Verbrechersuche bei Jüterbog . Polizei verfolgt mehrere Spuren. Bei den llnlersuchungskommissioaen zur iluskläruag des Zülerboger Eisenbahnaltenlals herrscht weiter hoch- betrieb. Krimina trat Gennat Hot wieder im Berliner Polizeipräsidium sein Hauptquartier aufgeschlagen, Kriminalkommissar Dr. Bern- dorsf ist noch gestern abend nach Klo st er Zinna zurückgekehrt, wo er zusammen mit den Kommissaren Lehmann und Dr. Wächter die Ermittlungen sortsehen wird. Die Nachforschungen gestalten sich immer schwieriger, trotzdem wäre es verfrüht, schon jetzt zu behaupten, daß sie auf ein totes Gleis gelangt sind. Nun fetzt die M o s a i k a r b e i t ein: Hunderte
Zeugenvernehmung in Zinna von Spuren müssen oerfolgt werden, und der Beamtenstab ist kaum ausreichend, um alles überprüfen zu können. Tag und Nacht wird ohne Unterbrechung an der Aufklärung des Verbrechens gearbeitet. Die Sprengkörper waren an der Unterseite des Schienenstücks angebracht. Bei der Explosion scheint auch nur die Schiene und der Unterbau in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn an den Wagen konnten bisher keine Explosivschäden festgestellt werden. Der ge- samte Unglllckszug ist als Beweismittel sichergestellt worden. Der Zug wird nach seiner restlosen Wiedereingleisung in seiner ursprüng- lichen Wagenfolge zusammengekoppelt, und dann wird Professor Dr. Ritter im Verein mit einem Eisenbahnsachverständigen nochmals alles Erforderliche überprüfen. Diese Maßnahme wird sich besonders auf den Unterbau der Wagen beziehen, die bisher nicht kontrolliert werden konnten, da sie sich bei der Entgleisung zum Teil tief in das Erdreich einbohrten. Wie uns noch von der Unfallstelle berichtet wird, schreiten die Eingleisungsarbeiten weiter rüstig vorwärts, so daß in kurzer Zeit mit der Wiederaufnahme des Normalverkehrs zu rechnen ist.
Oer Beschluß des Zenirumsvorstandes. Die Bundesgenossen des Volksbetrvgs und das Zentrum. Die„G e r ni a n i a" versieht den gestrigen Beschluß des Zentrumvorstandes mit einer leisen Ermahnung an die Volks- entfcheidsparteien: „Vor ollen Dingen aber müssen wir eins hervorheben. Es ist eine falsche Unter st ellung, wenn das in der Oeffentlich- keit stark kritisierte Verhalten der preußischen Zentrumsminister als Affront gegenüber anderen Parteien bezeichnet und ausgedeutet wird. Das heißt den preußischen Zentrumsministern eine Absicht unterschieben, die sie in keinem Falle gehabt haben. Leider haben sich einige mittlere Parteien dadurch, daß sie beim preußischen Volksentscheid mit den extremen Parteien rechts und links zusammengegangen sind, mitten in einen unschönen Kampf begeben, und es ist wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht klüger gewesen wäre, wenn sich dies« Parteien, Nock) dazu beim Hinzutreten der Kommunisten, überhaupt absentiert hätten. Aber auch darüber erscheint uns jetzt eine Auseinandersetzung überholt und post lestum über- flüssig" Gegenüber dieser Sanftmütigkeit führt die„Deutsche All- gemeine Zeitung" ein« sehr energische Sprache, sie ruft die Volksentscheidsparteien zur Rebellion gegen das Zentrum auf: „Wir vermögen jedoch in diesem Beschlüsse keine aus- reichende Genugtuung für die Illoyalität zu er- blicken, die das preußische Zentrum dem Reichskanzler und den fünf Parteien zugefügt hat, die ihn unterstützen. Diese Parteien haben nun ihrerseits das Wort, und wir möchten nicht daran zweifeln, daß ihre Sprache deutlicher fein wird als die des gestrigen Zentrumsbeschlusses." Hier wird zu neuem Krach gehetzt. Man hört förmlich den Revolver der Reichstagseinberufung knacken.
Kommunistischer Mörder verhafiei. Oer Mörder des Kölner Stahlhelmführers ermittelt. Köln . 13. August. Die Ermittlungen nach dem Mörder des Gaugeschästssührers 0c» Stahlhelm Köln , Albert Heister, der in der Nacht zum Sonntag vor seiner Haustür durch einen Pistolenschuß getötet wurde, haben Erfolg gehabt. Als Täter kommt der der Kommunistischen Partei angehörend« 2Sjährig« Arbeiter Theodor Dürwcrdt aus dem Martinsfeld in Köln in Frage. Dürwerdt hatte nach der Tat sogleich die Pistole seinem 18jährigen Parteifreund, dem Ar- bester Heinrich Nicksch, übergeben. Nickfch hat jetzt zugegeben, daß er die Waffe von Dürwerdt zugesteckt bekommen hat. Die Pistole wies noch sieben Schuß auf. Ein Schuß war abgefeuert worden, und zwar muß dies erst unmittelbar vor der Beschlagnahme der Waffe geschehen sein. Hinzu kommt, daß die am Tatort gefundene Patronenhülse genau in die Pistole paßt. Dürwerdt bestreitet noch immer die Tat. Das Beweismaterial gilt als vollkommen ein- wandfrei. „?iheinisch-Westfälische Zeitung'" verboten. Essen, 13. August. Der Oberpräsident der Rheinprovinz hat mit sofortiger Wirkung die„Rheinisch-Westsälische Zeitung" auf die Dauer von 1 4- Tagen nerboten. Der Grund für das Verbot ist ein Inserat vom 8. August, das zur Beteiligung am Volksentscheid aufforderte.
Nie„vergeßlichen" VerfaWgsredner Oer Freiherr vom Giein und die neue Legende
Preisend mit viel schönen Reden haben am Verfasiungstag nacheinander der Reichsfinanzminister Dietrich, der Reichskanzler Dr. Brüning und der Oberbürgermeister Dr. S a h m den Frei- Herrn vom Stein gefeiert. Im übernächsten Monat sind es 18 Jahre her, daß man auch allen Grund gehabt hätte, seiner zu gedenken. Es waren da hundert Jahre seit der Schlacht von Leipzig verflossen, und der letzte Hohenzoller wäre nicht der gewesen, der er war, wenn er eine so schöne Gelegenheit zu ausgiebiger Feierei nicht gründlich benutzt hätte. Wie es in einer Monarchie nicht gut anders möglich ist, wurde damit gleichzeitig eine großzügige Reklamepropaganda für die Firma verbunden: die Männer, die alles getan hatten, wie Stein, mußten bescheiden zurücktreten, Scharnhorst wurde sogar vollkommen„vergessen". Dafür aber dem König Friedrich Wilhelm III., der nichts getan, ja alles Nützliche nur nach Möglichkeit verhindert hatte, alles Verdienst zugeschrieben. Die frechste Verhöhnung der historischen Wahrheit war die Prägung einer Gedenkmünze mit der Inschrift:„Der König rief, und alle, alle kamen!" In Wahrheit waren sie früher oder später alle gekommen: auch der König — zuletzt. Das war in den finsteren Tagen der Monarchie. Was wir an ihrer Stelle heute haben, ist leider nicht so wundervoll, daß wir mit gar zu mitleidigem Achselzucken auf sie herunterblicken könnten. Daß der Oberbürgermeister der deutschen Reichshauplstadt noch 12 Zahre nach Annahme der republikanischen Verfassung das Wort„Republik " kaum über die Lippen brachte, ist an dieser Stelle schon bemerkt worden. Es blieb leider nicht nur bei diesem Wort. Solcher— sagen wir neutral„Vergeßlich- k e i t e n" gab es so viele, daß der historisch halbwegs Orientierte sich wieder lebhaft an die herrliche Zeit des noch weit Herrlicheren erinnert fühlte. Da meinte der Herr Oberbürgermeister, daß an den für das deutsche Volk immer wiederkehrenden Zeiten der Niederlage, Not und Verzweiflung„die zentrale Lage im Herzen Europos" die Schuld trage. Nun saßen aber die Preußen, als sie sich auf den Weg nach Sedan machten, genau an derselben Stelle wie beim Aufbruch nach Jena . Der Wohnsitz kann also unmöglich das Unglück ver- schuldet haben. Ueber die wahre Ursache hat sich just der Freiherr vom Stein ganz eindeutig geäußert, als er am 3. Januar 1806 über die damaligen politischen Versäumnisse Preußens an den Freiherrn von Vincke schrieb: „Hätte eine große moralische und intellektuelle Kraft unseren Staat gelenkt, so würde sie die Koalition... zu dem großen Zweck der Befreiung Europas von der französischen Uebermacht geleitet haben. Diese Kraft fehlte dem König. Ich kann ihm, dem sie die Natur versagte, usw." Es ist recht merkwürdig, daß unsere Verfassungsfestredner zu den unwahrscheinlichsten Konstruktionen greifen müssen, wenn so
einfache Erklärungen in den Quellen stehen. Da steht noch recht vieles, das ihnen entgangen ist: Daß der Zusammenbruch, aus dem Stein wieder herausführen muhte, lediglich daher kam. daß mau den Staat nicht auf die Vaterlandsliebe des„gemeinen" Mannes, sondern auf den Hoch- mal bevorzugler Stände hatte gründen wollen. Daß der König mitten in der schwersten Krise, am 4. Januar 1807, aus Leidenschaft und persönlichem Haß den besten Mann Preuß«ns fortjagte als einen„widerspänstigen, trotzigen, hart- näckigen und ungehorsamen Staatsdiener, der, auf Genie und feine Talente pochend, weit entfernt fei, das Beste des Staates im Auge zu haben". Daß es groteskerweise just Napoleon war, der dann am 28. Juni 1807 bei der ersten Begegnung mit Friedrich Wilhelm auf einem Floß des Memelstromes die Wiederanstellung Steins dem König ausdrücklich ans Herz legte:„Lroner lo Baron de Stein, c'est un komme d'esprit!")(Nehmen Sie den Baron Stein , das ist ein Mann von Geist!") Ohne diesen Wunsch Napoleons wäre der jetzt so gefeierte Reichsfreiherr nie zur Entfaltung seiner genialen Gaben gekommen. Denn zwei Eigenschaften haben ihm bei der deutschen Herrenklasse von jeher von vornherein diskreditiert: Genie und Charakter. Damals stempelte man einen solchen Man« zum Jakobiner, heute würde man ihn als Marxisten behandeln. Selbst wenn er von Geburl ein altfränkischer Edelmann wäre! Man hätte ferner daran erinnern können, daß sofort nach Be- kanntwerdung des Bauernbefreiungsedikts in den adligen Kasinos gejammert wurde:„Lieber noch drei Schlachten von Jena und Auerstädt, als dieses Gesetz! Daß selbst der Eisenfresser Jorck ingrimmig murrte über das..Natterngezücht der Reformer" hauptsächlich im Hinblick auf die zu ändernden Besitz- Verhältnisse. Daß diese Herrschaften denn auch dafür sorgten, daß das Edikt lange genug ein Stück Papier blieb. So hätte man noch viel« historische Tatsachen anführen können, die das deutsche Volk vielleicht veranlaßt hätten, darüber nachzudenken, ob nicht noch die- selben Kräfte am Werk sind, um jede Reform zu verhindern. Denn was damals das Emanzipationscdikl war. sind heute auf dem Papier gebliebene Verordnungen über die 40- Stunden- Woche, gegen die Kartelle usw. Aber gerade solche fatale Gedankengänge sollten wohl vermieden werden, daher die seltsamen Lücken und Verschleierungen der Ver- fassungsreden. Was da erzählt wurde, war vielleicht Geschichte. aber kein« vom Volk ausgehende, sondern von der Klasse. Ob in diesem Geiste wirtlich das versprochene„neue" Deutschland auf- gebaut werden kann? Der Anblick gibt den Zuschauern einstweilen keine Stärke... G. H.
Tragödie einer Kranken. Auf eigenen Wunsch erwürgt. Die Tragödie einer schwerkranken betagten Ar au hat in Eharlattenburg ihr tragisches Ende gefunden. In der Rehrlag st raße erwürgte der öS Jahre alte Händler Karl S u a e r t seine um zwei Jahre ältere Ar a u auf deren eigenen Wunsch, um sie von jahrelangen Qualen zu befreien. Räch der Tat stellte sich Sunert selbst der Polizei, die ihn dem Amtsgericht in Eharlattenburg zuführte. Kunert war seit 28 Jahren mit seiner Frau Ernestine ver- heiratet. Aus dem Bunde sind zwei Kinder hervorgegangen. die aber lange erwachsen und selbst schon verheiratet sind. Sie wohnen auch nicht mehr bei den Eltern. 5kundert betrieb einen kleinen Handel mit Schnürsenkeln und ähnlichen Bedarfsartikeln, und die Verhältnisse un Hause waren recht kümmerlich. Frau Kunert litt seit über drei Jahren an schwerer Gicht, und alle Heilungs- oersuche waren erfolglos geblieben. Wenn die Anfälle einsetzten, hatte sie furchtbare Schmerzen zu ertrage� und fand nächtelang keinen Schlaf. Die verheiratete Tochter nahm sich in solchen Zeiten der Mutter an und schlief mit ihr in einem Zimmer, während der alt« Vater sich nebenan ein Lager aufschlug. Das Unglück wollt« es, daß die Tochter vor 14 Tagen selbst erkrankte und in ein Kranken- haus gebracht werden mußte. So war Kunert mit seiner Frau allein. In der vergangenen Nacht setzten die Gichtanfälle, wahrscheinlich unter dem Einfluß der kühlen und regnerischen Witterung, mit großer Kraft wieder ein. Die alte Frau konnte nicht einschlafen und weinte vor Schmerzen. Sie bat ihren Mann, sie zu töten, damit die Qual ein End« habe. Lange sträubt« sich Kunert gegen das Verlangen, dann ober faßte er den Hals her Leidenden und drückt'« zu. Wie er später angab, war seine Frau schon nach wenigen Augenblicken verschieden. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß sie tot war, kleidet« er sich an und begab sich nach dem 12S. Polizeirevier in der Schloßstraße. Hier schilderte er, was er getan hatte und aus welchen Gründen. Beamte, die sofort nach der Wohnung gingen, fanden alles bestätigt. Die jahrelange Krankheit hatte die bedauernswerte Frau so abgezehrt und entkräftet, daß der Körper nicht mehr widerstandsfähig war. Kunert wurde festgenommen und dem Amtsgericht eingeliefert.
Oer Kommunistenmord in Wien . Haussuchungen in der(Sache(Semmelmann. Graz , 13. August. Wie die„Grazer Tagespost" meldet, wurde in Altenburg im Zusammenhang mit der seinerzeit erfolgten Ermordung des kom- munistifchen Geheimagenten Semmelmann«ine Haussuchung im Schlößchen eines Berliner Kaufmanns vorgenommen, da seinerzeit bei Scmmelmann eine Geldanweisung auf einen höheren Betrag in Reichsmark gefunden wurde, die von einem Absender mit dem Namen des Kaufmanns ausgestellt war. Die Durchsuchung förderte eine Reche kommunistischer Flugschriften und anderer Dokumente zutage. Es wurde festgestellt, daß der älter« Sohn des Schloßbesitzers, ein Student in Berlin , der Kom- munistifchen Partei angehört und mit Semmelmann in sehr reger Korrespondenz stand. Als Mittelsmann scheint dessen jüngerer Bruder, ein ISjähriger Gymnasiast, verwendet worden zu sein, der nach dem Ergebnis der Untersuchung ebenfalls bereits für die politischen Bestrebungen seines älteren Bruders lebhaftes Interesse zeigte. So wurden die meisten Angestellten des Schlößchens, aber auch zahlreiche Personen aus der Umgebung der Ortschaft als Mit- glieder der Kommunistischen Partei geworben. Der Kaufmann ist
gegenwärtig in Berlin , und seine Frau, die mit den bechen Söhnen in Altenburg wohnt, scheint von dem Treiben ihrer Kinder und deren Parteizugehörigkeit nichts gewußt zu haben. Verhaftungen sind bisher nicht vorgenommen worden.
Wieder politische Bluttat? Zm(Schönebevger(Stadtpork niedergeschossen. In der vergangenen Rächt wurde der Zojährige. Erich Braun aus der Isoldestraße im Schöneberger Sladtpark offen- bar im verlause einer Schlägerei von politischen Gegnern nieder- geschossen. B. fand im Krankenhaus Aufnahme. Von den Tätern fehlt bisher jede Spur. In Weißensee wurden gestern, wie berichtet, vier Kom- m u n i st e n festgenommen, die gegen den Revieroorster Ober- lcutnant B o e ck e r schwere Drohungen ausgebracht hatten. In der letzten Nacht find in diesem Zusammenhange abermals sieben Personen verhaftst worden, die dem Kampfbund gegen den Faschis- mus angehören. In mehreren Wohnungen wurde belastendes Schriftenmatsrial gefunden und beschlagnahmt.
Gesinnungstheater in Moskau . Meyerhold , der gefeierte Moskauer Theaterleiter, hat so- eben die Saison seiner Bühne beendet. Das Theater hat für zwei Monate feine Pforten geschlossen, hinter denen freilich nicht die Ferienruhe wie sonst herrscht. Ein Sturm ist über Meyerholds Bühne hinweggegangen und droht nicht nur den künstlerischen Leiter des Theaters, sondern auch das Unternehmen selbst in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Meyerhold -Bühne sieht sich plötzlich von einer geschlossenen Front der Sowjetkritiker heftig bestürmt. Man ist mit Meyerhold sehr unzufrieden, weil er in der letzten Spielzeit ein Stück heraus- gebracht hat, das lebhaftes Mißfallen erregt«. Es handelt sich um „Eine Liste der Wohltaten", das Werk des jungen Theoterautors Olefa. Die Heldin des Stückes, eine Frau namens Gontfcharowa, begibt sich im Lauf der Handluyg nach Paris , um die kapitalistische Welt besser kennenzulernen. Die offiziellen Kritiker nannten das Stück eine Dummheit, ein scheinheiliges konterrevolutionäres Werk, und sie verlangten, daß es unverzüglich vom Spielplan abgefetzt werde, und daß sich Meyerhold rechtfertige. Dieser protestierte und erklärte, daß allein der Klub der Schriftsteller berufen und zuständig sei, ein« Entscheidung in dieser Angelegenheit zu fällen. So wurde dieser Tage das Klubhaus der Schriftsteller der Schauplatz einer nicht alltäglichen Veranstaltung. Vor einem Parkett von 500 Zuhörern spielten drei Schauspieler der Truppe Meyerholds die Szenen, an denen man Anstoß genommen hatte. Als die Vor- führung zu End« war. herrschte eisiges Schweigen im ganzen Saal. Niemand wagte zu applaudieren. Da trat der Hauptankläger, Karl R a d e t, der sich neuerdings als eine Art Literaturpapst aufgetan hat(man vergleiche sein anmaßendes Vorwort zu Pilnjaks Roman „Die Wolga fällt ins Kafpifche Meer"), auf das Podium und er- klärte:„Die Konzeption dieses Stückes ist erbärmlich und stupid. Es beweist eine große Kühnheit, den Skeptismus der Intelligenz von neuem zu beleben und dem Proletariat demoralisierende Szenen aus dem Pariser Leben vorzuspielen, die geeignet sind, seinen Glauben zu erschüttern. Dieses Stück muß unverzüglich aus dem revolutionären Spielplan entfernt, die Schuldigen dieses Skandals müssen bestraft werden." Meyerhold versuchte, sich zu rechtfertigen. Er berief sich auf die künstlerische Freiheit, kam aber gegen den allgemeinen Widerspruch und dos Hohngelächter nicht auf.