschen Kopf danach, wie sie sich rächen könnte. Bergeblich. Unerträglich diese Erhabenheit, erbost sich Ellen und zergrübelt ihren hübschen Kopf danach, wie sie sich rächen fönnte. Bergeblich. Nicht die geringste Abweichung vom Pfade der ehrsamen Gattin ist festzustellen. Und wir haben ihr alles haargenau erzählt. Wir sind in ihrer Hand. Laut sagt sie schnippisch: Pöh, mir kann keiner was, ich bin bereits Gottseidant glücklich geschieden!"

Marianne würdevoll zu bedenken. ,, Aber, Kleines, Sie wollen sich doch wieder verheiraten", gibt

"

Ellen schweigt fleinlaut,

mit dem Bariton hinwegsehen wird. Ich meine es nur gut mit euch!" ,, Himmel, Marianne, piesacken Sie uns nicht!" fährt Ellen auf. Sie sind halt flüger gewesen. Sie verstehen, den Mund zu halten." Ich weiß nicht, was Sie wollen." Marianne ist schöne, flammende Entrüftung. Ich habe meinen Mann niemals betrogen. Dazu schäze ich ihn viel zu sehr!"

,, Da weiß ich nicht, ob der zukünftige Ehemann über die Sache

Gut, daß sie nicht gesagt hat, sie liebt ihn, denkt Mia. Dieses Walroß! Ich schäze ihn auch, aber auf zwei Zentner. Doch sie hat dieses dicke Bankgeschäft wirklich nicht hintergangen. Ich schätze meinen Mann ebenfalls", stellt sie zur Sicherheit laut und deut­lich fest.

Ellen will die fleine Unstimmigkeit überbrüden. ,, Rinder, wie findet ihr die Sache mit der Bindeband? Ist doch skandalös! Ich hab' mich totamüsiert."

,, Na und ich", stimmt Mia zu und kichert. Frau Bindeband ist die schöne Gattin eines wohlhabenden Seifenfabrikanten.

,, Das wissen Sie noch nicht? Aber Marianne, Sie leben wohl auf dem Mond. Also die Bindeband hatte ein Verhältnis."... Mia wird von Lachen überwältigt.

mit einem hübschen, jungen Mann", seht Ellen fort. ,, Das ist doch nichts Neues." Marianne sieht auf ihre Armband­uhr. Ich werde nach Hause gehen, beschließt sie. Die beiden habe ich für heute genug geärgert.

,, Abwarten!" Mia hat sich gefaßt. Es war im Seebad, und der hübsche, junge Mann leistete der Frau Bindeband Tag und Nacht Gesellschaft..."

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und es tam der Tag des Abschieds", deklamiert Ellen weiter mit vor Begeisterung piepfender Stimme. Die Bindeband begleitete den treuen Gefährten an die Bahn, winkte ihm ein letztes Lebewohl zu, und er war entschwunden. Als sie dann nach Hause Ellen macht eine Kunstpause, die etwas zu lange aus­fällt, so daß Mia nicht mehr an sich halten kann und quieft: ... Da waren alle Perlen und Brillanten aus dem Koffer ebenfalls verschwunden!"

heiten erhöhen die Lebensfreude, besonders wenn man sie ungestraft fam anwenden kann und vor jeder Revanche sicher ist.

,, Woher...?" wiederholt fie langsam und sagt nachlässig: ,, Sie selbst erzählen doch genug herum, Miakind. Sie sind ein Blapper­mäulchen!" Marianne weiß, daß es nicht stimmt. Mia würde sich hüten, über ihre mehr oder minder ergiebigen Flirts und Abenteuer etwas verlauten zu lassen außer in diesem internen Kreis. Ich

Marianne ist der Erzählung mit gesteigertem Interesse gefolgt. ,, Wie gut...", sagt sie gedankenverloren ,,,... wie gut, daß ich auf Reisen niemals meinen echten Schmuck mitgenommen habe!"

Arthur Goldstein : Was heißt Wahrheit?

Die Rapitalisten fönnen nicht mehr bie Wahrheit fagen. Die müffen fügen. Bom unterften fleinen Reifenben angefangen bis zum größten Industriellen Die Arbeiter müssen aud liigen; folange fie allein find. Aber organisiert können" fte die Wahrheit sagen. Das ist der Unterschied."

Karl Schröder in seinem Roman: Familie Markert".

Henrik Ibsen läßt in der Wildente" den Steptiter Relling die Borte sprechen: Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, so nehmen Sie ihm gleichzeitig das Glüd." So stand also damals um die Jahrhundertwende das Problem für den bürger­lichen Individualismus: Der Durchschnittsmensch" braucht die Lebenslüge, weil er ohne sie nicht leben kann. Lasse wir die für den Sozialisten recht belanglose Unterscheidung zwischen Durchschnitts­menschen und Elitenaturen beiseite. Nehmen wir an, daß die Ge­sellschaft, von der in der Wildente" gesprochen wird, sich in ihrer großen Mehrheit aus Durchschnittsmenschen im Sinne von Ibsen zusammenfeßt, so würde das bedeuten, daß die Existenz einer solchen Gesellschaft von dem Glauben an eine Serie von gesellschaftlichen Idealen" oder Lebenslügen" abhängt. Für den norwegischen Dichter sind beides identische Begriffe.

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Hier wird also flar ausgesprochen, daß für die bürgerliche Zivili fation das Prinzip der Lüge fundamentale Bedeutung befigt. Ohne Ideale" oder fagen wir lieber Jllusionen stehen alle Räder still. Eine desillusionierte Welt wäre demnach eine Welt ohne Berte. Sie erhält ihre Werte eben erst durch das Mittel der Illu­fion. Somit sind hier Illusionen und Werte eins und dasselbe. Die Zukunft dieser Gesellschaft ist abhängig von der Wirksamkeit ihrer Illusionen. Man kann das Leben nur bejahen, indem man das Brinzip der Wahrheit verneint. Wollte man die Wahrheit bejahen, so wäre das mit Berneinung von Leben und Gesellschaft gleichbedeu­tend. Mit unerbittlicher Konfeqenz hat der große nordische Gesell­schaftskritiker das Wesen der bürgerlichen Zivilisation enthüllt.

noch Warenwerte gelten lassen, dürfen es heute weniger denn je zu laffen, daß auch in den Augen der Nichtbefizenden jene Ideale" ent­wertet werden. Bas wird heute beispielsweise nicht alles über Ehe und Familie zusammengeschwagt! Nur daß diese geheiligten Infti­tutionen in der Epoche des Hochkapitalismus in der Auflösung be: griffen sind und daß kein Moralpredigen etwas dagegen hilft, darf nicht ausgesprochen werden.

Man achte aber einmal darauf, wie gerade die bürgerlich- demo­fratische Presse, die das Wort Kultur" gar nicht oft genug in den Mund nehmen kann, sich um das Problem der Religion herumdrückt und wie sie andererseits vor jedem neu ausgeheckten metaphysischen Blödsinn Kotau macht! Aus wirklicher Ueberzeugnug? Nun, die Frage nach der privaten lleberzeugung intereffiert uns hier sehr wenig. Wichtig ist dagegen die Tatsache, daß der Kapitalismus in der Deffentlichkeit nur noch solche Ueberzeugungen duldet, die zur Sicherung der heutigen Gesellschaft geeignet erscheinen. Er fann sich eben nicht mehr den Lurus gestatten ,,, die Wahrheit " sagen zu lassen. Denn die Wahrheit über die fapitalistische Wirklichkeit ist so schrecklich, daß ihre allgemeine Kenntnis und Erkenntnis notwendig das System sprengen würde. Der Widerspruch zwischen gesellschaftlichem Sein und Bewußtsein ist nie so etlatant gewesen wie im Endstadium der tapitalistischen Zivilisation.

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Aber die Proletarier? wird man fragen. Sie haben doch sicherlich fein Interesse, sich blauen Dunst über die soziale Wirklichkeit vorzumachen. Allerdings nicht. Und darin unterscheiden sie sich eben von jenen Ibsenschen ,, Durchschnittsmenschen", daß sie nicht nur die Wahrheit vertragen fönnen, sondern daß für sie als Klasseniämpfer das Prinzip der Wahrheit eine Lebensnotwendigkeit bedeutet. Eine andere Frage ist nur die, ob sie als Personen die Möglichkeit andere Frage ist nur die, ob sie als Personen die Möglichkeit haben, die ganze Wahrheit auszusprechen. Man stelle sich einmal vor: Aber wohlgemerkt: Als Jbsen daran ging, seine Lebens- Der Arbeiter Lehmann, wollte nur an einem einzigen Tage seines philosophie in künstlerische Form zu bannen, sah die Welt doch etwas Lebens den Versuch unternehmen, seine innersten Gedanken und Ge­anders aus als heute. Der Kapitalismus befand sich fühle über alles, was ihn bewegt, offen und bis ins legte preis­öfonomisch gesprochen im Zustand einer relativen Stabilisierung. zugeben. Man mache sich flar, daß eine solche Situation die ver­Das soll heißen, daß damals der größte Teil der Gesellschaft wirtschiedensten Lebenssphären umfaßt: Betrieb oder Arbeitsamt, Be­schaftlich in Sicherheit lebte, soweit das eben im Kapitalismus über­haupt möglich ist. Im Gegensatz dazu kann man ohne Uebertreibung behaupten, daß heute der größte Teil der Gesellschaft in absoluter Unsicherheit lebt. Der wirtschaftliche Tod ist beinahe zum Lebens­clement geworden.

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Hochöfen an der See. Im Dunkel der Nacht leuchtet der düfter­rote Schein des fochenden Eisens weit über das Meer zu dem ein samen Trampfahrer, der von Leuchtturm zu Leuchtturm, von Boje

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u Boje sich von seinem Abgangshafen nach dem Zielhafen peilt. Die Landkarte des Weges welch buntes Bild! Das Bild des Beges, welch Einerlei! Denn die geschwungenen Hügel Süd­schwedens, die zackigen Klippen und Schären der finnischen Küste, die Lichter der großen Städte, die verträumten Wälder, die das Bottnische Meer eingrenzen es glitt am Horizont vorbei, ein fahler Streif, ein dunkler Schatten, ein Nebel; so sehr einander gleichend, daß nur die verschiedenartigen Feuer der Leuchtschiffe und der Leuchttürme mitteilten, an welcher Landschaft das Schiff gerade vorbeigefahren. Was schiert auch den Erzdampfer die Landschaft; was schiert den Erzdampfer der Weg! Der ist nur da zu da, überwunden zu werden, mit möglichst geringem Kohlen­verbrauch und mit möglichst vielen Tonnen Eisenerz im Bauch. Die Hochöfen an der See sind Ziel und Zwed, nichts sonst. Schnell So donnern denn laden und schnell löschen, darauf kommt es an. im Ladehafen die elektrischen Erzzüge Tag und Nacht, und fo laufen in den Löschhäfen die Mammutfräne Tag und Nacht, bis das legte Schiff wieder in See gehen kann. Die Seefahrt ist ein Stadium am laufenden Bande, das die Technik konstruieren möchte, von der Grube an, wo das Erz gebrochen wird, bis zur letzten Fertigwarenfabrik, die dem Eisen Gebrauchsgegenstände schmiedet.

aus

Nächtens, wenn sich im Dunkel im Hochofenhafen das Raffeln und Schnappen der Ladebrücken und Greifer mit dem Surren der elektrischen Züge und dem Zischen und Brausen abblasender Dämpje. vermählt, scheint es, als ob sich die Ingenieure und Technifer hinter den breiten Fenstern der Zeichenstube die Industrie ohne Mensch zum Ziel gesetzt haben, als ob man in den Direktions­palästen der fernen Großstädte Organisation und Kalkulation, Geld und Kredit nach dem wahnwigigen Plane marschieren lasse, die Herren von Stahl und Eisen unabhängig zu machen vom Menschen. von jenem Werkzeug Arbeitskraft, das den Anspruch erhebt, Mensch und gleichberechtigt zu sein. Wilde Elefanten fängt man mit ge­zähmten; die Hunderttausende von Tonnen Eisenerz läbt und löscht man mit Eisenbrücken, Kränen und Greifern, deren Stahl und Eisen menschliche Technik aus rohem, wildem Erz gewann und zu stählernen Haustieren wandelte. Die riesigen Brüden fahren sich selbst von Laderaum zu Laderaum; die Lauffagen, die Kran­häuschen an der oberen Laufbahn schnurren vor und zurück; der Greifer sentt sich in den Bauch des Dampfers. Ein Dutzend stark­ferzige Lampen und Scheinwerfer schneiden den Weg der Lade­höchstens zwei, drei, Menschen. Tief unten in der Laft sind ein, brücke und des Greifers grell aus dem Dunkel, aber ihr Licht trifft zwei Mann bereit, den Greifer zurechtzuminfen, immer auf dem nicht getroffen, nicht gegen die Schiffswand gequetscht zu werden. Sprunge, um von der tonnenschweren Glocke bei ihrem Pendeln Leben ausgestorben ist. Und oben, in der Kaze, der Kranführer Manchmal zeigt ein Mann auf Ded, daß nicht jedes menschliche an seinen Hebeln. Dazu vielleicht auf dem ganzen, hundert Meter breiten und Hunderte von Metern langen Arbeitsplatz der mecha­nisch abwiegenden Loren, der Halden und Kettenbahnen, der schiefen Ebenen und der Brücken und Kräne zwischen Schiff und Hochöfen ein Wächter, ein, Kontrolleur. In den wuchtigen Türmen der Defen aber rumoren die Elemente. Und von Zeit zu Zeit lündet ein feurigroter Fächer einen neuen Sieg des Eisens über das Erz. Auf seinem Hintergrunde malt sich eine geheimnisvolle Welt bro­delnder Dämpfe und Nebel, schwarzer Eifenglieder und brauner Erzberge, föter Schiffe und lebender Krane. Die menigen Menschen gehen in der Wucht der arbeitenden Maschinen unter, wie die menschliche Stimme in dem Höllenlärm dieser nächtlichen Sinfonie. Tag und Nacht, Nacht und Tag rast die Maschinerie ohne Menschen, wenn nicht, Sturm oder Nebel die Kette der Erzschiffe zerreißt und der Bier leer bleibt. Zehntausende und Hundert­tausende von Tennen werden bewältigt, umgeschmolzen, gezähmit. Die Kalkulationen der Direktion, die Berechnungen der Ingenieure stimmen: die Millionenanlagen in Stahl- und Eisenmaschinerie sparen Millionen an Löhnen... Stimmen und stimmen doch nicht. Es stockt das laufende Band auch ohne Sturm; vom Ende her läuft eine Lähmung, über die so flug ausgedachte Kette. Der Lärm in den Erzhäfen wird schwächer, der eine und der andere Hochofen Itegen tot, ausgeblasen. Die Kette der Erzschiffe wird dünner; in den Seitenbaffins der Häfen feiern sie, die schwarzen Roloffe von 6000 bis 10 000 Tonnen. Man braucht sie nicht. Und man braucht ihre Seeleute nicht; fie gehen stempeln... oben in Schweden wachsen die Halden , bleiben die riesigen Erz­piere leer, gähnen in den Verkaufskontoren die Angestellten und stehen in den Schuppen die Lokomotiven und Loren der Erzzüge. Langfam frißt sich der Fehler in dem Schlußposten durch: weil unten, in Holland , in Italien und anderswo die Hafenarbeiter stempeln gehen, die die Riesenbauten der mechanischen Entiade­maschinerie freigesetzt haben, gehen die Seeleute der Trampfahrer stempeln und fangen die Erzgruben unter der Mitternachtssonne an, Feierschichten einzulegen.

Und

Stimmt und stimmt nicht. Die himmelstürmende Rechnung der Industrie ohne Menschen hat ein Loch. Die Maschine ist da. Aher man hat vergessen, ihr den richtigen Herrn zu geben, den Herrn, der groß genug ist, sie zum Diener zu machen: das Volt. Höher merden die Halden ; es füllen sich die Häfen von aufgelegten Schiffen: aus dem Tag ohne Feierabend wird ein Feierabend ohne und Europas Völker darben angesichts der Mammut maschinen, die Reichtum für alle bedeuten sollten und fönnten. Tag ohne Feierabend wird Nacht ohne Tag.

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Arbeitstag vulgär

Was folgt daraus? Nun es folgt das, was non marristischer Seite immer behauptet wird und historisch erweisbar ist: Die Tat­sache des allmählichen und in steigendem Grade vor sich gehenden Bewußtwerdens von grundlegenden Veränderungen ökonomi­scher Natur. Auf unser Thema angewandt, heißt das, daß die Er­fenntnis von der Unhaltbarheit des Kapitalismus in zunehmendem Maße alle Schichten der Gesellschaft nach und nach ergreift. Damit zugleich beobachten wir einen ständig wachsenden Prozeß der Des­illusionierung, der zunächst am deutlichsten bei den beiden Haupt­tlassen der heutigen Gesellschaft zur Erscheinung gelangt: Bei Kapi­talisten und Proletariern.

Aber wenn nur auch beide Seiten im wesentlichen die Wirklich feit erkennen, wie sie ist, so versteht sich von selbst, daß die soziale Bolarität eine entgegengesezte Haltung gegenüber den soziologischen Erkenntnissen mit sich bringt. Die Kapitalisten als Personen brauchen sich über den Stand der Dinge keinen blauen Dunst vor­zumachen. Als Klasse aber sind sie gezwungen, sich und vor allem ben nichtbefizenden Schichten Sand in die Augen zu streuen. Unsere Finanz- und Industriefapitäne, die für Ideale" gerade noch ein mitleidiges Lächeln aufbringen und als Werte" im Grunde nur

hörden und Gericht, Freunde und Bekannte, schließlich auch die eigene Familie. Schon ein Kind begreift heutzutage, daß ein hundert­prozentiges Bekenntnis der Wahrheit für den einzelnen zum Ver­hängnis merden müßte. Eine Klaffengesellschaft, wie wir sie gegen­märtig haben, verträgt nie und nimmer die absolute Wahrheit. An ihre Stelle tritt laut ungeschriebenem Gesetz die Konvention. Das ist unabänderlich.

Freilich wird es immer Leute geben, die als ,, Märtyrer der Wahrheit" herumlaufen und sich einbilden, daß sie damit der Mensch­Wahrheit" herumlaufen und sich einbilden, daß fie damit der Mensch heit einen großen Dienst erweisen. In Wirklichkeit erweisen sie nur ihrem persönlichen Geltungsbedürfnis einen Dienst. Der Sozialis mus will weder Helden noch Märtyrer. Er kann nichts anderes brau= chen als Klassenfämpfer. Die Proletarier als Klasse aber ,, können", wie es bei Karl Schröder heißt, die Wahrheit sagen. Mit anderen wie es bei Karl Schröder heißt, die Wahrheit sagen. Mit anderen Worten: Das Aussprechen der Wahrheit in der heutigen Gesell schaft überträgt der einzelne auf die Organisation. Auch dieser be­deutsame Funktionswandel zeigt natürlich wie alles im Kapi­ talismus ein doppeltes Gesicht. Er ist einmal ein Symptom für die innere Schwäche des herrschenden Systems. Andererseits aber er­halten wir hier die Gewißheit, daß der Kampf um den Sozialismus die stufenweise herausarbeitung der gesellschaftlichen Wahrheit in sich schließt. Ueberflüffig zu sagen, daß von einer Entwicklung zum Sozialismus erst dann die Rede sein kann, wenn der Widerspruch zwischen individuellen und gesellschaftlichen ,, Wahrheiten" im Schwin den begriffen ist.

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Ist Trunkenheit meßbar?

Gegenwärtig sind schwedische Aerzte dabei, Untersuchungs­methoden zu erproben, mit deren Hilfe es möglich sein wird, den Grad der Trunkenheit an Menschen sestzustellen, was namentlich dann sehr wichtig ist, wenn durch die Trunkenheit von Kraftfahrern Berkehrsunfälle herbeigeführt werden. Durch die Blutprobe könnte beispielsweise der jeweilige Alkoholgehalt des Blutes bestimmt und gleichzeitig damit festgestellt werden, inwiefern die Einwirkung des Alkohols mit dem Alkoholgehalt im Blut zusammenhängt. Um zu bestimmen, wieviel Alkohol der Trunkene zu sich nahm, sind vor allem auch genaue Messungen des Körpergewichts notwendig. Ferner läßt sich auch, wie Polizeirat Kleinschmidt mitteilt, durch die Beobachtung, wie sich der Altohol innerhalb der Gewebe im Körper verbreitet, und wie schnell er sich jeweils umwandelt, ein gutes Bild vom Grad der Trunkenheit gewinnen. Man fann also auf diese Weise ziemlich genau berechnen, wie groß der aus einem gewissen Konsum entstandene Alkoholgehalt des Körpers ist, das heißt den Grad der Truntenheit bestimmen und hat mit Hilfe der genannten Untersuchungsmethoden bisher schon fast immer richtige Ergebnisse erzielt. Neuerdings wird auch vorgeschlagen, die Strafbarkeit der Trunkenheit von einem gewissen Alkoholgehalt des Körpers ab­hängig zu machen.