10 Pf. flr. 368 B 184 43. Jahrgang
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Kommumstische Blutschuld
Todesopfer auf dem Bülowplah
Wie wir bei Schluß des Blattes erfahren, kau, es I heute mittag vor dem Karl-Liebknecht-Haus am Bülow- 1 Platz zu schweren Zusammenstößen kommunisti» scher Demonstranten mit Polizeibeamten. In der Ab- wehr von Angriffen gaben die Beamten mehrere Schusse ab. Ein Demonstrant wurde von einer Kugel in die Brust getroffen; sterbend wurde er in die Rettungs- stelle Landsberger Straße eingeliefert. Ein zweiter Ber - letzter, der einen Armschutz erlitten hat, erhielt auf der Rettungswache Lothringer Straße erste Hilfe. Nachdem die Polizei Verstärkung erhalten hatte, konnte die Ruhe wieder hergestellt werden.
Da» Slratzenräuberwm der kommuniflifcheu hitlerknechie nimmt von Tag zu Tag frechere formen an. 3n der vergangenen Nacht fielen wieder 40 Kommunisten, die mit Eisenstangen und Zaunlatten bewassnet waren, über acht Reichsbannerleute her. die spät nacht» von einer Gruppensihung heimkehrten. Ein Reich». bannerkamerad muhte mit erheblichen Kopswunden in da» Reinickendorfer Krankenhaus gebracht werden. Der hinterhältige Ueberfall war nach den polizeilichen Er- mittlungen genau vorbereitet. Das Lokal, in dem das Reichsbanner tagte, hatte genügend polizeilichen Schutz erhalten, so daß sich die Kommunisten, die in der Gegend herumlungerten, in einiger Ent- fernung hielten. Als die letzten Versammlungsteilnehmer, eine Gruppe von acht Reichsbannerieuten aufbrachen, wurden sie an der Ecke Resütenz. und Hauptstrohe in Reinickendorf -Ost von 40 Kom- munisten angegriffen. Ein 2ljähriger Reichsbannerkamerad wurde von den Burschen niedergeschlagen, mehrere andere erlitten bei dem ungleichen Kampf gegen eine fünffache Uebermacht leichtere Kops- Verletzungen. Um dem Strahenkampf aus dem Wege zu gehen, hatten die Reichsbannerleute kurz zuvor noch den Hof eines Grund- stückes in der Refidenzftrahe betreten, um zu warten, bis die kommunistischen Strolche abgezogen waren. Die Wegelagerer hatten sich jedoch im Hinterhalt gelegt und stürmten mit Eisen- stanzen und Aaurtlotten auf die Reichsbannerleute ein. Glücklicher- weise war die Polizei sehr schnell zur Stelle und nahm insgesamt 13 Personen fest. Unter den bei der Politischen Polizei des Präsidiums Eingelieferten befinden sich auch drei Reichsbanner- kamcraden, die zedoch nur als Zeugen in Frage kommen. Die kommunistischen Strahenräuber gehören sämtlich der W e d d i n g- k o l o n n e an. Auch in anderen Stadtteilen verlief die vergangene Nacht ziemlich unruhig. Ueberall wurden von der Polizei, die in Kraft- wagen und auf Fahrrädern unaufhörlich die Straßen durchstreiften, Klebe- und Schmierkolonncn überrascht. Insgesamt wurden fünfzig Personen, die der Kommunistischen und Nationalsozialistischen Partei angehören, festgenommen. In den Taschen von zwei Haken- kreuzlern wurden entsicherte und geladene Pistolen gefunden. In der Brandenburgstraße entspann sich zwischen Kommunisten und Hakenkreuzlern eine wilde Schießerei. Obgleich eine große Zahl von Schüssen gewechselt wurden, erlitt niemand Ver- letzungen. Beim Anrücken des Ueberfallkommandos stob die Bande auseinander und allen Beteiligten gelang es, zu entkommen. An der Habsburger Ecke Gausstraße wurde die Litfaßsäule von kom- munistischen Tätern zweimal in Brand gesteckt. Einer der Täter wurde von Beamten des Ueberfallkommandos festgenommen.
Das Sonntagsweiter. Von Südengland rückt ein Tief heran. lleber Südenglond hat sich gestern ein starkes Tiefdruckgebiet herangebildet, dos allem Anscheine nach seinen weg nach Osten nehmen und den zur Zeit herrschenden wilterungscharaklcr ver- ändern wird. Die Auswirkungen dieser Depression werden sich am morgigen Sonntag im ganzen Reich bemerkbar machen. Die Prognose lautet: Bei zunehmender Bewölkung ist mit sinkenden Temp«- raturen zu rechnen. Im Rheinland sind erhebliche Niederschläge zu oerzeichnen und longsam rückt die Schlechtwetterzone näher. Die ZRittagstemperatur betrug heute in Berlin 24 Grad Wärme.
Appell an die Vernunst Eiu Wort zum Volksenischeid
In letzter Stunde ein Appell an die Vernunft! Worum handelt es sich bei dem sogenannten Volksentscheid? Nicht etwa allein darum, ob in Preußen eine links- oder rechts- gerichtet« Regierung die Geschäfte führen soll. Das Wesentliche ist, daß wieder einmal ein großer Teil unseres Volkes sich blindlings mit Hurra und Tschingdera kopfüberindenAbgrund stürzen will. Aber diesmal ohne die Entschuldigung, durch die Tücken irgend- eines„Zeindbundes" hierzu genötigt zu sein, sondern aus völlig freiem Antrieb. Dieser Teil des Volkes hat die Lehre des 14. September 1S30 nicht oerstanden, oder vielmehr: man hat sie ihm absichtlich ver- h e i m l i ch t. Wie viele von denen, die am Sonntag mit Ja stimmen wollen, wissen wohl, daß der Nazi- und Kozi -Erfolg bei den letzten Wahlen vom deutschen Volke mit annähernd 4 Mil- liarden Mark bezahlt werden mußte, mit 4000 Millionen kurz- fristiger ausländischer Anleihen, die infolge des geschwundenen Ver- trauens in die Sicherheit der deutschen Verhältnisse zurückgezogen wurden und nun als Anlagekapital bei uns fehlen? Wie viele von den Ja-Stimmern wissen, daß dieser 14. September 1930 der Ausgangspunkt für das Ansteigen der Arbeitslosigkeit von Z aus 5 Millionen. für die Katastrophe unseres Geldwesens im vergangen Monat ge- wesen ist? Es ist ein Bild von geradezu grausiger Ironie: am Sonnabend werden die Sparkassen soweit sein, um ihren Einlegern, die zum Teil ihr Geld schon für verloren gehalten haben, die vollen Gut- haben ungeschmälert herauszahlen zu können. Und am Sonntag darauf werden Hunderttausende der eben geretteten Sparer zum Volksentscheid gehen.— Warum? Damit sie in das gleiche Wasser, au» dem sie eben heraus- gezogen wurden, sofort wieder hineinfallen.
Hugenbergö Marionette
KCMMUNtSTEN »Schön haben wir ihn an der Strippe!*
Denn daran kann doch kein Mensch, der über den Horizont eines Gemüseladens hinauszusehen vermag, zweifeln. Sollte wirklich dieser wahnwitzige Volksentscheid siegen, dann würde die eben ein- geleitete Stillhalte-Aktion der ausländischen Gläubiger in die Brüche gehen, dann wären neue Kapital- und Devisenabzüge größten Ausmaßes die Folge, dann ist in kürzester Frist der Tag anzusetzen, an dem die Banken wieder schließen müssen, kein Reich sie mehr stützen kann, der Run auf die Sparkassen vo» neuem lo»- geht und die Sparer— diesmal aber wahrscheinlich für immer— auf die Auszahlung ihrer Guthaben werden warten müssen. Ist es zu viel gesagt, wenn wir behaupten, daß dieser Bolt»e entscheid in Wirklichkeit die Aufforderung zum Volksselbstmord ist? Man hetzt die Beamten an die Wahlurne, weil sie ihr August-Gehalt nur in Raten erhalten. Und was sollen sie tun? Eimen Zu st and herbeiführen, bei dem ihnen überhaupt niemand mehr Gehalt wird zahlen können. Man hetzt die Arbeiter auf durch den Hinweis auf die in der Krise gesunkenen Löhne und die verminderte Arbeitslosenunterstützung. Und was sollen sie tun? Durch eine Ja-Stimme für den Volks- entscheid eine neue Erschütterung der Währung her- b e i f ü h r e n helfen, bei der erfahrungsgemäß die Löhn« durch die rapide Geldentwertung in ein Nichts zerflattern, bei der die Arbeitslosenunterstützung nur noch in bedruckten Scheinen ohne Wert bestehen würde. Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß in dem Augen- blick, in dem sich alle Feinde der Demokratie und der Republik zu- sammenballen, die Kommuni st en als freiwillige Helfer zu ihnen stoßen. Man kann feststellen, daß dies erst den Faschisten Mut gegeben hat. Sie hofften auf keinerlei Erfolg des Volksentscheides, konnten auch nicht darauf hoffen, nachdem sie beim Volksbegehren in vierzehntägiger Agitation es mit Ach und Krach auf 6 Millionen Einzeichnungen gebracht hatten. Es lag für die Seldte, Hitler und Hugenberg außerhalb aller Möglichkeit, aus diesen 6 Millionen beim Volksentscheid die erforderlichen 1334 Millionen zu machen. Da meldet« sich der Bundesgenosse Thälmonn. „Jetzt ist die Lage anders!" jubelte alsbald Hugenberg. Etwas so Blödsinniges hat die Weltgeschichte überhaupt noch nicht gesehen, daß eine Partei, die sich als revolutionäre Arbeiterpartei be- zeichnet, aus freien Stücken ins Lager der Reaktion schwenkt. nur, um dieser bei der Knechtung des Voltes behilflich zu sein. Es ist p l u m p e r S ch w i» d e l, wenn die Kommunisten ihren Schäflein einen„r ot e n" Volksentscheid vorgaukeln. Wodurch soll sich denn die angeblich„roie" kommunistische Ja- Stimme in der Wahlurne von der schwarzweißroten Nazi-Stimme unterscheiden? Wie will die KPD. feststellen, wie viele von den Ia-Stimmen am Sonntag die Kommunisten gestellt haben und wie- viel die Faschisten? Aber es kommt ja nicht auf die Zählung der Stimmen, sondern auf ihre Wirkung an. Die kommunistische 3a- Stimme wirkt genau so sür hiller und hugenberg, wie die faschistische. Für die Faschisten ist der Kampf um Preußen ein Kamps um die reo le Macht. Es geht für sie um die Eroberung des V e r w a l t u n g s a p p a r a t e s und der Schutzpolizei . Danrit die kommunistischen Wähler das nicht erkennen, verzerrt ihnen ihre Presse diesen Machtkampf in ein persönliches Geraufe um Futter- krippenstellen. Die Kommunisten halten es umgekehrt wie Ferdinand Lassall«: Anstatt wie Laffalle auszusprechen was ist, suchen sie ihren Anhängern zu verbergen, um was es geht. Ihre zum Ueberdruß wiederholte Frage, was denn der Unterschied zwischen einem Innenminister Severing und� einem Innenminister Hitler sei, sin- det in der Wirklichkeit eine so augenfällig« Widerlegung, daß man sie nur mit dem bekannten Scherzwort beantworten kann:„Was ist der Unterschied zwischen einer Kutsche und einer Lehm-