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Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Mittwoch
22. Juli 1931
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Frankreich isoliert.
Amerifa und England bleiben feft.
V. Sch. London , 21. Juli. ( Eigenbericht.)
Der neue Hoover Plan hat auf der Londoner Konferenz eine ganz neue Situation geschaffen. Bon dem ursprünglichen französischen Plan einer Zwei- Milliarden- Anleihe mit finan ziellen und politischen Garantien ist jetzt feine Rede mehr. Diese unerwartete Bendung hat im Augenblick die Franzosen so stark betroffen, daß bei ihnen am Nachmittag davon ge sprochen wurde, daß die Konferenz spätestens am Mittwoch sprochen wurde, daß die Konferenz spätestens am Mittwoch abend ergebnislos auseinandergehen würde. Niemand hat diese Drohung wirklich ernst genommen. Ebensowenig hat der neue Angriff Frankreichs auf die Bank von England und auf den Pfundkurs, der heute wieder zur Zurückziehung von Gold in Höhe von rund 70 Millionen Schilling führte, die Engländer einzuschüchtern vermocht. Eng land ist entschlossen, mit Amerita für eine unverzügliche Hilfe an Deutschland einzutreten und sich dabei jeder politischen Demütigung Deutschlands zu widersetzen.
Die Ankündigung, daß Macdonald und Henderson er mägen, ihren verschobenen Besuch in Berlin unmittelbar im Anschluß an die Londoner Konferenz zu machen und daß fie vielleicht sogar zusammen mit Brüning und Curtius nach Berlin reifen würden, ist die direkte Antwort auf alle Einschüchterungsversuche.
tiums aller ausländischen Banken, die in Deutschland furz fristige Kredite investiert haben und die sich verpflichten follen, feine Kündigungen und zurückziehun= gen mehr vorzunehmen, eventuell zur Umwandlung 2. Gewährung eines Rediskontkredits an die ReichsDieser kurzfristigen Kredite in eine langfristige Anleihe. bant, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihre normale vierzigprozentige Notendeckung zu erreichen und neue 3ah: lungsmittel in Umlauf zu sehen. Auf diesen zwei Grundgedanken bauen sich mehrere Vorschläge auf, die von den einzelnen Delegationen am Donnerstag der Vollfonferenz unterbreitet werden. den einzelnen Delegationen am Donnerstag der Voll
Auch Frankreich wird sich dieser internationalen Aktion taum mehr verschließen können, zumal die Amerikaner mit Nachdruck erklären, daß sie entschlossen seien, wenn es anders nicht gehe, die Aktion ohne Frankreich , dafür mit England, der Schweiz , Holland und Japan durchzuführen. Frankreich hat sich durch seine bisherige Haltung in eine peinliche Isolierung hineinmanövriert. Daran ist nicht so sehr Laval schuld, als der Finanzminister Flandin, der den reaktionären Tardieu- Flügel vertritt. Laval ist auf außenpolitischem Gebiet noch weniger erfahren, aber er ist anscheinend guten Willens, und er dürfte, gestützt auf Briand und Petri, den Rückzug rasch antreten. Die Briten sind jedenfalls heute abend über den Ausgang der Konferenz sehr optimistisch und man zweifelt nicht daran, daß spätestens Donnerstag eine Vereinbarung erzielt mer
Zwei Punkte standen im Vordergrund der Diskussionen einer Komiteefizung der Finanzminister mit Brüning unter dem Vorsitz von Macdonald. Sie hatte einen vorwiegend technischen Charakter. Es handelte sich hauptsächlich um| den wird. zwei Fragen: 1. Bildung eines Stillhalteronsor
( Siehe auch 2. Seite.)
sammenarbeiten zwischen dem IGB. und den internationalen Berufssetreatriaten auch in Berlin gewährleistet sein würde.
Gestern fand gemisfermaßen die feierliche Einweihung Käppler gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß das innige Zudes Sizes des Internationalen Gemertschaftsbundes nach der Uebersiedlung in Berlin statt. Der Vorstand des IGB. tagte zum erstenmal in Berlin und nahm diese Gelegenheit war, um die Bertreter der gewerkschaftlichen Spizenorganisationen, der Sozialdemokratischen Partei, der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, der internationalen Berufssekretariate, soweit fie in Berlin ihren Sitz haben, sowie die Vertreter der sozialdemofratischen Arbeiterpresse einzuladen.
Citrine, der Generalsekretär der englischen Gewerkschaften und Vorsitzender des JGB. hielt die Begrüßungsrede, in der er besonders auf die Krise hinwies, die Deutschland heute erleidet. Das deutsche Volt habe seit dem Kriege Ungeheures erduldet, und die Krisen seien fast nicht zu zählen, die es durchgemacht habe. Kein Bolt der Erde habe so viel gelitten wie das deutsche Volk.
Es sei bemundernswert, mit welcher Gelassenheit, mit welcher Aus bauer und Hartnäckigkeit das deutsche Volk und besonders die deutsche Arbeiterschaft diese Krisen überwunden habe. Der Inter nationale Gewerkschaftsbund , der munmehr in Berlin feinen Siz habe, sei stolz darauf, die deutschen Gewerkschaften zu seinen Mit gliedern zu zählen. Wir in England, sagte Citrine, haben feit Jahren die deutschen Gewerkschaften als ein Musterbeispiel entschlossenen und zähen Aufbaumillens betrachtet. Unter den Anwesenden befänden sich die Genossen Wels, Breitscheid und
Leipart, deren Namen nicht nur für Deutschland , sondern für Die ganze Welt einen guten Klang haben. Wir haben das Ber
trauen, daß die deutsche Arbeiterklasse auch diese Krise, die wohl die schwerste aller Krisen
Im Anschluß an die einfache aber herzliche Begrüßungsfeier lichkeit fand ein Rundgang durch die Räume des JGB. statt, der seinen Sitz im Herzen des proletarischen Südosten, in der Köpenicker Straße , aufgeschlagen hat. Jeder Brunt ist hier streng vermieden. Es sind helle, einfache Arbeitsräume, in denen die Zentrale der internationalen Gewerkschaftsbewegung nunmehr tätig fein wird.
Die Vorstandsfizung, die gestern stattfand, faßte eine Reihe bedeutsamer Entschlüsse. Es wurde
eine Entschließung und ein Affionsprogramm zur internationalen Abrüstung
ausgearbeitet, die zunächst der Exekutive der Sozialistischen Arbeiter Internationale und dann dem Internationalen Sozialistischen Rongreß in Wien zur Beschlußfaffung vorgelegt werden. Wir fönnen daraus jetzt schon mitteilen, daß unter anderem in allen Ländern große internationale Meetings vorgesehen sind, die gemeinsam von den Gewerkschaften und den sozialiftischen Parteien veranstaltet werden. Es soll in allen Ländern ein Petitionssturm entfacht werden, um auf die Regierungen und die Abrüstungskommission des Völkerbundes einzuwirken.
Es ist weiter beschlossen worden, die Sommerschule des 3GB. in diesem Jahr in Orford abzuhalten, und zwar vom 23. bis 29 Auguſt im Rustin College. Ferner ist beschlossen worden, im nächsten Jahr die Studienreise nach dem Fernen Often, und zwar nach Japan , China und Indien vorzunehmen. An den Berhandlungen des Borstandes des JGB. ist, die es je durchgemacht hat, siegreich überwinden wird. nahmen zu diesem Punkte auch Bertreter der japanischen GemertDie Genossen Wels und 2eipart antworteten dem Bräfidenschaften teil, die diese Reise dort vorbereiten sollen. Schließlich wurde die Lage der Gewerkschaften in den Balkanländern ten des GB. für die deutschen Organisationen, Genosse Georg Räppler, Sefretär der Bauarbeiterinternationale, im Namen eingehend besprochen und beschlossen, daß der Generalsekretär Mitte der Bertreter der internationalen Berufsfetretariate. Genoffe Wels September nach Bulgarien , Jugoslawien , Griechenland und dann ging besonders auf die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise ein nach Aegypten fahren soll, um die dort bestehenden Zwistigkeiten und sagte, daß es für den JGB. vielleicht von Nugen sein würde, zu beheben. menn er an der Stelle seinen Siz habe, wo die Wirtschaftskrise, Die heute die ganze Welt erschüttert, am stärksten brandet.
Genosse Leipart erklärte für die deutschen Gewerkschaften, daß fie die hohe Ehre der Sigverlegung nach Berlin wohl zu würdigen müßten und daß sie, wie in der Vergangenheit, so auch in der Zutunft,
befcheidene und eifrige Mitglieder des 3GB. bleiben würden. Die deutschen Gewerkschaften würden es peinlich Bermeiden, irgendwie in die Geschäfte des JGB. dreinzureden, fie würden ihn aber mit allen Kräften unterstützen,
Ueber Gehälter fann verfügt werden. Berfügung über Gehaltsüberweisungen nach dem 25. Juni
Durch die letzte Notverordnung ist sichergestellt, daß über Guthaben, die aus leberweisungen für Gehaltszahlungen nach dem 25. Juni entstanden sind, frei perfügt werden fann. Selbstverständlich wird auch in fünftigen Rotverordnungen über die Abwicklung der Bankfeiertage die freie Berfügung über derartige Beträge gewahrt bleiben.
Postschedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt.B.u.Disc.- Ges., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
Reparationen, Kriegsschulden,
Abrüftung.
Von Emil Vandervelde.
Der Borschlag Hoovers war wie ein Lichtstrahl aus einem gewitterschwangeren Himmel erschienen. Kaum acht Lage später waren die Ereignisse über ihn hinweggegangen. Und heute treten alle Erwägungen zurück hinter der katastrophalen wendigkeit, um jeden Preis Abhilfe zu schaffen. Wer Lage in Deutschland , hinter der internationalen Notnicht das Unheil für unausweichlich ansieht- in welchem Falle alle weiteren Diskussionen nuglos wären muß, felbst wenn er gestern noch gewisse Lösungen als endgültig" ansah, zugeben, daß der Plan Hoovers dringender denn je die Problemreihe: Reparationen, Kriegsschulden, Abrüstung aufwirft.
Es werden bald zehn Jahre vergangen sein, seit die Sozialisten der hauptsächlich daran beteiligten europäischen Staaten( Deutschland , England, Belgien , Frankreich und Italien ) in Frankfurt im Jahre 1922 folgende, kurz darauf von der Internationale ratifizierte Lösungsvorschläge über die einzelnen Punkte ausarbeiten:
1. Reparationen, aber beschränkt auf die direkten Schädigungen, melche die Zivilbevölkerung erfahren hatte.
2. Streichung der Kriegsschulden. 3. Beendigung der militärischen Ottus pationen und Herabsehung der Rüst ungen mit dem Ziel, zu einer allgemei nen, gleichzeitigen und tontrollierten Abrüstung zu gelangen.
Derartige Vorschläge finden heute mehr und mehr Anhänger auch in Kreisen, mahe der Sozialdemokratie fernstehen. Aber es bedurfte erst der bitteren Lehre, welche die unheilvollen Ergebnisse der entgegengesetzten Politik zeitigten, bevor sich ein Teil des Bürgertums in diesem Sinne umſtellte.
Auf Antrag des Generals Smuts und mit Zustimmung Don Lloyd George wurden die Militärpensionen in die Reparationen einbezogen, deren Summe dadurch zu astronomischen Ziffern anschwoll. Später mußte man allerdings den Gesamtbetrag auf ein immer noch enormes, aber weniger übertriebenes Maß reduzieren, ohne aber die Militärpensionen wieder herauszunehmen. Das Endergebnis bestand darin, daß gerade denjenigen Ländern, welche am meisten unter dem Krieg gelitten haben, nämlich Frankreich und vor allem Belgien , der Anteil an den Annuitäten aus dem Dames- und dem Young- Plan auf einen viel geringeren Prozent fat herabgedrückt wurde, als wenn man sich auf die Wiedergutmachung der direkten Schäden beschränkt hätte.
In bezug auf die Kriegsschulden hat sich bekanntlich England von Anfang an prinzipiell für deren Streichung ausgesprochen. Es stellte sich auf den Standpunkt, von seinen Schuldnern nicht mehr zu fordern als den Gegenwert dessen, mas es selbst an die Vereinigten Staaten zu zahlen hat. Diese dagegen haben sich bis jetzt unnachgiebig gezeigt. Nachdem sie während der Zeit ihrer Neutralität aus dem Handel mit den kriegführenden Staaten gewaltige Gewinne erzielt hatten, weigerten sie sich nun, von ihren Forderungen gegenüber Europa auch nur einen Deut nachzulassen. Sie haben sogar Belgien die Befreiung von seinen Kriegsschulden verweigert, welche ihm von Wilson versprochen wurde und von Frankreich und England in vollem Umfang gewährt worden ist. Hoover erklärt die amerikanischen Schuldforderungen auch heute noch als unantastbar. Er hat lediglich ein Moratorium vorgeschlagen, das seinen Schuldnern erlauben soll, Atem zu schöpfen. Er lehnt jeden Schuldennachlaß ab, obwohl er in Paris am 3. August 1918 erflärt hatte: Ihr schuldet uns teine Dankbarkeit für das, was die Vereinigten Staaten getan haben, denn es handelt sich um die gemeinsame Verteidigung." Wenn er dennoch Zahlungsaufschübe und Fristen gewährt unter der Bedingung, daß die andern desgleichen tun, mas es sie auch foste, so tut er dies und er verbirgt es auch nicht im wohlverstandenen Interesse der Vereinigten Staaten selbst; seine Schonung Europas , und ganz besonders Deutschlands , entspringt feineswegs gefühlsmäßigen Ermä
gungen.
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Bei den militärischen Ottupationen bedurfte es des Mißerfolgs an der Ruhr, um die früheren Alliierten zu deren vorzeitigen Beendigung zu bewegen. Aber wenn auch die Okkupotionen aufgehört haben, die Rüstungen dauern weiter an. Was für ein schöner Borwand für die Nichtannullierung der