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Morgenausgabe

Nr. 385

A 194

48.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilage Bolt und Zeit". Ferner Frauenstimme", Technik", Blid in die Bücherwelt", Jugend- Borwärts" u., Stadtbeilage

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Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Mittwoch 19. August 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpalt. Nonpareillezeile 80 1. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Bort 25 Pf. zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf Jedes weitere Bort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht ber Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Ein Mahn- und Warnruf. Abbau am falfchen Ort.

Der AfA- Bundesvorstand an die Regierung.

Die durch die Kreditkrise geschaffene neue Situation ist vom AfA- Bundesvorstand in eingehenden Beratungen erörtert worden. Das Ergebnis seiner Stellungnahme ist ein ernster Mahn und Warnruf an die Regierung.

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Der notverordnete Lohnkonflift in den Gemeinden. Heute nachmittag werden die telegraphisch zu­sammenberufenen Vertreter der Gemeindes arbeiter über den Vorschlag des Reichsarbeits­ministers die Entscheidung fällen.

Der Konflikt in den Gemeinden, der nichts von seiner Schärfe und Gefährlichkeit verloren hat, ist nicht zurückzuführen auf Gegensätze zwischen den Gemeinden und den Gemeindearbeitern, sondern auf die Notverordnung vom 5. Juni, die die sogenannte Angleichung der Löhne der Gemeindearbeiter an die Löhne vergleichbarer Reichs­arbeiter vorschreibt. Die Gemeinden selbst stehen unter 3wang.

Eine Entspannung der Wirtschaftskrise ist nach der Auffassung des AfA- Bundes nur durch einen sichtbaren Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik der Reichsregierung zu erzielen. Jeder weitere Lohnabbau betont der Bund mit besonderem Nachdrud ist Der Bund verlangt zu Vermeidung von Wiederholungen ähn- untragbar, solange die wiederholt versprochene Preissenkung licher Katastrophen auf dem Geld- und Kapitalmartt, wie mir fie für Lebensmittel und für die Grundstoffe der industriellen Produk soeben schauerlich genug erlebt haben, beschleunigte Reform des tion nicht wirklich durchgeführt ist; dabei wird die Regierung um Aktienrechtes, Schaffung einer durchgreifenden Monopolkontrolle, einen entscheidenden Eingriff in die Kartell gewalten nicht ständige Wirtschaftsprüfung und Errichtung eines zentralen Banken- herumkommen. Ebenso hat sich die anhaltende einseitige Be= amtes. Das Eingreifen des Reiches dürfte sich nicht auf die Sicher günstigung der Großlandwirtschaft als ein schweres Als vergleichbare Reichsarbeiter für die Arbeiter stellung privater tapitalistischer Interessen beschränken, es müsse Verhängnis erwiesen und erfordert eine entschiedene Abkehr von der der Elektrizitätswerte nimmt man nicht etwa die Arbeiter der vielmehr zu einer positiven Lenkung des Kapital bisherigen Agrarpolitik mit ihren hohen Zöllen. Die Angestellten und stroms nach gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunt- Arbeiter sind nicht länger gewillt, immer neue Opfer zu bringen, Elektrizitätswerke, die sich im Reichs- oder Staatsbesit be­ten führen. Die Risikoübernahme durch die öffentliche Hand bedinge wenn nun wiederum versucht werden sollte, durch weiteren Sozial- finden. Als Reichsarbeiter werden einzig angesehen die im Einfluß und Kontrolle des Reiches über die sanierten Bant- und abbau, Lohndruck und weitere steuerliche Massenbelastung ihnen die unmittelbaren Reichsdienst stehenden Verwal= Industriebetriebe. Kosten einer Krise aufzuerlegen, die einzig und allein dem Bertungsarbeiter, sowie die Arbeiter der Reichswehr  fa gen der Wirtschaftsführung zur Last fällt. und der Wasserstraßen. Da ja auch die Gemeinde­arbeiter zum großen Teil in städtischen Aktiengesellschaften beschäftigt werden, wollen wir einmal aufzeigen, in welchem Verhältnis die Löhne dieser Arbeiter zu den Löhnen der Ar­beiter stehen, die in staatlichen Kraftwerken beschäf­tigt werden.

Der AfA- Bundesvorstand sieht mit der Wiederherstellung des technischen Bantverkehrs die wirtschaftlichen und sozialen Gefahren noch keineswegs als überwunden an. Die durch die Juli- Krise noch vermehrte Massenerwerbslosigkeit verlange ausreichende soziale Unterstützung und die Bereitstellung der dazu erforderlichen Reichs­mittel. Die 3 usage der Reichsregierung, die in der Juni- Not verordnung enthaltenen Härten für die Sozial-, Kriegs- und Arbeitslosenrentner zu mildern, sei mun endlich einzulösen. Ebenso liege für die weitere Aufrechterhaltung der Rotverordnung vom 18. Juli, die den Angestellten in Handel und Industrie eine Teilung ihrer bereits erarbeiteten monatlichen Gehaltsbezüge auf­gezwungen habe, teinerlei Grund mehr vor, nachdem der Geld- und Kreditverkehr für die Unternehmungen wieder hergestellt sei.

Gänzlich unhaltbar sei die Drosselung der Gemeinde­finanzen, wie sie die Reichsregierung betreibe. Der hier be= schrittene Beg müffe, wie die Ankündigungen des Städtetages zeigten, zur vollkommenen Berelendung der durch die kapitalistische Mizwirtschaft in Not geratenen breiten Boltsschichten führen. Völlig unmöglich ſei der Eingriffin bas Tarifrecht der öffentlichen Arbeitnehmer in den Kommunen. Der Kampf der Gemeindearbeiter werde alle freien Gewerkschaften in solidarischer Verbundenheit mit ihrer Gewerkschaft finden.

Der Bericht von Basel  .

3 oder 6 Monate?/ Schwierigkeiten mit den Martguthaben Basel  , 18. August.( Eigenbericht.)

Die Baseler Stillhalte Berhandlungen haben am Dienstag neue Schwierigkeiten ergeben. Die strittigen Punkte bilden die Frage der Martguthaben der ausländischen Banken in Deutschland   und die Frage der Dauer der Berlängerung der Kredite.

Die Martguthaben der ausländischen Banken in Deutsch­ land   betrugen am 13. Juli einige hundert Millionen Mart. Die Dauer der Verlängerung der Kredite wurde auf 6 Mo­nate festgesetzt, gerechnet pom Zeitpunkt der Unterzeichnung des Ab­fommens, und zwar unter der Bedingung, daß der Kredit von 100 Millionen Dollar, den die Internationale Bant, die Bank von Frankreich, die Bant von England und die Federal Reserve  - Bant der Reichsbank gewährt haben, am Fälligkeitstermin um 3 Monate verlängert wird. Wenn die Zentralbanken den Kredit nicht erneuern, so gewinnen die Banfiers ihre Handlungsfreiheit zurück. Deshalb verlangte die Reichsbank eine formelle Zusicherung der Zentralbanken, daß der Kredit erneuert wird. Die Zentralbanken dürfen jedoch gemäß ihren Statuten feine Kredite für mehr als 3 Monate gewähren, so daß es für sie schwierig ist, eine formelle Verpflichtung einzugehen. Ihre Vertreter gaben jedoch zu ver­stehen, daß sie bereit seien, den Kredit zu erneuern.

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Dazu berichtet die Neue Züricher Zeitung  ": Die Unterzeichnung des Berichtes der Experten, die für Dienstag Nach­mittag um 2,30 Uhr vorgesehen war, ist um einige Stunden verschoben worden, da man den Ausgang der Verhandlungen zwischen den Vertretern der Bankiers und den deutschen   Delegierten über zwei noch schwebende Fragen abwarten will. Die Verhand­lungen wurden am Dienstag von 11 bis 13 Uhr fortgesetzt, blieben jedoch erfolglos. Sollte ein Abkommen nicht erzielt werden, so wird das Erpertenkomitee seinem Bericht eine Empfehlung zur Löfung der beiden schwebenden Probleme beifügen. Die Abfassung dieses Teiles des Berichtes ist noch im Gange. In den Kreisen des Expertentomitees wird erklärt, daß sich die Verhandlungen in einer überaus freundschaftlichen Atmosphäre abspielten.

,, Wir haben alle, so erklärte nach der Neuen Züricher Zeitung", einer der Experten, volles Verständnis für die Schwierigkeiten Deutschlands  , und wir haben auch Beweise eines weitgehenden Ent­gegentommens an den Tag gelegt. Die Regelung der schwebenden Fragen jetzt voraus, daß Bertrauen vorhanden ist. In dieser Hinsicht haben uns die Verhandlungsmethoden der beutigen Delegierten überrascht. Wenn wir Bertrauen

Der AfA- Bund lenkt die Aufmerksamkeit der Angestellten auf die Tatsache, daß die der deutschen   Wirtschaft verlorengegangenen 3 bis 4 Milliarden Auslandskredite auf dem Wege der nationalen Selbsthilfe nicht ausgeglichen werden können, ohne daß Angestellte und Arbeiter einem weiteren Lohnabbau und damit einer unerträglichen Senfung ihrer ohnehin dürftigen Lebenshaltung aus­gesetzt werden. Internationale Finanzhilfe fei für Deutschland   unerläßliche Voraussetzung für eine Belebung der Wirt­fchaft und Entlastung des Arbeitsmarktes. Eine aktive Außen­politit im Sinne der Völkerverständigung sei daher dringend nötig, in erster Linie eine Annäherung zwischen Deutsch­ land   und Frankreich  .

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Die freien Gewerkschaften so schließt der AfA- Bund seinen Barnruf- müffen es ablehnen, die Verantwortung für die Folgen weiterer Berelendung zu tragen, wenn ihre zur Entspannung der Wirtschaftskrise wiederholt gemachten Vorschläge von der Reichs­regierung nicht beachtet werden. Der AfA- Bundesvorstand wird die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Angestellten für die ihnen aufgezwungenen sozialen Kämpfe zu aktivieren.

zu Deutschland   haben sollen, so wird man andererseits auch von seinen Vertretern verlangen müssen, daß sie Vertrauen gegen über den Finanzleuten befunden, die in eine Stundung von mehr als fünf Milliarden furzfristiger Kredite einwilligten und vor der Tatsache stehen, daß ihnen Martguthaben von annähernd 700 Millionen seit dem 13. Juli gesperrt wurden. Wir glauben immer noch, daß wir dank einer Intervention Dr. Luthers ein Gentleman Agrement in der Frage der Markguthaben und der Erneuerung des 100- millionen- Dollar- kredits der Zentralbanken und der BIZ. an die Deutsche Reichsbank erzielen werden."

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Ein Vermittlungsvorschlag.

Basel  , 18. August, 22 Uhr.( Eigenbericht.) Die Berhandlungen find zur Stunde noch nicht abgeschlossen. Zwischen Basel   und Berlin   geht ein reger Telephonverkehr hin und her. Gegenwärtig wird ein Vermittlungsvorschlag be raten. Danach sollen die ausländischen Martguthaben in Deutschland   in einer noch zu bestimmenden Staffelung fortschreitend freigegeben werden. Man erwartet die Antwort der Bankiers auf diesen Vorschlag, von der die endgültige Fassung des Berichts der Sachverständigenkonferenz über die weitere Belaffung der kurzfristigen Auslandskredite in Deutschland   abhängt.

Wie TU. um 12.30 Uhr aus Basel   berichtet, erwartet man dorf eine kompromißlösung, für die Dr. Melchior, der mit Berlin   in dauernder telephonischer Verbindung stand, die Zustim­mung der Reichsregierung erhalten hat.

Die Unterzeichnung dürfte um 2 Uhr morgens er­folgen.

Die Bankenaufsicht.

Beratungen im Reichskabinett.

Der Wirtschaftsausschuß des Reichskabinetts und der von der Regierung berufene Sachverständigenausschuß für die Bankenkontrolle befaßten sich am Dienstag in einer gemeinsamen mehrstündigen Sizung mit der Frage der Bankaufsicht. Das Problem wurde zunächst einer a 11­gemeinen Erörterung unterzogen. Die Beratungen sollen am nächsten Sonnabend fortgesetzt werden.

Während der Besprechungen fand ein Ministerrat statt, der sich mit dem Stand der Stillhalte Verhand [ ungen in Basel   beschäftigte.

Im Großkraftmert 3schornewig beträgt der Stundenlohn des Handwerkers 89 Bf., des Angelernten 77 Bf., des Ungelernten 74 Pf. Zu diesen Sägen werden Leistungszulagen nach der Höhe der Produktion ge= zahlt, so daß der tatsächliche Lohn etwa 10 Pf. die Stunde höher liegt. In Halle, das mit 3schornewitz bezüglich der Lebenshaltungskosten vergleichbar ist, beträgt der Stunden­lohn des gelernten Gemeindearbeiters 78 Pf., des ungelernten 63 Pf. In den Reichselektrowerken von 3schornewitz er­halten also die vergleichbaren Arbeiter einen reinen Tariflohn, der um 11 Pf. höher liegt als der der Gemeindearbeiter in Halle, ungerechnet die Leistungszulagen.

In den Nordwestdeutschen Kraftwerken in Wiesmoor  , Farge  , Harburg und Lübeck   hat der Handwerker einen Stundenlohn von 104 Pf., der Angelernte von 97 Pf., der Ungelernte von 90 Pf. In den vergleichbaren Ge= meindebetrieben in Bremen   beträgt der Stundenlohn des gelernten Gemeindearbeiters 90 Pf., des ungelernten 79 Pf. Auch hier ist die Differenz zuungunsten der Gemeinde­arbeiter klar erkennbar.

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In der Hannoverschen Stromversorgungs­A. G. hat der Handwerker einen Stundenlohn von 94 Pf., der Ungelernte von 82 Pf. Bei der Stadt Hannover  hat der gelernte Gemeindearbeiter einen Stundenlohn von 91 Pf., der ungelernte von 71 Pf. Aehnlich liegen die Ver­hältnisse in den übrigen Reichs- und Staatselektrowerken.

Warum zieht man nicht die Löhne dieser wirklich vergleichbaren Arbeiter als Grundlage einer eventuellen Lohn­regelung heran? Es ist grotest, wenn man zum Beispiel die Arbeiter der Müllabfuhr, die eine außerordentlich schwere und gesundheitsschädliche Arbeit verrichten müssen, als gleich­wertig hinstellt mit Arbeitern, die etwa die einzustampfenden Aften der Reichsbürokratie wegzuräumen haben. Wo gibt es einen Reichsarbeiter, der vergleichbar wäre mit den Ar­beitern der Stadtentwässerung, das heißt, den Ar­beitern, die die Kanäle in Ordnung halten müssen?

Es wird auch der Versuch gemacht, die angeblich hohen Löhne der Gemeindearbeiter verantwortlich zu machen für das Defizit der Gemeinden, das gegenwärtig nach offiziellen Angaben 800 Millionen Mark beträgt. Die ge= samte Lohnsumme der 315 000 Gemeindearbeiter be= trägt aber jährlich nur 700 bis 750 Millionen Mark! Der Gesamtjahreslohn aller Gemeindearbeiter erreicht also noch nicht die Höhe des Defizits der Gemeinden. Das Defizit der Gemeinden ist entstanden durch die Abwälzung der Lasten der Arbeitslosigkeit vom Reich auf die Gemeinden. Der Wohlfahrtsetat der Gemeinden beträgt gegenwärtig rund eine Milliarde Marf. Man hat durch Notverordnung die Arbeiter aus der Arbeitslosenver­sicherung hinausbefördert, den Gemeinden zur Unterstützung überlassen und erklärt nun, es seien die hohen Löhne der Gemeindearbeiter, die das Defizit der Gemeinden verursachen!

Es gibt bürgerliche Blätter, die behaupten, die städtischen Betriebe seien Zuschußbetriebe und trügen also zur Belastung der Gemeinden bei. Tatsächlich haben die Ge­meindebetriebe in den letzten Jahren und auch im laufenden Jahr Ueberschüsse an die Gemeindefassen abgeliefert.