Einzelbild herunterladen
 

D

BERLIN Montag 31. Auguft

1931

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Donhoff( A 7) 292-297

Spalausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Nr. 406

B 203 48. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezetle 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßiguncen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H.. Berlin Nr. 37 536. Der Verlag behält sich das

1

Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Kongreß der Arbeit

Gewerkschaftskongreß eröffnet: Ansprachen Leiparts und Stegerwalds

F. E. Frankfurt a. M., 31. August.( Eigenber.) Der 14. Gewerkschaftskongreß steht im Zeichen des Kampfes um die Verteidigung der Rechte des Arbeiters, des Kampfes gegen ihre Feinde.*

Als Ehrengäste sind u. a. anwesend: Reichs­arbeitsminister Dr. Stegerwald, Ministeialdirektor Dr. Heinze vom Reichswirtschaftsministerium, Wohl­fahrtsminister Dr. Hirtsiefer, ein Vertreter des Preußischen Handelsministeriums, der hessische Staats­minister Adelung, ein Vertreter des bayerischen Mi­nisteriums für Landwirtschaft und Arbeit, Präsident Schaeffer bom Reichsversicherungsamt, Direktor Donau Berlin Arbeitsamt, Internationalen ferner die Vertreter der Gewerkschaften von Holland , Frankreich , Belgien , Polen , Schweden , der Schweiz , der Tschechoslowakei und Ungarn , sowie Vertreter der be. freundeten Verbände und nahestehenden Organisationen.

%

bom

"

Bundesvorsitzender Leipart begrüßte alle Teilnehmer, insbesondere auch den Reichs­arbeitsminister Stegerwald. Ein Vergleich zwischen dem Frankfurter Rongreß por 32 Jahren und dem heutigen zeige, daß die Gewerkschaften nicht vergeblich ge= arbeitet haben. Sie haben für den Bestand des Staates mehr gewirkt als die Unternehmer. Während der Vorwärts" damals von dem ,, weichen Kehrichthaufen der Gewerkschafts­duselei" geschrieben habe, herrsche heute Einmütigkeit in der Auffassung über die gewerkschaftliche Tätigkeit. Leipart erinnerte weiter an den ersten Vereinstag der deutschen Arbeitervereine im Juni 1863 in Frankfurt und an die Tätig­feit Lassalles. An das Wort Lassalles von der ver­dammten Bedürfnislosigkeit knüpfte Leipart an. Es scheine, als ob jetzt alle Welt darauf ausginge, die deutsche Arbeiterschaft wieder in den Zustand der absoluten Bedürfnislosigkeit zurückzuversetzen. Die Aufgabe des Kongresses wird es sein, den Abwehr tampf dagegen zu unternehmen. Es wird viel von der Not der Wirtschaft geredet, weniger aber von der Not der Arbeiterschaft. Der Kongreß werde prüfen, ob die Regierung ihre Pflicht gegenüber dem Volke der Arbeiterschaft in vollem Maße getan habe. Die Wirtschafts­führer haben immer starke Zweifel an ihren Fähigkeiten aufkommen lassen, für den gegenwärtigen Zustand lehnen die Gewerkschaften jede mitverantwortung ab. Die Berhand­lungen werden ergeben, so wie bisher könne es wirklich nicht mehr weitergehen. Der alte Glaube, daß man der Arbeiter schaft noch Schlimmeres bieten könne, daß sie sich alles ge­fallen lassen müsse, tönnte sich eines Tages schwer rächen. Die Gewerkschaften suchen nicht den Kampf, aber sie werden ihn führen, wenn er ihnen aufgezwungen wird.

Die Eröffnungsansprache Leiparts machte auf den Kongreß einen tiefen Eindruck und wurde oft durch lebhaften Beifall unterstrichen.

Nach Begrüßung des Kongresses durch den Bezirkssekretär Genossen Miesbach und einer urwüchsigen Ansprache des Frant­furter Bürgermeisters Gräf nahm das Wort

Reichsarbeitsminister Stegerwald:

Das Verhältnis Ihrer Bewegung zum Reichsarbeits. ministerium war seit seinem Bestehen nicht immer ein sehr freundliches. Die gleichen Schwierigkeiten, die in den letzten Tagen zum offenen Bruch führten, sind intern schon seit längerer Zeit auch in England zwischen der Arbeiterregierung und den dortigen Trade Unions hervorgetreten. Wir stehen eben gegen­

wärtig

in der größten Krisis seit den napoleonischen Kriegen. Daß in einer solchen Periode die, Gewerkschaften mehr wollen als die Regierenden durchführen können, liegt auf der Hand. Als der zeitiger Arbeitsminister habe ich im letzten Jahre den deutschen Arbeitern allerlei zumuten müssen. Ich bin jedoch der festen Ueber­zeugung, daß, wenn einer der Ihrigen gegenwärtig an meiner Stelle stände, er eine wesentlich andere Politit auch nicht hätte machen fönnen.

Die Deutschen Gewerkschaften

auf dem Vormarsch zur Wirtschaftsführung!

W

" Daran bist du schuld!"" Nein, du!" Nein, du!"

Neben Staat und Wirtschaft steht gegenwärtig auch die deutsche Sozialpolitik vor der größten Krise seit ihrem Bestehen. Wir ihr das deutsche Arbeitslosenproblem in furzer Zeit bewältigt werden dürfen uns nicht der Illusion hingeben, als ob die Weltkrisis und mit tönnten. Die Gewerkschaften interessieren natürlich in erster Linie die Fragen der Lohnpolitik, des Tarifwesens, der Sozialversicherung, der Arbeitszeit usw. All diese Dinge hängen jedoch in der Luft, solange nicht Staat und Wirtschaft und ihr Kredit auf festen Grundlagen beruhen.

Unserem staatlichen Leben fehlt die Ausgeglichenheit im Innern; wir stehen in politischer, geistiger und organisatorischer Hinsicht noch vor einem unfertigen Staat.

Das ist gar nicht anders möglich. Den Arbeitern geht es nicht schnell genug vorwärts; die alten herrschenden Schichten möchten wieder zurück zu dem Zustand von 1914; die Jugend sieht teine Zukunft. Dazu kommen noch die gewaltigen Pro­bleme der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie des Zahlungsmittel­bleme der Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie des Zahlungsmittel­verkehrs.

Die erste Aufgabe der nächsten Monate besteht darin, wie bei tnapper Gold- und Devisenbasis die Wirtschaft aufrechterhalten und ihr ein wenn auch nur langsamer Antrieb gegeben werden fann. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß das, was in den letzten Jahren von der deutschen Wirtschaft gefordert worden ist, von ihr nicht geleistet werden konnte. Die Siegerstaaten haben versucht, die deutschen poli­tischen Reparationszahlungen zu fommerzialisieren, was sich als un­durchführbar herausgestellt hat. Durch den Krieg und seine Begleit­erscheinungen sind uns zwischen 100 bis 150 Milliarden entzogen worden. Gegenwärtig stecken in der deutschen Wirtschaft 90 Milliar­den Mark Kredite.

zur Arbeitslosennersicherung und mit der jetzt geltenden Krisensteuer die Arbeitslosen über den nächsten Winter hinübergebracht werden Binter tönnen, ist noch zweifelhaft.

Die Arbeitszeitfrage greift tief in den deutschen Wirt­schafts- und Kreditaufbau ein. Deutschland wird im Hinblick auf seine Gold- und Devisenbasis seine Ausfuhr stärker for cieren müssen.

Die 40- Stunden- Arbeitswoche

bedeutet aber für viele Betriebe eine ins Gewicht fallende Erhöhung der Selbstkosten und damit eine Erschwerung der Ausfuhr. Anderer­feits gibt es sicher Fälle, in denen die Verfürzung der Arbeitszeit

Sozialdemokratische Reichstagsfraktion Zusammentritt am 8. Geptember.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wird am Dienstag, den 8. September zur Beratung der poli­tischen Lage zufammentrefen.

Ein früherer Zusammentritt iff in Anbetracht des Frankfurter Gewerkschaftstongreffes, an dem zahlreiche Mitglieder der fozial­demokratischen Reichstagsfraktion teilnehmen, nicht möglich.

Zeppelin über dem Atlantik .

Die Kanarischen Inseln passiert.

dal An Bord des Graf Zeppelin ", 31. Auguſt. narifchen 3nsein paffiert. Um 6 Uhr morgens befand Das Luftschiff Graf Zeppelin " hat um Mitternacht die ka-> fich das Luftschiff auf 18 Grad 24 Minuten westlicher Länge querab von Rio de Oro. Das Luftschiff fährt bei frischer Morgenbrise mit 145- Kilometer- Stundengeschwindigkeit.

ohne wesentliche Beeinträchtigung der Wirtschaftlichkeit möglich ist. Hier muß sich endlich die notwendige Rücksichtnahme auf die Arbeits­marktlage durchsetzen. Auch die Gewerkschaften müssen aber die Arbeiter über die Notwendigkeit einer gewissen Rationie rung der Arbeit austiären.

Und damit komme ich zu der Frage:

Wie bringen wir die Arbeitslosen über den nächsten Winter? 3uverlässige Ziffern über den denmächftigen Umfang der Arbeits­lofigkeit zu nennen, ist sehr schwer. Im letzten Jahre sind der deut schen Wirtschaft durch Zurückziehung turzfristiger Auslandsdarlehen, durch Reparationen, an Zinsen für lang- und furzfristige Auslands­schulden und durch Kapitalflucht 6 bis 7 Milliarden Mark entzogen worden. Trotzdem ist von März bis Mitte Juli die Ar= beitslosigkeit in Deutschland ständig zurüdgegangen. Die deutsche Wirtschaft hat also eine größere Widerstandskraft ge­zeigt, als angenommen worden war. Ich rechne damit, daß wir bis 31. März 1932 durch Arbeitslosenversicherung Reich und Gemeinden 31. März 1932 durch Arbeitslosenversicherung, Reich und Gemeinden müssen. Im Hinblick auf den geringen Zahlungsmittelverkehr im Innern werden in den nächsten Wochen alle Mittel angewandt Die deutsche Wirtschaft hatte in den letzten Jahren neben 2 Mil- werden müssen, um die Arbeitslosigkeit auf den denkbar niedrigsten liarden Mart Reparationen noch an 3 Milliarden Mark überhöhte Stand herabzudrücken und um die Arbeitslosen ausreichend im näch 3infen aufzubringen. Dazu kommt ein ungeheuer aufgeblähter Bersten Winter zu versorgen. Es wird bei solcher Sachlage vornehmlich waltungsapparat. Der Zuschußbedarf zur allgemeinen Verwaltung zu prüfen sein: und zur Finanzverwaltung in Reich, Ländern und Gemeinden betrug 1913/14 544 Millionen Mart, 1928/29 1473 Millionen Mark.

In Notzeiten sind Gehälter von 300 000 m. in der Privat­wirtschaft ein großes Bolfsärgernis.

Ich habe der Nominallohnfrage nie eine große Bedeutung beige­messen. Die Auffassung, die in dem Sturm auf die Löhne und Gehälter das Allheilmittel für die Gesundung der deutschen Wirtschaft ansieht, lehne ich nachdrücklichst ab.

Neben der Sozialversicherung ist noch immer das Schlich= tungswesen start umstritten. Wenn ich aber recht sehe, ist man heute in dieser Frage nicht mehr ganz soweit auseinander, wie noch im legten Jahre. Ein Verzicht auf die staatliche Schlichtung scheint mir ausgeschlossen. Gerade in Krisenzeiten scheint mir ein staatlicher Schutz der Lohn- und Gehaltsempfänger nach wie vor unentbehrlich. Eine gefeßliche Aenderung des Schlichtungswesens ist zur Zeit nicht beabsichtigt.

1. Inwieweit Arbeitszeitverkürzungen ohne starke Gefährdung der Ausfuhr durchgeführt werden können.

2. Inwieweit periodische Auswechslungen einzelner Belegschafts­mitglieder mit Arbeitslosen möglich sind, um die Last der Arbeits­lofigkeit gleichmäßiger zu verteilen, ohne daß dadurch allerdings die Wirtschaftlichkeit der Betriebe gestört oder eine Vermehrung der Kosten der Arbeitslosenversicherung herbeigeführt werden dürfte.

3. Inwieweit eine noch stär tere Betreuung der jugendlichen Arbeitslosen möglich ist.

4. Ob in den größeren Städten Bolfsküchen einzuführen sind. 5. Inwieweit eine Naturalverpflegung zur Einführung gelangen kann.

Von den 2 Milliarden Mark, für die Arbeitslosen, die bis 31. März 1932 verfügbar sein müssen, dürften ungefähr 500 Mi lionen Mark an Mieten verausgabt und die restlichen 1 500 Millionen Mark zu 80 Proz. für Lebensmittel und Kohlen benötigt werden. Gegenwärtig steht die Sache so, daß der

Berbraucher häufig doppelt so viel für Lebensmittel bezahlt, als der Erzeuger erhält.

Sehr ungünstig steht es gegenwärtig um die gesetzliche Sozialversicherung. Ich rechne damit, daß sie 1932 ohne die Arbeitslosenversicherung 1 bis 14 Milliarden Mart weniger Einnahmen haben wird als 1929. Ob mit den seitherigen Beiträgen Diese Pragis tann im nächsten Winter gegenüber den Arbeitslosen

aff was