(Beilage Montag, 27. Juli 1931
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Als am schwarzen Montag, dem 13.(!) Juli, die Finanzkrise ausbrach, verbreitete sich im Nu eine Panikstimmung im Westen Berlins , die noch jetzt in gewissem Matz anhält. So ruhig und besonnen die werktätige Bevölkerung Berlins in der letzten Krise war, so kopslos von allen Teufeln der Panik gejagt waren die wohlhabenden Kreise. Es schien, als verständen die Menschen mit den großen Bank» kanten, daß diese Krise eine kapitalistische, also ihre Krise ist. ?edeinalls gebürdeten sie sich wie die hysterischen Damen ihrer Gesellschaft. Im Auto raste man den Kurfllrstendamm entlang, um Bekannten die neueste(erfundene) Panikmeldung zuzuschreien. Jeder Bank- oder Börsenmensch war ein fjerd wildester Gerüchte. Mehr als in irgendeinem Teil Berlins wurde in den ersten Tagen der Krise am Kurfürstendamm wild aufgekauft, um das Geld schnell anzulegen. Ein Möbel- und Teppichgeschäft sogt, daß es seit Jahren kein solches Geschäft gemacht habe wie in den ersten Tagen der Krise. Auch ein Juwelier reibt sich bie chände und ist mit dem Umsatz am 13., 14. und 13. Juli sehr zufrieden. Ergrissen von der Jnslationsangst, kaufte man für das ganze verfügbare Geld Wertsachen. Dann kam der Rückschlag: man erkannte, daß von Inflation keine Rede sei, und jeder begann das übrig ge- bliebene Geld doppelt stark festzuhalten. Auf einmal dachte am und um den Kurfürstendamm herum niemand mehr daran, seine Rech- nungen zu bezahlen! Die Geschäfte im Westen klagen, daß ihre Kunden, obwohl sie trotz der Banksperre genug Bargeld haben, nicht daran denken, auch nur eine Mark aus der Tasche zu nehmen. Jeder behauptet, ein unglücklicher Danatbankkunde zu sein! Wenn die Danatbank wirklich so viel Kunden hätte, wieviel Menschen jetzt behaupten es zu fein dann könnte sie nie pleite gehen! Bielen ist die Banksperre eine sehr willkommene Ausrede. Aber immer mehr Geschäfte gehen dazu über, Schecks anzunehmen. 60 Proz. der Geschäste sollen sich jetzt mit Schecks abwickeln. Luch Donatschecks werden sehr gern angenommen. Viele Geschäfte am Kurfürstendamm sagen, daß die Leute, vor allen Dingen die Frauen, mit Schecks leichter und mehr beim Ein- kaufen ausgeben als mit Bargeld. Man hofft, daß die Kunden ein gutes Gedächtnis für die Größe ihres Bankkontos haben! Augenblicklich herrscht eine völlige Stagnation des Geschäfts- lebens. Je größer das werte Konto in der Schweiz , desto ängstlicher wartet man die Entwicklung ab. Einige ganz aus dem Häuschen geratene Börsianer begannen kürzlich sogar über die Banken in der Schweiz wilde Gerüchte los- zulassen. Da konnte man denn beobachten, wieviel ehrenwerte Staats- bnrger und Patrioten bei diesem Gerücht einen kleinen Herzfehler bekamen... Ileberhaupt merkt man die Unruhe der Kapitalinhaber nirgends so deutlich wie auf dem Kursürstcndomm, dieser Straße, auf der tzm sonst, nur Augen für die vorbeipromenierenden Frauen hat. -Heute dagegen steckt seder- seinen Kops in die Zeitung, und Herren, „�ie sonst um diese Zeit ihr� Bäuche in Waricnbad spazieren trogen, lü'den auf dem Kurfürstendamm Dcbattierklubs. Jeder der Herren Generaldirektoren suhlt sich verpflichtet, der Regierung„nationale" Ratschlage und gute Lehren zu geben. Deshalb find auch die Cafes voll. Ueberall wird diskutiert. �National« Diktatur" ist dos dritte Wort zwischen den Mixturen. Siegesbewußt schlägt man sich an die Brust(Brieftasche!), bis wieder ein Makler ins Cafe rennt und flüsternd einige geheime Kurse mitteilt, worauf die Clique wie ein aufgeschreckter 5)ühnerhaufen auseinanderläuft...
Geheimer Devisenverkehr ist nicht zu bemerken.„Dollar gefällig?" hört man nicht wie einst auf der Straße. Die Herren Devisenraffer arbeiten aber doch! Wenn auch in kleinerem Umfang und mit neuer Methode! Bekanntlich führen die amerikanischen Reisebüros Adreßbücher von in Berlin wohnenden Amerikanern. So ist es den Devisen- raffern möglich, Adressen von Amerikanern zu erfahren, die sie dann mit telephonischen Anrufen bestürmen:„Kann ich bei Ihnen Dollars kaufen?! Zahle den Kurs von..." Der Touristenverkehr aus USA . ist gar nicht abgeflaut. Auch aus dem übrigen Ausland treffen die Reisenden normal ein. Da- gegen ist der Verkehr aus Deutschland ganz lahmgelegt. Aus Berlin z. B. fährt augenblicklich niemand ab. Der Leiter des größten Reise- biiros schildert den deutschen Reiseverkehr in vier Worten: „Es ist alles tot!"
Die Kunden aus dem Westen hoben schon bestellte Reisen ab- gesagt, auch wenn sie das Geld schon zur Verfügung hatten. Auch Reisen versucht man mit Schecks zu bezahlen, um nur das Bargeld nicht aus der Tasche zu geben. So verzichten viele auf die Reise und bleiben in Berlin . Aus diesem Grunde stellen viele Cafes ein gutes Geschäft fest. Die sonst große Abwanderung in der Ferienzeit ist nicht emgetrosfen. Auch Kabaretts können nicht klagen. Man scheint trotz des großen Bargeldhunoers für das eigene Vergnügen noch immer etwas ansetzen zu können: man geht ins Kabarett und seufzt über die Kata- strophe. Es ist bei den Herren Kontoinhabern mit über sechsstelligen Zahlen ja nicht erst seit gestern modern, zu jammern. Wahrhaftig, das Kapital ist mit all seinen Fehlern international! Kürzlich schrieb, wir sagten es schon einmal, ein amerikanisches Blatt: „Ein satter Börsianer jammert lauter als hundert hungrige Arbeits- lose." Das kann man jetzt auch auf Berlin anwenden: denn wirklich: ein Herr aus dem Westen mit Konten in der SchweizmachtmehrPanikalshundertHungrige!"
fi.H.lftosiar*
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Der Astarteglauben wurde vom Zeusglauben überwunden. Der Zeusglauben wurde vom Jahweglauben übertroffen. Den Jahwe- glauben besiegte das Christentum. Ob Aufklärung und Frei- denkertum je das Christentum überwinden werden, weiß man nicht. Eines aber weiß man, nämlich dies, daß nur ein einziger Glaub« ewig ist. Das ist der Aberglaube. Bewciskrästige Zeugen aus unserem neunmalklugen, errungen- jchaftsreichen, volksbildendcn 20. Jahrhundert: die Bäuerin aus Wiescnburg, 11, Stunden vor Berlin , die Köchin aus Weimar , der Henker oder richtiger die Kontrollmädchen von Prag und die Studentin von Jaisy in Rumänien . Nur eine kleine und zufällige Auswohl, versteht sich— was eben der Tag bringt... Beginnen wir mit der Bäuerin von Wiesenburg , weil wir das so schön nahe haben. Sic begräbt ihren Mann, diese Bäuerin. Wie sich'? gehört: mit Pforrerrede und Leichenschmaus und so. Aber eins hat sie doch unterlassen, eben des Herrn Pfarrers wegen, der darin so komisch ist: sie hat dem Toten keine Wegzehrung mitgegeben, kein Brot, kein Geld. Mithin wird er auf dem Wege zum Himmel verhungern, und selbst, wenn er es doch schafft, er hatte ja immer eine so zähe Natur, ihr Seliger— selbst dann wird er oben das Entree nicht bezahlen können. So hat man sie's gelehrt, nicht in der Schule, sondern, wo? viel wirksamerHst, heimlich aus Großmutter? Munde in der Ofenecke: so lehrt man es feit etlichen tausend Jahren, die letzten tausend davon ist man allsonn- täglich in die Kirche gegangen, hat's abgebüßt und dann weiter ge- lehrt, denn was man weiß, weih man. Und nun bedrückt es natürlich die Bäuerin, daß sie es trotzdem unterließ, und pe. suchte sich ihren KuMmer zu erleichtern, indem sie davon erzählt. Run, wo ein Leidtragender ist, da ist auch ein Tröster, wenn auch nur in Gestalt eines begriffsfixen Handwerksburschen, der durchwandert und in der Kneipe von der Sache hört. Er suchte die Witwe auf: das liehe sich schon noch einrenken, nur daß es jetzt selbstverständlich etwas teurer sei: ober dreihundert Mark, um Mitternacht niedergelegt am Grabe des Entschlafenen, würden ausreichen und bestimmt von dem Toten oder seinem Schutzengel abgeholt werden. Die Bäuerin trak- tiert den Heilsbringer reichlich mit Bier und Brot und Geld und bringt, zitternd, um Mitternacht die dreihundert Mark zum Grab«.
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Diese überaus delikate Frage halte jüngst das Arbeitsgericht in Potsdam zu entscheiden. Ursache des Rechtsstreites war ein Inserat aus dem„Völkischen Beobachter" folgenden Wortlauts: Fememörder , infolge Erfüllungspolitik und JDoung» Knechtschaft arbeitslos, sucht Arbeit in national gesinnter Familie. Vielseitige Vorbildung, Führerschein usw. usw- Die» Inserat los der pensionierte General Graf von C.. Pots- dam, als er gerade nach einem D>«ner und Chauffeur Ausschau hielt. Hier stieß er aus den richtigen Mann. Er ließ sich den Inserenten kommen und nahm ihn ohne Bedenken in sein« Dienste, weil es ihm, wie er sich vor Gericht ausdrückte, besondere Genug- tuung bereitete, bei Tisch von einem Manne dedient zu werden, an desien Händen Berräterblut klebte. Länger« Zeit verlief das Dienstverhältnis zur beiderseitigen Zufriedenheit. Der Feme - mörder, in Zivil Bruno S. geheißen, genoß im Haus« des Generals «ine Bertrauenxstellung. Bei der anerkannt nationalen Gesinnung des Generals konnte die Stellung des Dieners nichts erschüttern, bis von einer ganz verwarteten Richtung her die Katastrophe nahte. Anläßlich eines Regimentstage« hatte der General einen früheren Offizier ein- geladen, der in der Schwarzen Reichswehr als Mitglied der „Tscheka " um Oberleutnant Schulz und als Anstifter mehrerer Mordtaten gegolten hatte, wenngleich sich seine Schuld vor Gericht niemals hatte klar erweisen lassen. Der General, dem der Gedanke des unvermuteten Wiedersehens zwischen seinem Gast und dessen ehemaligen Untergebenen besondere Freud« bereitete, wollte die Ueberraschung vollständig machen: Er setzte weder Gast noch Diener in« Bild. Pünktlich erschien der Leutnant zum Mittagessen, bei dem Bruno S. wie gewöhnlich austrug. Der Graf wartete gespannt. Der Leutnant löffelt« seine Suppe mit gutem Appetit, verzog aber kein« Miene. Offenbar hotte er den von hinten servierend«» Bruno S. gor nicht bemerkt. Nun aber kam die geheiligte Zeremonie des Weineinschentens. bei der sich der Diener tief zum Gast herabbeugte, um ihm die Frage ins Ohr zu flüstern:„Trinken Herr Leutnant weiß oder rot?" In diesem Augenblick wendete der Leutnant den Kopf, schaute Bruno S. voll ins Gesicht und sprach mit träumerischem Zungen- schnalzen:„Rot." Sonst nichts. Enttäuschtes Erstaunen des Ge- nerals. Nachdem der Diener das Speisezimmer verlosten hatte, beugte der Gastg«b«r sich zu dem Leutnant und raunte ihm die
Frage ins Ohr:„.Herr Leutnant, haben Sie«den nichts gemerkt?" Worauf der Leutnant schwieg. Ehe der Graf weiterforschen konnte. kam der Diener zurück und serviert« den Braten. Der Graf spannte wie vor einem Wildwechsel, aber es geschah wieder nichts, worauf der ungeduldig gewordene Gastgeber noch«indringlicher flüsterte:„Merken Sie denn wirklich nichts, Herr Leutnant?" Der Leutnant sah verlegen von seinem Teller auf und verneint«. Da explodierte der Graf. Bruno S. wurde peinlichst mit dem Leutnant konfrontiert und— siehe da— es stellte sich heraus, daß man einen Schwindler vor sich hatte, der niemal««inen Feme- mord begangen oder einer Mordkommission angehört hatte und auch sonst gänzlich unbefleckt von Menschenblut war. Worauf der Graf Knall und Fall diesen hochstaplerischen Halunken aus dem Hause warf und sogar Betrugsanzeige gegen ihn erstattete. Diese hatte allerdings keinen Erfolg, Die ZNeine Strafkammer nahm zugunsten des Angeklagten Bruno S. an, daß ihm eine Vermögens- schädigung seines Arbeitgebers nicht ins Bewußtsein gedrungen sei. da es immerhin ein außerordentlicher und nicht sofort erkennbarer Umstand ist, wenn jemand Wert darauf legt, bei Tisch von blut- befleckten Händen bedient zu werden. Dies freisprechend« Urteil ermutigt« den entlass«nen Diener nun seinerseits, den General vor das Arbeitsgericht zu zitieren und ihn, so sehr dieser sich auch üb«r die bodenlose Frechheit entrüstete, aus Gehalt und Derpslegungsgeid für die Kündigungszeit zu vcr. klagen. Der Kläger machte geltend, daß er tatsächlich einige Wochen im Jahre 1923 bei der Schwarzen Reichswehr gewesen sei. Wenn er auch dort keinen Menschen getötet hätte, so sei er doch einmal zur Absperrung eines Waldstückes abkommandiert worden, was möglicherweise als Beihilfe anzusehen sei. Denn man habe nachher gemunkelt, daß in diesem Wold eine Leiche verscharrt worden wäre. Hieraus entnehme er für sich die Berechtigung, sich als Fememörder zu bezeichnen. Da diese Angaben de« Klägers vom General Graf C. nicht widerlegt werden konnten, so drehte sich der Rechtsstreit hauptsächlich um die Frage, ob eine, nur ggnz. lose mit der Mordtot zusammenhängende Tätigkeit, wie. die Absperrung eines Waldstückes, dos Recht verleihe, den Titel„Fememörder " zu führen. Da- Gericht vertagte schließlich die Berhandlung und beschloß, in einem neuen Termin den Gauleiter der NSDAP -, Oberleutnant Schulz, als Sachverständigen über die Frage zu hören: Hat da« Zlnrecht aus die Bezeichnung Fememörder nur der un- mittelbar oder auch der mittelbar—' und falls ja, bis zu welchem Grqde— am Morde mitwirkend« Angehörige der Schwarzen Reichswehr?
Richtig: jemand brüllt ein gespenstisches Huhu, eine weißumflatterte Gestalt stürzt auf die Schreiende los, entreiht ihr die dreihundert Emm Wegzehrung plus Himmelsentrec und verschwindet land- straßenwäcto.... jndeß die Bäuerin, innerlichst beruhigt, nach Hause geht und in Frieden Witwe ist— hinfort. Also geschehen anno 1931, es ist wirklich kein Druckfehler, verdammt nahe bei Berlin . W e i m a r ist auch nicht so sehr viel weiter. Dort lebten Goethe, Schiller und andere aufgeklärte Geister, doch ist das hundert und mehr Jahrs her, jetzt jedenfalls lebt dort Herr Exminifter Frick und die Köchin Emilie. Diese Emilie erlebte eine ebenso wirre wie erschröckliche Geschichte. Sie hatte Verkehr mit einem Herrn, sie überwarf sich mit dem Herrn, der Herr erklärte, er werde der Dienstherrschaft Emilien? allerlei für Emilie peinliche Mitteilungen machen. Nun hatte der Herr aber einen Bruder namens Schorch, und dieser Schorch erbot sich, alles wieder ins rechte Gleis zu drin- gen. Nämlich es gäbe da eine heimliche Loge, die habe es sich zum Ziel gesetzt. Bedrängten zu helfen und Schuldige zu strafen. Diese Loge werde den Herrn und Bruder vier Tage lang einsperren und dann ein Todesurteil über ihn fällen, und dos werde unnachsichtlich vollstreckt, wenn der Verurteilte der Dienstherrschast irgendwas zu- trogen sollte. So einfach war die Sache, so einfach ging das zu machen, dank Schorsch, und Emilie atmete aus und zahlie, nämlich 40 Mark für die Bemühungen des Logenkassierers und weitere 40 Mark Beitragsgeld, denn sie wurde natürlich in die Loge auf- genommen. Jedoch Emilie war keine von den ganz Dummen, oh nein! Sie wollte auch was haben für ihr Geld, sie wollte auch mit in die' Löge genommen werden, zu den geheimen Sitzungen! Und Schorsch sagte nicht nein. Er hatte das nicht nötig, denn es fließt- ein Bächlein durch Weimar , in einem unterirdischen Gang. In diesen Gang, allwo es kühl und feucht war, führte er Emilien: dies fei der Eingang, und er wolle bloß eben mal sehen, ob die Loge offen wäre. Er verschwand und erschien bald wieder, bekleidet mit Tolar und Maske und in Händen haltend eine brennende Kerze und sprechend mit tiefer Stimme— und, Sie werden es mir nicht glauben, aber es ist gerichtsnotorisch, und Emilie erkannte Schorsch nicht... Und sie ließ sich von dem Unheimlichen ihr, sowohl, ihr eigenes Todesurteil vorlesen, das werde in einer Viertelstunde voll- streckt werden, wenn sie nicht-- also, wozu viele Worte: in dieser Beziehung war kein Unterschied zwischen Wresenburg und Weimar , es kostete auch hier dreihundert Mark. Nur wurde der Köchin, dem modernen Prinzip des Dienstes am Kunden folgend, verstattet, ihr Todesurteil auf Stottern zu verhindern: sie zahlte zin- verzüglich 20 Mark an und versprach schriftlich weitere Raten zu 30 Mark. Sie würde auch heute noch zahlen, wenn nicht die Herr- schast was gemerkt und Schorsch hinter Schloß und Riegel gebracht hätte: die Herrschaft hing an Emilie, denn, nicht wahr, trotz Schorsch und Loge und Todesurteil auf Stottern: Emilie kocht gut... und schließlich hat ja auch eins mit dem anderen nichts zu tun____ Weiter auf unserem Streifzug durch den Aberglauben des zwan- zigsten Jahrhunderts, diesmal, damit unser Nationolgesllhl nicht fortgesetzt oerletzt wird, ins Ausland, nach Prag , und vom Pseudo- Henker Schorsch zum richtigen Henker Herrn Franz Broumarski— und damit wird's denn etwas ernster, wird die Komödie zum In- serno echt Prager , fast Meyrinkscher Art. Franz Broumarski näm- lich wurde kürzlich vom Amt suspendiert, weil er in seiner Neben- stellung als Akquisiteur einer dortigen Firma Gelder in Nachtlokalen unterschlagen hatte. Und dabei stellte sich ein weiterer Geschäfts- zweig des Henkers heraus— er pflegte den Strick, mit dem er die jeweils fällige Exekution vorgenommen hotte, in kleine Stücke zu zerschneiden und Stück für Stück an die Prager Kontrollmädchen für teures Geld zu verkaufen, denn dos, nicht wahr, das weiß doch jede Frau, das bringt Glück____ Es brachte Tod, aljo wird es nun Glück bringen: Logik, die fünfhundert Jahre alt ist, aufbewahrt im Gedächtnis der Dirnen, ausgenützt noch immer vom Henker, der Strick wandert, die Zeit steht still: noch immer wird gehenkt, warum sollte nicht auch immer noch Gespensterglaube herrschen? Es ist nicht einzusehen, wirklich nicht einzusehen---- Es herrscht ja auch der Glaube an das Wahrsagen noch, an des Wahrsagen aus Karten, Bibeln, Schlüsseln, Kasfeesatz. Stirnen. Händen und Zehen, Sternen und Schriften, das alles will sogar Wissenschaft werden. Man sollte die Opfer einmal zählen, die dieser Glaube kostete, alle die Lebensschwachcn, die durch düstere Prophe- zeiungen vollständig erledigt werden, die eine in sich müßige Neu- gier(denn was macht das Leben lebenswert, wenn nicht dies, daß wir seinen Verlauf nicht kennen')— die solche ebenso sinnlose wie verständliche Neugier bitter bezahlen müssen! Es ist merkwürdig, daß nicht oft Rache genommen wird an den Prophezeienden, wie es von den Tyrannen des Altertums so oft berichtet wird— und wie es jene Studentin inJassy tat, der eine Wahrsagerin pxophe- zeite, ihr Bräutigam werde sterben. Die Studentin zog in jäher Wallung einen Revolver und schoß die Wahrsagerin nieder. Sie sieht, im Gefängnis sitzend, ihrer Verurteilung entgegen, ein Opfer ihrer Liebe, ihrer Leidenschast. ihres Aberglaubens— und des Unfugs, der all das ausbeutet.— Wie gesogt: da» alles ist nur«ine kleine, zufällige Auswahl. Jede Woche bringt eine neue. Denn es. ist nur ein Glaube ewig: der Aberglaube.