Oeuische Grzieher reisen durch Frankreich In diesen Tagen haben sich 30 Berliner Lehrer auf den Weg nach Frankreich gemacht, um einen möglichst lebendigen Eindruck von französischem Wesen zu gewinnen, um das Verständnis für den Nachbarn zu stärken. Ihr Führer ist ein Mann, der durch seine genau« Kenntnis Frankreichs , die er sich durch jahrelangen Aufent- halt vor dem Kriege und durch wiederholten Ausenthalt nach dem Kriege erworben hat. besonders dazu geeignet ist. Es ist der Ber - liner Bürgermeister, Genosse Dr. O st r o w s k i, vom Verwaltungs- bezirk Prenzlauer Berg . Nach den guten Erfolgen, die man mit dem Schüleraustausch erzielt hat, wird auch hoffentlich dieser Reis« Erfolg beschieden sein. Man kann noch so viel schreiben und lesen, einen wirklichen Eindruck vom Wesen des andern Volkes kann man immer nur gewinnen, wenn man unter ihm weilt. Erst dann wird das wirkliche Verständnis für Wesen und Handlungsweise des an- dern Volkes kommen, wird man seine Handlungen richtig zu werten vermögen. Genosse Ostrowski, der Führer der Berliner Lehrergruppe, hat über Zweck und Ziel der Reis« ungefähr folgendes geäußert: Die Reise ist keine Vergnügungsfahrt. Di« Teilnehmer geben ihre Ferien daran, um in 25 Tagen ganz Frankreich zu durchqueren. Die Reiseroute geht über Le Havre . Bordeaux , Toulouse , Nimes , Marseille , Grenoble , Lyon . Ueberall werden die Reisenden von französischen Freunden empfangen werden. Ueberall will er immer wieder betonen: nicht die Isolierung des einzelnen Volkes, nur die gemeinsame Arbeit der europäischen Staaten kann einen wirklichen Wiederaufbau bringen. Die letzte Etappe der Reise ist das Herz Frankreichs , ist Paris . Dort wollen die Mitglieder der Studienreise an der Jean Jaures- Feier teilnehmen. Genosse Dr. Ostrowski, der das französische Volk kennt und liebt, äußerte vor der Abfahrt den Glauben, den wir all« mit ihm teilen, daß auch im französischen Volke in allen seinen Schichten Verständnis und Bereitwilligkeit lebt, in gemeinsamer Arbeit mit Deutschland und dem übrigen Europa am Neuaufbau mitzuhelfen. Auch Frankreich ist friedenshungrig. Bei jedem Zusammentreffen mit den Franzosen soll immer wieder auf dieser Reise der Gedanke Ausdruck finden, daß dem Frieden nur dadurch gedient werden kann, wenn män sich rückhaltlos zu dem Friedensgedanken bekennt und das Bekenntnis durch praktische Arbeit unterstützt.„Die französische Annäherung und die europäisch« Wirtschasts- und Kulturgemeinschaft müssen kommen, wenn wir uns als Kulturvölker Europas nicht ganz aufgeben wollen". Mit diesen Worten, die in der augenblick- lichen Situation besondere Bedeutung haben, klingt die ErNärung Dr. Ostrowskis aus. Mit dem besten Willen und großen Hoffnungen ist die Lehrergruppe auf ihre Reise durch Frankreich gegangen-, wohl wissend, daß Böswillige diesen Annäherungsversuch an dos Nachbar- voll auch hier wieder übel auslegen werden. Sie bekennen sich trotzdem offen zu ihren Zielen in dem Bewußtsein,' daß sie damit ihrein Vaterland besser dienen als die, die aus Militärtagen mit den Massen rasseln und heuchlerische Reden halten. Es wird nicht leicht sein, im Laufe so weniger Wochen«inen wirklichen Eindruck von Frankreich und dem französischen Volk zu bekommen, das in den verschiedensten Landesteilen auch außer- ordentliche Wesensverschiedenheiten ausweist, aber ein hervorragender Führer, der Land und Leute kennt, steht zur Verfügung. Hoffentlich wird man auch in Frankreich dem ehrlichen Bestreben der Berliner Lehrer, fremdes Wesen verstehen zu lernen, das richtige Verständnis entgegenbringen._ W. E.
Jur 20 Mark mit der Eisenbahn. Für einen Fahrpreis von 20 M. würde man in Deutschland von Berlin bis Marienbod(393 Kilometer), in der Schweiz von Berlin bis Bayreuth (409 Kilometer), in England von Berlin bis Weimar (249 Kilometer), in Italien von Berlin bis Danzig (506 Kilometer). in Frankreich von Berlin bis Augsburg (600 Kilometer), in Oesterreich von Berlin bis Boden-Baden(720 Kilometer), in Polen von Berlin bis Ostende (915 Kilometer), in Ungarn von Berlin bis Budapest (1005 Kilometer), in Amerika von Berlin bis Chemnitz (211 Kilometer) gelangen können. Amerika ist osso das teuerste, Ungarn das billigste Land hin- sichtlich der Fohrpreise. Deutschland steht im Verhältnis zu den übrigen Ländern noch in der Mitte.
-Zß, soviel du willst." „Du kannst essen, was und soviel du willst, für 60 Cents!" Diese Anzeige, die kürzlich in großen Plakaten an einem Rew-Porker Restaurant erschien, bracht« eine solche Menge Gäste in das Lokal, daß der schlaue Einfall bald Nachahmung fand. Es gibt jetzt schon etwa ein Dutzend von Gasthäusern, die aus diese Weise den durch die Wirtschaftskrise gesunkenen Besuch wiederbeleben und damit gute Geschäfte machen. Die Einnahmen sind um 20 Prozent und mehr gestiegen, trotzdem dem Appetit der Gäste keine Grenzen gesetzt werden. Es hat sich bald gezeigt, daß nur etwa 10 Prozent der Besucher die ihnen geboten« Gelegenheit mit allen Krästen aus- nutzen: die übrigen essen nicht mehr, als sie auch sonst zu sich nehmen würden. Alle Gastwirte, die diese Parole ausgegeben haben, wissen Fälle von erstaunlicher Gefräßigkeit anzuführen. Da erschien z. B. ein Mann, der dreimal Leber mit Zwiebeln bestellte, dann zweimal Gemüsesalat aß, Melonen, Bisquit, süße Speise und dazu vier Tassen Kaffee und einen Cocktail aus Tomatensaft schlürfte. Eine Frau aß ununterbrochen eine halbe Stunde lang und war dann nicht imstande, das Lokal zu verlassen. Im allgemeinen wird aber Nicht mehr verzehrt, als für 2,50 Mark geliefert werden kann. Am meisten essen die Fremden und finden nichts Erstaunliches dabei. Die New-Vorker aber sind mißtrauischer: sie wollen nicht recht glauben, daß man bei dieser Art Geschäft auf seine Kosten kommen kann, und lassen sich von dem Geschäftsführer versichern, daß dabei ganz gut verdient wird. Toscaniui dirigiert den„Parsisal". Im Rahmen der B a y- reuther Festspiele fand Mittwoch die erste ,.Porsisal"-Aus- führung statt, die ihre besonder« Weihe durch die erstmalige Stab- führung Toscanims bei diesem Werk erhielt. Vor ousverkaustem Haus gaben Orchester, Solodarsteller und Chöre ihr Bestes und ver- einigten sich zu einer überragenden Leistung. Schrumpfung der deutschen Büchercrzeugung. Nach den im Buchhändler-Börsenblatt veröffentlichten Zahlen über die Bücher- erzeugung des ersten Halbjahrs 1931 ist die Abnahme der Reu- erscheinungen, die schon 1930 gegen 1929 ziemlich bedeutend war, noch weiter fortgeschritten. Während im Jahre 1929 in der Zeit vom Januar bis Juni 6570 Neuerscheinungen gezählt wurden, und diese Zahl 1930 noch 6297 betrug, ist sie im Jahre 1931 auf 5973 zurück- gegangen. Der Rückgang in diesem Jahr betrögt also gegen 1930 etwas mehr als 5 Proz.,' gegen 1929 aber fast 10 Proz. Auch die Aussuhrziftern zeigen deutlich einen Rückgang. Man kann die all- gemeine Umsatzschrumpsung in diesem Jahre bisher auf durchschnitt- (ich 15 Proz. schätzen,
An den Sitzungen des Vorstandes des Internationalen Gewerk- schaftsbundes, der gegenwärtig in Berlin tagt, nimmt auch einer seiner Vizepräsidenten, der Generalsekretär der französischen Gewert- schaften Leon Jouhaux t«il. Wir haben die Gelegenheft wahr- genommen, um Jouhaux , dessen Persönlichkeit und Einfluß weit hinausreichen über den Kreis seiner Tätigkeit innerhalb der fran- zösischen Gewerkschaftsbewegung, zu befragen über die in Frankreich vorherrschende Auffassung, das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich betreftend. Wir haben Jouhaux ein« Reihe von Fragen vorgelegt, die er uns bereitwilligst und ohne ihnen auszuweichen beantwortet hat. Wir geben im folgenden der Reih« nach die Fragen und die Antworten Jouhaux ' wieder. Frag« 1: Wie verhüll sich nach Ihrer Meinung die Grund- auffassung des französischen Volkes gegenüber Deutschland ? Antwort: Das sranzösifche Volt ist in seiner Gesamtheit Deutschland nicht feindlich gesinnt. Der Franzose ist im allgemeinen friedfertig, der Haß dauert bei ihm nicht, er liebt die Ruhe. Außer gewissen Polittkern und einer gewissen Presse, die genährt werden durch die Handlungen und Gesten der deutschen Nationalsozialisten, hat niemand in Frank- reich feindlich« Absichten gegenüber Deutschland und den Deutschen . Ich will selbst hinzufügen, ohne zu fürchten, mich zu irren, daß die öffentliche Meinung in Frankreich einer parlamentarischen Mehrheit nicht folgen würde, wenn diese gegenüber Deutschland eine Politik der Demütigung beabsichtigte. Wenn der Durchschnittsfranzose die Achtung vor den Friedens- oerträgen fordert, so geschieht dies, weil er glaubt, daß davon der Frieden selbst abhängt. Jedes friedliche Verfahren, dessen Ziel die notwendige Abänderung des gegenwärtigen Status ist, wird von unserer öffentlichen Meinung angenommen. Frag« 2: Glauben Sie an die Möglichkeit einer deutsch - französischen Verständigung, die nickst nur ein äußerer Schein, sondern eine wirtschaftliche und politische Gemeinschaft ist? Antwort: Ich glaube an eine deuffch-fvanzösisch« Verständigung, die die Grundlage jeder Neuregelung in Europa bilden wird. Ich hätte gewünscht, daß man, um sie zu verwirklichen, die gegenwärtigen Umstände benutzt, mit dem Ziele, ein« wirtliche „neue A e r a" zu schaffen, durch eine breite deuffch-sranzöstsche Verständigung, indem man den allgemeinen politischn Rahmen dieser Verständigung umreißt, innerhalb dessen die wirtschaftlichen und finanziellen Abmachungen und Organisationen eingereiht würden, die dies« Verständigung beleben, ihre Stabilität und Ver- vollkommnung sichern und beiden Völkern und Europa die Elemente des Vertrauens geben würden, die zur Entwicklung ihres Reich tums und ihrer Zukunft notwendig find. Frag« 3: Welches ssnd nach Ihrer Meinung die Bedingungen einer derartigen Gemeinschaft? Antwort: Die Grundlage solcher neuen Beziehungen werden
gebildet durch wirtschaftliche Ueber«inkomme n. Diese Uebereinkommen können die Sanierung der Wirtschaft der beiden Länder und besonders der Wirtschaft Deutschlands bringen. Di« wirtschaftliche Regelung und eine normale Friedenspolitik würden die Beseitigung der Krise sichern und einer allgemeinen Herabsetzung der Zolltarife oder der Klausel der Meistbegünstigung die ganze Tragweite und Bedeutung zu geben imstande sein. Diese Reu- organisation dürste sich nicht nur aus das Festland beschränken, sondern müßte ihre Zusammenarbeit auch auf kolonialem Gebiete ausdehnen. Diese Zusammenarbeit müßte zum Ziele haben, di« Neuregelung Europas , um aus wirtschaftlicher Grundlage eine Gemeinschaftsarbeit oller herbeizusühren. Frag« 4: Gibt es in Frankreich einflußreiche Teile der öffent- lichen Meinung, die praktisch die Verwirklichung einer deutsch - französischen Verständigung ins Auge fassen, mit dem Ziele enger. inniger Beziehungen der beiden Länder, die auf di« Vereinigten Staaten von Europa hinauslausen? Antwort: Es gibt nicht nur einflußreiche Teile unserer öffent- lichen Meinung, die diese Annäherung und diese Neuorganis ition Europas wünschen, es ist die große Mehrheit des fran» zösischen V o l ke s. die so denkt und ihre Gedanken zum Aus- druck bringt durch ihre Organisationen und durch ihre Abstimmungen. Frage 5: Wie kommt es, daß all« französischen Regierungen immer di« Sicherheit Frankreichs gegenüber Deutschland in den Vordergrund stellen, obwohl Deutschland faktisch entwaffnet ist, d. h. daß die französischen Regierungen da» Recht, wenn nicht die Pflicht Frankreichs betonen, zu rüsten, und di« Pflicht Deutschlands abzurüsten, selbst unter die Grenz«, die der Vertrag von Der- sailles gezogen hat? Antwort: Das ist in Frankreich eine politisch« Frag«, die ihre scheinbare Rechffertigung bisher gesunden hat in den geräuschvollen Kundgebungen der Anhänger Hitlers und Hugenbergs und— es ist notwendig, das auszusprechen— in der Nachsicht, die di» verschiede- nen deutschen Regierungen gegenüber diesen reaktionären und kriegerischen Elementen auszuüben schienen. Alle Motiv« und Ursachen des Mißverstehens zwischen Frankreich und Deutschland müssen beseitigt werden durch eine Politik der direkten Aus- spräche und der Desavouierung jeder Nationalist!- schen Betätigung. Die nationalistischen Kundgebungen sini> es, die die Atmosphäre vergiften und die Furchtsamen sammeln um die Idee der Ausrechterhaltung des statu» quo. Frage 6: Glauben Sie, daß di« Nationalisten und Faschisten bei den französischen Parlamentswahlen im nächsten Jahre Aus- sichten auf Erfolg haben? Antwort: Ich glaub« nicht an den Erfolg der Reaktionäre in Volk steht links, und die Linke, ganz besonders aber die Frankreich im Jahre 1932. Fafchfften gibt es bei uns nicht. Das Sozialisten, werden bei den Wahlen im Jahre 1932 triumphieren.
Kitschmuseum in Gefahr Gchreckenskammer des schlechten Geschmacks
Beim Eingang in die Katakomben von St. Stephan in Wien dient ein Totenkopf als Weihwasserkessel. In der Allerheiligengruft- tirche des böhmischen Städtchens Sedletz hat man aus Menschen- knochen und Totcnschädeln Pilonen, Wappen, Lambrequins, Krön- leuchter und dergleichen zusammengestellt. Die Ute-Jndianer tragen menschliche Fingerglieder an einem perlengeschmückten Band« aus Menschenhaut befestigt als Halsbänder. Die Tibetaner verwenden Menschenhaut zum Ueberspannen von Tamburinen. In der Göttinger Bibliothek befindet sich ein in Menschenlcder gebundener „Hypokrates", im Museo Carnevalet in Poris ein ähnliches Buch, das die Konstitution von 1795 umfaßt. Der französische National- konoent soll die Gerberindustrie der Menschenhaut besonders ge- fördert haben: selbst heutzutage werden noch Bücher In Menschen- leder gebunden. Der Pariser Chemiker Barruel soll einen Ring besessen haben, der, obwohl eigentlich gewöhnliches Eisen, doch zu den Raritäten gezählt werden muh, da dieses Eisen nach und nach in ganz kleinen Mengen aus menschlichem Blute gewonnen worden ist, und eine Dame der Chikagoer Gesellschaft soll ein Halsband aus eigenartig präparierten peruanischen Menschenaugen besitzen. Ueber Tausend« und aber Tausende solcher Fälle der Un- geheuerlichkeit weiß der Direktor des Stuttgarter Landeegewerbe- museums, Prof. D. Gustav Pazaurek , zu erzählen, der es zu seinem Lebensziel gemocht Hot, gegen die Geschmacksverirrungen der Menschen anzukämpfen. Denn von Menschenschädeln und. Menschen- häuten angefangen bis zu Spinngeweben und Schmetterlingsflügeln gibt es wohl keinen Stoff, der sich nicht eine kunstgewerbliche Miß- Handlung hätte gefallen lassen müssen. Und es gibt kein zweites Uebel auf der Welt, das verbreiteter, tiefer wurzelnd, kulturloser »nd verbrecherischer wäre, als die Geschmacksverirrungen der Menschheit in ihren tausend Formen und— der Kitsch. Es gibt ein Museum in Deutschland , wohl einzigartig auf der ganzen Welt und das sonderbarste, das jemals gezeigt wurde, dos es sich zur Aufgabe machte, alle wertlosen und abschreckenden Pro- bukt« der menschlichen Geschmacklosigkeit planmäßig zusammenzu- bringen. Dieses Museum— dem Landesgewerbemuseum ange- gliedert— ist. au» einer gelegentlichen Sonderschau entwickelt, da» sogenannte Kitschmuseum in Stuttgart . Sein Begründer und Leiter ist der bereits erwähnte, durch feine Tätigkeit weltberühmt gewordene Professor Pazaurek . dessen Hauptaugenmerk darauf gerichtet war, die ewig gültige Regeln des guten und schlechten Ge- schmacks festzusetzen. Mit seiner Sammlung, die«in« Uebersicht der schlimmsten Vergehen sein sollte, mit denen eine spekulative Produktion das Geschmacksempfinden gewollt oder ungewollt ge- schädigt hat, erwarb er unvergleichliche Verdienste im Kampfe gegen die Mißgriffe der Industrie und gegen das Ueberhandnehmen des Kitsches im Geschmack des Publikums. Es wäre falsch zu glauben, daß der stürmische Jubel, mit dem die kunstverständige Welt das Kitschmuseum begrüßt hatte, wider- spruchslos verklungen wäre. Gewissen Kreisen der Industrie, die die Welt mit ihren billigen Erzeugnissen überschüttet, war diese In-
stitution, die die Abkehr des Publikums vom Kitsch und seine Be» kehrung zum guten Geschmack anstrebte, von Ansang an ein Dorn im Auge, und es waren ihrerseits immer Bestrebungen im Gange, diese wertvoll« Sammlung aus dem Wege zu räumen. Doch scheint es, daß der Kampf um das Kitschmuseum in diesem Augenblick zu einem entscheidenden Punkt gelangt ist. Unter dem Einfluß dieser Jndustriekreise wird jetzt bei den württembergischen Staatsbehörden ernstlich erwogen, ob das Kitschmuseum nicht gänzlich oder teilweise aufgelöst werden soll. Wer hat Interesse daran, wird man fragen, daß diese verdienst- volle und ruhmreiche Sammlung, die populärste Sehenswürdigkeit Stuttgarts und«in Stolz der deutschen Museumskunst, auseinander- gerissen und vernichtet werden soll? Die kunstverständige Welt ver- langt ihr Weiterbestehen. Die breiten Massen ließen sich gern durch sie zu einem besseren Geschmack erziehen. Feindlich gesinnt sind ihr einzig und allein diejenigen, di« eine allzu große Popularität und Verbreitung der Bestrebungen des Kitschmuseums befürchtend, durch sein Weiterbestehen ihre Geschäftsinteressen gefährdet sahen: die- jenigen Industriezweige, deren Produkte zum abschreckenden Beispiel der Geschmacklosigkeit im Kitschmuseum aufbewahrt und verewigt worden sind. Man verachte nicht ihre Zahl. Die Ausdehnung der Geschmacks- verirrungen, die Grenzen des Kitsches find nicht weit genug abzu- stecken. Ein Blick in di« Schränke des Kitschmuseums genügt, um sich darüber ein Bild zu machen. Da sieht man u. a.: den Kölner Dom als Briefbeschwerer, Blumensträußchen aus abgeschnittenen Fingernägeln, Kaiserbüsten aus Schokolade und Seife, Aschenbecher aus Fischschuppen, Wilhelm II. als leuchtende Glasbüste einer Nacht- lampe, Senftöpfchen in Form diskreter Nachtgefäße, Stühle aus Hirschgeweihen, Bismarckkopf als Bierseidel, Damenbein als Schnurr- bortbürste, ein Stehqusmännchen mit den Zügen Hindenburgs, Seifen in Form nackter Menschen, Bucheinbände al, Schnapskisten, Thermometer in Reitpeitschenform, Geschützgranaten als Spieldosen. Kleiderhaken aus Bajonetten, Graf Zeppelin als Modebild usw. usw. Massenkitsch ist«ine Kulturgefahr. Dagegen zu kämpfen sollte man. che man an die Vernichtung der Stuttgarter Sammlung destkt, in allen Kulturzentren ähnliche Sammlungen gründen.-�osl.
Professor Max von Rümelin , der Kanzler der Universität Tübingen , ist am Mittwoch im Alter von 70 Jahren gestorben. Der verstorbene Lehrer des römischen und deutschen Rechts hat sich in gleicher Weise um den wissenschaftlichen Ruf wie um die Ber- waltung der Universität verdient gemacht. Da» wiener Reinhardt-Seminar als Wanderbühne. Das Wiener Reinhardt-Seminar plant für die kommende Theaterspielzelt in Wien eine Reihe von Swdio-Ausführungen, mit denen dann im Lause der Saison auch andere österreichische Städte, die über kein eigenes Theater-Ensemble verfügen, bespielt werden. Die Gastspielreisen, die da» Reinhardt-Seminar bereits durch eine Reihe österreichischer Provinzstädte geführt hat. sollen auch nach Deutschland ausgedehnt werden. Mit einem besonderen Programm wird das Reinhardt- Seminar auch tu. Berlin gastieren.