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Nr. 377 48. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Walter Galdert: Mafalda

Eine Geschichte, die nicht weiter geht

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Als der Dichter Titus Löwenzahn eines Morgens viel früher| bekommen. Sie öffnete jeden Tag zur gleichen Zeit ihr Fenster als gewöhnlich auf seinen Balkon hinaustrat eine Horde Fliegen und sah eine halbe Stunde lang hinaus; das hatte Titus sehr schnell festgestellt. Er war meist schon früher draußen. Seinen bequemſten Lehnsessel hatte er auf den Balkon geschleppt, und in dem saß er die halbe Stunde lang, während der Mafalda sich zeigte. Er starrte sie an und notierte ab und zu auf einem Block die Gedanken für feinen Roman, die ihm der Anblick der Schönen eingab. In einer Woche kam er bis auf vierzig Seiten. ,, Mafalda, die Entwurzelte" sollte der Titel lauten..

war der prosaische Grund seines zeitigen Aufstehens- stieß er einen Ruf des Erstaunens und Entzückens aus: ein Fenster im gegen­überliegenden Hause, das er seit Monaten nie anders als geschlossen und mit einer diskreten Wolkengardine verhängt gefannt hatte, war geöffnet, und in dem Fenster lehnte eine Frau, deren Anblick ihn elektrisierte.

Titus war ein wenig furzsichtig, und es war ihm nicht vergönnt, auf Entfernungen alle Einzelheiten zu erkennen. Aber er sah blau­schwarzes, zu einer eigenartigen strengen Frisur zusammengefaßtes Haar, das ein erotisches Gesicht mit hochgewölbten tiefdunklen Augenbrauen und einem kleinen sehr roten Mund umrahmte, nein, frönte! Das genügte, um ihn zu erregen. Ein Name durchzuckte den Italienschwärmer Titus Löwenzahn: Mafalda. Ja, Mafalda, so mußte sie heißen.

Stundenlang arbeitete der wadere Titus vor dem Bild, das über seinem Schreibtisch hing. Der Roman gedieh vorzüglich, bald war Seite hundert erreicht. Die Erlebnisse der Heldin bis dahin waren im höchsten Grade aufregend, und wenn sie ihren Geliebten tüßte, überlief ein Schauer Titus Löwenzahn. Dieser Roman würde ein großer Erfolg werden, das fühlte er

Da ging Titus, er hatte gerade wieder sechs Seiten des Mafalda­Romans geschrieben, eines Nachmittags zum Bäder, um sich Brötchen zu holen. In Gedanken arbeitete er noch an einer Szene des Romans, in der Mafalda mit ihren Freundinnen auf dem Blumen­markt steht und ein Gespräch über die Liebe führen sollte. Titus sah nicht auf seinen Weg und stolperte an jeder Bordschwelle. Plötz­lich riß ihn eine fettige Hausfrauenstimme aus seinen Träumen: Wie machen Sie bloß immer Ihre wunderbaren Heringsklopfe, Frau Neubauer?"

Und schon fing feine Dichterphantafie an, eine Geschichte zu rechtzuzimmern. Mafalda war, leider, feine alleinstehende Dame, denn die Wohnungen der Siedlung wurden grundsätzlich nur an Ehepaare vermietet. Titus erinnerte sich auch, an demselben Fenster schon einmal einen sehr wenig erotisch aussehenden Mann gesehen zu haben. Mafalda mußte also wohl die Gattin dieses Mannes sein. Gewiß war er durch Italien gereist und hatte eines Tages Mafalda gesehen, wie sie, graziös an eine römische Säule gelehnt, auf die Rauchfahne des Vesuv schaute. Er hatte sich ihr genähert und ihr eine Blume gereicht der Dreiste! und sie hatte ihm - dem Glücklichen!-holdselig zugelächelt. Mit zusammengesuchten Vokabeln und Zeichen hatte er sie um ein Wiedersehen gebeten, und sie war einverstanden gewesen. Am Abend hatten sie sich an der gleichen Stelle getroffen und waren Arm in Arm unter Palmen und Delbäumen stundenlang auf und ab gegangen. Der blonde Fremdling damals war er ja wohl noch nicht fahl gewesen hatte Roseworte geradebrecht und schließlich hatte er es gewagt, seine Lippen auf ihren roten Mund zu preffen. Titus haßte ihn bei diesem Gedanken. Aus einem Abendspaziergang waren viele ,,, Mäine Keenichsbarjer Klopse sind äijentlich mäin Jehäimnis, aber aus einem Ruß unzählige geworden, und eines Tages war der Fremdling aus dem Norden vor Mafaldas ,, babbo" hingetreten und hatte ihn um die Hand seiner schönen Tochter gebeten. Der ,, babbo", gewiß ein würdiger Mann mit einem prächtigen Römer­topf, hatte seine Zustimmung gegeben, und der Fremde hatte die Tochter des sonnigen Südens in den falten Norden geführt.

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Nun saß sie hier wie ein gefangener Vogel Titus blickte hinüber; die Wolkengardine verhüllte schon wieder das Fenster und dachte sehnsüchtig an ihre ferne Heimat zurück. Vielleicht saß sie mit einer Laute in ihrem Zimmer, das Titus sich ganz luxuriös ausmalte, und sang alte italienische Volkslieder. Titus wischte sich eine Träne aus dem Auge und ging ins Zimmer zurück.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und zeichnete mit Kohle

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er war fein übler Zeichner. Mafaldas Bild auf ein Blatt Papier , das er mit einem Reißnagel an die Wand heftete. Lange saß er da und schaute es an, spigte den Mund wie zum Rüffen und winfte wie ein Verliebter dem Bilde zu. Ein Gedicht ,, Mafaldas Heimweh" floß aus seiner Feder, und in seinem Geiste reifte der Plan zu einem Roman.

Titus stand jetzt jeden Morgen früh auf, rasierte sich in flie­gender Haft und eilte auf den Balkon, um Mafalda zu Gesicht zu

Erna Büsing:

Titus blickte entrüstet auf und überlegte gerade eine pathetische Beleidigung, die er der Frau an den Kopf werfen wollte. Da fiel fein Blid auf ein Gesicht, mit hochgewölbten Augenbrauen und firschroten Lippen, das von blauschwarzem Haar in einer strengen Frisur gefrönt wurde. Mafalda! Ja, fein Zweifel, es war Mafalda! Sie stand unter den Frauen, die sich um den Wagen eines fliegenden Gemüsehändlers drängten und über Heringsklopse diskutierten! Wie mußte ihre edle Seele darunter leiden! Titus errötete und starrte die Heldin seines Romans an. Jezt öffnete sie den Mund, gewiß um gegen die Heringsflops- Megäre aufzubegehren, und sagte: wäil Sie's sind, Frau Barch, will ich es Ihnen verraten..."

Es gab ein Klirren wie von zerbrochenem Glas, aber es waren feine Scherben auf dem Boden zu sehen; es war Titus Löwenzahns Traum, der in Stücke gegangen war. Mit zusammenknickenden Beinen ergriff der Dichter die Flucht, stürzte in den Bäckerladen, verlangte seine Brötchen und war schon wieder draußen, bevor die Verkäuferin ihm das Kleingeld auf sein Dreimarkstück heraus­gegeben hatte.

Vor der Türe ihres Hauses stand Mafalda" und sah die Straße entlang. Titus bremste seinen Laufschritt, ging auf sie zu und sagte mit zornbebender Stimme: Meine Dame, wissen Sie nicht, daß so ein Gesicht verpflichtet?" Und schon hatte er ihr den Rücken gewandt. Wie mäinen Sie das, mäin Harrchen?" rief ihm die erstaunte Er- Mafalda Frau' Neubauer nach.

B

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Am nächsten Tage faßen die Müllfutscher in einer Gruppe auf ihrem Wagen und lasen in dem Manuskript, das sie in einem Müllkasten gefunden hatten. ,, Ein faftiger Roman!" sagten sie ,,, ein Klasseweib, diese Mafalda! Bloß schade, daß die Geschichte nicht weiter geht..."

Wie der Ueberkreuzflug entstand

Dort oben bin ich weniger häßlich als hier unten," sagte vor Jahren einmal der Jurist Leotard und er wurde ein berühmter Luft­

turner.

Schon damals übte die Luftnummer eine große Anziehungs­traft aus und das tut fie bis auf den heutigen Tag. Daher ist sie auch aus feinem guten Zirkusprogramm hinwegzudenken. Des­gleichen spielt sie auf dem Varieté, das gegenwärtig mehr denn je auf das.rein Artistische eingestellt ist, eine bedeutsame Rolle. Man denke mur an die berühmten Cadonas, die in Europa fast durchweg Barieté- Engagements absolvieren. Die drei sind auch die Luft­turner, die in den weltbekannten Filmen ,, Varieté und Bier Teufel" auftreten, doch blieben sie bei beiden Filmen ungenannt und den Beifall für ihren Wagemut nahmen ohne weiteres Schauspieler für sich in Anspruch. In ganz Mexiko , der eigentlichen Heimat der Tollkühnen, nehmen im Zirfus die Menschen ohne Murren im Stroh Blaz, nur um die Cadonas zu sehen. An einem Gastspielorte ge= wann eine durch Schred stumm gewordene Frau ihre Sprache wieder, als sie sich über die Saltos Alfred Cadonas erschraf. Alfredo Cadona dreht nämlich den dreifachen Salto und wird dann von seinem Bruder Lalo aufgefangen. Dieser dreifache Salto ist heute einzigdastehend. Dieser dreifache Salto ist die Sensation, über diesen dreifachen Salto find zentnerweise Zeitungsartikel geschrieben, doch als Alfredo Cadona nach dem Todessturz seiner Frau Lilian Leizel faß und weinte und weinte und begreiflicherweise so schlapp war, daß er bei seiner Arbeit nicht den Dreifachen drehte da soll das fein Mensch gemerkt haben.

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Der dreifache Salto ist der Ehrgeiz manches Luftturners, der sogar schon mit dem Tode bezahlt wurde, wie von einem Flieger der Urmann- Truppe.

Er versucht bei einer Probe, freilich ohne seine Kollegen zu be­nachrichtigen, den dreifachen Salto und fällt ins Nez. Er bleibt liegen und als die Kameraden rufen Steh doch auf", da tommt die Antwort: Ich kann nicht." Man hebt ihn vorsichtig aus dem Netz und schafft ihn ins Krankenhaus, wo er an einer Wirbelsäulenver­legung bereits am Abend stirbt.

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Seit der Zeit hat der Chef der Truppe es verboten, den drei­fachen Salto zu probieren. Einer der Flieger dreht zweineinhalb ficher und das genügt. Er unterdrückte nicht den Ehrgeiz seiner Leute, doch lenkte er ihn vom Nachahmen ab und bewußt in neue Bahnen. Die Nummer die Urmanns sind ihrer Nationalität nách Deutschrussen war jahrelang von einem großen amerikanischen Zirkus engagiert gewesen, wo sie gemeinsam mit einer anderen Luft­nummer arbeitete. Wieder nach Europa zurückgekehrt, wollten fie mit ganz neuen Tricks herauskommen. Doch wo bekam man einen Raum, um probieren zu können? Man reiste durch ganz Belgien , es mar fein Raum aufzutreiben, man trennte sich und fuhr nach Deutschland . Dem einen hatte man einen geeigneten Saal in Köln , dem anderen einen in Aachen versprochen, aber meder der eine noch per andere Lam ernsthaft in Betracht. Schließlich erhielt man in

einer kleinen Stadt eine Halle für eine Tagesmiete von 10 Mart und dann begann man mit den Proben. Die Driginalidee zum Ueber­freuzflug jedoch kam bei der Arbeit selbst.

Der Chef, der zugleich der Fänger ist, sieht seinen Bruder und einen Flieger über Kreuz( gleich einem Malkreuz) vor sich, er wirft seine Schwägerin durch und sie erreicht ihr schwingendes Trapez. Die Schwägerin probiert denselben Trick von der Brücke aus und der Fänger bekommt die Luftturnerin tatsächlich in seine Hände. Da wissen es auf einmal alle acht, daß sie mit einer unerhörten Neuheit herauskommen fönnen. Fürs erste machen sie noch kein vor Freude strahlendes Gesicht. Sie haben kein Herzklopfen, ihnen ist auch nicht schlimm im Magen, das kennen Luftturner nicht, aber sie stehen frumm und zittern und können es selbst noch nicht so recht begreifen, daß sie wieder auf der schmalen Brücke gelandet sind und tatsächlich feststehen.

nur

"

Nun wurden Kreuzflüge und Ueberkreuzflüge in allen möglichen Arten und Abarten probiert. Des öfteren liefen zwei Luftturner im Nek spazieren, off sogar der eine hinter dem anderen her und sagten D 000", dann waren sie nämlich mit den Hinterköpfen zu­sammengestoßen. Doch die Nummer wurde fertig und jetzt arbeiten die acht mit mathematischer Sicherheit, leicht und elegant, wie es das Publikum liebt; denn das will den Schauer der Gefahr und zugleich ein liebenswürdiges Hinwegtäuschen über diese Gefahr.

Trotzdem ist die Gefahr nicht gebannt. Sie lauert oft recht hinterhältig, wie ein Flieger der Truppe es bitterböse erfuhr. Er hängt schon am Trapez, sein Körper gerät aber in eine unvor­hergesehene Schwenfung und mit enormem Schwung stürzt er aus einer Höhe von 10 Meter ausgerechnet zwischen Rahmen und Nez in die Tiefe. Der Fänger hat gerade seinen Bruder in den Händen, Sieht den Sturz und sagt: Der Jan ist aus dem Nez." Wirf mich ins Net," antwortet der Bruder. Der schlägt ins Neh, der Fänger folgt, die anderen Luftturner greifen nach der Strickleiter, die Luft­nummer ist unten, steht neben dem Verunglückten. Der ist mit dem Oberschenkel auf ein Brett gefallen. Das Publikum schreit, man trägt den Abgestürzten raus. Ein Clown reißt irgendwo Bretter ab und sagt: Die werden jetzt notwendig gebraucht." Und dann schient man das sichtbar beschädigte Glied, gibt eine Morphiumsprige und bringt den Verletzten ins Krankenhaus. Die Aerzte befürchten eine bringt den Verletzten ins Krankenhaus. Die Aerzte befürchten eine Nierenzerreißung und alles mögliche. Die Aerzte wagen kaum eine Operation, die Artisten jammern ,, Ach, unser armer Jan" und wagen faum eine Nachfrage. Und das Endergebnis des Krankenlagers? Der Mann lebt noch heute. Er hatte unter dem Trikot eine neue, zu feste Bandage getragen. Sie hatte ihn bei der Arbeit behindert, jedoch beim Sturz geschützt.

Abend für Abend arbeiten die Luftturner. Die Gefahr reizt die Artisten. Sie haben einen stählernen Körper und es ist wirklich noch gar nichts passiert, wenn nach der Vorstellung ein Flieger zum Fänger kommt, mit einem Finger eigenartige Bewegungen macht und sagt: Du, der geht nicht mehr mit"; denn einen Finger aus­reißen", das tommt in den besten Luftturnerfamilien vor.

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Freitag, 14. August 1931

Geheimnisvolle Mächte

Jeder von uns hatte schon Ahnungen". Ulrich Müller- Hannibal hat hier ein paar solcher Fälle gesammelt, berühmte und unbekannte. Die Leser werden aus ihrer eigenen Erfahrung entsprechende Merkwürdig­feiten hinzufügen fönnen.

letzte der drei mächtigen Friedenspappeln bei Jena umriß. Man Es mag ein Zufall sein, daß der Wind ausgangs Juli 1914 die braucht darin noch keine okkulten Zusammenhänge zu sehen, das Ausbrechen des Weltkrieges darin verspüren. Es waren aber wo feine Zufälle, daß Frauen und Mütter von einer inneren großen Unruhe geplagt wurden, zur selben Stunde als ihre Männer und Söhne fern der Heimat im furchtbaren Weltenringen ihr Leben aushauchten.

Wie oft tritt etwas in unser Erdendasein, das wir kommen gesehen, das wir geahnt haben. Wie oft erleben wir etwas, was uns als eine Schickung erscheint.

Als Goethe am Neujahrstage des Jahres 1805 den für seinen Freund Friedrich von Schiller geschriebenen Neujahrsgruß vor der Absendung noch einmal durchlas, entdeckte er, daß er statt vom wiedergefehrten Neujahrstag" vom letzten Neujahrstag" ge­schrieben hatte. Wuterfüllt, wie ihm eine solche Gedantenlosigkeit habe passieren können, zerriß er den Brief und schrieb einen neuen Neujahsgruß. Aber dabei mußte er sich äußerst scharf zusammen­nehmen, um nicht wieder denselben Fehler zu machen. Das ver= fegte ihm einen großen Schreck und gab ihm eine tiefe Ahnung ein, so daß er noch selbigen Tages der Frau von Stein davon er­zählte und dann meinte, er oder Schiller würde den nächsten Neu­jahrstag nicht mehr erleben. Und Schiller weilte bereits nicht mehr unter den Lebenden als der Sommer fam.

Als der Dichter Robert Hamerling im Sterben lag, da schüttelte ein Birkenbaum vor dem Arbeitszimmer seines Freundes Peter Rosegger sein Blätterkleid mitten im heißen Sommer von sich, daß die Leute neugierig auf der Straße stehen blieben und das Naturwunder bestaunten. Sinnend stand auch Peter Rosegger am Fenster seines Arbeitszimmers und schaute auf dieses eigenartige Naturspiel. Und als er einige Stunden später die telegraphische Nachricht von dem Tode seines Freundes und Gönners erhielt, der zur selben Stunde sein Leben ausgehaucht hatte, als der schlanke Birkenbaum vor seinem Hause die Blätter von sich geschüttelt hatte, fonnte er in diesem Naturwunder nichts anderes sehen als die An­fündigung des Todes Robert Hamerlings. Als er dann an den Schreibtisch ging, um das letzte Werk des befreundeten Dichters zur Hand zu nehmen, da hatte der Wind in den Blättern des Buches geweht und eine Seite durch das offene Fenster mit gelben Birken­blättern bestreut. Es war jene Seite, wo Robert Hamerling , von seinem Siegelring und Talisman erzählte. Nach einigen Tagen erhielt er einen Auszug aus dem Testament des verstorbenen Freundes: Meinen Freund P. K. Rosegger bitte ich, meinen Siegelring, welcher den mir am Beginne meiner literarischen Lauf­bahn von Graf Protesch- Osten geschenkten türkischen Talisman ent­hält, und den ich viele Jahre am Finger getragen, als Andenken freundlichst anzunehmen."

Ein mir befreundeter Dramatiker fam von einer Uraufführung eines feiner Werfe zurüd und baite in einem kleinen ostdeutschen Städtchen beim Umsteigen einen längeren Aufenthalt. Er ging in den Wartesaal. An den Tischen an den Wänden saßen einige Reisende. Allein zwei in der Mitte des Warteraumes stehende Tische waren unbesetzt. Auf einem von ihnen stand ein Glas Bier, das nicht ganz geleert worden war. Mein Freund setzte sich an diesen Tisch, rief den Kellner, bat ihn, das Glas wegzunehmen und bestellte sich ebenfalls ein Glas Bier. Kaum, daß der Kellner fort­gegangen war, fiel sein Blick auf den leeren Tisch nebenan, und in demselben Augenblid machte er sich scharfe Vorwürfe, warum er sich nicht an den nebenstehenden Tisch gesetzt hatte. Sein Gewissen plagte ihn so start, daß er tatsächlich wieder aufstand und an dem anderen Tisch Plaz nahm. Wenige Sekunden später, fielen aus der Decke des Warteraumes gerade über seinem ersten Plag einige Mauersteine herab und zertrümmerten frachend den Stuhl, von dem er sich eben erhoben hatte...

Vor einigen Jahren hatte ich in einem Zeitungsaufsah ,, Die Geschichte eines alten Tisches" geschrieben. Ich hatte erzählt, wie meine Großmutter diesen Tisch in ihren jungen Jahren auf einer Auktion für 50 Pf. erstanden hatte und was er dann bis auf den damaligen Tag, als er meine Junggesellenbude schmückte, alles er= duldet hat. Beim Schreiben des Aufsatzes freute ich mich, meine Arbeit meiner Großmutter gedruckt vorlegen zu können. Als ich den Aufsatz jedoch in den Briefumschlag steckte, sagte mir eine innere Stimme, daß meine Großmutter nicht mehr leben würde, wenn er gedruckt wäre. Ich unterdrückte indes die Ahnung, weil meine Großmutter trog ihres hohen Alters eine sehr rüstige Frau war. Es gingen einige Wochen ins Land, der Auffah war angenommen, aber immer noch nicht gedruckt. Unerwartet kam dann die Nach­richt von dem plötzlichen Tod meiner Großmutter. Ohne eine Krankheit, ohne einen Schwächeanfall war sie eines Nachts ins Jenseits entschlummert. Nach einer Woche bekam ich dann meinen Aufsatz gedruckt vor Augen...

Faschistenrunderwerk des maestro Renzi

Maestro Costanzo Renzi, biederer Uhrmachermeister in Rom , hat in zweijähriger Arbeit ein faschistisches Wunderwerk geschaffen, das geeignet sein dürfte, den Neid aller Fachkollegen hervorzurufen and sicherlich sogar das faschistische Regiment des Herrn Mussolini überdauern wird! Es handelt sich um eine 1 Meter hohe Uhr, die nicht nur Stunden, Minuten und Sekunden, sondern auch Tage, Monate und Jahreszeiten genau ankündigt. Bei dem allstündlichen Glockenschlag springt nicht etwa ein simpler Kuckuck hervor, sondern ein Fahnenträger, dessen Standarte das Bild des Königs und des Duce zeigt. Gleichzeitig ertönt die Faschistenhymne, die Giovinezza und obendrein seht sich eine Miniaturkanone in Tätigkeit. Nach dem Schuß wird eine zweite, nämlich die italienische Nationalflagge sichtbar. Mehr ,, Nationalgefühl" fann man wirklich nicht verlangen; der Fanatiker verdiente in der Tat, zum Ehrenfaschisten ernannt zu werden..!

Was die französische Mordstatistit lehrt. Nach der neuesten französischen Kriminalistit fallen in Frankreich jeden Monat 75 Per­fonen einem Mord zum Opfer. In 12 von 100 Fällen ist Eifersucht die Ursache, in 7 handelt es sich um Motive des Eigennutzes und der abgier, in 70 um die Folgen eines heftigen Streites. Die Opfer verteilen sich zu fast gleichen Teilen auf beide Geschlechter; unter den Tätern sind jedoch die Männer mit 75 Proz. in der Ueberzahl. Man hat die Beobachtung gemacht, daß die Morde aus Eifersucht in den Städten häufiger sind als auf dem Lande; dort werden die Berbrechen hauptsächlich aus Eigenmuß begangen.