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48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Dienstag

21. Juli 1931

Groß- Berlin 10 M.

Auswärts 15 Pf.

Die einipalt. Nonpareillezeile 80 f. Reflamezeile 5,- R. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. ( zuläffig zwei fettgedruckte Worte). jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt it. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Bf. Anzeigenannahme Im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochen­täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht ber Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Ohne Frankreich ?

Ein englisch - amerikanischer Eventualvorschlag.

V. Sch. Condon, 20. Juli. ( Eigenbericht.)

Die auffallendste Tatsache der heutigen Eröffnungsfizung der Londoner Konferenz ist, daß ein Abfah der ursprünglichen pro­grammatischen Rede Macdonalds im englischen Kabinett am Vormit­tag pereinbart worden war, nachträglich aber abgeändert und er­gänzt wurde. lleber den Plan einer internationalen An­leihe sagte Macdonald, er habe erfahren, daß manche Schmierig keiten überwunden werden müßten, um eine Anleihe auf dem Lon­ doner Markt unterzubringen. Vielleicht sei die Anleihe die Lösung, vielleicht aber auch nicht. Dann hieß es im ursprünglichen Text: Das Problem ist, zu verhindern, daß das Kapital, welches sich bereits in Deutschland befindet, zurüdgezogen werde." Dieser Saz ift nun gestrichen und wie folgt ersetzt und ergänzt worden: Der andere weg wäre, das Problem direkt anzugreifen, indem

man

die innere Cage Deutschlands so stärkt, daß wir der Welt Ge­mißheit seiner Stabilität verschaffen können, daß nicht nur weitere Kapitalentziehungen verhindert werden, sondern daß

auch das fremde Kapital in Deutschland erhöht wird." Dieser Satz ist offenbar auf Grund einer Rüdsprache mit Stimfon und Mellon unmittelbar vor der Eröffnung der Konferenz und anscheinend in vollem Einverständnis mit dem Reichstanzler Dr. Brüning hinzugefügt worden. Dies würde bedeuten, daß dem Man einer großen internationalen 3 mei- milliarden anleihe, der von Frankreich lebhaft propagiert, aber zugleich mit politischen Forderungen verknüpft wurde, ein neuer Gedante ent­gegengesetzt wird: der Gedanke eines sogenanten Stillhalte Predits", den die amerikanischen und englischen Banten unter Umständen auch ohne Frankreich aufzubringen imftande wären.

Ein folcher Stillhaltetredit, dessen Höhe noch nicht genannt mird, murde zur Verfügung der Reichsbank stehen, um die normale Golddechung wieder herzustellen. Dieser Kredit fönnte je nach Bedarf in Anspruch genommen werden und stünde auf alle Fälle bereit. Es liegt der Präzedenzfall der Bank von England vor, die vor zmei Jahren, als der Pfundkurs erschüttert war, einen solchen Kredit von Amerita eriyielt, ohne daß es überhaupt nötig war, auf ihn zurückzugreifen.

Die Abendkonferenz.

Nach der heute abend im Zimmer des Premierministers im Unterhaus abgehaltenen ersten Konferenz der sieben Mächte wurde folgendes Kommunique ausgegeben:

Die Preffe Verordnung.

Keine fleinliche Handhabung!

Von Carl Severing .

Die Presseverordnung des Reichspräsidenten vom 17. Juli dieses Jahres gibt den Behörden unleugbar weitgehende Ein­griffsmöglichkeiten in die Bewegungsfreiheit der Presse. Es ist deswegen nicht verwunderlich, daß die Presse selbst die Verordnung nicht gerade freundlich aufgenommen hat. Die Organe der äußersten Radikalen von rechts und links nennen Die erste Sigung der internationalen Konferenz fand unter dem sie das Ende der Pressefreiheit, aber auch von den Zeitungen, Corsiz des britischen Premierministers in seinem Zimmer im Unter- die im allgemeinen die Politik der republikanischen Regie­hause heute nachmittag um 6.30 Uhr statt. Der Vorsitzende rungen unterstützen, sind Zweifel an ihrer Notwendigkeit und eröffnete die Konferenz, indem er die Delegierten willkommen hieß. 3wedmäßigkeit, mindestens aber an ihrer loyalen Durch­Er gab eine Erklärung ab, in der er ursprünge und Urführung geäußert worden. Es ist daher wohl nicht ganz über­fachen der Krise, die zu der augenblicklichen Lage geführt hat, flüssig, zur Behebung unbegründeter Bedenken auf folgendes Konferenz. auseinandersetzte, desgleichen die Wichtigkeit der Aufgabe der

Herr Laval gab der Konferenz einen Bericht über die Zusammenfünfte, die in Paris stattgefunden haben und setzte den Geist auseinander, in dem die Besprechungen zwischen den fran­ zösischen und den deutschen Ministern eingeleitet wurden.

Er legte im einzelnen die Stellung Frankreichs in der bevorstehenden Debatte dar und drückte von neuem die Hoff mung loyaler Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutsch­ land für die Wiederherstellung des Vertrauens und des Kredits in

der Welt aus.

Dr. Brüning bestätigte den Geist der Zusammenarbeit und drückte seine Dankbarkeit für die Gelegenheit der Pariser Besprechungen aus. Er gab hierauf eine Darlegung mit ftatistischen Angaben über die finanzielle Lage Deutsch lands und die Maßnahmen, die getroffen worden sind, um ihr begegnen. Er drängte auf die notwendige Unterstützung zur Besserung( Relief) der Lage. Hierauf wurden Fragen des Ber fahrens erörtert und dann die Sigung bis morgen vertagt. Eine Plenarsizung der Konferenz wurde auf 10 Uhr vor­mittags im Foreign Office festgesetzt.

Die in dem Kommuniqué erwähnten Ausführungen Dr. Brü­nings galten hauptsächlich der deutschen Krise und der Finanzlage Deutschlands . Er hob hervor, daß vor allem zwei Erfordernisse er Deutschlands . Er hob hervor, daß vor allem zwei Erfordernisse er­füllt werden müssen:

Ein Aufhören der Abrufung der fremden Kredite und eine Er­höhung der Golddede der Reichsbant.

In seinem Schlußwort faßte Macdonald noch einmal die Aus­führungen Lavals und Brünings zusammen. Die Berhandlungen wurden in einem außerordentlich versöhnlichen Geifte geführt. Mac­donald behielt den Reichskanzler Dr. Brüning und den Reichs­außenminister Dr. Curtius zu weiteren Besprechungen im Unter haus zurück und nahm mit ihnen das Abendessen ein. Außer dem britischen Premierminister und den beiden deutschen Ministern nahmen an dem Essen teil: der britische Schahtanzler Snowden, im Foreign Office, Sir Robert Banfittart.

In der gleichen Richtung liegt die Erklärung des Reichs­tanglers Dr. Brüning, der in der heutigen Sigung fagte, daß es in Deutschland auf zweierlei Dinge antomme. Erstens die Ber­hinderung meiterer Kapitalabzüge und zweitens die Wiederher Außenminister Henderson und der Ständige Unterstaatssekretär stellung der vierzigprozentigen Golddeckungsgrenze.

Neue Notverordnungen.

Beamtengehälter für August.

Bahlung in zwei Raten.

steuer, Umsatzsteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Hauszinssteuer für die Zeit vom 1. August 1931 ab Verzugszinsen in Höhe von 5 Proz. halbmonatlich erhoben werden.

Eine Erhebung von Verzugszuschlägen findet jedoch insoweit In einer neuen Notverordnung wird die Reichsregie nicht statt, als die Steuerbehörde für die rückständige Steuer rung bestimmen, daß die Beamtengehälter für August am 31. Juli Stundung bewilligt hat. Gestundete Steuern sind, soweit nicht zins nur zur Hälfte ausgezahlt werden und der Rest des August lose Stundung bewilligt ist, mit jährlich 5 bis 12 Proz. zu ver­gehaltes am 10. August zur Auszahlung gelangt. Die Reichsregie- zinsen. Für die sogenannten Aufschubzinsen( insbesondere bei rung hat sich zu diesem als einmalige Notmaßnahme be- Söllen) beträgt der Zinssah in Zukunft 10 Proz. jährlich; doch zeichneten Schritt auf Grund der gegenwärtigen gespannten bleibt es für Beträge, die vor der Verkündung der neuen Berord Raffenlage des Reiches veranlaßt gesehen. nung aufgeschoben worden sind, bei dem bisherigen Zinsfuß.

Erfassung der Steuerrückstände.

5 Proz. halbmonatliche Verzugszuschläge. Amtlich wird mitgeteilt: In den letzten zwei Wochen sind die Steuereingänge außerordentlich start zurüd gegangen. Das ist ein unerträglicher Zustand, der den ganzen Verwaltungsapparat auf die Dauer lahmlegen würde. Deshalb ist eine pünktliche Steuerzahlung bringend erforderlich.

Der Fall Lahusen im Landtag. Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion. Die sozialdemokratische Fraktion hat im Preußi­schen Landtag folgende Große Anfrage eingebracht:

Der Bremer Nordmolle- Konzern, der unter Leitung der Fa milie Lahusen steht, ist mit einer Schuldenlast von 250 Millionen Um dieses Ziel zu erreichen und den ordnungsmäßigen Ein Mart zusammengebrochen. Die Gründe dieses in der Wirtschafts­gang der Steuern des Reiches, der Länder, Gemeinden und Ge geschichte beispiellofen Wirtschaftstrachs find zweifel meindeverbände zu gewährleisten, ist am Montag eine Berord los zum Teil frimineller Natur. Nach Zeitungsmeldungen nung über zuschläge für Steuerrüdgänge er follen die verantwortlichen Mitglieder der Familie Bahusen be lassen worden. Diese Verordnung enthält im wesentlichen die trügerische Handlungen auch auf preußischem Gebiet be­gleichen Bestimmungen, wie fie im Dezember 1923 durch die zweite gangen haben. 3ft das Staatsministerium bereit, soweit preußische Steuernotverordnung getroffen wurden. Die wichtigste der Be- Zuständigkeit gegeben ist, mit allen verfügbaren Kräften der Krimi­stimmungen lautet dahin, daß für rückständige Beträge an Ein nalpolizei und der Staatsanwaltschaft diesem ungeheuren Wirts tommensteuer, Störperschaftssteuer, Bermögenssteuer, Erbschaftsschaftsverbrechen nachzugehen?

zu verweisen:

Als im Frühjahr die zuständigen Stellen des Reiches mit den Ländervertretern weg der Bekämpfung politischer Aus­schreitungen Fühlung nahmen, ist damals schon empfohlen worden, um gesetzliche Vorschriften vorstellig zu werden, wie fie etwa in der neuen Presseverordnung enthalten sind. Daß derartige Vorschriften jedoch nicht in die Notverordnung vom 28. März d. J. aufgenommen worden sind, ist wohl dahin zu deuten, daß alle zuständigen Stellen der Legislative und Ere­futive bemüht gewesen sind, Einschränkungen der Pressefreiheit nach Möglichkeit zu ver­meiden. Inzwischen hat sich die wirtschaftliche Notlage be­trächtlich verschlimmert, gleichzeitig hat aber auch die politische Verhegung eine weitere Verschärfung erfahren, an der die Behörden nicht achtlos vorübergehen können, wenn sie die Pflichten ihres Amtes nicht gröblich vernachlässigen wollen. So ist die neue Presseverordnung entstanden. Aber auch die Form ihrer Infraftsetzung beweist, daß an eine Knebelung der Presse nicht gedacht ist. Sie ist nicht in die Bestimmungen der Verordnung vom 28. März hineingearbeitet worden, son­dern präsentiert sich als Sonderverordnung, deren Notstands­bestimmungen sehr leicht wieder aufgehoben werden können, ohne andere von Dauerbedarf mitzureißen, sobald der Not­stand selbst beseitigt ist.

Wer heute diesen Notstand leugnet, gehört zu den unheil­baren politisch Blinden oder ist ein böswilliger Ignorant. Ein Blick in die radikale Presse belehrt jeden, der sehen will, daß den gräßlichen Bluttaten, die heute leider zu alltäglichen Erscheinungen geworden sind, in vielen Artikeln dieser Presse erst der Stimmungsboden bereitet wird, aus dem die vielen politischen Roheitsdelikte erwachsen. Hier ist die genannte Presse weniger Mundstück, als vielmehr Macher der öffent­lichen Meinung, die schließlich eine Bluttat, verübt an einem politischen Gegner, als etwas ganz Natürliches betrachtet. Das können die Behörden unmöglich dulden. Das will aber auch das Publikum und selbst die Presse nicht geduldet sehen. Die täglichen schriftlichen und mündlichen Vorstellungen aus den Kreisen aller Bevölkerungsschichten beweisen es. Es beweisen aber auch die gelegentlichen Mahnungen der Presse. Wie lange darf so etwas noch in Deutschland gedruckt werden? fragte vor furzem ein großes Blatt in berechtigter Empörung über einen nationalsozialistischen Schmähartitel. Es ist zu verlangen, daß die Polizei diesen Dingen eine größere Aufmerksamkeit schenkt", mahnte ein anderes Blatt der Reichshauptstadt, als es auf die alarmierenden Inflations­parolen der kommunistischen Presse aufmerksam machte.

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Ja, die Polizei! Die Polizei soll alles! Die Polizei soll nach den Wünschen ihrer Kritiker streng und mild, zur Stelle und abwesend sein, heute die Augen aufschlagen und morgen zudrücken. Die Polizei soll scharf zupacken" und ,, hart wer den" wenn, um ein altes hausbackenes Wort zu gebrauchen, das Kind ertrunken und alles davon überzeugt ist, daß nun­mehr der Brunnen zugedeckt werden muß. Die Polizei soll aber auch den Bürger Redakteur oder den Bürger Verleger nicht behelligendas sei ja unerhört, so solle lieber den wirklichen Verbrechern nachgehen, da finde sie Betätigung genug" usw. So allmächtig, wie in diesen Anschauungen und Vorstellungen die Polizei eingeschäzt wird, ist sie aber nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem für Polizei­milIfür fein Raum sein sollte. Die Polizei fann nicht beliebig scharf zupacken und nicht beliebig duldsam sein. Sie hat den Gesetzen Beachtung zu verschaffen und dadurch die Sicherheit des Einzelnen und die Ordnung im Staat zu schützen. Und wenn dazu die gesetzlichen Bestimmungen nicht reichen, müssen sie ergänzt werden.

Die meitgehenden, weil jehr dehnbaren Bestimmungen