Kulturabbau in Preußen. bedenkliche Pläne im ZinanMiuifierium. Die Sparpsychose, die augenblicklich alle Welt beherrscht, wirkt sich in manchen Amtsstuben zu grotesken Vorschlägen aus. Es ist bekannt, daß unter den Opfern, die sür die Einsparungspläne am meisten bluten müssen» sich das gesamte Schulwesen befindet. Mit drakonischer Strenge werden in den Gemeinden notwendige Schulbauten gedrosselt, die Unterrrichtsmittel verknappt, die Klassenfrequenz erhöht und dadurch die Unterrichtsqualität verschlechtert. Aber damit ist es noch nicht genug. Im preußischen Finanzministerium geht man jetzt ernsthaft mit dem Plane um, die gesamte Volksschul- Lehrerschaft in die Gc- Haltsordnung niedriger einzustufen als es bisher der Fall war. Man will an den Lehrergehältern nicht nur diejenigen Kürzungen vornehmen, die auch andere Be- amtenschichten treffen, sondern man will sie von der bisherigen Stelle der„mittleren gehobenen Beamten", in der sie sich seit Konrad chaenischs Zeiten befanden, herunterstufen. Das würde nicht nur eine geldliche Verschlechterung bedeuten, sondern auch eine des Ansehens und der Geltung. Es ist klar, daß ein solcher Plan den schärfsten Wider- spruch bei allen Lehrern, bis ins letzte ostpreußische Dorf, her- vorrufen muß. Aber nicht nur bei den Lehrern, sondern auch bei allen, die in einer gut geleiteten Volksschule mit freudig arbeitenden Lehrkräften eine wesentliche Grundlage unseres gesamten Bildungswesens sahen, werden von diesen Plänen im Bereiche Höpker-Aschosfs mit Befremden lesen, chöpker- Aschoff empfiehlt ja die Anwendung des Ausnahmerechts bei noch viel größeren Dingen. Aber man darf wohl annehmen, daß er bei diesen gegen die Volksschule — nicht nur gegen ihre Lehrer— gerichteten Plänen doch soviel Wider- stand findet, daß er sie von seinem Wunschzettel streichen muß. Man kann aus Spardoktrinarismus schließlich nicht die letzten Verbesserungen preisgeben, die seit der Revolution eingeführt wurden. Kein Konflikt- aber...? Gegenuber der Meldung des„Berliner Tageblatts", das im Zufaimnenhang»üt den Plänen des preußischen Finanzministeriums von einem„schweren Konflikt" im preußischen Kabinett sprach, wird folgende ossiziöse Mitteilung des— Kultusmini st eriu ms verbreitet: An dieser Meldung ist lediglich richtig, daß im Rahmen der bekannten allgemeinen Sparmaßnahmen in den beteiligten Ressorts Erwägungen über Umfang und Art weiterer Ein- schränkungen auch aus kulturellem Gebiet stattfinden. Dos heißt also, es besteht kein„Konflikt", wenigstens kein „schwerer". Aber b e st e h e n di e P l ä n e o d e r n i cht? Darüber etwas zu hören, wäre sicher interessanter, als das Ausmaß der Schwere von Meinungsverschiedenheiten, die kein„Konflikt" sein dürfen. Oer Geist von Tuntenhausen . Held polemisiert gegen Z�eichöreform. München , 23. August. Am Sonntag fand in Tüntenhausen die olljährliche Tunten- bapsener Bauerntagung statt, bei der Ministerpräsident Dr. ch e l d eine zweistündig« Rede zur politischen Läge hielt. Dr. Held betonte unter Hinweis auf die schwierige Finanzlage, daß Bayern immer noch keine Entsälädigung für die Abtretung der Post und Eisenbahn erholten habe. Wenn Bayern nicht sein« eigene Notenbank gehabt hätte, so hätte man Anfang August die Gehälter nicht mehr auszahlen können. Während da? Reich die Banken sanierte, habe Bayern Ii Tage überhaupt nicht? überwiesen bekommen. Eni- schieden wandte sich der Ministerpräsident gegen die preußischen Pläne für die Reichsrcform. Bayern wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die beab- sichtigte Reichsreforn,. Die Herren in Berlin sollten bedenken, daß durch die Verwirklichung dieser Borschläge di« Main-Lini« in voller Breite aufgerissen werde. Die Leute haben keinen Dunst davon, was sie mit solchen Plänen anrichten. Der Kampf werde von Bayern geführt bis zum Aeußersten. Für das deutsche Volk wäre es auch in seiner außenpolitischen Machtstellung ein Verhängnis, den zentralisierten Staat zu schassen. Der Ministerpräsident schloß: Ich habe eine Amtsaufgabe, ich bin an die Spitze des bayerischen Staates gestellt mit dem Auftrage, den bayerischen Staat im Deutschen Reich zu erholten als selbst- ständiges Gebilde. Wenn ich diese Aufgabe nicht mehr erfüllen könnte, wäre es meine Pflicht, zurückzutreten. Solange ich ober an dieser Stelle stehe, werde ich sie erfüllen. Die Unitaristen in Preußen mögen bedenken, daß sie gegen die Reichsversassung eine Reform anstreben und damit die Grundlage des Reiches zerstören. Eine Volksbefragung in Deutschland lehnen wir ab. Wir in Boyern lassen nicht von den Mecklenburgern oder sonst jemand über das Schicksal Bayerns abstimmen. Was würden Braun und Severing sagen, wenn wir in Bayern darüber abstimmen wollten, was aus Preußen werden soll! Der Minister- Präsident schloß mit der Hoffnung, daß wenigstens die süddeutschen Staaten eine Einheitsfront gegen die unitarischen Pläne bilden werden. Denn es komme alles darauf an, einen entsprechenden Gegendruck gegen die Unitaristen aufzubringen.
Bayerisches Ltmsormverbvi rechtsgültig. Nationalsozialistische Beschwerde abgewiesen. München , 24. August.(Eigenbericht.) Der vierte Strafsenat des Reichsgerichts hat dos von der bays- rischen Regierung erlassene U n i f o r m v e r b o t als rechtsgültig anerkannt und eine Beschwerde der Nazipartei gegen das Verbot abgewiesen. Die Nazipartei wurde in ihrem Vorgehen durch den deutsch - nationalen Iustizminister Gürtner unterstützt, der seine vom Gesamtkabinett abweichende Stellung in seiner Partei- presse öffentlich bekanntgab._ Pakt Polen— Sowjet-Rußland. In Warschau wird amtlich erklärt: In Verfolg des seit dem Jahre ISA zwischen der polnischen Regierung und der Regierung der Sowjetunion über den Nicht- angriffspakt gepflogenen Meinungsaustausch hat der polnische Ge- sandte in Moskau Patet im Voltskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten den Entwurf der polnischen Regierung über den Nichtangrisfspakt überreicht. Dieser Entwurf ist den durch das Inkrafttreten des Kellogg -Paktes im Jahre lS29 geschaffenen Be- dingungen angepaßt. freigelassen wurde der Wiener»otonrker Binder und seine Frau, die von Finnland her irrtümlich die russische Grenze über- Christen hatten uad verhaftet worden Kare»...
Rubrik: Mörder.
Aazisturm 33 trägt sich in das Buch der Geschichte ein.
Oer Blutweg der Radikalen Oie Opfer des Reichsbanners
Die maßlose hetze der nationalsozialistischen und kommunistischen Presse hat eine Atmosphäre geschaffen, die sich in einer Unzahl von Ueberfällen, politischen Bluttaten und Morden entlädt. Seit Monaten vergeht kaum ein Tag. an dem der geheime Strahentompf nicht Opfer gefordert hätte, wie stet, fett den Tagen seiner Grün- dnng steh» auch jetzt wieder da» Reichsbanner im Krcnz- feucr der Radikalen von rechts und link». Die folgende Aufstellung zeigt den erschreckenden Umfang, den allein in den letzten Wochen die heimtückischen llebersälle auf Reichsbonnerkamenwen genommen hoben: 3n Lübben wurden am 27. Juli, abends, mehrere Jungbannerkameraden in der Hauptstraße von 25 bis Zfl mit Knüppeln und Dolchen bewoff- neten Nazis überfallen. Drei Jungbonnerkameraden wurden schwer verletzt, ein irichtorganisterker Jugendlicher erhielt einen Messerstich. Da in Lübbe» auswärtige SA.-Leute festgestellt wurden, dürfte der Ueberfoll organisiert worden sein. Am 8. August wurden in Berlin am warkburMlah 4 Reichsbannerkamcroden von 50 Nationalsozialisten angerempelt. Als die Kameraden die Rowdys aufforderten, sie nicht zu belästigen, schlugen einige der Burschen einen der Kameraden mit einem Knüppel �derartig, daß er das Bewußtsein verlor. Der ver- letzte Kamerad wurde in die Charit« gebracht, wo sestoestellt wurde, daß Glassplitter von seiner Brill« in die Augen gedrungen waren und die Hornhaut verletzt hatten. Es ist Zweifel- hast, ob das Augenlicht dem verletzten Kameraden erholten.werden kann. Am 8. August überfielen in Berlin- Reinickendorf in der Residenzftratze 40 Kommunisten acht Kameraden des Reichsbanners. Der Kamerad Bleß erlitt Kopfverletzungen und eine schwere Gehirnerschütterung, so daß er ins Reinickendorfer Krankenhaus gebracht werden muhte. Am 9, August uberfielen in Berlin Nationalsozialisten im Alter von 16 bis 18 Jahren mehrere Reichs- bannerleute, die Flugblätter verteilten. Ein Kamerad erlitt einen schweren Schadeibruch, er wurde in bedenklichem Zustande ins Urban-Krankenhaus gebracht. Am 9. August wurde in Verlin in der Petersburger Straß« ein Kamerad von Kommunisten übersollen und am Hals« durch Messerstiche schwer verletzt. Das Alter der Verbrecher liegt zwischen 16 und 18 Jahren. Auf dem Heimweg von der Berfassungsseier wurden in Finow (Mark) zwei Kameraden von Kommunisten, die bereits im Lokal zu stören versucht, hatten, überfallen. Einem der beiden Kameraden wurde das Nasenbein zertrümmert. Am Sonntag, dem 9. August, vormittags gegen'AU Uhr, kam ein Trupp von acht Nazis in voller Bundeskleidung mit Koppel und Schulterriemen in die Siedlung von Lagow und riß Reichsbonnerplakate von den Lichtmasten ob. Nach Aussage von Augenzeugen verbaten sich dos di« Retchsbannerleute. Bei dem sich entwickelnden Wortwechsel wurde der Kaufmann Feodor Seydel sun. aus Lagow mit einem Gobclbesteck tätlich und verlebe die Reichsbanerleutc Müller und Leutz an den Armen. Der Reichs« bannermann Müller wurde dann im Verlauf« der weiteren Ausein- andersetzunaen hinterrücks von dein Knecht des Landwirts Adolf Pode aus Petersdorf mit einem feststehenden Messer in den Rücken ge- stochen. Das Messer ließ der Mordbube stecken, es saß sieben Zenti- ineter tief zwischen Wirbelsäule und Schulterblatt. Müller, der im Meseritzer Krankenhaus liegt, hat durch den Stich eine Lähmung der Blase, der Därme sowie der Beine davongetragen. Die Lähmungen sind dadurch eingetreten, daß das Rückgrat ver- letzt und ein Nervenstrang durchschnitten wurden. Nachdem bereits am 9. August in Guben Neichsbannerleute und Mitglieder der Arbeiterjugend von Nazis und Jungstahlhelmern überfallen worden waren— u. a. wunden junge Mädchen von ihnen geschlagen— kam es nach der Berfassungsseier zu neuen Zwiscl-ensällen. Heimkehrende Festtcilnehmer wurden vor der„Goldenen Krone" von etwa 30 Personen angepöbelt. An der Neißebrücke wurde die Frau eines Reichsbamrcrkameraden ange- rempelt. Als der Rohling zur Red« gestellt wurde, fiel cm» einer
Gruppe von Jungstahlhelmleuten ein Schuß, ohne jemanden zu treffen. Bei dem Versuch, den Schützen festzuhalten, wurde ein Reichsbannerkomerad mit einem harten Gegenstand über die linke Hand geschlagen. In küstrin nimmt der Terror der Nazis bodenktiche Formen an. Am � Derfassungstag wurde der von drei Polizeibeamten begleitete Festzug am Stern von 30 bis 40 mit Knüppeln bewaffneten Nazis angegriffen. Es kam zu einer wüsten Prügelei. Am Mitt- wach darauf wurde ein Jungbannerkamerad an der Oderbrücke an- gefallen, und am Donnerstag trieben sich die Nazis wieder trupp- weife in der Stadt herum. Am Moltkeplatz standen 80 Mann plötzlich zwei Polizeibeamten gegenüber. Die Beamten wurden als „Bluthunde",„Mordbanditen und Rote Hunde" beschimpft und konnten sich die Bedränger nur mit der Pistole in der Hand vom � Leibe halten. In Senstenberg gerieten am Nachmittag des 9. August mehrere SA.-L«uts mit einem Unbekannten in Wortwechsel. Ein Trupp Reichsbannerleut« beob- achtete diesen Vorgang von weitem. Plötzlich erschienen etwa 25 offenbar durch Radfahrer benachrichtigte SA.-Mitglieder und Jung- stahlhelmer im Laufschritt. Sie rissen unterwegs Zaunlatten ab und stürzten sich aus die Reichsbannerleut«, die sich bis dahin vollkommen ruhig verhallen hotten. Die Neichsbannerleute setzten sich natürlich zur Wehr und es gab auf beiden Seiten Verletzte. Am 14. August fand in Pritzwalk im Lokal Salzwedel eine Mitgliederversammlung des Reichsbanners statt. Nach Schluß der Versammlung blieben 18 Kameraden beim Kartenspiel im Lokal zurück. Als vier Jungbannerkameraden vor die Tür traten, bemerkten sie 12— 15 Radfahrer, die ohne Licht fuhren. Als einer der Jungbannerleute ausrief„Seht, die fahren alle ohne Licht", sprang plötzlich einer der Radfahrer vom Rad und packte den Jungbannermann Bloche. Dieser setzte sich zur Wehr, der An- greiser wollte flüchten, wurde aber festgehalten. Die sofort benach- nchtigte Polizei nahm den jungen Mann, der mit gelbem Hemd und Schulterriemen bekleidet war und das Naziabzeichen trug, mit zur Wache. Kurze Zeit darauf sammelten sich vor dem Lokal eine Anzahl Nazis an, die di« im Lokal Anwesenden aus das Gemeinste. beschimpften. Mehrere Male wurden Steine sowie ein Stück eines Hufeisens durch die Fenster in das Lokal geworfen. Gegen 3 Uhr nachts nahm das Treiben der Nazis derartig bedrohliche Formen an, daß Polizei und Landjäger mit dem Gummiknüppel die Straßen räumen mußten. Erst gegen 4 Uhr morgens konnten die in dem Lokal versammelten Reichsbannerleute den Heimweg an- treten. f Gelegentlich eines Stahlhelmtresfens in Lehnia sprangen am 16. August einige Stahlhelmer aus dem Zug heraus und stürzten sich auf zwei vor dem Hotel»Zur Post auf dem Dürgersteio stehende Reichsbannerleute, auf die sie ein» schlugen und denen sie die Abzeichen entrissen. Einer der Schläger wurde vom Landjäger als der Lehrer Adolf Lepach aus Berlin- Dahlem festgestellt. Am Spätnachmittag wurde einem weiteren Reichsbannerkameraden das Abzeichen entrissen. Am 17. August, 23.15 Uhr, überfielen i in Luckenwalde in der Nähe des Parkrestaurants 15 bis 20 Nazis eine Gruppe von Arbeitern. Die Reichsbannerleute Rothbarth und Graf wurden verletzt. Der letztere erhielt einen Stich in die rechte Brust und liegt im Krankenhaus schwer danieder. Diese Verluslliste kennzeichnet die Verwilderung und Vertierung, die im politischen Kampf in Deutschland Platz gegriffen hat. In Berlin selbst kann naturgemäß bei politischen Exzessen durch die. außerordentlich bewegliche Polizei rasch eingeschritten wer-. den. Bös steht es aber in der Provinz, aus dem Lande, in der Kleinstadt aus. Die zahlenmäßig schwache kommunale Polizei und die Land- jägerei ist meist gar nicht in der Lage, wirksam einzuschreiten, viel- fach auch bei der Verflechtung der persönlichen Interessen nicht g«- w i l l t, es zu tun. Man drückt in solchen Fällen beide Augen zu, um Schreibereien, Gerichtsverhandlungen und persönlichem Aerger zu entgehen. Der Einfluß der Ortsgewalligen ist stark und das zu- ständige Ministerium ist weit! Nicht selten aber sympathi- s i e r e n auf dem Lande und in der Kleinstadt die Exekutiv- organe mit den Radikalen, und es ist nur zu oft vor- gekommen, daß sie die Angreifer schonen und gegen die Angegriffenen mit Anzeigen vorgehen. Unter srlchen Umständen muß natürlich in republikanischen Kreisen der Eindruck entstehen, daß sie schutzlos jeder Willtür preis, gegeben find,