5lr. 353• 48. Jahrgang
± Beilage des Vorwärts
Freitag, 34. Juli 4934
Nach fefiKt erfolgreiche« Arktisfahrt ist das Luft- schiff„Graf Zeppelin " gester« gegen?LlS Uhr auf dem Zentralflughafen in Tempelhof glatt ge- landet. Das schiff verweilte eine knappe Stund« auf dem Flugfeld und setzte dann«ach Uebernahme von Brennstoff und Wafserballast die Weiterreise um �20 Uhr nach Friedrichshafen fort. Der Funk- station des Luftschiffbaues wurde vom Schiff mitgeteilt. das das Luftschiff Freitag früh um 5 Uhr dort landen werde. Zehntausende in Tempelhof . So gewaltige Menschenmossen. wie gestern nach- mittag, hat Tempekhof schon lang« nicht mehr gesehen. Vom Zeppelin war noch nichts zu sehen und zu hören, als bereits der Zustrom der Zuschauer einsetzte. Di« U-Bahn brachte viele tausende hinaus nach Tempelhof , die Stratzenbahnen waren zeitweise überfüllt— fast unendlich war die Kette der Kraftfahrzeuge, die dem Flughasen zu- strebten. Daß ein solcher Massenandrang nicht ohne ein starkes Polizeiaufgebot abgeht, ist selbfwerständlich, und so hatte dos Kommando der Berliner Schutzpolizei viele hundert Beamte ein- gesetzt, die für eine reibungslose Abwicklung des Verkehrs Sorge trugen. Schon am challeschen Tor zeigte es sich, daß„etwas Be- sonderes" los war. An allen Straßenkreuzungen verstärkte Schupo- posten, die den Verkehrsbeamten in ihrem anstrengenden Dienst zur Seite standen. Der Menschenstrom ergoß sich auf das Flugfeld, und die Tribünen weisen bald die allerstärkste Besetzung auf. Zehn- tausende aber halten sich am Weftende des Flugplatzes auf, und warten auf die Ankunft des ,�epp". Zeppelin taucht auf. Es ist gerade 20 Minuten nach 18 Uhr, als fernes Motoren- geräufch den von seiner Cissahrt heimkehrenden Luftriesen ankündigt. Noch ist nichts zu sehen, vergeblich werden die Hälfe gereckt. Zu allererst bekommen das Luftschiff dann die„Zaungäste" zu sehen, als er aus der Richtung des Halleschen Tores her über den Häusern auftaucht. Schnell nähert sich das Schiff dem Flughafen, und unter dem Jubel der Tausend«, unter Tücherschwenken und Hurrah, über- quert das Schiff in geringer Höh« das Flugfeld. Doch bis zur Landung währt es noch eine Weile. In einer großen Kurve umfliegt der„Zepp" den Flughafen, entschwindet den Blicken der Vielen und nimmt wieder Kurs auf das Stadtinnere, wo er noch etwa 20 Minuten kreuzt. Um%7 Uhr kommt das Luftschiff wieder in Sicht, um nun endgültig zur Zwischenlandung überzugehen. Aus der Westseite haben sich zweihundert Schupobeamte postiert, die auf das Niederwerfen der Halteleinen warten. Die Spitze des Schiffes neigt sich langsam zur Erde, vierhundert Hände packen kräftig zu, die Landung,. di<.kaum � Ministen gedauert hat, ist glänzend geglückt. Niemand verläßt die Kabine. Das Luftschiff soll erst von der Westfeit« nach der Mitte des Platzes gebracht werden. Die zwei- hundert Schupobeamten geleiten das Schiff sicher zur Mitte des Flugfeldes i genau um 7 Uhr, also zur vorgesehenen Zeit, geht das Fallrep hinunter. Dr. Eckener entsteigt, mit einem dicken Woll- anzug bekleidet, darunter noch einen Pullover, dem Schiff. Professor Samoilowitsch ist neben ihm, dann folgen die übrigen Teil- nehmer an der Arktissahrt. Wieder, wie vor einigen Tagen in Staaken , ist es Berlins Oberbürgermeister Dr. Sahm, der Dr. Eckener und seiner verdienten Mannschaft die Grüße der Stadt Berlin und den Glückwunsch zum Gelingen des glänzend verlaufenen Arktis-
sluges überbringt. Es ist ein minutenlanges Händeschütteln vor der Gondel, Blumen werden überreicht, ein dreifaches Hoch gilt dem Führer des Schiffes und den Getreuen, die schon so manche gemein- same Fahrt hinter sich haben. Dann sind es die Presiephotographen und Tonfilmturbler, die nicht eher Ruhe geben, als bis sich Dr. Eckener , Profesior Samoilowitsch und die übrigen, je nach Bedarf, knipsen oder kurbeln lassen. Oie Ansprachen. Dr. Eckener mik dem mehrhundertköpfigen Gefolge schrecket dann langsam den Zuschauerplätzen zu, wo in unmittelbarer Nähe das Mikrophon aufgebaut ist, das die Begrüßungsreden übertragen soll. Dr. S a h m richtet an Dr. Eckener das Wort und überreicht ihm das Wahrzeichen der Stadt Berlin , einen bronzenen Bären auf marmornem Sockel zur Erinnerung:„Das silberne Luftschiff sei uns in diesen Tagen tiefster Not ein Symbol des heißersehnten Aufstiegs, von dem wir lernen wollen, was zäher Wille vermag. Mit uns blicke die Weck auf die Leistung des Schiffes, seiner Führung und der wissenschaftlichen Pioniere des russischen Volkes." Dr. Eckener , dem von allen Secken zugejubelt wird, ist sichtlich über den vielleicht nicht so erwarteten herzlichen Empfang gerührt. Er dankt den vielen, die sich zur Begrüßung des Zeppelins ein- gefunden haben, und erzählt dann der gespannt lauschenden Menge, die Fahrt sei dauernd unter einem herrlichem blauen Himmel von- statten gegangen, und auch die Orientierung habe keine Mühe ge- macht. Die Aufnahmen, die man mitgebracht habe, würden zeigen, ein wie ausgezeichnetes Forfchungsmillel das Luslschiss ist. Zum Schluß sprach Dr. Eckener die Ueberzeugung aus, daß es noch sehr häufig für solche ähnliche Fahrten verwandt werden wird. Ueber den weiteren wisienschaftlichen Erfolg der Lustexpedition äußerte sich Dr. Eckener zurückhallend. Vielleicht wollte Dr. Eckener dem be- rühmten russischen Gelehrten Samoilowitsch in keiner Weise vorgreifen. Oer russische Botschafter Chintschuk hieß darauf die Führung des Schiffe» und der Expedition in deutscher Sprache herzlich willkommen. Er zweifle nicht daran, daß die Ergebnisse dieser Fahrt für die ganze Well von großer wissen- schastlicher Bedeutung sein werden. Die Expedition sei eine neue Bestätigung für die völkerverbindende Mission von Wissenschaft und Technik. Mit besonderer Genugtuung erfülle ihn hier natürlich das deutsch -russische Zusammenwirken. Zum Schluß beglückwünschte der Botschafter Dr. Eckener noch einmal zu dem großen Erfolge. Auch Professor Samoilowitsch äußerte sich sehr anerkennend über die gelungene Expedition. Als letzter richtete Kapitän Lehmann, Dr. Eckeners treuer Gefährte, noch einige herzliche Worte der Be- grüßung an die Berliner . Damit hätte die. offizielle Veranstaltung eigentlich ihr Ende erreicht, wenn nicht die Menge verlangt hätte, Dr.' Eckener aus nächster'Nähe zu stehen. Was blieb rhm weiter übrig, er mußte sich den Enthusiasten beugen, und im Auto fuhr er, von Oberbürger- meister Dr. Sahm begleitet, an den Tribünen entlang. In der Zwischenzeit sind die Brenn st offübernahme und die Auffüllung der Wasserreservoire erfolgt. Di« neuen Passa- giere, die das Lufffchiff nach Friedrichshasen begleiten, haben in- zwischen auch unbemerkt Platz genommen, der Start zur Weiter- fahrt kann ersolgen. Kommandos ertönen. Die Motoren beginnen ihr dröhnendes Lied, die Halteleinen werden eingezogen, Zeppelin ist wieder in Fahrt. Von Scheinwerfern beleuchtet, geht der riesige Leib immer höher in die Lüste, und nach einer großen Schleife über
dem Lufthoseu strebte er seinem Standort Friedrichshafen zu. Und die Musik spielte währenddessen:„Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus." Ankunft der Ozeanflieger in Tempethof. Fast völlig unbemerkt waren um 19.30 Uhr die beiden Ozean- flleger H e r n d o n und P a n g b o r n, die um 14.14 Uhr aus dem englischen Großflughafen Croyden gestartet waren, gelandet. Der rote„Bellanca-Pacemaker'-Apparat N. R. 796 W., der mit einem ZOO-Lti-Wright-Motor ausgerüstet ist, war später Las Ziel vieler Schaulustigen, die von der erfolgten Landung erfahren hatten. Die beiden amerikanischen Ozeanbezwinger waren in New Pork gestartet und hatten gestern an der englischen Küste notlanden müssen. Die Flugstrecke Eroyden— Berlin legten sie in einer Durchschnitts- geschwindigkeit von 200 Kilometer zurück. Die amerikanischen Gäste wurden herzlichst begrüßt. Wahnwih des Paragraphen. Sine Mutter wegen Kuppelei verurteilt. Das Strafgesetzbuch als Wahrzeichen einer überlieferten bürgerlichen Morolheuchelei führt, immer noch zu sonderlichen Dingen. Es erklärt für Unzucht jeden Liebesverkehr, der nicht standesamtlich besiegelt ist: es stempelt Mütter zu„Kupplerinnen", weil sie die Liebe ihrer Kinder nicht zerstören wollen; es nennt das dann„durch Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht Vor- schub leisten". Wegen„Kuppelei" saß neulich ein« Mutter auf der An- klagebank, eine abgehärmte Arbeiterin, die 23 Jahre schwer ge- schuftet und ein braves Mädchen großgezogen hat, angezeigt von dem eigenen Sohn, auf Veranlassung ihres Mannes. Saß da, vergoß Tränen und konnte es nicht begreifen, weshalb sie vor den Richter kam, konnte nicht verstehen, was sie verbrochen hat. „Ich fürchtete, daß die Tochter von mir gehen würde; ich war schon so allein geblieben mit dem Kleinen; den großen Jungen hatte der Mann mit sich genommen. Es gab immer soviel Streit und Zank, er war Rohköstler. Wie sollte ich nach der Tagesmühe und bei dem geringen Arbeitsverdienst noch besonderes Essen bereiten? Er be- stand aber darauf und hatte keine Einsicht. Es war in der letzten Zeit bereits so schlimm geworden, daß wir gar nicht mehr wie Mann und Frau miteinander lebten. Er suchte nur einen Vorwand, um sich von mir scheiden zu lassen. Ich sollte der schuldige Teil sein, damit er für den Kleinen nicht zu sorgen brauchte. Den großen Jungen hetzte er gegen mich auf: ich zöge den Hans vor! Ich tat es aber gar nicht. Er hat ja keine Eltern, der Hans. Er arbeitete bei Tietz, lernte da meine Tochter kennen, die Verkäuferin war, er bat mich, ob er nicht zu uns ins Haus ziehen könnte. Wir hatten ein Zimmer frei, er gab mir das Kostgeld ab und war wie ein eigenes Kind. Ich wußte, daß er meine Tochter lieb hat, sie wollten auch heiraten, war denn das so schlimm? Sie sind auch jetzt verlobt. Der Mann hat mich aber verdächtigt, ich hätte was mit dem Hans vor.(Unter Schluchzen): Das war ja aber gar nicht der Fall. Jetzt waren Vater und Sohn gegen mich, und dann gingen sie beide und ließen mich allein, und der Sohn zeigte mich an, weil der Pater einen Scheidungsgrund habe» will �.." ..... Der Staatsanwalt beantragt« zwei- Wochen Gefängn iß wegen„Kuppelei". Während der Beratung setzten sich Tochter und Verlobter zu Seiten der Mutter und trösteten sie, so gut sie konnten. Sie wischte sich aber immer nur die Tränen ab. wegen der Schmach, die Sohn und Mann ihr angetan haben, daß sie nun in aller Oesfentlichkeit ihr Leid klagen mußte. Das Gericht o e r u r t e i l t e die Frau zu zwei Wochen Gefängnis und billigte ihr Bewährungs- frist zu. Die geringste Strafe wäre ein Tag Gefängnis gewesen. Draußen mußte sie sich erst das Urteil erklären lassen; sie hatte es vor Aufregung gar nicht begriffen. Der Mann kann nun seinen billigen Triumph feiern, seine Frau i st verurteilt. Der unsinnige Paragraph leistete in diesem Falle Vorschub zur Denunziation durch Sohn und Ehemann.
Von I HF UND F. PEIROW Das grüne Kap. Ingenieur Bruns saß auf der Veranda seines Land- Hauses unter einer hohen Palme, deren steife Blätter scharfe schmale Schatten aus seinen rasierten Nacken warfen, auf sein weißes Hemd und den Gambs-Stuhl der Generalsfrau Po- powa, auf dem sich der Ingenieur in Erwartung des Mittag- essens langweilte. Bruns zog seine dicken Lippen kreisförmig zusammen und sagte im Tone eines schelmischen Kindes:--Mu— u— fit!" Im Hause blieb es still. Die tropische Flora umschmeichelte, den Ingenieur und suchte ihm wohlzutun. Die Kakteen breiteten ihre stachligen Arme vor den Ingenieur hin. Die Zweige der Bananen- und Sagopalmen bewegten sich leise und jagten die Fliegen von der Glatze des Ingenieurs hinweg, Rosenblätter sielen zu seinen Sandalen nieder. Aber alles vergeblich. Bruns war hungrig. Er sah ge- reizt auf die perlmutterfarbene Bai, auf das ferne Kap von Batum und rief mit singender Stimme:„Mu— u— ussik! Mu— u— ssik!" Der Ruf verlor sich schnell in der feuchten tropischen Luft. Keine Antwort erfolgte. Bruns stellte sich die große braune Gans mit der fetten zischenden Kruste vor. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu beherrschen, und rief:„Mäuschen!!! Ist dos Gänschen bereit?" „Andrej Michailowitsch!" rief eine Frauenstimme vom Hause her.„Gib mir Ruh!" Der Ingenieur begann seine Lippen wieder kreisförmig zusammenzuziehen und antwortete unverzüglich:„Mussck! Du hast kein Mitleid mit deinem kleinen Mann!" „Halt den Mund, du Fresser!" war die Antwort aus dem Zimmer. Der Ingenieur aber gab den Kampf nicht auf. Wieder wollte i-r ins Haus rufen, ein Gehaben, das er bereits seit zwei Stunden praktizierte, als eine unerwartete Bewegung in den Sträuchern ihn zum Hinsehen zwang.
Aus dem schwarzgrünen Bambusdickicht kam ein Mensch in zerrissenem blauem Hemd hervor, mit einer abgeschabten Schnur gegürtet, mit großen Quasten daran und schmutziger gestreifter Hose. Ein wirres Bärtchen zierte das gutmütige Gesicht des Menschen. Seinen Rock trug er über dem Arm. Der Mann näherte sich und fragte mit milder Stimme: „Befindet sich hier der Ingenieur Bruns?" „Ich bin Ingenieur Bruns", sagte der Gansbraten- enthusiast in tiefem Baß.„womit kann ich dienen?" Der Mann fiel schweigend in die Knie. Es war Vater Fedor. „Sind Sie verrückt geworden?" rief der Ingenieur und sprang auf.„Bitte stehen Sie auf!" „Ich stehe nicht auf", antwortete Vater Fedor und sah den Ingenieur mit klaren Augen an. „Stehen Sie auf!" „Ich stehe nicht auf." Und Vater Fedor begann— vorsichtig, um sich nicht wehzutun— mit dem Kopf auf den Boden zu schlagen. „Mussik! Komm rasch her!" rief der erschrockene In- genieur.„Schau her, was da vorgeht. Ich bitte Sie, stehen Sie auf! Run, ich beschwöre Sie!" „Ich werde nicht aufftehen", wiederholte Vater Fedor. Mussik, die sich im Tonfall der Stimme ihres Mannes gut auskannte, kam auf die Veranda gelaufen. Als Vater Fedor die Dame erblickte, kroch er, ohne sich aufzurichten, rasch zu ihr hin, senkte den Kopf bis auf die Erde und flüsterte eilig:„Auf Ihnen, Mütterchen, auf Ihnen, mein Täubchen, ruht meine ganze Hoffnung." Ingenieur Bruns wurde rot vor Wut, packte den Bitten- den unter dem Arm, hob ihn mit Anstrengung auf und ver? suchte, ihn auf die Beine zu stellen. Vater Fedor zog aber die Beine unter sich. Der empörte Bruns schleppte den seit- samen Gast in die Ecke und setzte ihn krästig auf einen Gambs- seffel, der aber nicht aus Worobjews Haus, sondern aus den Räumen der Generalsfrau Popowa herrührte. „Ich wage es nicht", murmelte Vater Fedor,„mich in Anwesenheit so hochgestellter Personen zu setzen." Und Vater Fedor machte wieder den Versuch, auf die Knie zu fallen. Der Ingenieur hielt ihn mit einem entsetzten Schrei an den Schullern zurück. „Mussik", sagte er. schwer atmend,„sprich mit diesem Bürger. Es muß irgendein Mißverständnis sein." Mussik sprach sofort in sachlichem Ton.„Ich ersuche Sie", sagte sie drohend,„in meinem Hause nicht zu knien!" „Mein Täubchen!" sagte Vater Fedor.„Mütterchen!"
„Ich bin nicht Ihr Mütterchen. Was wünschen Sie?" Der Pope murmelte etwas Unverständliches, allem An- schein nach aber sehr Flehendes. Erst nach langem Hin und Her erfuhr man, daß er es auf zwölf Stühle— auf deren einem er jetzt saß— abgesehen hatte und flehentlich um die besondere Gnade bat, man möge sie ihm käuflich überlassen. Der Ingenieur ließ vor Staunen Vater Fedors Schulter frei. Dieser kniete unverzüglich abermals nieder und kroch dem Ingenieur wie eine Schildkröte nach. „Warum", rief der Ingenieur und suchte den langen Armen Vater Fedors zu entgehen,„warum soll ich meine Stühle verkaufen? Sie können knien, so viel Sie wollen, aber ich verstehe doch nichts von alldem." „Es sind doch meine Stühle", stöhnte Vater Fedor. „Ihre Stühle? Was soll das heißen? Sind Sie verrückt geworden? Mussik! Jetzt ist mir alles klar! Er ist wahn- sinnig!" „Ihrer Meinung nach habe ich Ihnen die Stühle ge- stöhlen?" rief der Ingenieur empört.„Gestohlen? Hörst du, Mussik? Das ist irgendein Schwindel!" „Nein, um Gottes willen!" flüsterte Vater Fedor. „Wenn ich sie Ihnen gestohlen habe, so belangen Sie mich vor Gericht, in meinem Hause aber machen Sie keinen Skandal! Hörst du, Mussik? Wie weit die Frechheit geht! Man läßt einen nicht ruhig Mittag essen!" Nein, Vater Fedor hatte durchaus nicht die Absicht, dem Ingenieur der Stühle wegen mit dem Gericht zu kommen. Er suchte dies klarzumachen.— Keinesfalls wolle er das tun. Er wisse, daß der Ingenieur Bruns seine Stühle nicht ge- stöhlen habe. Er denke nicht im Traum an so etwas. Und doch hätten diese Stühle vor der Revolution ihm gehört, ihm, dem Vater Fedor, und sie seien seiner jetzt in Woronesch im Sterben liegenden Frau unendlich teuer. Nicht aus Frechheit, sondern in Erfüllung ihres Willens habe er sich erlaubt, den Aufenthaltsort des Bürgers Bruns ausfindig zu machen und vor ihm zu erscheinen. Vater Fedor wünsche kein Almosen. O nein! Er habe genügend Mittel(eine kleine Kerzcnfabrik in Samara), um die letzten Stunden seiner sterbenden Frau durch den Kauf der alten Stühle zu erleichtern. Er sei nicht kleinlich und erkläre sich bereit, für die Stühle zwanzig Rubel zu erlegen. „Was?" rief der Ingenieur und wurde rot vor Empö- rung.„Zwanzig Rubel? Für eine herrliche Salongarnitur? hörst du, Mussik? Er ist doch verrückt! Bei Gott, er ist verrückt!" (Fortsetzung folgt.)