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Nr. 323 48. Jahrgang

61. Beilage des Vorwärts Dienstag, 14. Juli 1931

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Mord bei Eberswalde  .

Hausangestellte als Opfer eines Heiratsschwindlers.- Wer ist Gerritzen?

Am 13. August vorigen Jahres fanden Pilzsucher in der Barnimer Heide bei Spechthausen  , unweit der Stadt Eberswalde  , das fast völlig entfleischte Skelett einer Frau. Die Polizei stellte am Fund­ort fest, daß die Unbekannte ermordet worden war. Sie war an cinem langen dünnen Strick an einer Kiefer crhängt worden. Neben dem in halbsitzender Stellung befindlichen Sfelett lag eine Weinflasche und ein dolch artiges Messer.

Am Arm der Toten wurde eine Armbanduhr entdeckt. Sie

trug dazu bei, die Unbekannte zu identifizieren. Sie wurde als die 39 Jahre alte Hausangestellte Frieda Thomas festgestellt, die bei einer Familie in der Regentenstraße beschäftigt war. Am 23. Juni 1929 machte das Mädchen einen Ausflug, von dem sie nicht wieder heimkehrte. Offenbar ist die Hausangestellte, die eine Heirat erstrebte, das Opfer eines Schwindlers geworden, der fie nach Eberswalde   lockte und dort im Walde tötete. Am 12. Mai 1929 las Frieda Thomas in einer Berliner Zeitung  , daß ein Post­beamter, Selbstinferent, einfache sparsame Ehefrau bis 40 suche."

Sie meldete sich und erhielt auch Antwort von dem vermeintlichen

Bostbeamten, der um eine Zusammenkunft bat. Er stellte sich dem Mädchen unter dem Namen Anton Gerrigen vor. An einem Junitage machte sie mit dem Postbeamten" einen Ausflug, der ihr letzter sein sollte. Nachdem so lange Zeit bis zur Auffindung des Opfers vergangen war, ließ sich nicht mehr feststellen, was die Wein­flasche enthalten hat.

Es ist aber anzunehmen, daß Gerritzen seine Begleiterin be­täubt und dann erhängt hat.

Die Handtasche nahm er mit, dachte aber nicht daran, daß die

vieler Mühe, drei der Vergifteten wieder zur Besinnung zu bringen, während man bei einem Arbeiter nur den Tod feststellen konnte.

Stichflamme in der Straßenbahn. Zwei Fahrgäste verletzt.

Bon einem seltsamen Unfall wurde gestern abend ein Straßen­bahntriebwagen der Linie 75 betroffen. Vor dem Hause Kaiser­damm 1 erfolgte aus noch unbekannter Ursache Kurzschluß und im Innern der Bahn entstand eine starke Stich flamme. Die 17jährige Hildegard Krüger aus der Hebbelstraße 15 erlitt leichte Brandwunden an beiden Beinen. Eine 45 Jahre alte Frau Olga Berlinide aus der Schönholzer Straße 4 bekam einen Nerven­schock. Nach Behandlung auf der nächsten Rettungsstelle fonnten die Verunglückten in ihre Wohnungen gebracht werden. Der Triev= wagen wurde sofort aus dem Verkehr gezogen.

Lettische Abiturientinnen in Berlin  .

Auf ihrer Deutschlandreise, die sie nach dem Harz und nach Thüringen   führte, trafen am Montagabend 31 Abiturientinnen des deutschen   Lyzeums in Riga   in der Reichshauptstadt ein. Von Berlin   aus werden die lettischen Abiturientinnen, die sich bereits auf der Rückreise befinden, nach Marienburg weiter­fahren.

Armbanduhr auf seine Spur führen könnte. Der flüchtige Liebe Gäste im ,, Vorwärts"-Haus

Gerrigen hatte, wie ermittelt werden konnte, noch zu einem an= deren Hausmädchen in Berlin   Beziehungen angeknüpft. Nach­forschungen nach Berrizen haben ergeben, daß er sich falscher Papiere bedient. Die Kriminalpolizei ist aber im Besitz einer guten, aus. führlichen Beschreibung. Der Mann war etwa 39 Jahre alt, 1,75 groß und fräftig, ging mit durchgedrückten Knien etwas nach vorn gebeugt und trug sein blondes Haar manchmal so furz geschnitten, daß es wie rasiert wirkte. Er hatte blaue Augen und darunter dicke Tränensäde, fantige Nase, dice Lippen und große, abstehende Ohren. Er trug gute, saubere Kleidung und als besondere Eigentümlichkeit stets meiße Strümpfe.

Unter Hinweis auf die Belohnung von 1000 Mart werden alle Personen, die ,, Gerrizen" fennen gelernt haben oder wissen, wo er fich jezt aufhält, ersucht, sich an Kriminalfommissar Bus­dorf, Polizeipräsidium Berlin, 3immer 27, zu wenden.

Werksunglück in Duisburg  .

Bier Menschen durch Gas vergiftet, ein Toter.

=

Duisburg  , 13. Juli.

Montag gegen 11% thr ereignete sich auf den Mannesmann Röhrenwerken in Huckingen in der Abteilung Bodenwerk ein schweres Un­glück. Beim Abstellen eines Ventils brachen plöklich starke Gasmengen aus. Drei in der Nähe stehende Per­sonen wurden von ihnen überrascht und betäubt. Ein sofort herbeieilender Feuerwehrmann wurde eben­falls durch die Gasmengen betäubt. Es gelang nach

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Aühle

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VON

1. ILF UND F. PETROW

Die Szene der Brautwerbung intereffierte am meisten. In dem Augenblick, da Agafia Tischonowna auf dem schräg über den Zuschauerraum gezogenen Seil hinabzusteigen be­gann, verursachte Iwanows schreckliches Orchester einen solchen Lärm, daß Agafia Tichonowna schon allein davon hätte ins Publikum hinunterfallen fönnen. Agafia aber benahm sich im ganzen ausgezeichnet. Sie hatte ein hautfarbenes Trikot an und trug einen harten Herrenhut. Sie balancierte mit einem grünen Schirm auf dem Seil. Der Schirm trug die Inschrift: Wo ist Podkolessin, ich will ihn haben", und so tänzelte sie über das Seil; alle fonnten von unten her ihre schmuzigen Fußsohlen sehen. Sie sprang vom Seil direkt auf den Stuhl. Gleichzeitig schlugen alle Neger ein Saltomortale, Podkolessin tat dasselbe, sowie Rotschtarem in Ballettkleidern und die Heiratsvermittlerin in der Montur eines Schaffners. Dann mußten sich alle ausruhen. Um es zu verbergen, löschte man wieder das Licht aus.

Die Brautwerber waren sehr lächerlich, besonders Herr Eierspeis. Eigentlich war er nicht einmal in persona da, statt seiner wurde eine Eierspeise auf die Szene getragen. Der Seemann war mit Mast und Segeln beladen.

Der Kaufmann Starikom schrie vergeblich, daß ihn das Patent und das Nep- System würgen. Er gefiel Agafia Licho­nomna durchaus nicht. Sie heiratete Stepan. Beide ver­zehrten die Eierspeise, die ihnen Podkolessin servierte, der sich in einen Latai verwandelt hatte. Rotschfarem und Fekla fangen Songs auf Chamberlain, der Reparationen von Deutschland   verlange. Man zelebrierte auf den Kannen eine Trauermesse, der Vorhang weht fühl und schloß sich.

,, Ich bin mit der Vorstellung zufrieden", sagte Ostap ,,, die Stühle sind da. Bir dürfen aber nicht zögern. Springt Agafia auch weiterhin täglich auf den Stuhl, so wird er nicht mehr lange leben. Nun, Sie, Riffotschta, tönnen schlafen gehen. Morgen früh müssen wir uns Fahrkarten verschaffen. Das Theater fährt um sieben Uhr abend nach Nischni  - Now­

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Dänische Kinderfreunde waren mehrere Tage Gäste der Berliner   Arbeiterwohlfahrt. Sie statteten auch dem ,, Vorwärts"-Haus einen Besuch ab.

gorod. Sie nehmen also zwei Karten dritter Klasse bis Nischni  auf der Kursti- Bahn. Wir werden sizzen. Tut nichts. Nur eine Nacht."

Am andern Tag saß das ganze Theater im Büfett der Kursti- Bahn. Regisseur Simbaewitsch Sidnewitsch hatte ver­anlaßt, daß die Kulissen mit demselben Zug mitfamen. Er nahm sein Frühstück an einem Tischchen. Er benette seinen Schnurrbart mit Bier und fragte den Monteur beunruhigt: ,, Wird die hydraulische Presse unterwegs nicht taput gehen?" ,, Ein wahres Unglück mit dieser Presse. Wir brauchen sie fünf Minuten lang und müssen sie den ganzen Sommer mit­schleppen."

"

Dieselbe Geschichte war ja mit dem Projektionsapparat der Zeit" in dem Stück Pulver der Ideologie"." ,, Immerhin nicht so schlimm. Der Projektor war zwar größer, aber nicht so zerbrechlich."

Am Nebentisch saß Agafia Tichonowna, ein junges Mädchen mit festen Beinen wie Kegel. Um sie herum das Orchester: Galkin, Paltin, Malkin, Tschaltin und Salkind.

,, Gestern habt Ihr nicht im Taft gespielt", beklagte sich Agafia Tichonowna. Wenn das so weitergeht, falle ich noch einmal hinunter."

"

Das Orchester schrie: ,, Was soll man tun? 3wei Kannen find geplakt!"

Wo nimmt man jetzt eine ausländische Esmarch- Kanne her?" schrie Balkin.

,, Behn Sie in ein staatliches Geschäft, Sie bekommen nicht einmal ein Thermometer, geschweige denn eine Esmarch­Kanne", unterstützte ihn Galtin.

,, Spielen Sie denn auch auf Thermometern? fragte das junge Mädchen verblüfft.

,, Wir spielen nicht auf Thermometern", bemerkte Saltind, ,, man wird aber wegen diesen verfluchten Kannen so frant, daß man gezwungen ist, Temperatur zu messen."

Der Bearbeiter und Hauptregisseur des aufgeführten Stückes, Nikolaus Sestrin, spazierte mit seiner Frau auf dem Berron herum. Podkolessin und Kotschtarew tranten sechs Gläschen Wodka und machten Georgette Tiraspolsky den Hof.

Die Konzeffionäre, die zwei Stunden vor Abfahrt des Zuges gekommen waren, machten bereits die fünfte Runde um den fleinen Garten vor dem Bahnhof.

Worobjew drehte sich der Kopf. Die Jagd nach den Stühlen näherte sich der Entscheidung. Lange Schatten lagen auf dem heißen Pflaster. Der Staub klebte auf den nassen,

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Max Schmeling   in Berlin  .

In Tempelhof   von Tausenden stürmisch begrüßt.

Der Zentralflughafen in Tempelhof   war gestern abend das Ziel vieler Tausender, die Mar Schmeling, dem Weltmeister aller Kategorien, dem Bezwinger Young Striblings, bei seiner An­funft einen jubelnden Empfang bereiten wollten.

Mar" ist wieder populär, sein überzeugender Sieg über den amerikanischen   Klasseborer, hat ihm im Fluge alle Sympathien wieder zurückerobert. Das merkte man gestern an der ungeheuren Menge der Schaulustigen, die gekommen waren, um den Weltmeister aus nächster Nähe zu sehen. Nicht nur die Zuschauerpläge auf dem Flugplatz selbst waren überfüllt, auch auf der Zufahrtstraße zum Flughafen bildeten mehrere tausend Menschen zu beiden Seiten Spalier.

Pünktlich auf die Minute erschien der D 2073, von Flugfapitän Kunzler gesteuert, um 19 Uhr über dem Zentralflughafen und ging nach einer großen Schleife in der Mitte des Flugfeldes nieder. Langsam rollte die Maschine an die Tribüne heran, wo Mar Schmeling mit seinen Begleitern die Kabine der Maschine verließ und sogleich zu einer erhöhten Ehrentribüne geführt wurde. Starker Jubel setzte ein, als sich der Weltmeister seinen Anhängern zeigte.

Als erster begrüßte Stadtmedizinalrat Prof. v. Drigalsfi im Namen der Stadt den Weltmeister und hieß ihn herzlich will­tommen. Die Rednergarnitur fand dann ihre Fortsetzung in Peter End, dem Vorsigenden der Borsportbehörde Deutschlands  , Martin Koslomiti, dem ersten Borsigenden des Verbandes deutscher Jauſttämpfer und einem Delegierten der Amateurborer. Nachdem Mag Schmeling selbst noch einige Worte des Dankes durch den Laut­sprecher an die Menge gerichtet hatte und unter Kreuzfeuer der Photographen genommen war, bestieg er in Begleitung seiner Mutter ein Auto und fuhr unter tosendem Jubel an den Zu­schauermengen vorüber.

Die Polizei hatte ein starkes Schupoaufgebot eingesetzt, das für mustergültige Absperrungen sorgte.

Zwei Todesurteile in Rudolstadt  .

Die Ermordung des Uhrmacherpaares.

Rudolftadf, 13. Juli.

Im Prozeß wegen der Ermordung des Uhrmacherehepaares Grosch in Gräfenthal   wurde am Montag nach sechstägiger Verhandlung das Urteil gefällt. Die Angeklagte Klara Paschold und der Dachdecker Werner, die wegen Ermordung des Straßen­händlers& irschberg in Leipzig   zum Tode verurteilt waren, wurden jetzt wiederum wegen Ermordung des Ehepaares Grosch in Gräfenthal   in zwei Fällen zum Tode und wegen Unter­schlagung zu je einem Jahr Gefängnis verurteilt.

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Eine Lübecker   Zille gesunken.

Die Bejagung gerettet.

Burg auf Fehmarn  , 13. Juli. Die Lübeder Tjalf hans Peter, die mit einer Ladung Brifetts von Lübed nach Dänemark   unterwegs war, ist in den Stürmen der letzten Tage im Fehmarnsund led geschlagen und gesungen. Die Bejahung wurde gerettet.

40 000 Wochenend- Besucher der Bauausstellung!

Das letzte Wochenende brachte der Bauausstellung die Rekord­3iffer von 40 000 Besuchern, unter denen ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz auswärtiger Gäste zu verzeichnen war. Be­reits in drei Wochen, am 2. August, wird diese sehenswerte Aus­stellung ihre Pforten schließen, um den kommenden Herbstveran­staltungen das Feld zu räumen.

geröteten Gesichtern. Droschten und Taxi mit Reisenden tamen an. Es roch nach Benzin.

,, Wir wollen auch gehen", sagte Ostap. Worobjem wandte sich um und folgte ihm gehorsam. In dem Moment erblickte er knapp vor sich den Sargmeister Bezentschuk.

,, Bezentschut", sagte er äußerst erstaunt ,,, wie kommst du

hierher?"

Bezentschuk nahm den Hut ab; er war starr vor Freude. Herr Worobjem!" rief er, meine Hochachtung dem teuren Gast!"

,, Wie gehen die Geschäfte?".

"

Schlechte Geschäfte", antwortete der Sargmeister. ,, Warum denn?"

Ich suche Kundschaft und finde feine.". ,, Macht dir die Nymphe" Konkurrenz?"

,, Aber nein! Kann denn die mit mir fonkurrieren? Aus­geschlossen! Aber nach dem Tode Ihrer Schwiegermutter sind nur noch Pierre und Konstantin gestorben."

,, Was du sagst! Sind sie wirklich gestorben? Aj- aj- aj!" murmelte Worobjem. Hast du sie auch begraben?"

die

quasten?"

Ich habe sie begraben. Wer denn anders? Gibt denn Nymphe", verflucht noch einmal, anständige Sarg­,, Und warum bist du hierhergekommen?" ,, Ich habe meine Ware hergebracht." ,, Was für eine Ware?"

"

,, Meine Ware. Ein bekannter Schaffner hat mir ge­holfen, sie im Postwagen umsonst mitzuschmuggeln. Aus Freundschaft."

Worobjem bemerkte erst jetzt, daß unweit von Bezentschuk eine Reihe von Särgen lag. Einige waren mit Quasten ver­ziert, die andern kahl. Einen der Särge erkannte Worobjem sofort. Es war dies der große verstaubte Sarg aus Bezent­schufs Schaufenster.

,, Acht Stück", sagte Bezentschuk selbstzufrieden ,,, einer beim andern. Wie frische Gurken."

Wer braucht denn hier deine Ware? Wir haben hier eine Menge hiesiger Sargmeister." ,, llud der Schwamm?"

,, Was für ein Schwamm?"

Die Epidemie. Prufis hat mir gesagt, daß in Moskau   eine Epidemie infolge Genusses eines giftigen Schwammes aus­gebrochen ist und daß man nicht genug Särge hat. Man hat kein Material mehr. So habe ich mich denn entschlossen, meinem Geschäft etwas aufzuhelfen." ( Forts. folgt.)