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Englands Freundschaft für Deutschland

Chequers und Hubertusstock / Von W.N.Ewer

Wir erhalten soeben von dem Auslandsredakteur des Daily Herald", Ewer, folgenden Auffah zu dem geplanten Besuch des englischen Ministerpräsidenten, Genossen Mac­donald, und des englischen Außenministers, Genoffen Hender­fon, in Berlin . Wenn auch durch die überstürzte Entwicklung der kapitalistischen Krisis der Besuch in Hubertusstock im Augenblick aufgeschoben ist, so behalten die grundsätzlichen Ausführungen über die deutsch - englische Freundschaft des Zusammenarbeitens dennoch diesen Wert. Macdonal und Henderson kommen in dem Augenblick der Krisis nach Deutschland . Aber es ist festgestellt, daß sie nicht wegen der Krisis kommen. Der Besuch in Hubertusstock ist der Gegenbesuch für Chequers . Als die Einladung nach Chequers ausgegeben wurde, gab es noch keine Reparationskrisis; damals glaubte man noch, daß Deutschland über seine Budgetschwierigkeiten hinwegkommen und der Etat ausgeglichen sein würde. Der heutige Besuch ist die Folge einer Tat, die unmittelbar nichts mit Finanzen, dem Young- Plan und der Reparation zu tun hat: die damalige Ein­ladung nach Chequers war gedacht

als ein besonderer Beweis der Arbeiterregierung für ihre Freundschaft mit dem deutschen Bolfe.

Eigentlich hätte gar feine Notwendigkeit für eine solche Geste bestehen sollen, denn Hendersons Haltung und Handl'mgen waren Beweis genug für diese Freundschaft schon seit Beginn seiner Tätig­feit als Außenminister. Die Arbeiterregierung von 1929 machte es

Der allgemeine Friede und die Wohlfahrt Europas ( einschließ­lich Rußland ) ist im höchsten Grade ein britisches Interesse. Die Unterstützung irgendeines Staates oder einer Staatengruppe gegen irgendeinen anderen Staat oder eine Staatengruppe ist unseren Intereffen absolut entgegengesetzt. Vielleicht gerade deswegen, weil wir wie Coudenhove- Kalergi - nur albeuropäer" sind, ist es für uns leichter, wirklich gute Europäer" zu sein.

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Britische Heuchelei!" höre ich einen kritischen Leser sagen. ,, Hat richt Henderson gerade in diesen letzten Tagen Frankreich in seinen Forderungen erst die Aufgabe des Schlachtschiffprogramms, erst Aufgabe der Zollunion start unterstügt?"

Die Antwort darauf lautet, daß er nichts dergleichen getan hat. Erinnert euch gefälligst, daß wir mit Paris so sehr wie mit Berlin gesprochen haben. Erinnert euch, daß wir auf das schärffte jede politischen Bedingungen mißbilligt haben, die als Preis für die Zustimmung zu dem Hoover- Plan oder zur Bereitschaft für finanzielle Hilfe gefordert werden sollten." ,, Aber trotzdem habt ihr uns aufgefordert, die Zollunion und den Panzerschiffbau zurückzustellen!"

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Sicherlich, und warum? Wir stellen wenn der Haager Gerichtshof die Rechtsfrage entsprechend entscheidet- Deutschlands Recht nicht in Frage, eine Zollunion mit Desterreich abzuschließen. Wir stellen Deutschlands Recht, sein Geschwader von Taschenschlacht­schiffen zu bauen, nicht in Frage. Aber wir bezweifeln die 3wedmäßigkeit, beides im gegenwärtigen Augenblick anzu­führen. Entweder in seinem eigenen Interesse oder im allgemeinen Interesse Europas . Und wir sind uns bewußt, daß wir wie

Freunde Deutschland ermahnt haben, diese beiden Fragen von neuem zu überlegen und sie aus freien Stücken und aus eigener Initiative zu vertagen und dadurch zu der Ueberwindung der europäischen Schwierigkeiten beizutragen.

Wir haben diefen Rat gegeben, schon bevor Berhandlungen über den Hoover- Plan oder eine Anleihe, bevor irgendwelche franzö­fische Forderungen entstanden. Wir rieten dazu, weil das uns der rechte, einem Freund zu gebende Rat erschien.

Daß die britische Regierung derartig freimütig mit der deut­ schen Regierung gesprochen hat, ist keine Erklärung der Gegner­schaft. Vielmehr ist das eine Erklärung der Freund= schaft.

Freimut ist nicht nur eins der Vorrechte, sondern ist eins der wesentlichen Merkmale einer wirklichen Freundschaft/ zwischen Gleichen. Der andere hat sich nicht durch freimütige Offen­heit beleidigt zu fühlen oder Motive zu verdächtigen.

Wenn die Freundschaft von Chequers und Hubertusstock auf beiden Seiten eine wirkliche Bedeutung hat, so soll es die einer wirf­lichen Freundschaft sein,

in der wir freimütig und ohne Furcht vor Mißverständnis uns aussprechen, in der wir mit Berständnis und ohne Mißtrauen uns gegenseitig anhören fönnen.

Wir haben unsere Freundschaft erklärt. Also gut, handeln wir wie Freunde, die weder die Ehrlichkeit des andern in Frage stellen, noch die Motive des andern eifersüchtig bezweifeln. Sonst werden wir uns gegenseitig ins Unglüd bringen.

Hendersons Ankunft in Paris

zu ihrer ersten Aufgabe, das Werk der Arbeiterregierung von 1924 fortzusetzen: die Beseitigung der schlimmsten Erb schaften des Krieges. Haben die deutschen Nationalisten, die heute über eine französisch- britische Allianz gegen Deutschland toben, vergessen, daß 1924 die Franzosen an der Ruhr varen und daß sie 1929 noch im Rheinland waren? Es war die

erste außenpolitische Leistung der Arbeiterregierung, fie da herauszubekommen,

der Provokation der militärischen Besezung ein Ende zu niachen und die Beziehungen zwischen Berlin und Paris zu entspannen.

1924 erreichte Macdonald die Räumung des Ruhrgebietes, 1930 erreichte Hendersen die Räumung des Rheinlandes. Ihre Freundschaft für Deutschland kann von feinem vernünftigen Menschen in Frage gestellt werden, der sich an diese beiden Jahre erinnert. Dennoch war es wichtig, trotz der Torheiten mancher Ro­litiker, die Welt daran zu erinnern, daß England heute gegenüber Deutschland keine Spur weniger freundlich ist als vorher. Keine Spur weniger herzlich als gegenüber Frankreich oder Amerika oder gegenüber einem anderen Staat. Es war wieder wichtig, die voll­tommene Gleichheit der Beziehungen,

die vollkommene Gleichstellung, die Deutschland jeht nunmehr in englischen Augen hat, nach außen hin zu unterstreichen und zu betonen: Die vollständige Uebermindung der alten Vorurteile und der alten Abneigung, die in den Kriegs­jahren entstanden waren. Das war das wichtige, was der Welt flar­zumachen war. Es wurde ihr flargemacht durch die Einladung nach Chequers , und es wird ihr zum zweitenmal flargemacht durch den Besuch nach Hubertusstock .

Es darf kein Mißverständnis über den Sinn dieses Besuches geben. Er bedeutet, daß es teinen anglofranzösischen Blod gegen Deutschland gibt. Ebensowenig bedeutet er, daß es einen anglodeutschen Block Er bedeutet ebensowenig, daß ein westlicher Block gegen die Sowjetunion in Frage kommt.

gegen Frankreich gibt.

Nicht nur ist die Arbeiterregierung auf das entschiedenste Gegnerin solcher Intrigen. Das ganze Gewicht der Liberalen und Arbeitermeinung in England( dazu ein großer Teil der fonserva tiven öffentlichen Meinung) ist fontinentalen Kombinationen, Ber einbarungen gegen irgend jemand anders, ist jeder Bündnis- oder Ententepolitit auf das schärffte entgegengesetzt.

Deutsch - französische Jugend

Mehr Proletarierfinder für den Schüleraustausch

Wer die Anstrengungen und Methoden sieht, mit denen natio­nalistische Kreise in Deutschland gegen eine fulturelle und politische Verständigung mit Frankreich hehen und die Erfolge bemerkt, die diese gewissenlosen Freibeuter bei der unaufgeklärten Masse haben, der möchte manchmal meinen, daß die Stimme der Vernunft und der Menschlichkeit nie mehr durchdringen wird. Der haarsträubendste Unsinn über unser Nachbarland wird systematisch verbreitet und ge­glaubt. Dummheit und Heuchelei wollen daran hindern, sich mit einem so eigenartigen und lebendigen Land wie Frankreich es ist, und einer so liebenswürdigen und flugen Bevölkerung, wie sie die Franzosen darstellen, zu beschäftigen. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß auf der anderen Seite im Lager der französischen Nationalisten das gleiche getan wird, um eine Annäherung an Deutschland , auch fulturell, zu verhindern. In vielen Köpfen auf beiden Seiten sputt auch noch der fünstlich genährte Haß und die miderlich aufgetriebene Abneigung herum, die während des Krieges gezüchtet wurde. Wie blind dieser Haß zuweilen sein fann, zeigt 3. B. eine fürzlich in der Deutschen Corps Zeitung" erschienene Anzeige, in der das frühere Mitglied eines Jenenser Corps die Ge burt seines siebenten Kindes und vierten Sohnes befannt gibt. Er versieht diese Anzeige mit dem fettgebrudten Gaz: ,, Siegreich wollen wir Frankreich schlagen!" Abgesehen von der Roheit, mit der der Vater von sieben Kindern durch diese Bemerkung einen eben ge= borenen Säugling dazu bestimmt, später Kanonenfutter zu sein, ist men über den Horizont und den geistigen Zustand dieses Akade­mifers nur fassungslos. Leider kann man sich nicht damit trösten, daß hier eigentlich der Nervenarzt in Funktion treten müßte, denn so wie er, denkt die große Masse seiner Gesinnungsgenossen ebenfalls und sie bilden damit eine Gefahr für Deutschland .

Mit solchen Gespenstern aufzuräumen, ist die Jugend beider Länder in erster Linie berufen. Nicht die, die sich an Sonntagen den Affen auf den Buckel schnallt, um sich unter der Dressur ewiger Feldwebel für einen fünftigen Gastod im Schüßengraben vorzu­bereiten, sondern die, die den brennenden Wunsch hat, ihr Wissen um die Existenz eines fremden Volkes zu vergrößern und den ab= gestandenen Begriff vom Erbfeind in persönlicher Fühlungnahme mit den Angehörigen dieses feindlichen" Landes auszuradieren. Daß es bei solchen Versuchen nicht an wüsten Beschimpfungen und

Das entlarvte Medium.

Eine der, raffiniertesten Betrügereien in der an Schwindeltaten so reichen Geschichte des Spiritismus ist von einem Londoner Me­dium durchgeführt worden, das durch die Mitarbeiter des Labo­ratoriums für psychische Forschung jegt entlarot wurde. Die Mit­glieder des Londoner Spiritistenbundes find lange Zeit durch die Künste einer Frau getäuscht worden, die mit ihrem Gatten im Herbst vorigen Jahres nach London tam, um ihre medialen Eigenschaften der Vereinigung zur Verfügung zu stellen. Nicht weniger als 45 Sigungen wurden mit einem Rostenaufwand von vielen tausend Mart vom November bis zum März dieses Jahres veranstaltet, und zwar leistete das Medium besonders Großartiges in der Erzeugung von Teleplasma", jenem geheimnisvollen Stoffe, der von Medien im Trancezustand hervorgebracht wird und sich zu mensch lichen Gliedern, ja ganzen Körpern formt.

Die Tatsache, daß die Sigungen bei vollem Licht veranstaltet wurden, trug noch zu dem großen Ruf des Mediums bei. Nach langem Drängen erreichte das Laboratorium für psychische Forschung die Erlaubnis, eine Anzahl wissenschaftlicher Versuche mit dem Medium vorzunehmen. Nach einer genauen äußeren Prü­fung des Körpers und der Kleider fand die Sigung statt, der mehrere hervorragende Psychologen beiwohnten. Einige der Anwesenden durften das Medium auf dem Stuhl, auf dem es saß, festbinden und das von ihr erzeugte Teleplasma berühren. Dieses trat vielfach und in verschiedenen Gestalten hervor. Bald fiel es in langen Bän dern aus dem Munde und den Nasenlöchern des Mediums, bald ringelte es sich auf dem Boden und schlang sich um den Stuhl und hüllte auch das Medium ein. Zum Schluß verschwand es wieder. Die Aufnahmen, die in verschiedenen Sigungen gemacht wurden, erregten aber Verdacht über die übernatürliche" Herkunft des Tele­plasmas.

Eine Untersuchung ergab, daß es zum Teil aus Holzwolle und Eiweiß zusammengefeßt war; andere Teile wurden nach den Photo­graphien als Gummihandschuh und Kajelappen erfannt. Eine

| Berdächtigungen der Herrschaften von rechts fehlt, ist nur zu selbst­verständlich. Wenn dagegen ein deutscher und ein englischer Ad­miral, die im Krieg ihre Kanonen einmal gegeneinander gerichtet haben, sich in der Deffentlichkeit wieder um den Hals fallen, ist diese selbe Presse, die den Versöhnungswillen der Jugend begeifert, des Lobes voll. Sie ist nämlich der Ansicht, daß man sich erst einmal geprügelt haben muß, ehe man sich vertragen darf.

Die Mittel, die in beiden Ländern zur Verfügung stehen, um Schülern, Studenten und Lehrern in den großen Ferien eine Reise zum Nachbarn zu ermöglichen, sind leider sehr beschränkt. Trozz­dem machten sich auch in diesem Jahre Jugendabordnungen der bei­den Völfer mieder Besuche. So trafen in diesen Tagen 70 fran­zösische Gymnafiasten und Gymnasiastinnen in Berlin ein, die die unter dem Protektorat der Berliner Echulverwaltung stehenden deutsch franzöfifchen Ferienschulen in Hermisdorf und in Hohen­Lychen besuchen werden. Sie sezen nur den deutsch - französischen Schüleraustausch fort, der schon seit einigen Jahren von der deut­ schen Zentralstelle in Heidelberg organisiert wird. Im übrigen sind dieselben Versuche mit Erfolg auch zwischen Deutschland und Eng­land gemacht worden; so befinden sich im Augenblick deutsche Schüler in London , um Land und Leute Großbritanniens fennenzulernen. Der beiderseitige Schüleraustausch hat leider einen großen Fehler, und das ist die durch die Verhältnisse bestehende Bevorzugung von Schülern aus bemittelten Familien, die sich naturgemäß eher eine Ferienreise in diesem Umfang erlauben fönnen, als Schüler, die aus dem Proletariat stammen. So ist festgestellt worden, daß die weitaus größte Gruppe unter den deutschen Austauschschülern die Kinder von selbständig in Handel und Industrie tätigen Bätern dar­stellen. Ungefähr in gleicher Anzahl sind die Kinder von Beamten, Lehrern und Privatangestellten vertreten. Am zurückhaltendsten verhalten sich diesem Schüleraustausch gegenüber die landwirtschaft. lichen Kreise. Diesem Mangel suchen die Arbeiterorganisationen, so gut es geht, durch die Veranstaltung von Auslandsreisen abzu­helfen. Wünschenswert wäre, menn die zuständigen staatlichen Stellen in noch weit größerem Umfang als bisher Mittel flüssig machen könnten, um den Austausch auch minderbemittelten Schü­lern zu ermöglichen. Dieser Wunsch wird allerdings gerade jezt in der Zeit der Etat- Kürzungen schwer erfüllbar sein.

Röntgenuntersuchung des Mediums brachte die Lösung des Rätsels. Es ergab sich, daß die Frau über eine ungewöhnlich bewegliche Gurgel verfügte und eine Fähigkeit des Einschluckens und Wieder­Donsichgebens von Gegenständen besaß, wie sie sich faum einmal unter Millionen Fällen findet. Die Stoffe, darunter auch die Käselappen, maren von ihr vor der Sizung verschluckt worden, wurden dann als Teleplasma wieder herausgebracht und verschwanden auf dem Wege. auf dem sie gekommen. Man wollte noch weitere Sigungen mit dem Medium vornehmen, aber dieses gab seine Sache verloren und ver= schwand plötzlich mit ihrem Manne.

Prof. v. Borffiewicz, der Vertreter mathematischer Statistik und theoretischer Nationalökonomie an der Berliner Universität, ist ge= storben. Er war 1868 in Petersburg geboren und ist seit 1901 in Berlin tätig. Von seinen Schriften sind die über Die mittlere Lebensdauer" ,,, Das Gesetz der kleinen Zahlen" zu nennen.

Der Schuhverband deutscher Schriftsteller ist, wie wir hören, beim Finanzminister vorstellig geworden, daß Schriftsteller­honorare den Gehalt- und Lohnforderungen im Sinne der letzten Notverordnung gleichgestellt werden.

Die ruffische Orthographie wird reformiert. Nachdem die erste weitgehende Vereinfachung der russischen Rechtschreibung bereits im Jahre 1917 durchgeführt worden ist, ist jetzt eine neue Form der russischen Orthographie, Interpunktion und Rechtschreibung der Fremdwörter ausgearbeitet worden, deren Hauptprinzip die An­näherung der Schriftsprache an die mündliche Sprache ist. An Stelle der bis jetzt vorhandenen zwei verschiedenen ,, e" wird nunmehr eins geschrieben werden. Ein neuer Buchstabe, das" i", wird in das Alphabet eingeführt, was eine Annäherung an die lateinische Orthographie bedeutet. Daneben werden gewiffe eigentümliche Fälle pölligen Auseinandergehens von Orthographie und Aussprache be­feitigt.

Die Berliner Privatsammlung H., die u. a. Werfe von Greço, Rogier ban der Beyden, Rubens, Daumier , Renoir , Cézanne , Munch sowie her­borragende moderne Plastik enthält, wird, bevor sie nach Luzern zur Ver

fteigerung geht, zur Borbesichtigung vom 20. bis 25. Juli bei Baul Caffirer, Biftoriaftr. 35, ausgestellt.