1931
Der Abend
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Nr. 322
B 161 48. Jahrgang
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Die Danatbank schließt
Einstellung der Auszahlungen/ 900 Millionen Einlagen abgezogen Garantieübernahme des Reiches/ Kreditverhandlungen in Basel
Nachdem die Reichsregierung bis heute morgen um 3 ihr über die Kreditlage beraten hatte, wurde amtlich erklärt:
Die Darmstädter und Nationalbank hat mitge teilt, daß sie genötigt sei, ihre Schalter am Montag geschlossen zu halten. Die Reichsregierung hat die Darmstädter und Nationalbank zu folgender Erklärung ermächtigt:
Die Reichsregierung wird auf Grund einer im Laufe des heutigen Tages ergehenden Notverordnung des Reichspräsidenten durch volle Garantieleistung für alle Einlagen für eine ruhige Abwicklung der Geschäfte der Danat- Bank Sorge tragen."
Der preußische Handelsminister hat angeordnet,| daß während des Montags und Dienstags in ganz Preußen die Börsen geschlossen bleiben. Die Preußen die Börsen geschlossen bleiben. Die Effektenbörsen im übrigen Deutschland sind eben falls geschlossen. An der Berliner Börse findet der amtliche Verkehr an der Produktenbörse wie üblich statt. Devisen- und Privatdiskontnotierungen finden nicht statt.
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Reichsbankpräsident Dr. Luther hat sich heute vormittag im Flugzeug nach Basel begeben. Die jetzt für die Staatsaufsicht reife Darmstädter und Nationalbant ist nach der Deutschen Bant und Disconto- Gesellschaft die größte deutsche Privatbank und steht etwa in ihrer Bedeutung der Dresdner Bant nahe. 1922 entstand sie durch den Zusammenschluß der Nationalbank für Deutschland und der Bank für Handel und Industrie, die selbst schon 41 und 69 Jahre lang eriftierten. Mit über 100 Niederlassungen und zahlreicheren Depositentassen hat sie
über
zwei Milliarden Mark fremde Gelder verwaltet und darunter etwa der dritte Teil ausländische Kredite. 900 Millionen sollen davon in den letzten Jahren abgehoben worden sein. 80 Proz. der inländischen Einleger etwa dürften Forderungen bis zu 5000 Mart haben, aus sozialen Gründen ist es des= halb sinnvoll, daß das Reich für die Abwicklung der Danatbant eine Garantie übernommen hat. Im Aktivvermögen befinden sich 138 Grundstü de im Buchwert von 25 Millionen, dauernde Beteiligungen an guten Banken betragen 24 Millionen, andere Beteiligungen und Wertpapiere rund 70 Millionen. Das Aktienkapital be= trägt 60 Millionen, die Reserven find in gleicher Höhe ausgewiesen, eigene Mittel betragen also zusammen 120 Millionen.
Der verantwortliche Leiter der Darmstädter Bant war Jatob Goldschmidt, eine der umstrittensten Persönlichkeiten bei den deutschen Bankfürsten. Mit seinen Reden hat er immer glänzenden Eindruck gemacht, auf den Tagungen der deutschen Banfiers war er die Primadonna,
bei deren Erscheinen sich nicht nur der Saal mit Banfiers, sondern auch die Galerien mit Damen füllten. Goldschmidt war jedenfalls einer der aktivsten deutschen Bankunternehmer, er hat immer viel riskiert und hat sehr lange Glück damit gehabt. Er war auch außerordentlich streitbar, viel Sympathien hatte er unter seinen Kollegen nicht. Die Untersuchung der Schuldfrage wird man eventuell den Behörden oder dem Strafrichter überlassen müssen. Jakob Goldschmidts entscheidende Berantwortlichteit für die Führung der Darmstädter und Nationalbank steht fest.
Bon Schwierigkeiten bei der Darmstädter und Nationalbank hat man im letzten halben Jahre immer wieder gemunfelt. Feststellen ließ sich höchstens, daß auf dem Geldmarkt die Danat weniger start war als andere Großbanten. Eigentliche und ernste Schwierigkeiten dürften auch erst im Lauf der legten vier Wochen eingetreten sein. Den entscheidenden Stoß, und zwar materiell und im Ansehen, erhielt die Danat durch den Zusammenbruch des Nordwollefonzerns.
Der Parteivorstand ist am heutigen Vormittag in eine Beratung der wirtschaftlichen und politischen Gesamtfituation eingetreten, die zur Stunde noch fortdauert. Der Parteiausschuß tritt morgen vormittag zusammen.
Die Nachricht, daß eine der größten deutschen Banken, diz Darmstädter und Nationalbant ihre Schalter auch nur vorübergehend schließen mußte, sowie die angeordnete zweitägige Einstellung des Börsenverkehrs hat in der gewitterschwankenden durch die Mitteilung, daß sie die Einlagen bei dieser Bank in voller Atmospäre wie ein Blih eingeschlagen. Die Reichsregierung hat Höhe garantiere und dafür durch unverzügliche Notverordnung die materiellen Boraussetzungen schaffen würde, das Mindestmaß dessen gefan, was zur Verhinderung einer Panit unerläßlich war.
Eine Panit wäre jedenfalls das verkehrteste, was sich das deutsche Volk in der gegenwärtigen Situation leisten könnte. Jeder Arbeiter und Angestellte in Industrie und Handel ist gegenwärtig davon abhängig, ob sein Unternehmen kredite erhält. Schließen die Banken, wie es die Danatbant heute fun mußte, ihre Schalter, dann fliegt der Proletarier auf die Straße. Schon der Zusammenbruch des Nordwolle - Konzerns hat sich für Zehntausende von Textilarbeitern verheerend ausgewirkt. Die zahlreichen Unternehmungen, die mit der nofleidenden Danatbank gefchäftlich verknüpft sind, stehen jetzt ebenfalls vor einem ungewiffen Schidial. Es liegt daher
im klaren Interesse des Proletariats, daß diese Krise sich nicht weiter ausbreitet, sondern im Gegenteil möglichst schnell überwunden wird.
Jede Panik reißt Hunderttausende, ja Millionen von Werftätigen in einen Strudel des Elends und der Berzweiflung hinein. Aber auch
die Aermsten der Armen, die Erwerbslosen, Invaliden und Rentner, stehen vor dem vollendeten nichts, wenn durch Panik über die Banken hinaus gar noch die Städtischen Spartassen übermäßig in Anspruch genommen werden und die Gemeinden ihre Zahlungen einstellen müssen.
Solch eine Entwicklung können nur politische Bankrotteure wünschen. Deren gibt es allerdings in den beiden extremen Lagern mehr als genug in Deutschland . Gegen sie gilt es, Front zu machen. Sie haben schon genug feit Kriegsende und besonders in den letzten Monaten am deutschen Volke gefündigt. Der Sturm, den wir jetzt Sie sind es gewesen, die das Vertrauen des Auslandes in Deutschernten, haben die Sieger vom 14. September 1930 gefät.
land innerhalb weniger Monate untergraben haben. Gerade die
Entwicklung der letzten zwei Wochen beweist sonnenklar, daß das Schicksal der deutschen Wirtschaft in erster Linie
eine Frage des moralischen Kredites Deutschlands in der Welt ist: Erst die Milliarden an Gold und Devisen, die durch die Kündigung und Nichtverlängerung von ausländischen furzfristigen Anleihen Deutschland verlassen haben, haben die tatastrophale Entwicklung der letzten Stunden verursacht.
Die Reichsregierung muß endlich den Mut haben, aus dieser Erkenntnis alle innen- und außenpolitischen konsequenzen rücksichtslos zu ziehen. Es gilt, um es mit einem Wort auszudrücken, den Kampf bis aufs Messer mit allen Mitteln der ftaatlichen Gewalt gegen die verderber Deutschlands aufzunehmen, gegen die sogenannte nationale Rechte, die dieses neue nationale Unglück auf dem Gewissen hat.
Es gilt, endlich mit den innen- und außenpolitischen Konzeffionen an diese Bolksverderber Schluß zu machen. Es gilt, den berechtigten Forderungen der organijierfen Arbeiterschaft endlich Rechnung zu tragen und gestützt auf sie und nur auf sie das Deutsche Reich abermals vor dem drohenden Chaos zu bewahren.
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Danatbank vom Reich fontrolliert
Notverordnung und Aufruf der Reichsregierung
Die Reichsregierung hat durch eine Notverordnung die öffentliche Kontrolle der zusammengebrochenen Danatbank übernommen.
diefem 3wed zusammenfämen. Es liege auf der Hand, daß jeder Plan für eine banktechnische Lösung von diesen Banken ausgehen müsse, und er fehe voraus, daß die amerikanischen Banfiers bereit feien, die Unterstützung dieses wirksamen Planes, der in Basel ausInzwischen wird in Regierungsfreifen erklärt, die amerikanische Regierung selbst erwäge teine Aktion.
Die Reichsregierung erläßt einen Aufruf, in gearbeitet werde, zu erwägen. dem es heißt:
Es handelt sich nicht darum, das Vermögen der Bank zu retten, sondern es handelt sich darum, den Hunderttausenden von Kunden der Bank ihren Besik zu erhalten und damit ihre Unternehmungen vor der Betriebseinstellung oder gar vor dem Untergreifenden Unterredung" zwischen Hösch und Laval. Fast gang zu retten.
Nur aus diesen Gesichtspunkten wird das Reich für etwaige Ausfälle, die eintreten können, aufkommen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Geschäfte der Bank von Treuhändern der Reichsregierung überwacht werden.
Irgendwelche Unregelmäßigkeiten, die mit den Gesetzen in Widerspruch stehen, sind nicht festgestellt. Es kommt darauf an, daß das deutsche Volk in dieser schweren Lage die Nerven behält und nicht durch mangelndes Selbstvertrauen die Schwierigkeiten vermehrt.
Der Stellvertretende Staatssekretär Caffle hat eine Erklärung Man peiß heute, daß der Nordwollekonzern mit durch den Mangel dahin abgegeben daß die amerikanischen Bankiers bereit feien, an ciner Hilfsaflion für Deutschland teilzunehmen, daß sie aber die an Kontrolle seitens der Großbanten, insbesondere der Danat, sich Führung in dieser Angelegenheit den europäischen 3enmit Strebiten übertreffen, fürchterlich gewirtschaftet hat und dann zutralbanken überließen, deren Vertreter heute in Bajel zu
Paris , 13. Juli. Die Morgenpresse spricht übereinstimmend von einer ,, er= tragisch sei diese Besprechung zwischen dem französischen Regierungschef und dem Vertreter der Berliner Regierung gewesen, so schreibt der„ Matin". Hösch sei vom Reichskanzler Brüning beauftragt gewesen, dem Ministerpräsidenten Laval die in Deutschland herrschende Auflösung und die Unsicherheit der deutschen Regierung gegenüber den zu ergreifenden Maßnahmen zu schildern. Berde man das Reich, so habe von Hösch gefragt, in eine Ratastrophe versinken lassen, die direkte oder indirekte Folgen für die ganze Welt nach sich ziehen werde? Der Ministerpräsident habe von Hösch darauf auf die schwierige Lage Frankreichs hingewiesen und das Interesse betont, mit dem Frankreich ven Berlin fluge, energische und schnelle Rettungsmaßnahmen erwarte.
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In der deutschen Presse ist vielfach die Frage aufgetaucht, ob Frankreich offiziell an Luther oder an die deutsche Regierung polifische Forderungen gerichtet hat. Hierzu wird amtlich erklärt: Die Franzosen haben niemals offiziell derartige Forderungen gestellt. Auch Luther ist kein Wunschzettel überreicht worden. Die Haltung der deutschen Presse habe die französischen Angriffe abgeschlagen.