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Morgenausgabe

Tr. 333

A 168

48.Jahrgang

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Der Bormärts erscheint mochentag. lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Jllustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme", Techni"," Blid in die Büchermelt", Jugend- Borwärts" u, Stadtbeilage

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonntag

19. Juli 1931

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die einspalt. Ronpareillezeile 80 31. Reflamezeile 5,- R. Kleine An. zeigen" das fettgebrudte Wort 25 f. guläffig zwei fettgedrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pf. Rabatt Lt. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes meitere Wort 10 Bf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien­anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht ber Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstr. 3 Fernspr.: Dönhoff ( A 7) 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Guter Anfang in Paris .

Rückhaltlos offene Aussprache.

V. Sch. Paris , 18. Juli. ( Eigenbericht.) Die erste Begegnung zwischen den deutschen und den französischen Ministern scheint doch günstiger verlaufen zu sein, als man nach der offiziellen Begleitmufit der hiesigen Bresse befürchten mußte. Die Abendblätter hatten sich übereinstimmend die zweifache Barole zu eigen gemacht, die, wir mir versichert wird, vom Minister präsidenten Laval ausgegeben worden war: 1. Frankreich braucht feine fremde Vermittlung und wird sich allein mit Deutsch land auseinandersetzen, und 2., die französischen Minister werden an der Londoner Konferenz überhaupt nur dann teilnehmen, wenn sie sich vorher grundsätzlich in Paris mit Dr. Brüning und Dr. Curtius geeinigt haben. Diese Tonart hat die Engländer und Amerikaner stark verſtimmt. Namentlich Macdonald soll sich

über die Art, wie die französische Regierung damit drohte, die von ihm angeregte Londoner Konferenz durch ihr Fernbleiben zu torpe­dieren, wenn es in Paris nicht nach ihrem Willen gehe, so er bost fein, daß er Hendersen ersucht hat, Baris bereits am Sonntag nachmittag zu verlassen, um an einer Kabinettsfigung Montag früh in London teilzunehmen.

Es scheint in dieser Pariser Pressetonart viel offiziöser Bluff zu stecken und wahrscheinlich auch die Rücksichtnahme auf den natio­nalistischen Teit der Regierungsmehrheit. Der Empfang der deut­ schen Minister am Nordbahnhof war durchaus herzlich;

3weifellos hat die Tatsache ihres Befuches die allgemeine Atmosphäre mefentlich gebefferf. Die Besprechungen felbft haben bisher einen durchaus freundlichen Verlauf genommen.

Postscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u.Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.

Innerpolitischer Befund.

Weder Drittes Reich noch Sowjetdeutschland inSicht

Wie in den Jahren 1914, 1918 und 1923 schwebt auch jetzt wieder auf allen Lippen die Frage, was aus Deutschland wird. Das Ergebnis der Pariser und Londoner Besprechungen wird zur Beantwortung dieser

reich an das Zwei- Milliarden- Anleihe- Projekt knüpft, scheint fich Frage einen wichtigen Beitrag liefern. Aber man darf sich eine gewisse Annäherung anzubahnen, zumal

der Gedanke einer Art Finanzkontrolle über Deutschland wieder fallen gelasjen

wird. Es bestätigt sich immer mehr, daß diese für Deutschland be­sonders unangenehme Idee eines Rückfalls in die Zeiten und Methoden des Dawes- Planes ursprünglich von Amerika lanciert worden war, und zwar vom ehemaligen Reparationsagenten Bar fer Gilbert, der jegt Geschäftspartner des Bankhauses Morgan ist, und daß diese Abficht von Frankreich erst nachträglich aufgegriffen ellen Garantien Deutschland für den Zweimilliardentredit bieten wird, wenn der Zeitpunkt fommt, wo er in eine langfristige inter­

wurde. Jetzt geht die Debatte nur noch darum, welche materi=

nationale Anleihe umgewandelt werden kann.

technischen Einzelheiten und politischen Probleme nicht schon bei Daß eine restlose grundsätzliche Einigung über alle finanz­dieser ersten Aussprache erzielt werden würde, war vorauszusehen. 3ur Nervosität besteht deshalb fein Anlaß. Eine zweite rein deutsch - französische Ministerbegegnung ist für Sonntag nachmittag in Aussicht genommen, für den Vormittag eine mehr internationale Besprechung, an der auch Henderson, Stimson , Grandi und Hymans teilnehmen werden.

Die Absicht der französischen Regierung hinsichtlich der politi­ichen Brobleme ist, eine gemeinsame deutsch - franzöfifche Deflaration zustande zubringen, in der der Wilfe zur fünftigen aufrichtigen 3u sammenarbeit der beiden Böller feierlich verfündet wird.

Inwieweit die oben angeführten Einzelfragen dabei Erwäh­Das amtliche Kommuniqué ist gemeinsam verfaßt worden; besonders nung finden werden, ob das in einer Form geschicht, die für die deutschen Minister annehmbar ist, oder ob man sich mit allgemeinen ist der Schlußfazz, der als das Ziel der Aussprache die Herbeiführung Bersicherungen des gegenseitigen guten Willens begnügen wird, das eines dauernden Einvernehmens zwischen den beiden Völkern ist eben die Frage; sie zu lösen, wäre natürlich leichter, wenn nicht bezeichnet, von Laval und Brüning ausdrücklich vereinbart worden. auf beiden Seiten die Minister auf die Rationalisten An Offenheit hat es bei dieser mehrstündigen Aussprache nicht ihres Landes Rücksicht nehmen müßten, und wenn man nicht über gefehlt. Dr. Brüning hat die finanziellen und wirtschaftlichen flüffigerweise auf beiden Seiten die eigene bürgerliche Bresse Nöte Deutschlands rückhaltlos geschildert und auf die Rüstungen auf Barolen festgelegt hätte, die sich in ihrer Totalität natürlich der mitteleuropäischen Länder hingewiesen, während Laval dar nicht durchsetzen lassen, wenn man zu einer Einigung gelangen will. gelegt hat, wie die französische öffentliche Meinung über gemisse Am Abend stattete der amerikanische Staatssekretär Stimson Borgänge der letzten Monate in Deutschland 30llunion, der deutschen Botschaft einen längeren Besuch ab, wo 3ollunion, der deutschen Botschaft einen längeren Besuch ab, wo er mit Panzerfreuzerbau, Stahlhelmpara de usw. urteilt. Dr. Brüning und Dr. Curtius Bekanntschaft schloß und mit ihnen Hinsichtlich der finanziellen Garantien, die Frank die schwebenden Probleme eingehend besprach.

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Eine Erklärung Brünings.

Bei der Ankunft auf dem Nordbahnhof hatte Reichstanzler Brüning dem Vertreter der Havas - Agentur folgende Erklärung für die Presse übergeben: Der Plan unserer Pariser Reise, der schon seit einigen Wochen gefaßt mar, hat heute noch größere Be­deutung bekommen. Es handelt sich jetzt nicht mehr allein um Be sprechungen, die zur Klärung der allgemeinen Lage dienen sollen, es handelt sich im Gegenteil um besondere wirtschaftliche und finan­zielle Probleme, die nicht nur Deutschland , sondern auch ganz Europa betreffen. Vielleicht hat aber diese neue Wendung der Dinge ihre Vorteile, denn in der gegenwärtigen Lage, die die enge Berstrickung der Interessen aller Bölfer flar hervortreten läßt, find wir alle gezwungen, eine gemeinsame Anffrengung zu machen, um in loŋaler und vertrauensvoller Zusammenarbeit die Mittel zu finden, eine uns alle berührende Krise zu überwinden und auf diese Weise den Völkern zu beweisen, daß, wenn man auf und auf diese Weise den Völkern zu beweisen, daß, wenn man auf allen Seiten guten Willen zeigt, man aus schwierigsten Lagen herauskommen kann. Deshalb freue ich mich über die dem Außen­minister und mir gebotene Gelegenheit, mit der französischen Regie­rung die Fragen zu besprechen, die unsere beiden Länder inter­effieren und vor allem die Fragen, welche in den letzten Zeiten ernste Beunruhigung hervorgerufen haben. Ich habe die feste Hoffnung, daß es uns gelingen wird, diese Fragen zu lösen und das französische Bolt von unserem aufrichtigen und loyalen Willen einer Mitarbeit an der Organisation des Friedens zu über

geugen.

Wir wollen zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Frankreich gelangen, weil wir genau wissen, daß ohne diese Zusammenarbeit der Wohlstand Europas und das Gedeihen der Welt nicht gesichert werden können.

Wir hoffen, daß mir, wenn beide Völker, die von gegenseitigem Respekt und Vertrauen beseelt sind, ihre besten Kräfte vereinen. um die Probleme zu regeln, die uns beschäftigen, befriedigende Lösungen finden fönnen."

Um 16,30 Uhr begann im Innenminifterium die deutsch­franzöfifche Konferenz zwischen Brüning, Cartius, von Bülow,

ron Hoesch und dem Dolmetscher Dr. Schmidt sowie Canal, Briand , Flandin, Pietri, Berthelot und dem Dolmetscher Profeffor Hesnard pon der franzöfifchen Botschaft in Berlin .

Die Ministerkonferenz im Innenministerium war um 17.20 Uhr beendet.

Die Unterhaltung der deutschen und französischen Minister wird am Sonntagnachmittag fortgefeßt werden. Am Sonntag vormittag um zehn Uhr ist im Arbeitszimmer Lavals eine Konferenz aller Länder, die an der Londoner Konferenz teilnehmen sollen und deren Bertreter gegenwärtig in Paris sind.

Herzlicher Empfang.

Paris , 18. Juli. ( Eigenbericht.)

Die Pariser Bevölkerung hat Reichskanzler Brüning und Reichs­außenminister Curtius bei ihrer Ankunft einen unerwartet her 3 lichen Empfang bereitet. Die Minister wurden auf dem Unterstaatssekretär Francois Poncet sowie den Generalsekretären Bahnhof von Ministerpräsident Laval, Außenminister Briand , des Außen- und Innenministeriums herzlich begrüßt. Das gesamte Personal der deutschen Botschaft war natürlich zum Empfang er­schienen.

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Als die Minister aus dem Bahnhof heraustraten, wurden sie von einer mehrere tausend Personen zählenden Menschenmenge mit Rufen: Es lebe der Frieden! Nieder mit dem Kriege!" usw. empfangen. Baghafte Pfiffe von Nationalisten und Royalisten wurden durch neue Rufe Es lebe der Frieden" erstickt. Die Sympathiekundgebungen wiederholten sich, als Brüning, Curtius und Botschafter von Hoesch gemeinsam im Auto den Bahn­hof verließen. Unmittelbar hinter ihnen folgten der franzöfifche Ministerpräsident und der Außenminister, die mit Hochrufen begrüßt murden. Kurz vor 14% Uhr trafen die deutschen Minister in der deutschen Boischaft ein.

die Dinge nicht so vorstellen, als ob nach dem Zustande­tommen einer großen Auslandsanleihe alles wieder so wäre wie vorher. Auch dann wird erst in harten Kämpfen die innere Entscheidung gewonnen werden, die Entscheidung darüber, was aus Deutschland wird.

Der Zustand, den wir jetzt über uns ergehen lassen müssen, ist der einer Reglementierung des ganzen wirtschaftlichen und politischen Lebens durch Verordnungen. Die Allmacht des Staates feiert Triumphe. Die vom Reichs= präsidenten eingesetzte und gestützte Regierung verfügt über eine Fülle von Befugnissen, wie sie eine kaiserliche Regierung von ehedem nicht einmal im Traum sich angemaßt hätte. Was der starten Führung" geschrien haben bleibt also denen noch zu wünschen übrig, die immer nach wenn nicht das eine, daß diese Führung nicht immer so führt, wie sie

es wollen?

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darum, ob die großkapitalistischen und großagrarischen Inter­In der Tat geht das innere Ringen in Deutschland jetzt effentenhaufen die Staatsgewalt für sich allein beschlagnahmen dürfen, oder ob ihnen die Vertretung der Arbeiter­tlaffe noch ein gewisses Gegengewicht bieten soll.

Der Einfluß der Arbeiterklasse auf die Entschließungen der Regierung Brüning ist gering. Andernfalls wäre eine Berordnung wie die vom 5. Juni nicht möglich gewesen. Immer noch ergeben sich aber aus dem Bestehen einer starten Sozialdemokratie und der Unmöglichkeit, sie völlig auszu­schalten, gewisse Hemmungen. Diese Hemmungen zu be seitigen und damit einem hemmungslosen Interessenten­regiment die Bahn zu öffnen das ist der eigentliche Sinn des Kampfrufs: Los von der Sozialdemokratie!"" Nieder mit dem Marrismus!"

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Es ist ein politischer Gewinn der jüngsten Entwidlung, daß die Rolle der Nationalsozialisten ganz eindeutig geworden ist. Es gibt feinen sichtbaren Unterschied mehr zwischen Hitler und Hugenberg. Hugenberg aber ist mit seiner Partei der unbedingteste, rücksichtsloseste und schärffte Borfämpfer einer schrankenlosen Kapitalherr­schaft. Vom sogenannten ,, Sozialismus" der Nationalsozia­listen zucken nur noch ein paar armselige Reste in den Blättchen der Otto- Straßer und Stennes - Richtung. Davon abgesehen, ist die Maskerade zu Ende, und jedermann sieht, daß die Braunen von heute gar nichts anderes als die Gelben von gestern sind.

Als eine extrem- nationalistische Bewegung wird die Hitler- Bewegung in Zeiten wie den jetzigen immer noch auf Zulauf, besonders aus den desorientierten Massen des Mittel­standes, zu rechnen haben. Aber der Elan, die Stoßkraft, die diese Bewegung durch die Verbindung eines nationalen mit einem sozialistischen Idealismus zu gewinnen schien, ist rasch verpufft und verraucht.

Gewiß, man soll sich nicht in falsche Sicherheit wiegen. Dennoch fann man sagen, daß der Nationalsozialismus heute Herbst vorigen Jahres war. Der große Aufklärungsfeldzug, weniger gefährlich ist, als er es nach seinem Wahlsieg im den unsere Partei gegen ihn führte, hat seine Früchte getragen.

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munistischen Fahne folgen, bemerken, wohin sie sich ver­Wann aber werden endlich die Arbeiter, die der kom- laufen haben? Wir stehen heute unleugbar in einer schweren Krise des kapitalistischen Systems, und wenn sich die Dinge wirklich so entwickelten, wie die Kommunisten es sich vor­stellen, dann müßte die bolschemistische Weltrevolution heute oder morgen kommen. Aber wo ist der kommunistische Führer, der an sie glaubt?

Die fommunistischen Führer können, wie sie das in früheren fritischen Zeiten immer getan haben, auch diesmal Inzwischen hatten sich im Hof des Innerministeriums zahlreiche der ,, verräterischen SPD ." die Schuld daran geben, daß eine Journalisten und Photographen eingefunden, die die Ankunft der sogenannte revolutionäre Situation" nicht ausgenützt werden deutschen Minister erwarteten. Die Eingangspforte des Ministeriums tann. Aber eine Revolution, die durch das Uebelwollen mar zu Ehren der deutschen Gäste mit Palmen und Hortensien ge­ichmüdt. Kurz vor 15% Uhr traf der Reichskanzler mit Staats- einiger Bösewichte verhindert werden kann, ist eben keine! fefretär Gerth im Innenministerium ein. Borher hatte er im Balais Eine wirkliche Revolution bläst alle Hindernisse, die auf des Präsidenten der Republik seine Karte abgegeben. Der Reichs: ihrem Wege liegen, fort wie der Gewitterwind den Staub. kanzler wurde sofort in das Arbeitszimmer des Ministerpräsidenten Mit moralischen Verdonnerungen der Sozialdemokratie geleitet, eine Aussprache unter vier Augen folgte. und großsprecherischen Berheißungen haben sich die fom­