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a. in. srey: Sin SEwifchcnfall

Sie bauten die große Spielere! der Bahn, die im Auf und Ab ihres weißen Gestänges eine liegende Riesenacht bilden sollte. Da mochten später die Wägelchen, mit kreischenden Menschen beladen, hoch oben über dem Wiesenplan hinrutschen, in schwungvolle Tiefen huschen, um im nächsten Augenblick letzte Höhen zu erbäumen vor­läufig war von all dem noch nicht mehr zu sehen, als der windige Ansang einiger sketettartig in den Himmel ragenden Hölzer. Wie machten es die Arbeiter, dort oben Fuß zu fassen, um der Dürftigkeit des Begonnenen weiteres hinzuzufügen? Mehr noch als Zimmerleute waren sie wohl Akrobaten. Sie liefen in Turnschuhen sußschmale Latten entlang hoch dort oben es war, als liefen sie durch die Luft war so, als könnten sie nicht daneben treten, und täten sie es doch: die Luft trüge sie. Da fiel einer. Er half, einen Balken heraufwinden. Die Winde sprang aus und stürzte. Der Balken, fast schon oben, bereits um- klammert von der Hand des hingebeugten Arbeiters, stürzte auch und jener mußte mit. Die unten standen, sprangen zur Seite vor dem, was herunter kam. Es kamen die Winde, das Seil und die Balken aus zwanzig Meter Höhe und in hartem Aufschlag. Dumpf dröhnte der Gras- boden. Aber der junge Arbeiter war nicht unter dem, was da wirr durcheinander lag. Wo blieb er? Gleich nachdem er sich überschlagen hatte, waren ihm gespreizte Stützen zwischen zwei Trägern in die Fahrt gekommen, er haschte nach ihnen, er packte sie und hing dort hing sein kurzer roter Kittel zwischen weißem Gestänge. Niemand tat etwas für ihn. Vorläufig auch er selbst nicht. Alles erholte sich. Dann kroch er langsam abwärts, die eine schräge Seite der gespreizten Holzschere hinunter ging es leicht, im fprosirn- ähnlichen Gewirr des Ganzen stieg er weiter und stand bald unten auf breiter grüner Erde, leise taumeln». Keiner sagte etwas. Und auch jetzt kümmerte sich niemand viel. Die Genossen unten und oben nahmen schon die widerspenstige kleine Winde in Angriff, die eben hinabgefallene, um sie wieder hinaufzu- schaffen, indes er, schier vereinsamt, seinen Fuß untersuchte, den weichen Schuh auszog, denn dort schmerzte was. Karl, was ist? Mach weiter!" schrie der von oben, neben dem er gestanden, den es nicht hinabgerissen hatte. Der konnte ollein nicht fertig werden, die Arbeit dort oben in der Luft verlangt- ihrer zwei. Aber der Karl erwiderte gar nichts, knüpfte das Schuhband und ging leicht hinkend dorthin, wo der Wohnwagen stand. Ein dem Tod so knapp Entwischter macht Feierabend. Macht er Feierabend in dieser Art Beruf für alle Zeit? Wer könnte es ihm verdenken! Wie wer von uns ist denn bereit, nochmal auf ein Gerüst zu steigen, das ihn heruntergeschleudert hat, mit dem Kopf voran? Wer wäre ein solcher Narr oder solch ein Held, sein bißchen Leben nun nicht doppelt zu lieben? Und wßfür hätte jener hier es fast gelassen?

Für das alberne Vergnügen einer Menschheit, die in Wägelchen kindisch rundum und auf- und abrutschen will. Nein, jener verschwindet mit nachgezogenem Bein um die Wohn- wagcnccke. Vielleicht kündigt er gleich seinem Brotherrn.... Doch da ist er wieder! Im nächsten Augenblick schon ist er da. Links ging er ab, rechts kommt er vor. Er hat den Wagen nur einmal umwandert, und er hat sich eine Zigarette mitgenommen. Sie brennt schon. Er bläst den dicken Rauch aus kräftigen Lungen vor sich her, während er genießend herbeischlendcrt. Hinkt er noch? Es ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls macht er auf ein- niol bestimmtere Schritte und da entert er auf. Zwischen dem sprossenartigen Gewirr des Holzwerkes klimmt er zur Höhe, mit fach- lichen Griffen. Kaum packt er anders zu, als man ein Treppen- geländer umfaßt. Den Tabak zwischen den Lippen, steht er schon oben. Er kommt gerade zur rechten Zeit. Die Winde, die ihm den Streich gespielt hat, ist bereit zu neuen Taten. Es geht der Balken wieder hoch, nach dem er gegriffen hatte mit dem zusammen er gestürzt war vor noch nicht fünf Minuten. Was bedeutet das: aus zwanzig Meter Höhe mit der Hirnschale voran erdwärts fahren? Welche inneren Folgen hat es? Für diesen, dem man zurief:Karl, mach weiter!" Gar keine? Da er dem Zuruf wortlos und selbstverständlich nachkommt? Was wollt ihr verlangen, ihr auf bürgerlichen Straßen Wan- delnden von einem, der austteigt und abstürzt auf und ab, so lange sein Mcnschengehäuse zusammenhält? Wundert sich noch einer groß, falls dieser Karl einmal Verordnungen der Gesellschaft über- träte er, der täglich das eingeborene GesetzSchütze dein bißchen Dasein" gleichmütig übertritt. Wenn ihn mit leeren Taschen hungert woher soll er Hemmungen aufbringen, sich nicht glatt zu nehmen, was er braucht? Er, den nichts hemmt, unentwegt die Knochen daran zu setzen? Da die Welt von ihm oerlangt, daß er auf fußschmaler Leiste lebe zwischen Himmel und Erde was sollen ihm die schwerfälligen Gesetze derer, die unten hausen auf breitem Grund? Einer ist schon verloren und tot etwas rettet ihn im Bruchteil der letzten Sekunde: die Schulterdrehung, ein paar sich krallende Finger oh, kein Aufwand, etwas ganz Belangloses! Wozu nutzt der Entronnene seine Wiedergeburt? Um dort sich abermals hinzu- pflanzen, von wo es ihn eben wegfegte. Dieses Dasein geht hurtig weiter, unverrückbar Arbeit, Gefahr, Schwitzen und Schweben, Gleichgewicht und Uebergewicht, Halsbruch oder letzter Wurf in die Rettung das alles geht fort und fort. Ich wollte, du verspürtest davon. Aber du hast den jungen Arbeiter nicht stürzen, sich gleichmütig retten und gleichmütig weiter- machen gesehen. Von seinem Schicksal, und wie er es nahm und nimmt, ging eine Erschütterung aus, die doppelt stark war, weil er sie nicht ahnte.

3>aiil Cervieres:

3)er Spiegel

WeUerrorherlage und Slratoiphäre

Wenn auch die kurzfristige Wettervorhersage sich in vielen Fällen bewahrheitet, so sind ihre Angaben von absoluter Sicherheit doch noch weit entfernt, und langfristige Prophezeiungen der Wtte- rung können überhaupt nur mit größter Vorsicht gewagt werden. Das kommt daher, daß unseren Wetterkundigen doch noch zu viele Tatsachen unbekannt sind, die für die überaus verwickelten Vorgänge bei der Gestaltung unseres Klimas von entscheidendem Einfluß sind. Die modernen Meteorologen stimmen jetzt darin überein, daß unser- Houpthoffnung auf die Erreichung sicherer Voraussogen in dem Studium der höheren Luftschichten liegt. Unsere Wettervorhersage beruht sozusagen auf der Stratosphäre, auf der Erforschung jener Höhen der Luft, in die jetzt Prof. Piccard mit seinem Ballonausstieg so kühn vorgestoßen ist. Je mehr wir über die Faktoren erfahren lernen, die unseren alltäglichen Klimawechsel bestimmen, desto klarer wind es, daß die entscheidenden Vorgänge sich hoch über der Erdoberfläche vollziehen. Piccards Höhenrekord belief sich auf 16 Kilometer, aber Registrier­ballons, in denen keine Menschen waren, hoben Mitteilungen aus Höhen bis zu 35 Kilometer gebracht. Da sich ober die Luftschichten über unseren Planeten bis zu einer Höhe von etwa 166 Kilometer erheben, so ist mindestens noch drei Viertel dieses Raumes bisher ganz unerforscht, und neun Zehntel davon ist dem Menschen völlig verschlossen. Unser Unvermögen, die Verhältnisse in diesen Höhen kennenzulernen, ähnelt etwas dem gewisser Tiefseefische, deren körperliche Eigenschaften es ihnen unmöglich machen, bis in die Oberfläche der Meeresschichten aufzusteigen. Diese Bewohner der Tiefen wissen nichts von den Stürmen, die die Wellen der See hoch auftürmen, und wenn irgendwelche seltsamen Gegenstände von oben her zu ihnen herniederstnken, die traurigen Zeugen großer Kata- strophen, dann können sich die Fische gewiß nicht erklären, worum es sich dabei handelt. So geht es uns Menschen auch mit vielem von dem, was hoch oben in der Stratosphäre gebraut wird und dessen Folgeerscheinungen wir uns nicht erklären können. Doch der ziemlich hilflosen Wetterkunde kommt in neuester Zeit die Astronomie zu Hilfe, in dem sie Entdeckungen in den Bereichen der dem Menschen nicht zugänglichen Höhe unternimmt. Seit langem war bekannt, daß in den Luftregionen, die einige Kilometer über der Erdoberfläche liegen, die Temperatur beständig kälter wird An den heißesten Sommertagen sind häufig Wolken von Eisteilchen sichtbar, die über uns in Höhen schwimmen, die nicht unerreichbar erscheinen. Wenn man in einem schnellen Flugzeug eine halbe StUitde emporsteigt, so befindet man sich in Regionen strengen Frostes, und sogar die Hochgebirge der Tropen sind in Höhen über 5666 Meter mit ewigem Schnee bedeckt. Früher glaubten nun die Wettcrsorschcr, daß diese Abnahme der Temperatur mit wachsender Höhe fortschreite bis zu der größt- möglichsten Kälte von minus 273 Grad Celsius. Aber die Beoboch- tungen, die mit Hilfe von Registrierballons gemocht wurden, haben gezeigt, daß diese Anschauung unrichtig war und ungefähr in einer Höhe von 11 bis 16 Kilometer begann das Thermometer sich auf feinem Stande zu halten, ja sogar manchmal etwas zu steigen. Das war überraschend, aber in den letzten Jahren hoben theoretische Be- rechnungen und Forschungen zu Schlüssen geführt, die noch viel erstaunlicher sind. Aus dem Verhalten der Meteoriten schlössen die Astronomen, daß die Atmosphäre in einer Höhe von 45 bi» 66 Kilometer wenig- stens ebenso warm sein müsse wie die Luft an der Erdoberfläche. Diese Behauptungen sind jetzt bestätigt worden durch eine Theorie. die der Direktor der Kew-Sternwarte in England. D« Whipple, auf­gestellt hat. Er kam dazu durch mathematische Berechnungen der Tonwellen von Geschütz» oder Gewehrfeuer in ihrem Verlauf über England. Wem» solche Wellen in einer großen Entfernung von

ihrem Ursprung aufgenommen werden, so kommen sie nicht senk- recht, sondern von oben her an. Sie werden von der Zone heißer Lust, die sich vieles Kilometer über dem Erdboden befindet, nach unten zurückgeworfen, und eme genaue Kenntnis ihrer Geschwindigkeit und des Winkels, unter dem sie herunterkommen, macht es möglich, die ungefähre Temperatur an dem Ort zu berechnen, von dem aus sie ihre Rückreise auf die Erde angetreten haben. Nach den Berech- nungen Whipples ist nun die Atmosphäre in einer Höhe von 56 bis 66 Kilometer stets wärmer als gewöhnlich die Luft über der Erde während der heißesten Sommerzeit, manchmal sogar beträchtlich wärmer. Die Hitze dieser sehr hohen Luftschichten steigt noch sehr viel mehr: man hat 65 bis 93 Grad Celsius Wanne errechnet, Grade, die viel höher liegen als jede bisher auf der Erde gemessene Hitze. So fand man z. B. am 11. Juli 1929 die Luft in einer Höhe von etwa 47 Kilometer auf dem Siedegrad, und zu gleicher Zeit wurde England von einer Hitzewelle heimgesucht. Inwieweit diese Riesen- temperaturen der höchsten Luftschichten mit solchen Hitzeperioden auf unserer Erde zusammenhängen, das müßte freilich erst nachgewiesen werden. Immerhin ist hier ein Weg gewiesen, der weitere Auf- fchlüsse über klimatische Bedingungen verspricht, die zweifellos auf unsere Witterung einwirken. Merkwürdig ist es auch uns vorzu- stellen, daß jemand, der mit einem Ueberballon oder einem anderen Apparat imstande wäre, in die mittleren Höhen der Atmosphäre auf- zusteigen, sich damit nicht nur der Gefahr aussetzte, zu erfrieren, sondern auch gebraten zu werden.

Ate befle Stellung der ITell Die beste Stellung der Welt besitzt ein englischer Stations- Vorsteher. Dem Manne ist der Bahnhof in Mastoke in der Nähe von Coleshill in der Grafschaft Marwick anvertraut. Seit an- nähernd 26 Iahren. Und der Mann hat seit 1916 überhaupt nichts zu tun. Aus einem sehr einfachen Grunde: die Haltestelle Mastoke wurde gestrichen aus dem Fahrplan. Seit nunmehr vuno 14 Iahren hielt kein einziger vorbeifahrender Zug in der Ortschaft. Saust einer der Schnellzüge vorbei, steht der Herr Vorsteher in seiner schmucken Uniform auf dem Bahnsteig und leistet vorschriftsmäßig die Ehrenbezeugung. Somit ist seine dienstliche Tätigkeit erschöpft. Für diese anstrengend« Arbeit erhAt der Mann seit anderthalb Jahrzehnten das normale Gehalt eines Stationsoorstchers der eng­lischen Staatsbahn. Hätte ein schnüffelnder Reporter das Geheim- nis nicht gelüstet, wäre es wohl zeitlebens so geblieben. Nun gehen die herrlichen Tage von Mastoke ihrem Ende zu: die einzige wirklich gute Stellung auf Erden wird rücksichtslosabgebaut".

Die Erfindung der Briefmarke geht auf den Engländer Rowland Hill , zurück, der im Jahre 1S36 eines Tages auf einer Reise in ein Wirtshaus in einiger Entfernung von London kam und hier be- merkte, daß das junge Dienstmädchen, dessen Bräutigam in London wohnte. Mühe hotte, Briese an ihn abzusenden, da der Bote jedesmal einen Schilling kostete. Rowland Hill merkte aber auch, daß das Brautpaar eine Methode erfunden hatte, Geld zu sparen und doch in Verbindung zu bleiben. Wenn nämlich das junge Mädchen einen Brief aus London bekam, gab sie ihn den Ueberbringer zurück mit dem Bescheid, daß sie kein Geld hätte, ihn zu bezahlen. Rowland Hill sah ober in der einen Ecke des Brieses geheimnisvolle Zeichenschrift und auf diese Weise erfuhr sie, daß es ihrem Bräutigam gut gehe, so daß sie den Brief zurückgeben und ilm nicht zu bezahlen brauchte. Dadurch kam Rowland Hill auf den Gedanken, eine billige Marke herzustellen, die aus den Brief geklebt wurde als Zeichen, daß er be- zahlt wäre, und dieses System hat dann den Siegeszug durch die

ganze W-ke angetreten,

He, Jeannette! Beeil dich! Bring«inen Eimer Wasser rein!" Jeannette tritt in die große Küche. In der aufgerafften Schürze trägt sie ein Dutzend frische Eier, die sie soeben in den Sträuchern gesammelt hat. Sie läßt sich Zeit, legt die Eier eins nach dem anderen in einen großen Porzellantopf und meint:Mutter Life, deine Hühner sind nicht faul!" Bring' einen Eimer Wasser rein!" wiederholt die Alte, ohne weitere Antwort. Da trottet Jeannette trübselig aus der Küche. Der Eimer lehnt an der hohen Gartenmauer. Ein riesiger Kübel ist's mit einem drei Finger dicken Henkel, ganz verrostet und mächtig schwer. Sie nimm» ihn mit einem Ruck, der ihre ganze schlechte Laune ausdrückt. Der Eimer ist ein bißchen schwer für ihre Kinderarme. Sie ist erst vier- zehn Jahre alt, wenn sie auch aussieht wie sechzehn. Von klein auf ist sie Mutter Lises Ziehkind. Seit einem Jahre bezahlt der Staat nichts mehr für die Kleine. Vom dreizehnten Lebensjahr ab muß ein Kind sich selbst ernähren! Mutter Life hat dies Kind zur Arbeit erzogen und behandelt es auch als Dienst- mädchen. Sie verschont Ieannette weder mit Arbeit noch mit Schlägen.Die Jugend," ist ihr Wort,muß beschäftigt sein. Sonst wird sie verdorben, wie Rose, die Tochter von Mutter Helene, die eines schönen Tages nach Paris ausrückte. Ach ja: Paris !" Ieannette freilich denkt manchmal:Rose war doch gescheit. Nichts brauchte sie zu tun. Immer war ihr da ein Verehrer auf den Hacken, der ihr die Arbeit tat. Was sagte sie nur den Jungen? Selbst Josef. Mutter Lises Aeltester, sonst ein Faulpelz für sie bückte er sich nicht zwei Finger tief! was tat er nicht alles für Rose! Die brauchte gewiß nie so einen Kübel zu schleppen! Die nicht!" Ieannette hat den Kübel nachdenklich bis zum Ziehbrunnen geschafft. Hineinlassen geht noch! Aber das Herausziehen ist fchwerl Langsam steigt der Eimer hoch, erscheint am Brunnenrand, bis an den Rand voll Wasser. Noch ein Ruck! Sie hebt ihn hoch und stellt ihn auf die Erde Uff! Da ist er! Ieannette schnauft, weitet die Arme, reibt sich den Rücken und ruht sich«inen Augenblick aus. Jetzt muß sie ihren Eimer wieder aufnehmen und nach dem Hofe zurückgehen. Sie beugt sich hinab. Der herrliche blaue Himmel mit all feinen weißen und rosa Lämmerwölkchen spiegelt sich im Wasser. Das ist zu hübsch! Ein duftender Wind bewegt die Wölkchen. Ieannette hat den Kopf gehoben. Jetzt will sie sehen, ob die große Wolke, die wie ein Vogel aussteht, sich auch im Wasser spiegelt. Sie wartet, atemlos über dem Eimer gebeugt. Was ist denn das? Da auf dem blauen Himmelsgrunde? Blaue Augen, rote Lippen, goldene Locken? Wer? Aber sie! sie! Ieannette! Ah... nein... doch! doch! Sie glaubt's kaum. So gleichmäßige Zähne hat sie? So volle Wangen? Das ist sie? Ieannette schaut und staunt. Zum ersten Male sieht sie sich. Sie ist begeistert. Ist sie nicht wundervoll? Sie betet sich an. Ganz nahe lehnt sie über dem beweglichen Spiegel und bestaunt sich. Aber Ieannette! Mutter wartet!" Sie dreht sich um. Da steht Josef, die Sense auf dem Rücken. Er ist ein hübscher Kerl, 26 Jahre alt, mit lachendem Mund und von strammer Gestalt. Ieannette schaut den schweren, schweren Eimer an: sie denkt an die hübsche untätige Rose. Sie lächelt. Josef, willst du mir nicht den Eimer tragen? Ich bin so müde." Cr sieht sie verdutzt an: Solche Dreistigkeit! Diesem kleinen Mädchen gegenüber war er immer streng, fordernd! Ieannette, das Arbeitspferd! Und so was will... Das Mädchen lächelt mit erhobenem Kopfe, ruhig, seiner sicher. Es senkt seinen klaren Blick kühn in Josefs Augen. Der staunt, als erblicke er sie zum ersten Male. Ja, aber die Ieannette! die Ieannette! Sie wiederholt:Ich Hin so müde."-- Gestern hätte er die Achseln gezuckt.Müde? Was geht's mich an?" Er gerät in Verwirrung. Er ringt nach Worten. Dann lächelt er, pufft sie neckend mit der Schulter und hebt den Eimer hoch. Und Ieannette folgt mit schlenkernden Armen, ein Lächeln auf den zarten Lippen. cs°"cht>at« Ueb-rs-tzun, von Ursel«ll-n tKritik der reinen VernunH" 150 Iahre.sind es in diesem I-chr, daft Snunorniel Jteni int R-gver PeNaz I.!T. sorrtnoef) dieflnllf der reinen Vernunft" verSffenilichte. Jeder kenne die ungeheure Bedeutung diese, Wertes für unsere Leben» anfefjauunfl und Wissenschaft, weift um seinen Einsluft auf alle führen- den Geister der Neu-eit. Wir entnehmen den sollenden Abschnitt dem BuchDie großen Denker" von Will Durant sOrell ssüftli Verlag). Was bedeutet dieser Titel?Kritik" soll nichtKritisieren" be­deuten, sondern kritische Analyse: Kant greift diereine Vernunft" nicht an. ausgenommen am Schluß feines Werkes, wo er chre Grenzen aufzeigen will, sondern hofft vielmehr, ihre Möglichkeit nachzuweisen und sie über dieunreine" Erkenntnis, wie wir sie durch die entstellende Vermittlung der Sinne erlangen, hinauszu- heben. Dennreine" Vernunft soll Erkenntnis bedeuten, die nicht durch die Sinne gekommen ist, sondern von jeder sinnlichen Ersah- rung unabhängig besteht: sie ist Erkenntnis, die wir dank der inneren Natur und Struktur des Geistes besitzen. So fordert Kant gleich am Anfang Locke und die englische Schule durch die Behauptung heraus, nicht alle Erkenntnis stamme aus den Sinnen. Humc glaubte gezeigt zu haben, daß es keine Seele und keine Wissenschaft gebe, daß unser Geist nur in der Abfolge und Verknüpfung unserer Lorstellungen bestehe, und daß unsere Gewiß- Helten bloße Wahrscheinlichkeiten sind, die stets in der Gefahr schweben, von den Dingen durchkreuzt zu werden. Diese irrigen Folgerungen, sagt Kant, sind das Ergebnis falscher Voraussetzungen, denn Hume nimmt an, daß olle Erkenntnis aus einzelnen und unterschiedenen" Empfindungen stamme. Solche Er- kenntnisse können selbstverständlich keine Notwendigkeit und unver- änderliche Abfolgegesetzc darbieten, die in Ewigkeit feststünden: und ebensowenig darf man erwarten, daß man die Seele zusehen" bekommt, sei es selbst mit den Augen des inneren Sinnes. Man kann zugeben, daß völlige Gewißheit der Erkenntnis unmöglich ist, sofern alle Erkenntnis aus der Wahrnehmung einer von uns un- abhängigen Außenwelt herstammt, die zu keinem regelmäßigen Vcr- halten verpflichtet ist. Was ober, wenn wir Erkenntnis haben sollten, die unabhängig von der Sinneserfahrung ist, Erkenntnis, deren Wahrheit für uns schon vor der Erfahrung, d. h.a priori" feststeht? Das ist die Hauptfrage der erstenKritik". In ihr wirddie Frage aufge- warfen... wieviel ich mit...(der Vernunft), wenn mir aller Stoff und Beistand der Erfahrung genommen wird, etwa auszurichten hoffen dürfe". DieRritit" gestattet sich zu einer ausführlichen Biologie des Denkens, zur Untersuchung des Ursprungs und der Eni- Wicklung der Begriffe und zur Analyse der ererbten Strukwr de; Geistes. Hierin besteht, wie Kant glaubt, die gesamte Problematik der Metaphysik. ... Nach einem Jahrhundert des Kampfes zwischen dem ver- schiedentlich reformierten Idealismus Kants und dem ebenfalls um- gestalteten Materiolismus der Aufklärung scheint der Sieg Kant zu gehören. Selbst der große Materialist Helvetius schrieb parodoxer- weise:..Die Menschen sind, wenn ich so sagen darf, die Schöpfer der Materie." Die Philosophie wird niemals wieder so naiv sein, wie zu früheren, schlichteren Zeiten: sie mußte anders und tiefer werden,

I weil Kant gelebt hat.

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