Oer Weg zur Gelbsthilfe.
Die Industrie:„Das wäre gelacht, wenn wir nicht miteinander ins Geschäft kämen!" „Bestohlen haben sie uns?" Entrüstung der Oevaheimfparer über die Kirche.
In Havcrlands Festsälen fand gestern abend eine zweite Verfommtung der geschädigten Sparer des kirchlichen Dewcheim-Kcmzerns statt. Nachdem ein erster, von geschäftstüchtigen Rechtsanwälten gegründeter„Schichverband" unter der Einpörnng der Sparer von der Bildfläche verschwand, ist ein neuer„Reichs- oerband der Geschädigten des Dsvaheim-Konzerns� ins Leben gerufen worden. Ob dieser neue Verband, dessen Vorstand in seiner Mehrheit nicht aus Bausparern besteht, uneigennützig die Jnter- essen der geschädigten Kleinsparer vertreten wird, muß abgewartet werden. Die Verhandlungen der Bausparervertreter nüt dem Aentralaus- schuß für die Innere Mission und den Kirchenbehörden über ernst- hafte Hilfsmaßnahmen sind noch nicht weit gediehen. Wer von den Herrschaften nicht„verreist" ist, erklärt:„Ich bin nicht kompetent!" Den Höhepunkt der Versammlang bildeten Reden des Super. intendenten Schowalter. Mit Zurufen: „Sie sind wohl bestellt? Raus!" einpfangen, versuchte er, die Kirche zu verteidigen. Di« Haltung der Sparer bewies, wie stark die Stellung der Kirche durch den Bau- sparskandal unter ihren eigenen Anhängern erschüttert ist. Gelächter, als vom„Geist der Liebe und Hilfsbereitschaft der Kirche" gesprochen wurde. Zurufe:„Wir wollen unser Recht und keineAlmosen", als Schowalter den Plan erwähnte, den bedürftigsten Geschädigten durch Bettelpfennige der Mission zu helfen. Stärkster Druck auf die Kirche wurde unterempörtenZwischenrufen „Vestohlen haben sie uns!" verlangt. Wie der Superintendent Schowalter behauptet, ist der„Central- ausschuß" nach der Lage der Dinge nicht imstande zu helfen. (Zurufe: Also bankrott!) Aus Bürgschaften der Missions. anstallen will keine Bank Geld geben. Einige Sparer verlangten, den bei der Deoaheim beteiligten Deutschnationalen Handlungsgehilfen - verband regreßpflichtig zu machen. Von den Sparern, bei denen die Kampagne des„Vor- w ä r t s" gegen die Innere Mission und die Kirche als die Haupt- verantwortlichen für den Devaheim-Skandal großen Anklang
gefunden hat, wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die vom Zentralausschnß verlangt, daß die nun schon seit Monaten angekündigte Hilfe endlich kommt. Die geschädigten und hetrogenen Sparer des kirchlichen Bausparkonzerns„fordern ran der Kirche nicht nur den Ausdruck des Verständnisses, stmoern umfassende Hilfsmaßnahmen." Sparergrosthen für nationale presse. Devaheim und„Tägliche Rundschau". Der schwarzweißrote Korruptionssumpf bei der Inneren Mission und deren Baubetrieben ist nicht nur ein Fall der evangelischen Kirche, sondern auch ein besonders rühm» reiches Blatt in der Chronik des nicht endenwollenden Skandals, mit dem die nationalistischen Partelen ihre Eignung zur Rettung des deutschen Bateistandes dokumentieren. Aus dem großen Posten der Bausparergclder des zusammen- gebrochenen Devaheim-Konzerns ist auch die„nationale" Politik ausgiebig gespeist worden. Ein Fall dieser unheiligen Drei- einigkeit von Religion, Politik und Geschäft ist besonders interessant. Dem Auffichtsrat ocr Devaheim gehörte neben dem Reichstagsabge- ordneten Pastor Dr. Mumm auch der Pastor Kliesch aus Breslau an, der Führer des schlesischcn Provinzialvereins der Inneren Mission und Mitglied des Verwaltungsausschusses. Kliesch ist preußischer Landtagsabgeordneter und Leiter des Christlich - sozialen Volksdienstes, dessen Zcntralorgan die„Tägliche Rund- schau" ist. Als die„Tägliche Rundschau" im vorigen Jahr in Schwierig- leiten geriet und in andere Hände überzugehen drohte, ließ sich Kliesch von dem Schatzmeister der Inneren Mission und Hauptver- antwortlichen für den Zusammenbruch des Devaheim-Konzerns, dem Pastor D. Cremer aus Potsdam , 20 000 M. geben. Dieses„Hand- geld", mit dem die Schulden der„Täglichen Rundschau" bei dem Drucker Lehmann bezahlt wurden, stammte aus den Sparcin- lagen der Deuzag, einer Tochtergesellschaft der Deoaheim. Jetzt halten die kleinen Bausparer nach ihren letzten Spargroschen ver- geblich tägliche Rundschau.
Litwinow in Berlin . Optimistische Aenßerungen über die russischen Derhand- lvngen mit Frankreich . Der russische Volkskommissar für auswärtige Angelegen- heiten, L i t w i n o w, machte am Freitag auf der Durchreise nach Genf , wo er die Sowjetunion im Europa -Komitee ver- treten wird, Station in Berlin . Mittags gab der Reichs» außenminister Dr. C u r t i u s zu Ehren seines russischen Kol- legen ein Frühstück, dem politische Besprechungen im Beisein des deutschen Botschafters in Moskau , vonDircksen, vor- angegangen waren. Am Nachmittag empfing der bolschewistische Bolkskom- missar die Vertreter der bürgerlichen Presse und äußerte sich über die schwebenden Verhandlungen mit Frankreich und Polen . Er betonte dabei, daß von neuen polnischen Vor- schlagen über einen russisch-polnischen Nichtangriffspakt keine Red» fein könne. Polen hätte lediglich seine früheren, für Rußland unannehmbaren Vorschläge aus den Jahren 1926 und 1927 abermals unterbreitet.(Rußland betrachtet diese Vorschläge, die einen gemeinsamen Nichtangriffspakt sämtlicher Rondstaaten der Sowjetunion vorsehen, deshalb als unannehmbar, weil damit die Anerkennung der Annektion Bessarabiens durch Rumänien ausgesprochen wäre, die für Rußland etwa dieselbe Rolle spielt wie der polnische Kor- ridor für Deutschland : Polen dagegen fühlt sich durch sei» Militärbündnis mit Rumänien verpflichtet, nur gemeinsam mit Rumänien einen derartigen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion abzuschließen.) Dagegen soll sich Herr Litwinow sehr o p t i m i st i s ch über die Aussichten der Pariser Verhandlungen geäußert baben, die den Abschluß eines russisch-französischen Nichtangriffspaktes bezwecken. Bisher hätten diese Verhandlungen keinen Schwierigkeiten begegnet, und er hoffe, daß der Pakt in kurzerZeit abgeschlossen werden würde. Wir hoffenesauch. Einmal, weil die scheinbar ein- fettigen Bindungen Rußlands mit Deutschland bisher nur eine Quelle internationaler Unruhe gewesen sind: im Gegen- satz zu manchen reaktionären, zum Teil sehr maßgebenden Kreisen in Deutschland haben wir vor den diplomatischen, wirt'-hafllichen und militärischen Illusionen immer ge- warnt, die an die sogenannte Rapallo »-Politik geknüpft wurden, für die Deutschland sehr erhebliche materielle Opfer oebracht und bei der es sich auch diplomatisch ganz umsonst kompromittiert hat. Wir haben nie daran gezweifelt, daß an dem Tage, an dem Rußland glauben würde, daß ihm sein Staatsinteresse gebietet, Anschluß an Frankreich zu suchen, seine vorgetäuschte Sympathie für Deutschland wesentlich nachlassen würde. Dieser Zeitpunkt ist gekommen, seit Frank- reich der einzige Staat in Europa geworden ist, der als Kreditgeber in Frage kommt, während sich aus Deutsch - land einstweilen nichts mehr herausholen läßt. Der weitere Grund, weshalb wir den russisch-franzö- fischen Paktverhandlungen besten Erfolg wünschen, ist der, daß damit dem verlogenen Gerede der bolschewisti-. schen Presse aller Länder über das Bestehen einer„i n t e r- ventionistischen Koalition" unter Führung Frank- reichs, die sich anschicke, über das harmlose Sowjetrußland herzufallen, ein Ende bereitet werden würde. Dieses Geschrei war immer nur eine plumpe kommunistische Agitationslüge. ein russifch-nationalistischer Schwindel, mit dem man jahrelang dieBolksmassen derSowjetunion gegen das Ausland aufgeputscht hat, um sie von den Sünden und Fehl- schlagen der eigenen Machthaber abzulenken. Nach Abschluß eines Paktes zwischen Paris und Moskau würden die fowjet- russischen Zeitungsschreiber und ihre deutschen Papageien, die es wagten, diese alte Grammophonplatte noch einmal abzu- leiern, nur noch lächerlich machen. Rußlands Voraussetzungen für Richtangriffspatt mit Polen . Sowno, 28. August. Wie aus Moskau »erlautet, hält die Sowjetregierung nach wie vor für etwaige Verhandlungen über einen Nickstangriftspakt mit Polen an folgenden Borausfetzungen fest: 1. Der Pakt wird nur mit Polen ohne Einschluß irgendwelcher anderer Länder ab- geschlossen. 2. Die Sowjetregierung garantiert keinerlei Grenzen. 3. Di« Sowjetregierung behält sich all« Schritte gegen- über Bessarabien vor. 4. Die Sowjetregierung erkennt keiner- lei Ansprüche Polens in bezug auf Danzig an. 5. Die Sowjetregierung verlangt, daß«n Falle eines Krieges zwischen der Sowjetunion und einem der polnischen Verbündeten Polen strenge Neutralität bewahrt. Amtliche Mißbilligung einer Karikatur. Amtlich wird mitgeteilt: „In seiner Nummer vom 29. d. M. bringt„Der Deutsche" eine Karrikatur des zur Zeit hier als Gast weilenden russischen Volkskommissars Litwinow und beleidigt ihn dabei in der grob- lichen Weise. Die Reichsregisrung kann ein solches außerordentlich bedauerliches Verfahren nur auf das schärfste mißbilligen."
Bombe auf Botschaster. La Madrid gegen den Vertreter Portugals !. Madrid . 28. August. Am Freitagnachmittag warfen zwei als Arbeiter verNeideie Männer eine Bombe in das Arbeitszimmer desporlugiesischen Botschafters in Madrid , wo sie explodierte. Der Botschaster. der sich mit seiuer Frau im Zimmer aufhielt, erkannte rechtzeitig die Gefahr und konnte sich und seine Frau in Sicherheit bringen, bevor die Explosion erfolgte. Durch die Explosion wurde das Büro vollkommen zerstört. Das Botschoflerpaar blieb unverletzt. Der Anschlag wird mit der portugiesischen Amsturzbewegung in Zusom- menhang gebracht, da der Botschafter der DiNatur sehr freund- lich gesinnt war. Bisher konnten die Täter noch nicht verhastet werden. Wie zu dem Attentat aus Madrid gemeldet wird, befanden sich der Botschafter und seine Gattin in einem zu ebener Erde gelegenen Arbeitszimmer, als plötzlich durch das offene Fenster ein Gegenstand geworfen wurde, den sie für einen Stein hielien. Beim Nähertreten stellten sie jedoch fest, daß es sich um einen Explosivkörper handelte. Sie hatten gerade noch Zell , in den Korridor, auf den das Arbeitszimmer mündet, zu stürzen, als die Bombe explodierte. Alle Möbel im Zimmer würben zertrümmert. Die sofort herbeigerufene Polizei begann unverzüglich mit der Untersuchung. Bon den vor dem Botschaftsgebäude mit der Wiederherstellung von Straßenbahn- gleisen beschäftigten Arbeitern erklärte einer, daß er in dem Augen- blick der Explosion zwei Personen in der Tracht von Mechanikern eilends in die nächstliegende Seitenstraße Hobe jllichten sehen.
Der spanische Ministerpräsident Zamora begab sich, sobald er die Nachricht erhielt, in die Botschaft, um den portugiesischen Bot- schafter Mello Barreto und seine Frau zu dem Mißlingen des An- schlags zu beglückwünschen. Barreto hat keinerlei Vermutung, wer den Anschlag begangen haben könnte. Ein strenger Ordnungs- dienst ist vor dem Botschaftsgebäude eingerichtet. Barreto ist portugiesischer Botschaster in Madrid seit Oktober 1926. Im Frühjahr d. I., während der Unioersttätsunruhen von Lissabon und Porto, ist er Gegenstand feindseliger Kund- gebungen der Madrider Studenten gewesen, die unter den Fenstern des Botschaftsgebäudes gegen ihn manifestiert hatten, doch will er nicht glauben, daß Spanier das heutige Attentat begangen haben könnten. Die Polizei ist der Ansicht, daß es sich um p o r t u- giesische politische Flüchtlinge handle. so Toie in Lissabon . Lissabon , 28. August.(Eigenbericht.) Die militärische U m st u r z b e w e g u n g, die das Land und feine Hauptstadt Lissabon mehrere Tage in Aufregung gehalten hat, ist endgültig niedergeschlagen. 80 Tote und 500 Verwundete sind als Opfer der Aktion zu verzeichnen. Außer- dem wurden 500 Personen verhaftet. Der Haupttampf spielte sich in Lissabon um die Iägcrkaserne ab. Er sovderte. allein 50 Tote und mehrere hundert Verwundete. Der Führer der Umsturzbewe- gung war der kürzlich aus dem Kabinett ausgeschiedene Kriegs- minister de Azevedo. Die Negierung Earmona läßt aintlich mitteilen, daß sie sich restlos im Besitz der Macht befinde.
Karolyis gefügige Mehrheit. Bei dem Wahlrecht. Budapest , 28. August. Das Abgeordnetenhaus hat sich heute nachmittag o u f »«bestimmt« Zeit oertagt. Minifterpräfldent Karolyi
stellte zum Vertagungsantrag die Vertrauensfrage, worauf das Haus mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien gegen die Stimmen der Opposition die Vertagung beschloß. In der Debatte fordert« der Sozialist Buching er die Einführung des all- gemeinen geheimen Wahlrechts sowie die st a a t l i ch e Arbeitslosenunterstützung. Er bezifferte die Zahl der Erwerbslosen in Ungarn auf annähernd 250 000 und erklärte, daß ihr« staalliche Unterstützung höchstens 25 Millionen Pengö jährlich kosten würde. Die Sitzung endete mit O v a t i o n e n der Regierungs» Parteien für die neue Regierung. Die Börsenkamnier beschloß heute, d!« Budapester Esset- tenbörse trotz der für den 3. September angesetzten Wiedereröffnung der deutschen Börsen auch weiterhin geschlossen zu halten. Der ursprüngliche Plan, die Gehaltskürzungen schon am 1. Sep- tember durchzuführen, ist wegen techm'scher Schwierigkeiten fallen gelassen worden. Als Stichtag soll der 1. Oktober gelten.
JettegungdesKonflikispapst-Mussolim? Eine Ansprache des Papstes Pius. Balikanstadl, 28. August. Pius X I. hielt heute beim Empfang von 100 Studenten der katholischen Universitäten von Rom und Mailand eine Ansprache, wobei er b e st ä t i g t e, daß in dem Konflikt zwischen dem Vatikan und der italienischen Regierung eine baldige befriedigende Lösung zu erwarten sei.
Oesterreichische Präsidentenwahl. Die Parteileitung der C h r i st- lich-Sozialen hat beschlossen, an dem 18. Oktober als Termin der Neuwahl des Präsidenten fest zu- halten. Mit den übrigen bürgerlichen Parteien soll möglichst eine bürgerliche Sammelkandidatur aufgestellt werden. Die Sozial- demokraten nominieren als ihren Kandidaten den ersten Bundes- kanzler der Republik , den Präsidenten des Nationlrats, Dr. Revner.