1. Beilage des Vorwärts e*— ,,.�«31
Nr. 355* 48. Jahrgang
Der Wald im Gebiete Berlins i(t Jahr um Jahr kleiner geworden. Das bis vor kurzem vorhandene ständige Wachstum der Weltstadt zwang gebieterisch dazu, neues Land urbar zu machen und zu besiedeln. So ist denn auch das einst so stille Waldgebiet östlich von Friedrichshagen immer mehr„erschlossen" worden. Wir fahren mit der Straßenbahnlinie 84 bis zur Endhaltestelle in der, Nähe der Wasserwerke am Müggelsee. Friedrichshagen , das heule zum Verwaltungsbezirk Köpenick gehört, wurde 1733 ge- gründet. Friedrich II. hatte das Land böhmischen Kolonisten zur Siedlung überlassen. Die günstige Lage des Ortes am Ausfluß der vree aus dem Müggelsee förderte seinen Aufstieg. In früheren Iahren war Friedrichshagen als Sommerfrische sehr beliebt Bruno > l l e, Wilhelm B ö l s ch e, Gerhardt Hauptmann, die Brüder n r d t und andere hatten hier geradezu eine Dichterkolonie ge- r ludet, die den Ruhm dieses früheren Berliner Vororts ver- breiteten. Wir wandern nun an dem Wasserwerk, das die größte im ige dieser Art in Berlin ist, an der L a n d e s a n st a l t für Binnenfischerei und an der Seezeichen-Versuchz- a n st a l t vorüber auf den Höhen am Ufer des Müggelsees entlang hi Richtung auf Rahnsdorf . Leider hat das Ufer selbst in den b'Jen Jahren sehr gelitten. Allen Bitten, allen Mahnungen zum rotz gibt es immer noch zuviel Berliner , die den Wald als einen Papierkorb betrachten und vergessen, das überflüssig gewordene . pier mit nach Hause zu nehmen. Tafeln fordern auf, das Baden im Müggelsee zwischen dem Freibad und dem Wasserwerk zu unter- lagen Das Müggelseewasser gelangt nämlich in die Berliner Haus- Haltungen. Trotzdem gibt es aber immer noch Ausflügler, die der Meinung find, daß man Verbote grundsätzlich nicht beachten solle... Der Blick aber auf den Müggelsee entschädigt für vieles. Auf er andern Seite ragt die Kulisie der M ü g g e l b e r g e empor, und über den See hinweg gleiten ungezählte Sportboote und die weißen Berliner Ausflugsdampfer mit ihren sangesfrohen Fahr- gästen. Das Freibad kündigt sich an durch rote, gelbe, braune und weiße Wochenendhäuschen, die eng beieinander am Strande stehen. Bald sind wir am Eingang des Bades. Ein buntes Gewimmel er- iülll an schönen Sonntagen den Strand. Die deutschen Ost- und Nordseebäder könnten neidisch werden. Wer Lust hat, kann hier eine Wanderung unterbrechen und sich in den kühlen Fluten er- "üchen. Wenn wir weiterwandern, treffen wir bei der Förster«! Müggelsee auf ein schlichtes Holzkreuz, das zur Erinnerung an einen Forstmann errichtet wurde, der hier einem Verbrechen zum Opfer siek. Etwa 3 Minuten hinter dem Freibad liegt die R a h n»- dorser Mühl«. Von Bäumen umgeben in geheimnisvollem Dunkel steht heute noch das Mühlrad, und ein langes Gerinne leitet ihm das Wasier zu. Nördlich der Fürstenwalder Straße, die über das M ü h l e n f l i e h hinwegführt, liegt der gestaute M ü h l t e i ch, auf dem die breiten Blätter der Wasserrose schwimmen und über, den Schwäne in ruhiger Fahrt dahinschweben, ein Idyll im Bereich« V.rlins und noch dazu im Brennpunkt de» sonntäglichen Verkehrs. Durch die Fürstenwalder und Hohenzollern Straße führt der Weg zu den Püttbergen, einer Dünenlandschaft, die ihr Entstehen der Eiszeit verdankt. Vor wenigen Iahren haben hier noch Ber - liner Segelflieger bescheidene Gleitversuche gemacht oder Flugzeug- modelle fliegen lassen. Heute steht auf einem dieser Hügel ein Denk- mal, das den Opfern des Weltkrieges gewidmet ist und die Siedlung hat sich des ehemaligen Fluggeländes bemächtigt. Von der Höhe des Denkmals blickt man weit ins Land hinaus. Der Müggelsee blitzt im Sonnenschein, die Türme von Köpenick begrenzen den Hori- ont. Hinter der Siedlung liegen die bewaldeten Höhe der Pütt- >erge, die inzwischen glücklicherweise Naturschutzgebiet geworden sind. Vor allem Kiesern und Birten beherrschen die Heidelandschaft.
Maiblumen wachsen am Waldboden. Einen prächtigen Fernblick hat man über Wilhelmshagen hinweg auf den Gosener Berg und die Waldungen zwischen Dämeritz- und Seödinsee. Bei klarem Wetter sieht man auch die Funktürme von Königswusterhausen. Don den Püttbergen aus kann man weiter nach Wolters- dorser Schleuse und Erkner wandern, oder auch durch den herrlichen südlich der Eisenbahnlinie Friedrichshagen— Erkner ge-
Blick von den Püttbergen auf Wilhelmshagen. legeuen Wald nach Rahnsdorfer Mühle zurückkehren und mit der Straßenbahnlinie 187, die hier in einer Schleife endet, die Heimfahrt antreten. Weglänge vom Wasserwerk am Müggelsee zu den Pütt- bergen etwa 5 Kilometer, von den Püttbergen bis Woltersdorfer Schleuse 4 Kilometer. Reuer Sparfüssenskandal. Unterschlagung durch Fälschung in Höhe von 200 000 M. Bielefeld . 31. Juli. Der frühere Rendant Schwarz der Kaunitzer Spar- und Darlehnskasfe wurde verhaftet und nach Bielefeld ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Schwarz soll die Kaunitzer Kasse durch Unterschlagungen und schwere Urkundenfälschungen um mehr als 200 000 Ztt. geschädigt haben. Die Landeszentralkasse will einen Teil des Fehlbetrages übernehmen. Von den etwa 400 Genossen soll jeder 230 M. zur Deckung des Fehlbetrages aufbringen. Die Ge- nassen wollen den Vorstand und den Aufsichtsrat für den ent- standenen Schaden haftbar machen.
„Ich bin nicht verrückt. Nur um den letzten Willen meiner Frau zu erfüllen.. „Zum Teufel", sagte der Ingenieur,„er fängt wieder zu kriechen an. Mussik! Er kriecht schon wieder!" „Nennen Sie also Ihren Preis!" stöhnte Vater Fedor. „Mussik, ich glaube doch, er ist nicht verrückt. Er ist vielleicht nur durch die Krankheit seiner Frau so aufgeregt. Sollen wir ihm die Stühle oerkaufen? Na, was meinst du? So werden wir ihn endlich los. Er haut sich sonst am Ende noch den Schädel'" „Worauf sollen wir aber sitzen?" „Wir kaufen uns andere Stühle." „Für zwanzig Rubel?" „Für zwanzig Rubel gebe ich sie nicht her, auch nicht für zweihundert... Schließlich ließe ich für zweihundertfünfzig mit mir reden." Ein schrecklicher Schlag mit dem Kopf gegen den Baum war Vater Fedors Antwort. „Nun, Mussik, jetzt habe ich aber genug davon!" Der Ingenieur trat entschlossen zu Vater Fedor und diktierte sein Ultimatum. „Erstens entfernen Sie sich mindestens drei Schritte von diesem Baum. Zweitens stehen Sie sofort auf, und drittens verkaufe ich die Möbel nicht unter zweihundertfünfzig Rubel." „Nicht aus Habsucht", stöhnte Vater Fedor—„nur um den Wunsch einer kranken Frau zu erfüllen." „Nun, mein Lieber, meine Frau ist auch krank. Nicht wahr, Mussik, deine Lungen sind nicht in Ordnung? Deshalb werde ich aber nicht verlangen, daß Sie mir... sagen wir, Ihren Rock für dreißig Kopeken verkaufen sollen!" „Nehmen Sie ihn umsonst", sagte Vater Fedor in singen- dem Ton. Der Ingenieur wehrte gereizt mit der Hand ab und sagte kühl:„Lassen Sie diese Scherze. Ich spreche nicht mehr mit Ihnen. Ich schätze die Stühle auf zweihundertfünfzig Rubel und werde keine Kopeke nachlassen."
„Fünfzig!" bot Vater Fedor. „Mussik!" sagte der Ingenieur.„Ruf den Diener. Er soll diesen Bürger hinausbegleiten." „Nicht aus Habsucht.. „Bagration!" Vater Fedor lief erschrocken davon und der Ingenieur begab sich ins Speisezimmer und begann den Gänsebraten zu verzehren. Der Genuß seiner Lieblingsspeise hatte auf seine Stimmung einen guten Einfluß. Er beruhigte sich. In dem Moment, als der Ingenieur einen mit Seiden- papier umwickelten Knochen an seinen roten Mund führte, erschien das flehende Gesicht Vater Fedors im Fenster. „Nicht aus Habsucht", sagte er sanft,„fünundfünfzig Rubel." Der Ingenieur brüllte, ohne sich umzudrehen. Vater Fedor verschwand. Den ganzen Tag über konnte man Vater Fedors Gestalt an allen Ecken und Enden des Gartens auftauchen sehen. Der Ingenieur rief immer wieder nach seiner„Mussik", klagte über Kopfweh und schwor darauf, daß Vater Fedor wahnsinnig sei. Von Zeit zu Zeit hörte man die Stimme Vater Fedors in der einbrechenden Dunkelheit.„Hundertacht- unddreißig!" rief er irgendwo vom Himmel her. Und einen Augenblick später tönte seine Stimme von der Seite des Dumbasowschen Hauses her:„Hunderteinund- vierzig", bot er.„Nicht aus Gewinnsucht, Herr Bruns, sondern..." Schließlich hielt es der Ingenieur nicht mehr aus, er trat an die Verandabrüstung, spähte angestrengt in die Dunkel- heit und rief skandalierend:„Der Teufel soll Sie holen! Zwei- hundert Rubel! Aber geben Sie mir endlich Ruh!" Man hörte Knistern der Bambusse, ein leichtes Stöhnen und ein Geräusch von Schritten, die sich entfernten. Dann war alles still. Vater Fedor fuhr im letzten Autobus das Meeresufer entlang nach Batum . Am selben Abend noch sandte Vater Fedor folgendes Telegramm an feine Frau Katerina Alexandrowna in die Stadt N: Ware gefunden, überweise mir telegraphisch 230, verkaufe, was du willst, Fedja.— Zwei Tage lang irrte er verzückt um das Vrunssche Haus, grüßte Mussik von weitem und ließ sogar von Zeit zu Zeit seinen Ruf ertönen:„Nicht aus Habsucht, nur um den letzten Wunsch meiner Frau zu erfüllen!" Am dritten Tag kam das Geld mit einem verzweifelten Telegramm:— Alles oerkauft, bin ohne Geld, küsse und er-
Berliner Schüler in England. Wir wiesen bereits früher darauf hin, daß es der Stadt Berlin — dank der eifrigen Bemühungen des Stadtschulrats Genossen Nydahl und des Magistratsoberschulrates Heye— trotz der überaus schwic- rigen Zeiten gelungen ist, im Rahmen der Auslandsschulen Gruppen von etwa 2 0 Schüler gegen eine gleiche Zahl ausländischer Schüler nach Frankreich , Spanien und England auszutaiischen. Für England hat die Stadt Sheffield mit Genehmigung der zuständigen Behörden de» Austausch für die Dauer eines Monats vermittelt. 20 englische Primaner sind, wie bereits mitgeteilt, im Sanatorium von Dr. Pannwitz in Hohenlychen mit drei englischen Lehrern eingetroffen. Drei Tage zuvor haben 20 deutsche Schüler verschiedener Berliner Schulen nach kurzem Aufenthalt in London , wo sie das Parlament besichtigten, Sheffield erreicht. Sie werden im dortigen Lehrerseminar, in dem sie an jedem Morgen— die deutschen Jungen von englischen Lehrern und unigekehrt— in vier Lektionen unterrichtet werden, aufs beste betreut. Bei ihrem Empfang in Sheffield richtete der dortige Stadtverordnetenvorftehre, Genosse R 0 w l i n s 0 n, herzliche Warte an unsere Berliner Jungen, Worte, die ausklangen in den ehrlichen Wunsch dauernden Einvernehmens zwischen den beiden Nationen, die in dieser Notzeit— in Sheffield sind 30000 Arbeitslose— mehr denn je zusannnenhalten müßten. Arn Sonntag, dem 28. Juli, fand sodann von erste» Shessielder Künstlern in Collegiate Hall zu Ehren der deutschen Gaste ein Kon- zert statt, in dem unsere Berliner Jungen inoderne englische Musik kennenlernten. Genosse Trümpener, der gemeinsam mit Genossen Hauer und Studienrat Schulz von der Königstädtischen Oberrealschule durch die Unterrichtsverwaltung der Stadt Berlin mit dem Unterricht an der Sheffielder Ferienschule betraut ist, dankte den Künstlern für ihre liebenswürdige Bereitwilligkeit und sprach den Wunsch aus, daß die bemerkenswerteste der intenationalen Sprachen, die Musik, ihr Teil dazu beitragen möge, daß die Freundschaft zwischen den jungen Generationen beider Länder mehr und mehr gefestigt werden möge. Gelbstmord eines Bürgermeisters. Verfehlungen in der Stadtverwaltung. Schwaan , 31. Juli. Heute früh wurde der Bürgermeister Stedemann aus Bad Doberan mit einem Schuß in der Schläfe auf einer Bank im Lindenbruch tot aufgefunden. Es liegt zweifellos Selbstmord vor. In der Stadtverwaltung in Bad Doberan waren im vorigen Jahre Verfehlungen vorgekommen, worauf der Bürgermeister zur Disposition gestellt wurde.
Feuer im Stadthaus Klosierstraße. In den Büroräumen der Wohnungsfürforgegefell- fchaft im Stadthaus Klosterftr. 47/39 brach gestern nachmittag«in gejährlicher Brand aus, durch den erheblicher Sachschaden angerichtet wurde. Ein Raum brannte völlig aus. Die Feuerwehr weilte längere Zeit an, der Brandstelle und zum Glück gelang es, ein Wellergreifen der Flainrnen auf die angrenzenden Büros des vierten Stockwerks zu verhindern. Die Entstehungsursache des Feuer» konnte noch nicht einwandfrei ermillelt werden. Sonntag Schluß-Elitetag der Bauausslellung! Berlins größte Ausstellung, die Deutsche Bauaus st cllung, schließt am Sonntag, dem 2. A u g u st, mit entern großen Schluß- Elitetag ihre Pforten. Im Rahmen des Programms der sonstigen sonntäglichen Sonderveranstaltungen(Doppel- konzert im Funkturmgarten und Deutschen Darf, Darbietungen im „Haus Ring der Fraue n", Tonfilmkino usw.) wird das Rose-Theater am Nachmittag, ab 8 Uhr, am Fuße des Funk- turms im Funkturmgarten Szenen aus seiner Repertoireoperette „Unter der blühenden Linde" und aus der bevorstehenden Urauf- sührung„Panne um Mitternacht" zeigen.
wqrte dich, Ewsigneew mittagmahlt noch immer hier, Katja.— Vater Fedor zählte das Geld nach, bekreuzigte sich, mietete einen Lastwagen und fuhr zum Ingenieur Bruns. Das Wetter war düster. Der Wind jagte Regenwolken von der türkischen Grenze her. Des Sturmes wegen war Baden und Bootfahrt im Meer verboten. Ein Donnern und Krachen ging über die Stadt Vatum nieder. Der Sturm tobte über dem Meerufer. Bei Bruns' Haus angelangt, befahl Vater Fedor dem Kutscher, zu warten, und begab sich ins Haus, die Möbel zu holen. „Ich bringe das Geld", sagte Vater Fedor,„Sie könnten aber vielleicht doch noch etwas nachlassen." „Mussik", stöhnte der Ingenieur.„Ich halte das nicht aus." „Aber nein, ich habe das Geld gebracht", beeilte sich Vater Fedor zu versichern,„zweihundert Rubel. Wie Sic gesagt haben." „Mussik! Nimm das Geld von ihm! Gib ihm die Stühle! Er soll nur rasch machen. Ich habe Kopfschmerzen!" Das Ziel des ganzen Lebens war erreicht. Die Kerzen- fabrik in Samara war gesichert. Die Brillanten rollten wie Sonnenblumenkerne in die Tasche. Zwölf Stühle, einer nach dem andern, wurden auf den Lastwagen geladen. Sie waren den Worobjew-Stühlen sehr ähnlich, nur mit dem Unterschied, daß ihr Ueberzug nicht ge- blumt, sondern blau und rosa gestreift war. Vater Fedors bemächtigte sich eine fieberhafte Ungeduld. Unter seinem Ueberrock hatte er eine kleine Axt bereit, an einer gedrehten Schnur befestigt. Vater Fedor setzte sich neben den Fuhrmann, sah sich jeden Augenblick nach den Stühlen um und fuhr gegen Batum . Das Donnern der Flut peitschte Vater Fedors Nerven auf. Gegen den Wind kämpfend näherten sich die Pferde langsam dem Dorf Machindjauri. Soweit man sehen konnte, war das Meer mit weißumsäumten grünen Wellen bedeckt. „Bleib stehen!" schrie Vater Fedor plötzlich.„Bleib stehen, Muselmann!" Und nun begann er zitternd und stolpernd die Stühle auf dem menschenleeren Ufer abzuladen. Der stupid interessc- lose Fuhrmann bekam seine fünf Rubel, peitschte auf die Pferde los und fuhr davon. Vater Fedor überzeugte sich, daß niemand in der Nähe war, trug die Stühle den Abhang hin- unter, an eine kleine, von den Wellen noch nicht bespülte Strandstelle und ergriff die Axt.(Fortsetzung folgt.)