Einzelbild herunterladen
 

Gerhart Herrmann Mostar :

-

Das blinde Pferd

seit einigen

Beter, der sonst gutmütige Peter, haut, sinnlos vor Wut, auf das Pferd ein. Es steht ganz ruhig unter den Schlägen, den Kopf wie lauschend zurückgeneigt, wieder mit dieser rührend menschlichen Geste aber Peter kann das nicht sehen im Dunkel. Fluchend und oft nach Johannes stoßend macht er ihn von den Strängen los: es bleibt ihm nichts übrig, als den Wagen hier zu lassen und das nächste Dorf zu suchen; bis Marow, wo er zu Hause ist, müssen es mindestens zwei Wegstunden sein.

Es steht vor dem Ausspann der kleinen Stadt Stunden schon. Allein ist es nie: immer stehen Menschen bei ihm. Mitleidige Frauen, neugierige Kinder; denn es ist nicht schön, es hat zu schwere Beine und einen zu knochigen Leib, und es ist überdies blind; die Augen sind. nichts als zwei flache, ausdruckslose Hebungen in dem langen Kopf, sie schimmern fad wie schmieriges Porzellan. Diese Häßlichkeit wäre abstoßend, wenn nicht die Haltung des Hauptes wäre: es ist schräg gegen den Eingang der Kneipe geneigt, genau in der Haltung, die menschliche Blinde haben, wenn sie Eine halbe davon haben Mann und Pferd zurückgelegt: aber lauschen... Was des Pferdes gespizte vibrierende Ohren zu hören es zeigt sich nichts Belebtes und nichts Bekanntes. Und Peter ist scheinen, das ist Peter Rönnebecks angetrunkene Stimme Beter müde, so entsetzlich müde... er gibt sich keine Mühe, die Eiszapfen Rönnebeck ist der Besitzer des Wallachs und des dürftigen Acker- aus seinem Inisternden Bart zu wischen oder seine starr werdenden wagens, vor dem es steht; Peter Rönnebeck hat ihm auch den schönen Füße zu reiben; er hat nur den sehnsüchtigen Wunsch, ein Weilchen Namen gegeben: Johannes; nicht Hans, bitte schön, sondern aus= zu schlafen, ein ganz kleines Weilchen, nicht liegend am Boden, das drücklich: Johannes; Peter Rönnebeck hat überhaupt Sinn für das märe unvernünftig, sondern stehend, gelehnt an das Pferd. Johannes Schöne und eben dabei packen sie ihn jetzt dadrin. tennt dies Verfahren, er hält schön still in solchen Fällen. ,, Nuja," meint der Schlächter aus der benachbarten größeren Stadt ,,, dat mag ja woll sind, dat der Jaul noch son bißfen ziehen tut. Awwer du kannst dir doch dadermit nich sehn lassen! Die Leute lachen dir jo aus! Sieh mal-"

-

-

,, Ich kann jo nischt nich dafür, daß Johannes blind is," unter­bricht Peter und fallt schon ein bißchen. Wie ich aus' n Krieg tam und mit' n zum Tierarzt jing, war's schon zu spät."

-

"

-

-

,, Sagt ja ooch feener!" ruft der Schlächter. Un dadrum jehts ja ooch jarnich. Daß der Jaul in zwee Monaten reif is für'n Schinder mit seine zwanzig Jahre, wenn ich n nich nehme das meeste doch selber. Un das mit Inadenbrot un Inadentod ist doch Quatsch heutzutage! Ich jebe fuffzig Mart, is mein letztes Wort; da kannste een neuen mit anzahlen, id will' n dir sogar ver= schaffen eenen, wo de dir fannst mit sehn lassen. Na...? Nach einer halben Stunde kommt Peter Rönnebed endlich aus der Kneipe und klettert auf seinen Wagen fomischerweise ohne Johannes über das Maul gestreichelt zu haben, was er sonst immer tat. Das blinde Tier ist viel empfänglicher für Liebkosungen und für ihr Ausbleiben als ein gesundes; es wird nervös und nimmt die Schritte furz, wirst viel den Kopf; das wird noch schlimmer, als es einen ungewohnten Weg geht: den zur Kreisstadt, Peter auf dem Siz aber denkt traurig ,, Es merkt, daß es sein letzter Gang is ammer versprochen is versprochen..."

-

-

-

Es wird rascher dunkel als Peter glaubte; denn es war auch später geworden im Gasthof, als er annahm. Und es ist März um Mittag war's sommerlich warm, jetzt ist's umgeschlagen und eistalt. Peter wickelt sich in alle möglichen Decken; da wird ihm tatsächlich warm, das macht aber den Kopf noch wirrer, als er schon durch den Alkohol ist. und als er nach einer halben Stunde aus dem Halbschlaf auffährt, muß er einsehen, daß er sich verfahren hat. Er wendet um; es tut ihm leid, daß Johannes' Todesweg sich ver­längert;, aber er hat's dem Fleischer versprochen, noch heute zu tommen.

Das Dunkel hat überall gefiegt, es hat schon den letzten Schein vom Westhimmel gemischt; Peter tennt diese Gegend auch nicht recht, die Wagenlaterne hilft auch nicht viel; soviel aber ist zu erkennen, daß die Straße, auf die sie nach einer halben Stunde fommen, auch nicht die rechte ist. Die Wärme verschwindet plötzlich aus Peters Körper, er empfindet die schneidende Kälte wie eine Lähmung. Johannes will rechts einbiegen, Peter hält das für falsch und reißt nach links, heftiger, als nötig wäre das nervöse Pferd wirft sich zurüd und dann im Galopp nach rechts, ein Kilometerstein, ein Straßengraben, ein splitternder Krach eine Achse ist gebrochen...

-

-

|

-

Hat wenigstens immer stillgehalten heute tut er's nicht. Was ist in die Schindmähre gefahren? Peter drischt wütend drauf­los. Das Pferd kümmert sich nicht darum, es geht in den Wald hinein, der um die Straße ist. Es gelingt Peter, es zum Stillſtehen zu bringen, schließlich auch zum Umkehren. Das aber hat seine Kräfte erschöpft. Und als nun ein Krachen unter seinen Füßen und eine kaum erahnbare leere Fläche vor seinen Augen ist, also Eis, also ein Teich oder ein See, und Dunkel und Frost und Müdigkeit und vielleicht der Tod.. da wehrt er sich gegen nichts mehr, da hängt er sich in die Stränge und läßt sich von Johannes ziehen. Es geht ihm durch den Sinn, daß dies alles die Strafe dafür ist, daß er das Pferd an den Schlächter verkauft hat... das ist aber natürlich Unsinn... im Gegenteil... wenn's nicht blind wär, das Vieh, mär das heute nicht passiert... einen sehenden Gaul braucht Peter

Rönnebed, Gotts Donner...

-

-

Er schläft ein im Gehen. Manchmal will er stehen bleiben Johannes läßt ihn nicht. Manchmal fällt er hin dann bleibt Johannes stehen dreht sich mühsam und sorgsam in den Strängen um und stupst ihn erst zart und dann derb mit dem Maul ins Gesicht, bis er fluchend aufsteht. So geht der seltsame Zug durch den Wald, ohne Weg und, wie es Peter vorkommt, ohne Sinn.. Stundenlang? Nächtelang? Peter weiß es nicht... In den Schlaf? In den Tod? Peter ist es gleich..

..

Sonderbarerweise ist Johannes bei seinem Lauf querwaldein auf eine Straße gekommen. Sonderbarerweise hat er sie nicht über­schritten, sondern ist in sie eingebogen und sie entlang gegangen, be­dächtig und zielgewiß. Sonderbarerweise fühlte sich Peter plötzlich von einer Laterne angeleuchtet, von Händen gerüttelt und gerieben, von Stimmen umfragt und umsorgt; sonderbarerweise wurde er in einen Hof und ein Haus und ein Bett geführt, und er fand sonder­barerweise, daß Hof und Haus und Bett sein eigen waren; daß sein blindes Pferd den Weg nach Hause gefunden hatte; daß er aber ohne dies Pferd etwa mit dem neuen, das er da von dem Schlächter pfui Deibel!

-

-

-

Und Peter Rönnebed, der eben noch kaum zu weden gewesen und nur mit fremder Hilfe aus den steifgefrorenen Kleidern und ins Bett gekommen war Peter Rönnebed stand plötzlich noch einmal auf und ging in den Stall zu seinem blinden Pferd, und da blieb er lange drin; und dann kam er raus und schrieb noch in später Nacht einen Brief an den Schlächter in der Kreisstadt; und endlich tat er das, weshalb er nachher noch jahrelang im ganzen Dorf für ein bißchen wunderlich galt: er ging nochmals in den Stall und zeigte den Brief dem Pferd, als ob die blinden Augen ihn lesen fönnten...

Orinoco - Quelle entdeckt!

Eine dreizeilige Notiz macht die Runde durch die Weltpresse;| ihr Inhalt, über den man in diesen Tagen hinwegliest, würde in ruhigeren Zeiten das größte Aufsehen hervorgerufen haben. Die Quellen des Orinoco sind endlich entdeckt worden! Auch in Zeiten wie den gegenwärtigen kann uns dieses Ereignis nicht gleichgültig Tassen. Bedeutet es doch die erfolgreiche Enträtselung eines der un­bekanntesten Gebiete der Welt, vor dem unser Deutschland zusammen­schrumpft, einer Welt für sich, mit ungeheuren Strömen, endlosen Urwäldern und Savannen, einer phantastisch bunten Tierwelt und Bewohnern, die primitiv und furchtbar zugleich find. Wir wissen, daß der Amazonenstrom der größte Fluß auf unserem Planeten ist, aber wie es in seinen Urwäldern aussieht, wie dieses ganze Herz­stück Südamerikas gestaltet ist, hat man bisher nur oberflächlich er­forscht, und manch einer, der es unternahm, in die Wildnis vor­zudringen, hat seine Neugierde mit dem Tode bezahlt; das Schicksal der Expedition des Obersten Fawcett ist noch in frischer Erinnerung. Der Drinoco ist der drittgrößte Strom Südamerikas ; sein Flußlauf 2400 Kilometer lang, sein Stromgebiet, zu dem nicht weniger als 436 Nebenflüsse gehören, eine Million Quadratkilometer groß. Der Rhein ist 1225 Kilometer lang, sein Stromgebiet erstreckt sich nur über 193 000 Quadratkilometer und welche Bedeutung hat schon dieser Strom als Grenze, Verkehrsweg und Wohlstandsquelle für ganze Völker! Alle Maße, mit denen der Orinoco zu messen ist, spotten unserer europäischen Vorstellungen; das Delta des Stromes ist 25 000 Quadratkilometer groß, ein unübersehbares Gewirr von Mündungsarmen, Kanälen, durch Schlammablagerungen gebildeten Inseln. Wenn zur Regenzeit der Orinoco über seine Ufer tritt, wird er zu einem ungeheuren See, ja fast zum Meer; das Wasser ist dann bis zu 190 Kilometer breit. Aber auch in normalen Zeiten hat der Fluß an manchen Stellen eine ungeheure Ausdehnung. Alexander von Humboldt , der ihn vor 130 Jahren befahren hat, erzählt, daß der Flußlauf bei den Bergen von Encaramada so breit ist, daß die Berge aus dem Wasser emporzusteigen schienen, wie wenn man sie über dem Meereshorizont sähe.

-

Humboldt ist diesen gewaltigen Strom hinaufgefahren, und er hat sich nicht durch die Schnellen zurückschrecken lassen, die den Ober­lauf bei Atures abschließen. Es ist einer der spannendsten Berichte der Entdeckerliteratur, den der große deutsche Gelehrte über die Fahrt durch die Stromschnellen und Katarakte gegeben hat. Er legte seinen Weg in einer Piroge zurüd, einem mit Art und Feuer ausgehöhlten Baumstamm von 13 Meter Länge und 4 Meter Breite. Diese Pirogen, das Verkehrsmittel der Indianer seit Jahrtausenden, sind beweglich, und sie erfordern, weil sie so wenig Widerstand leisten, eine so gleichmäßige Verteilung der Last, daß man, wenn man einen Augenblick aufstehen will, den Ruderern zurufen muß, sich auf die entgegengesetzte Seite zu lehnen; ohne diese Vorsicht liefe das Wasser notwendig über den geneigten Bord. Es ist unvorstellbar, wie Humboldt mit den Indianern tage und wochenlang in diesem elenden Fahrzeug eine so gewaltige Leistung vollbringen fonnte. Freilich, der Anblick der Natur entschädigte ihn für alle Mühen. Immer wieder schildert Humboldt das großartige landschaftliche Bild, die Felsen und aufeinandergetürmten Granitblöcke an den Ufern, die verfallenen Burgen gleichen, die gewaltige Naturszenerie des tosenden Stromes, der durch eine ununterbrochene Reihe von Kataraften

seinen Weg zieht, die ungeheuren Schaumflächen des Stromes, aus der riesige Steinmassen eisenschwarz aufragen. Die einen sind, je zwei und zwei beisammen, abgerundete Massen, Basalthügeln ähn­lich; andere gleichen Türmen, Kastellen, zerfallenen Gebäuden. Ihre düstere Färbung hebt sich schwarz vom Silberglanz des Wasser= schaums ab. Jeder Fels, jede Insel ist mit Gruppen kräftiger Bäume bewachsen. Vom Fuß dieser Felsen an steht, so weit das Auge reicht, eine dichte Dunstmasse über dem Strom, und über dem weißlichen Nebel schießt der Wipfel der hohen Palmen empor. Zu jeder Tages­stunde nimmt sich die Schaumfläche wieder anders aus. Bald werfen die hohen Eilande und die Palmen ihre gewaltigen Schatten dar­über, bald bricht sich der Strahl der untergehenden Sonne in der feuchten Wolke, die den Katarakt einhüllt. Farbige Bogen bilden fich, verschwinden und erscheinen wieder, und im Spiel der Lüfte schwebt ihr Bild über der Fläche. Humboldt , der die ganze Welt gesehen, gesteht, daß kaum ein anderer Anblick ihm einen solchen Eindruck gemacht habe wie das Schauspiel der Katarakte des Orinoco . Und dabei ist dieses Bild, das der große Reisende mit poetischer Kraft geschildert hat, nur ein Teil in dem phantastischen Gemälde, das der ganze Orinoco darbietet. Bald liegen die Ufer weit am Horizont, bald tritt der Urwald dicht an das Wasser heran. Darin gleicht der Orinoco seinem größten Bruder, dem Amazonas : in beiden strömt das Wasser trüb und gelb dahin, zwischen Mauern turmhoher Vegetation, die zu Fuß fast undurchdringlich ist. In den fandigen Ufern sammeln sich, wie Up de Graff schreibt, Schildkröten und Alligatoren. Große Sümpfe dehnen sich meilenweit auf beiden Seiten. Wälder von Hartholz wechseln mit Palmen, auf den zahl­losen Inseln wachsen riesengroße Bambusstauden. Tapire und Wasserschweine, Ameisenbären, Jaguare und Affen bewohnen die Wälder. Tukane, Araras und zahllose Mengen anderer schwagen­der Papageien umschwirren die Bäume oder fliegen pfeilschnell über den Strom. Wie, luftige Juwelen schweben Kolibris über den Blumen; ihre winzigen Schwingen zittern gleich Schmetterlings­flügeln. In den Schlupfwinkeln der Sümpfe lauern Anakondas von gewaltiger Größe. In den Gewässern beider Ströme leben Bitteraale, Stechrochen und der gefräßige fleine Fisch, der Caribe, der wegen seiner Bissigkeit bekannt ist

Unendlich vielfältig zeigt sich die eingeborene Bevölkerung: zivilisierte Indianer und zahlreiche Wildstämme, die Indos bra­vos", der Schrecken der auf einer höheren Stufe Stehenden, Erd­effer und Jäger, Indianer, die nach Schildkröteneiern suchen und an Händler aus den Städten das Schildkröteneieröl verkaufen. Auf einer Insel des Orinoco , der Pesca de Tortugas, findet all­jährlich die Cosecha , die Eierernte, statt. Man besucht dieses Stück des Orinoco , wie man bei uns die Leipziger Messe besucht. So­weit das Auge an den Ufern hin reicht, liegen Schildkrötencier unter einer Erbschicht, man schürft nach ihnen mit einer langen Stange, um zu sehen, wie weit die Eierschicht reicht.

Nach den Mönchen, die zur Zeit der spanischen Herrschaft in die tiefste Wildnis vordrangen und dort ihre Missionsstationen er richteten, waren es deutsche Gelehrte, die den Orinoco erforscht haben. Nach Alexander von Humboldt betätigten sich die Brüder Schomburgt und unmittelbar vor dem Krieg der deutsche Gelehrte Koch- Grünberg in dieser Weltgegend mit dem besonderen Ziel, die Quellen aufzufinden. Aber alle Forschungen würden in ihrer Ge­

nauigkeit dadurch beeinträchtigt, baß Sis Farz vor bem feg affe astronomischen Ortsbestimmungen in unbekannten Gebieten unter dem Mangel einer zuverlässigen, transportfähigen Uhr litten. Erſt als die drahtlose Telegraphie erfunden war, hatte man das Mittel, überall auf der Erde die Greenwicher Zeit zu erhalten und damit fand in Paris eine internationale Konferenz für drahtlose Zeitüber­eine fortlaufende Kontrolle der Chronometer zu gewährleisten. 1913 tragung statt, die für die ganze Erde ein Netz von Funkſtationen festlegte, welche Mittags- und Mitternachtszeit bestimmter, von Greenwich aus gerechneter Stundenzonen drahtlos an jeden Be­fizer eines Empfangsapparates weitergeben sollten. Die erste deutsche Expedition mit drahtlosen Empfangsapparaten war die deutsche Orinoco- Expedition, die kurz vor dem Krieg zusammen­gestellt worden war. Der Ausbruch des Weltbrandes hat sie ver­hindert, ihr Ziel zu erreichen. Anderen ist es geglückt, die große Entdeckung zu machen, der deutsche Gelehrte so wirksam den Weg geebnet haben.

Sorbecks Abenteuer

Von Karl Schatz

Der Arzt Dr. Gorbed bewohnte eine Billa , die tief in einem Garten lag. An einem Abend gegen 10 Uhr saß der Arzt lesend in seinem Zimmer. Seine Frau war mittags zu ihrer Schwester gereist; ein Telegramm hatte sie nach dort gerufen. Das Haus­mädchen hatte um Ausgang gebeten, so daß Dr. Sorbed allein im Hause weilte.

Da erklang die Flurglode. Kam das Mädchen schon heim? Aber die hatte doch einen Schlüssel mitgenommen. Als Dr. Sorbeck öffnete, stand ein Mann vor ihm. Wie kommen Sie denn in das Haus?"

,, Ich fand die Tür offen."

,, Die Haustür offen?" fragte Dr. Sorbed. Das ist sonderbar." Der Arzt sann einen Augenblic. Dann zu dem Manne; Was wünschen Sie?"

,, Ich möchte Sie bitten, zu meiner tranfen Frau zu kommen." Dr. Sorbed wollte erst nicht. Er ließ sein Haus zu dieser Beit nicht gern ohne Aufsicht. Schließlich gab er doch den Bitten des Fremden nach, zumal da dessen Wohnung nicht allzu fern war.

,, Hier hinein, Herr Doktor!" Der Mann öffnete eine Tür am Ende des Flurs. Das Zimmer war dunkel. Nur durch den Spalt einer Tür zum Nebenzimmer drang ein schwacher Lichtschein. ,, Wo liegt die Kranke?"

heit."

,, Nebenan. Sie schläft. Sie leidet an einer besonderen Krank­

,, So

-

und was ist das für eine?" ,, Sie stiehlt mir meine Ideen. Wenn ich arbeite, tritt fie unbemerkt hinter mich. Ich fühle das, fann mich aber nicht da­gegen wehren, wenn sie mir meine Gedanken raubt." ,, Das ist ja sonderbar." Dr. Sorbed wurde mißtrauisch. Der Mann machte Licht. Sonderbar? Nein, durchaus nicht sie will sich rächen. Aber sie soll ihr Ziel nicht erreichen. Ha, ha, ha. nicht erreichen! Sie schläft jetzt da wird es ge­lingen!"

"

-

Was?"

-

"

-

-

,, Sie müssen mir helfen, müssen diesen Herd in ihrem Gehirn zerstörenden Schädel anbohren die Stelle, wo dieser Wille figt, vernichten radikal vernichten." Dr. Sorbed merkte, daß er es mit einem Jrren zu tun hatte. Das war böse. Er sah sich im Zimmer um. Der Mann beobachtete ihn scharf. Als der Arzt einen Schritt nach der Tür zu machte, sprang jener mit einem Saz vor, verschloß die Tür und zog den Schlüssel ab. Gefangen", murmelte Dr. Sorbed.

Sie. tommen nicht heraus erst müssen Sie getan haben was ich verlange,"" Der Mann og einen Revolver hervor. W fahren Sie nicht, schieße ich Sie nieder!"

-

Jetzt hieß es Ruhe bewahren. Vielleicht bot fich ein Ausweg, dachte Dr. Sorbed. Zu dem Mann gewandt: Ich habe ja noch gar nicht gesagt, daß ich Ihnen nicht helfen will." Der Irrfinnige stedte die Waffe wieder ein, behielt aber die Hand in der Tasche. ,, Ich befürchte nur, Ihre Frau wird erwachen, wenn ich die Operation vornehme." ,, Erwachen? Hihi, ich gab ihr ein tüchtiges Pulversie wacht nicht auf." ,, Schön aber Instrumente muß ich doch erst haben." Instrumente?" Der Irrsinnige sann nach. Geht es nicht mit einem Bohrer? Den habe ich da. Gewiß, das geht! Sie nehmen den Bohrer teine Widerrede! Sie bohren in das Gehirn..." Der Mann lauschte an der Tür. Sie schläft noch, das Pulver wirkte doch gut."

-

-

-

-

Der Mann öffnete die Tür ein wenig. Dr. Sorbed trat näher und sah eine junge Frau, bis an den Hals zugedeckt, auf einem Chaiselongue lieger. Er streifte den Irrsinnigen dabei am Rod. Sofort schob der den Arzt zurück und schloß die Tür. Sie wollen mir wohl meinen Revolver wegnehmen, he? Den halte ich fest! Sehen Sie. so." Der Mann bewegte die Waffe vor dem Gesichte des Arztes hin und her. Diesem wurde recht unbehaglich zumute. Sich zur Ruhe zwingend, sagte er: Steden Sie die Waffe ein; sie könnte losgehen, und die Kugel könnte mich treffen. Dann kann ich Ihnen nicht mehr helfen."

Hm, da haben Sie Recht." Der Mann steckte den Revolver wieder ein und setzte sich auf einen Stuhl nahe am Fenster. Es schien, als lauschte er. Auch Dr. Sorbed setzte sich. Was würde nun kommen? Minute aus Minute verrann. Plötzlich stand der Mann wieder auf. Uncuhig ging er hin und her, hatte scheinbar den Arzt vergessen. Dieser dachte daran, zu versuchen, vorerst ein­mal in das Zimmer zu gelangen, in dem die Frau lag. Er stand auf. Sofort nahm der Irrfsinnige eine drohende Haltung ein. Dr. Sorbed setzte sich wieder. Vielleicht beruhigte sich der Kranke, menn auch er sich selbst ruhig verhielt.

Dem Arzt dünkte die Zeit des Wartens endlos. Da ertönte auf der Straße das Hupensignal eines Autos. Zweimal kurz, ein­mal länger. Der Irrfinnig: sprang zum Fenster und im gleichen Augenblick wieder zurüd. Ehe sich Dr. Sorbed dessen versah, mar er im Finstern Im Nebenzimmer ertönte Gepolter. Eine Tür wurde zugeschlagen. Dunn war es still um den Arzt. Dr. Sorbed lauschte.--Was war geschehen? Er machte Licht. Die Tür zum Nebenzimmer stand offen. Borsichtig schlich der Arzt zur Tür das Zimmer war leer. Wo waren der Geisteskranke und die Frau?

-

Als Dr. Sorbed nach seiner Befreiung in seine Wohnung eilte, stellte er fest, daß der Schmuck seiner Frau und die wertvollsten Teile seiner Sammlung geraubt waren. Er war in eine Falle getappt. Das Telegramm an seine Frau war eine Fälschung ge­wesen, der Ausgang des Mädchens hing ebenfalls mit der Ge­schichte zusammen und das Tollite: Er war einem der Bande auf­gesessen, der ihn aus der Wohnung lockte und so geschickt den Irren spielte, daß er, der Arzt, sich täuschen ließ.-Deshalb schwieg Dr. Sorbed über dies Erlebnis und fand sich mit dem recht er­heblichen Verlust ab.

Verantwortlich für Politik: Tr. Curt Geyer ; Wirtschaft: G. Klingelhöfer: Gewerkschaftsbewegung: 3. Steiner; Feuilleton : Dr. John Schikowski; Lotales und Sonstiges: Frik Karstädt; Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin . Verlag: Borwärts- Berlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Borwärts- Buchdruderet and Berlagsanstalt Baul Ginger u. Co.. Berlin GB. 68, Lindenstraße& Hierzu 2 Beilagen.