Vom Versuch zum Erfolge. Die Kinöerrepubliken/ Von Kur* Löwenstein.
Wenn man von Limburg au» das schöne und gewundene Lahntal aufwärts fährt, dann sieht man gleich hinter der Station Arfurt ver- steckt in einer Talmulde, an der einen Seite vom Westerwald , an der anderen vom Taunus umgrenzt, die Kindsrrepublik Lahn - t a l. Sie dauert noch bis Anfang September. Kinder aus Baden , Württemberg , Rheinland und Westfalen , insgesamt annähernd tau- send Kinder, erleben in diesem Lager ihren beglückenden Urlaub von den Nöten ihres proletarischen Daseins. Di« Ungleichheit der Ferien sind auch für die Kinderfreunde«in Hindernis jür die gleichzeitige und rationellere Durchführung der kinderrepublitcn. Aber sie sind noch das geringste. In diesem Jahr türmten sich ernste Wirtschaft- lich« und politische Schwierigkeiten gegen die Durch- sührung der Zeltlager. Pädagogisch haben sich die 5iinderfreunde längst durchgefetzt. Ernsthafte Pädagogen und Psychologen beschästigen sich mit unserer Mechode und verhallen sich, abgesehen von weltanschaulichen Diffe- renzen, durchaus bejahend und positiv zu uns. Auch in katholischen Kreisen gibt es heute eine Zelllagerbewcgung. und gar nicht weit entfernt vom Lahntollager, in der Nähe der Stadt Diez , hatte die katholische Bewegung ein Lager aufgebaut. Die Bs- richt.'. die uns zugegangen sind, zeigen uns, daß man auch im katholischen Lager manches gelernt hat. Wir freuen uns durchaus ehrlich darüber, daß auch die von den katholischen Verbänden betreuten Kinder teilhaben an dem gesunden und sonnigen Leben der Zelt- lager. Doch die Berichte sagen uns auch, daß diese Zeltlager den Elan und die sozialpädagogische Tiefenwirkung unserer Kinder- republiten nicht erreicht haben, auch nicht konnten, weil diese Wir- tung von der pädagogischen Gesamthaltung unserer Be- wegung wesentlich bedingt ist. Ich wiederhole, wir haben uns pädagogisch durchgesetzt, doch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind ungeheuer groß gewesen. Ge- meinden, Staat und Reich haben schon vor dem verhängnisvollen Juli ihre Unterstützungskassen wesentlich gekürzt. Manche Behörden haben unsere Bewegung mehr als billig aus politischer Voreingenom- menheit benachteiligt. Dennoch konnten wir in diesem Jahr rund 2000 Kinder im Lahntal<9S0 im ersten, 975 im zweiten Lager), rund 1500 Kinder auf der Insel Namedy, rund 900 Kinder im Harzlager, 1700 Kinder im Brodtener Lager an der Ostsee und 450 Kinder im Nestfalkenlager Blankensee bei Lübeck und einige Hundert in kleineren und kurzfristigen Bezirkslagern unterbringen. Das sind 1000 Kinder weniger als im Vorjahr«, doch unter dem Druck der wirtschaftlichen Not ist diese Tatsache eine Leistung stärkster opferwilligkeit und höchster Begeisterung unserer Kinder und Eltern für unsere sozialistische Erziehungs- bewcgung. Organisation und bewußtes Handeln haben auch hier einen schier unmöglich scheinenden Erfolg erzwungen. Schon von dem Herbst des vorigen Jahres an haben unser« Kinder Pfennig für Pfennig gespart und sich äußerlich und innerlich auf die Höhepunkte unserer Bewegung, aus die Kinderrepubliken, vorbereitet. Ich habe Aufbau und Leben aller Kinderrepubliken beobachten können. tteberall zeigte sich Vertrautheit mit den Grundformen und den elementaren Techniken der Kinderrepublik. Ueberall Freude, Begeisterung und mutiges Ueberwinden der Schwierigkeiten, die be- sonders das Wetter Anfang Juli bereitete. Ueberall einen starken Erhol ungseffekt, wettergebräunte Körper, straffe Haltung und helles, gesundes Hineinschauen in die Welt der Wirklichkeit. Alle Lager haben sich über die primitivsten Formen der Technik erhoben, manche zeigten bereits weit ausgebauten maschinellen Küchenbetrieb und das Lager auf der Insel Namedy schon richtig funktionierende WasserNosetts. Erfahrungen der früheren Jahre sind noch der technischen Seite überall benutzt und grobe organi- satorische Fehler und technische Unzulänglichkeiten sind überall ver- mieden worden. Auch kalkulatorisch zeigt unsere Zeltlagerbewegung eine Sicherheit, die selbst fachlich qualifizierte und gutbezahlte Leiter van öffentlichen und privaten Betrieben beschämen könnte, und doch ist der Durchschnitt unserer Helfer und Helferinnen aus den Betrieben. Unsere Helfer haben ihre vier Wochen Ferien zusammengespart. um im Zeltlager sich als pädagogische und technische Helfer zu be- tätigen. Sie werden nicht bezahlt, im Gegenteil, sie zahlen wie die Kinder, ihr Fahrgeld und den Verpflegungssatz. Wir haben darüber hinaus in allen Lagern Hochleistungen für die großen Gemeinschoftsveranstaltungen gehabt. In diesen großen Veranstaltungen lebte nicht nur der Geist unserer Bewegung, sondern es zeigte sich in mannigfaltigen Formen differenzierte Kulturgestaltung. In mehreren Lagern waren die Antitriegsseiern, die Genossenschaftstage nicht nur kon- zentrierte Gesamtveranstaltungen, sondern jede Zeltgruppe hatte in der Gesamtidee der Veranstaltung ihre Sonderaufgabe. Jedes „Dorf" gab der Gesamtidee einen besonderen musikalischen, mimischen oder dekorativen Ausdruck und alles vereinigte sich zuletzt zu einem Gesamteindruck, der nicht mehr Zuschauer und Darsteller unterschied, sondern in der alles zu einer Gesamtdarstellung verschmolz. Vor allem aber wuchs in einigen Lagern die dauernde Gestaltung des All- tags zu einem bewunderungswürdigen Lebendigsein und zu einer künstlerischen Höhe. Neigungsgruppen der verschiedensten Art gaben den Erlebnissen des Zeltlagers einen hohen und bewußten künstlerl- schen Ausdruck und schufen in der Zusammenarbeit neues und ver- tieftes Erleben. Ich habe viel« Schulen und Ferienkolonien gesehen, aber nirgend- wo habe ich so ausgedehntes Neuland der Erziehung, so starke Lebensgemeinschaft mit aktivem Drängen zu Gestaltung und Formen gesehen wie in«inigen unserer Kinderrepubliken. Einige preußische Pädagogische Akademien haben uns Studenten und Studentinnen in die Kinderrepubliken zur Ausbildung geschickt. Ich habe mit 15 dieser Studenten eine Aussprache haben können. Es waren Menschen der verschiedensten Lebens- und Weltanschauungen, ober sie waren alle restlos von der Ueberzeugung erfüllt, daß sie Außergewöhnliches gesehen und starke pädagogische Im» pulse erhalten hätten. Aus ollen Kinderrepubliken haben wir schriftliche Zeugnisse von Besuchern, darunter zahlreiche politische Gegner, die ihrer Be- «undervngüber Organisation, Disziplin und Froh- sinn von Kindern und Helfern schriftlich Ausdruck gegeben haben. Manche fchriehen uns, daß sie nicht geglaubt hotten, daß es in dieser erbärmlichen Welt noch so viel praktischen Idealismus gäbe. Solche Zeugnisse sind für un»,„die gemeinen marxistischen Materialisten", eine besondere Genugtuung. Der positive Gehalt unserer Bewegung. der sich in dieser Höchstleistung dokumentiert, gibt un« auch die lieber- zeugung. daß wir über alle politischen Widerstände siegen werden. Noch immer gilt in Bayern das Verbot der Beteiligung an Ver- onstoltungen der Kinderfreundc für alle schulpflichtigen Kinder. Wir halten dieses Verbot jür willkürlich und ungerecht und bc-
kämpfen es daher, doch wir fügen uns dem Zwange der Legalität, und mehr als 1000 bayerische Kinder mußten daher auf die Wohltat der Kinderrepublik blutenden Herzens verzichten. Die bayerische Reaktion wird mit derartigen Maßnahmen die Liebe unserer Kinder zum Sozialismus nicht ertöten, ober einen heiligen Haß gegm das Unrecht. das an ihnen politische Willkürmacht verübt hat, in die Herzen unserer Kinder säen, die mit Sehnsucht nach dem Paradies der Kinder- republik schauen. Wir hatten im vorigen Jahr ein wunderschönes Lager am Thuner See. wir hatten auch in diesem Jahr im Kanton Grau- bänden bereits Aerträge mit einer Gemeinde abgeschlossen. 1500 Kinderherzen waren voll von Erwartung. Die politisch« und kirch- lichc Reaktion des Kantons wurde lebendig. Man wollte uns Bedm- gungcn aufzwingen, die für uns pädagogisch untragbar waren. Man wollte uns in unwürdige Abhängigkeit drängen. Wir haben ss vor- gezogen, zu verzichten, aber als unsere Kinder an anderer Stelle ihr Lager aufschlugen, da merkte man, was die bürgerliche Reaktion au- gerichtet hatte. Auf Schildern stand es trotzig in Schrift und Wort hingezeichnet:„Nun erst recht!" Das mögen sich alle politischen und kirchlichen Reaktionäre sagen: Wer glaubt, mit politischen Schikanen oder mit weltanschaulicher Intoleranz unsere Falkenbcwegung hemmen zu können, der irrt sich. Wir leben in unserer Erziehung-- bewegung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, aber aus der gesellschaftlichen und geschichtlichen Bedeutung unserer Klasse heraus. Wie wir die ehrliche Ueberzeugung anderer achten, verlangen w'.r auch die Achtung anderer vor unserem Tun. Unsere Kinder sind er- füllt von unserer Bewegung, die Bewegung gibt ihnen Halt und Richtung. Wer sie mit willkürlicher Macht anders zwingen will, zwingt sie in eine gefährliche und trutzige Protestein- st e l l u n g hinein. Das gilt auch für die politischen Schwierigkeiten, die uns aus katholischer Voreingenommenheit in der Frage der ge- meinsamen Erziehung bereitet wird. Katholische Weltanschauung mag davon überzeugt sein, daß Koedukation Sittenverderbnis sei, aber die Sittendogmen der katholischen Kirche sind weder Maximen der
sozialistischen Erziehung, noch dürfen sie den Maßstab für behördliche Maßnahmen abgeben. Aus unserem Parteitag wurde mit Recht ge- sagt, daß wir uns niemals einer Diktatur der katholischen Weltqn- schauung beugen würden. Wir haben ein Jahrzehnt der Gemeinschast in der Kinderfreunde- bewegung hinter uns, unsere praktischen Erfolge haben uns selbst überrascht. Fünsundzwanzigiausend Kinder haben gemeinschaftlich in un- seren Zelten in den Kinderrepubliken der letzten Zohrc gewohnt. Wir gestehen gern, das geringste Arbeiterkind wäre uns zu schade ge- wesen, mit ihm gefährliche Experimente zu machen. Unser Koedukationsgedanke ist aus der gessllsämftlichen Entwicklung, aus der Emanzipation der Frau und ihrer Verankerung im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben abgeleitet worden. Die Gemeinschaft m den Zelten hängt mit der pädagogischen und technischen Bedeutung des Zeltes zusammen. Wir haben daher gute und gewichtige Gründe für unsere pädagogische Durchführung. Dennoch haben wir niemals die Zeltgemeinschoft ohne Zustini- mung der Eltern durchgesührt und haben sie im Zeltlager auch nur dort gehabt, wo sie die Fortsetzung der Erziehung und Gewöhnung der Heimat gewesen ist. Wir hoben mit scharfem Auge die Entwick- lung dieser Gemeinschaften beobachtet. In allen Logern sind sachlich und wissenschaftlich geschulte Kräfte, Aerzte, Psychologen und Pädagogen in den Dienst dieser Beobachtung gestellt gewesen. Wir haben alle mit Erstaunen sehen müssen, mit welchem Anstand, nvt welcher Selbstverständlichkeit und Sauberkeit sich das Leben unserer Kinder und Helfer vollzog.» Abgesehen von ganz geringen unbedeutenden Unarten und Ent» gleisungcn sind unsere Lager frei geblieben von all den Dingen, Berirrungen und Verkrampfungen, an denen Heime und Jnter- nate so reich sind. Wir machen den kirchlich geleiteten Heimen keinen Vorwurf daraus, daß sie sich unserer besseren Erfahrung noch nicht an- schließen wollen, aber wir müssen um der Gerechtigkeit und unserer guten Sache willen auch von Behörden bis zum Minister hinaus ver» langen, daß sie uns freie Bahn dort lassen, wo unsere Erziehung»- grundsätzo und Praktiken nicht nur in unserer gesellschaftlichen Ueber- zeugung fundiert sind, sondern ihre Durchführung anerkannt« und jederzeit nachweisbare sittliche und gesunde 5)öherwer- tung bedeutet. Die willige Mitarbeit und Förderung durch unsere Genossen weit und breit, der Erfolg unserer Kinderrepubliken, der starke Lebens- wille in uns allen wird uns über alle Nöte und Widerstände hin- weg vorwärts und aufwärts tragen.
Neuadel aus Blut und Boden
Die Frau als Zuchtkuh oder Stute
Früher war es das Vorrecht der Fürsten , gewöhnliche Sterb- lichc in den Adelsstand zu erheben. Sei es, daß diese ihnen in Krieg oder Verwaltung wichtige Dienste geleistet hatten oder daß sie ihnen finanzielle Unterstützung gewährt hotten. Allerdings fühlte der Adel sich trotzdem, wie übrigens die Fürsten ja auch„von Gottes Gnaden". Er behauptete besonderes, d. h.„blaues" Blut in den Adern zu haben, trotzdem alle Blutproben von jeher ergeben haben, daß Blut rot ist. Die böse Republik hat ja nun auch mit dem Adel aufgeräumt. Sie läßt den übernommenen wohl, wenigstens bei uns, noch bc- stehen. Aber neuen Adel, sei es Schwcrtadcl, oder Verdienstadel oder Geldadel schafft sie nicht. Dieser traurigen Tatsache muß natür- lich abgeholfen werden. Wir haben erfreulicherweise den Schöpser eines neuen Adels, der Mann heißt Darre, ist zwar selbst nicht adlig, dafür ist es aber einer der neuen Sterne, die ab und zu an Hitlers Himmel aufgehen, daher also sicherlich ein Edelmensch, was ja die ursprüngliche Bedeutung des Adligen ist. Seine besondere Sachkunde des Adels beweist Darre in seinem Buch ,.N e u a d c l aus Blut und Bode n". Auch fein neu zu schassender Adel muß eine besondere Blutbeschaffcnheit, wenn auch nicht gerade „blaues", so doch„deutsches" Blut haben. Die Reinheit des neuen Adels hängt absolut von den Frauen ab. Um ihre Eignung als Gattinnen neuer Adliger zu prüfen, soll nach Dorre ein neues Amt, das Amt der sog. Zuchtwarte geschassen werden, also Fachleute in der Wissenschaft von der Rosscnhygienc. Adlig sind nach Darrö nur Männer rein germanischen Ursprungs, was nach der jahrhundertc- langen Vermischung der Germanen mit Menschen anderer Rassen schwer festzustellen sein wird. Auch bei den Frauen wird solch« Feststellung schwer sein. Immerhin kann Darrö sich hier auf die Forschungen eines Herrn Winckel, der ein Buch über Frauenkunde geschrieben Hot, berufen. Nach Winckel sind von hundert deutschen Frauen nur noch vierzehn im Besitz ärztlich als einwondsrei begutachteter Fortpflanzungskörperteile. Sechsundachtzig sind unnatürlich gebaut oder krank.(Schade, daß Darrö nicht auch bei Männern ähnliche Feststellungen machü) „Mit Sicherheit" erklärt er,„kann angenommen werden, daß ein großer Teil der vierzehn Prozent nicht deutsches, insbesondere das für uns völlig wertlose polnisch-slawische Blut in sich führt, weiterhin, daß ein Teil von ihnen zwar reines deutsches Blut haben mag, aber sonst irgendwie mit unerwünschten Erbanlagen belastet ist." Die Zuchtwarte, von einem extra dafür eingesetzten Heroldsamt berufen, haben nun über jeden Deutschen sog. Zuchtakte zu führen, vor allem aber über die deutschen Mädchen. Diese werden in vier Klassen eingeteilt. In Klasse I gehören die besten zehn Prozent, aus der Schar der zur vollen Ehe tauglichen. Aus dieser Klasse kannch der neue Edelmann frei wählen. Zu Klasse II gehört der Rest der Mädchen, deren Verehelichung keine grundsätzlichen Bedenken ent- gegenstehen. Hier darf der neue Edelmann schon— was bekanntlich weder bei den deutschen Fürstengeschlechtern noch bei dem Adel der Fall war— nicht mehr frei wählen. Er bedarf vor einer Verbin- dung einer Untersuchung und Genehmigung durch das Heroldsanit. Schlimmer steht es mit den Mädchen der Klasse III. An sich liegen gegen ihre Vcrehelichung aus sittlichen und staatsrechtlichen Gründen keine Bedenken vor. Aber ihr„erbwcrtlicher Zustand" verlangt in jedem Falle eine Unterbindung der Nochkommenschast. Di« Mädchen der Klasie jll dürfen also wohl heiraten, müssen aber auf Mutterfreuden verzichten. Darrö will ihre Ehe nur gestatten, wenn die Kinderlosigkeit gewährleistet ist.(Sterilisation.) Für einen Adligen, dessen Stolz natürlich eine zahlreiche Nachkommenschast sein muß, kommen die Mädchen der Klasse III nicht in Betracht. Alle Hoffnung müssen natürlich die Mädchen der Klasse IV fahren lasien. Sie umfaßt„alle Mädchen, deren Derehelichung grundsätzlich auszuschließen ist". Große Schuld an all den Mischehen, die nach Darrö so viel Unheil über Deutschland gebracht haben sollen, trägt die Kirche, behauptet er. Sie hat«s fertiggebracht, der Ehe als einem Sakra- ment Anerkennung zu verschaffen, hat alle Ehen gesegnet, wenn sie von Anhängern des christlichen Glaubens geschlossen wurden. Damit bat sie„den alten Gedanken der Ehe als Hüterin des reinen Blutes getötet",
Aber Herr Darrö wird trotz allem Anhängerinnen finden. Welcher Stolz für deutsche Mädchen, zu den auserwählten zehn Prozents zu gehören, die gewürdigt werden, Gattinnen neuer Adliger zu werden! Und all die anderen? Begreifen sie immer noch nicht, welche Entwürdigung es bedeutet, daß ein Heroldsomt über ihre Tauglichkeit zur Ehe entscheidet, daß ihr Geist, ihr Wissen, ihr Können gar nichts gilt, daß ihr Wert nur abhängt von ihren als einwandfrei begutachteten„Fortpflanzungskörpertcilen". Wann wer- den sich die deutschen Frauen wohl aufrasfen und Front machen gegen Leute wie Darrö und seine Gesinnungsgenossen, denen Frauenwürde und Frauenehre so gar nichts gelten, denn schließlich rangieren die Frauen der Darröschen Klassen in einer Linie mit Zuchtkühen oder Stuten! Ich bin ganz überzeugt, daß eine Reihe van Frauen mit mir erklären werden:„Wir verbitten uns dos, Herr Darrö!" A. B. Oer Mann mit dem besten Gedächtnis. Als der Besitzer des besten Gedächtnisses der Welt wird von romischen Blättern ein italienischer Physikprofessor Dr. Vincenzo Mancini bezeichnet, der erstaunliche Proben semer Begabung ob- gelegt hat. Er ist ein älterer Herr und bereits außer Dtenst, der in seinem Bekanntenkreis schon immer den Ruf einer sobelhasten Erinnerungsfähigkeit besaß. Im Verlauf einer Prüfung, die mit ihm vorgenommen wurde, beantwortete Dr. Mancini olle Fragen über Einzelheiten, die ihm ans dem italienischen Reichskursbuch vorgelegt wurden. Er wußte die Abfahrt- und Ankunfszeiten aller Züge sowie die Haltestellen der einzelnen Strecken. Er zählte die Namen aller Maultier« auf, die von den Artilleriebrigaden des italienischen Heeres gehalten werden, wußte die Bevöltorungs» statistik sowie andere statistische Angaben in jedem Lnndesbezirk, die Namen der Kapellmeister aller Reeiment«r und aller Regiment!- Märsche und konnte ebenso mit Telephonnummern und Daten, die sich auf ferne Länder bezogen, auswarten. Man hatte den Eindruck, wie wenn sein Gehirn ein ganz großes Lexikon darstellt. Kunsttanz und voneteton,. Der moderne deutsch « Kunsttanz hat sich durchgesetzt. Außer denen, denen die Mutter Natur rhyth- mische» Körpergefübl versagt hat, gibt es kaum jemand, der sich den tiefen seelischen Eindrücken des neuen Stils entziehen kann, der für die Reize dieser Kunst unempfindlich ist. Jetzt gilt es, auf den ge- wonnenen Grundlagen den Stil auszubauen. Man darf— vorsichtig— die Grenzen erweitern. Akrobatische, dekorative, panto- mimische Elemente dürfen— vorsichtig— den rein abstrakten an- und eingefügt werden. Bom Varietetanz führen Fäden zum Kunst- tanz. Man suche, prüfe und nütze sie. Wirbeltänze, die �ie Vourlakofs-Truppe gegenwärtig im Wintergarten zeigt, sind in dieser Hinstcht beachtenswert. Aus nationalen rusii- jchcn Tonzformen haben sich Nüttels einer raffinierten Technik neue künstlerische Gebilde entwickelt. Träger dieser Entwicklung sind männliche Künstler. Die drei weiblichen Mitglieder der Trupp« stecken im traditionellen Ballett. Die vier männlichen Tänzer aber baben auf ihrem Gebiet Neuland erobert. Leidenschaftlichc, stampfende und gleitende Kosakschwünge schließen sich zu Rhythmen- reihen, deren atemraubende schleudernde Wirbel stets eine gewisse tänzerische Eleganz bewahren. Obwohl nur technische Bravour- lcistungcn geboten werden sollen, entstehen Details, die als Einzel- glieder im Rahmen moderner Ausdruckstänze sehr wohl verwertet werden könnten..J. S. Die Direktion der Salzburger Zeslspielc stellt ojsiziell fest, daß erst in den nächsten Tagen die Verhandlungen über das Programm der Festspiele 1932 eingeleitet werden, somit sämtliche in den letzten Tagen von unbekannter Seite gebrachten Verloutbarunaen un- richtig sind. Insbesondere wird bekanntgegeben, daß die Festspiel- leitung wohl bemüht ist. Arturo Toscanini für dt« Leitung ein«» Orchesterkonzertes, wenn irgendwie durchführbar auch einer Oper zu gewinnen, jedoch die Nachricht von einer beabsichtigten Neu» inszenierung des„Don Juan " nicht den Tatsachen entspricht. «Ssta Richter, der Seiter de?„The Englilb Plahhoule" und des „Skandinadilchen Theaters", hat das Kleine Theater Unter den Linden übernommen. Tic Spielzeit beginnt Ende September. Die Aus- sührnngcn werden wechselnd in deutscher, fronzolischcr und englischer Sprache srattsinde». und zwar nachwittogs und abends. Russische und jtaudmavische Gastspiel« sind in Aussicht genommen.