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föellage Montag, 31. August 1931

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Wenfchenhautgerberei 7 Sin gegenrevotutionärer Schwindel, der nichf

Cs gibt historische Fabeln, die, tausendmal ausgerodet und aus- gerottet, trotz oder wegen ihrer Abgeschmacktheit weiter wuchern wie Unkraut. Dazu gehört die Behauptung, daß während der Fran- zösischen Revolution Menschenhaut zu Leder oergerbt worden sei. Roch unlängst schrieb Otto F l a k e in seiner auch sonst anfechtbaren Biographie des Marquis de Lade:In einer Gerberei in M e u d o n verarbeitete man nach zweifelhaften Nachrichten die Haut von guillotinierten Männern die von Frauen taugte nichts zu Hofen und Putzlappenleder." Auch an Stellen, wo man es am wenigsten erwarten sollte, schleicht sich auf leisen Sohlen jener Schwindel ein. So findet sich in einem Artikel desA b e n d" vom 23. Juli d. I., betiteltKitschmuseum in Gefahr", der Satz:Der französische Na- k tionalkonvent soll , die Gerberinduslrie der TUenschcnhaul besonders gefördert haben." Wie konnte ein so zählebiges Märchen entstehen? Natürlich fehlt es nicht anQuellen", die die Revolution der Menschenhautgerberei bezichtigen. In seinerHistoire du Direc- toire'(Geschichte des Direktoriums) sagt Adolphe Granier de T a s s a g n a c:Der Wohlsahrtsausschuh, der bis zum 9. Ther- midor wirkte, wurde angeklagt, das Schloß von M e u d o n einem Industriellen übergeben zu haben, damit er dort die Menschenhaut- gerberei versuche." Immerhin, C a s s a g n a c kam 1806 zur Welt und sein Werk erschien in den Jahren 1851 bis 1885: aus eigenem konnte er über die angeblichen Greuel von Meudon nichts wissen. Deshalb fügt er in einer Fußnote hinzu:Es geht nicht an, den geringsten Zweifel über die Existenz von Menschenhautgerbereien unter der Schreckensherrschaft aufkommen zu lassen. Sie wird durch unwiderlegbare Zeugnisse und Tatsachen bestätigt." Wie sehen diese Zeugen und Zeugnisse aus? C a s s a g n a c beruft sich auf P r u d- Hamme, der in seinerHistoire impartiale des Rdvolutions" (Unparteiische Geschichte der Revolutionen) erzählt, beim Fest des Höchsten Wesens am 8. Juni 1794 hätten mehrere Abgeordnete Hosen aus Menschenhaut getragen, aber dieses Buch ist 1824, also während der wildesten Orgien der Restauration, herausgegeben, nichts weiter als eine Zusammenstoppelung gegenrevolutionärer Absurdheiten. Der zweite Gewährsmann C a s s a g n a c s ist D a n i c a n, der in seinenLrixants demssques"(Entlarvte Briganten) schreibt: Welches Boll hielte nicht die Errichtung einer Menschenhaut- gerberei in M e u d o n für«ine Fabel? Man erinnert sich in- dessen, daß ein Mann an der Barre des Konvents ein einfaches und neues Verfahren ankündigte, Leder im Ueberfluß zu be- schaffen, daß der Wohlfahrtsausschuh ihm das Gelände des Schlosses von Meudon zur Verfügung stellte, dessen Tore sorg- » fältig geschlossen wurden, und daß Barere und Vadier die ersten waren, die '-''oas Menschenleder verferttgtr Sklefel trugen. Man" erinnert sich? Danican erinnert sich ganz allein, und sein Erinnerungsvermögen ist sicherlich etwas getrübt, denn der einstige Radikalinskis, der blutrünstige Anhänger Huberts, ging beizeiten zu den Royalisten über, befehligte am 13. Bendcmiaire, am 5. Oktober 1795, die reaktionären Haufen, die durch«inen bewaffneten Putsch den Konvent zu stürzen suchten, und fristete nachher sein Leben in England als erbärmlicher Spitzel und Sold- schreib«: gegen die Revolution. Auch Georges D u v a l in seinen 1841 veröffentlichtenLouve- nirs de la Terreur"(Erinnerungen an die Schreckensherrschaft) er- wähnt das Fest des Höchsten Wesens am 8. Juni 1794 und die Leder- hosen der anwesenden Abgeordneten: Man flüsterte sich ins Ohr, daß einige davon, darunter Drouet, Lebas, Choudieu, B i l l a u d- B o r e n n e, Javogue, solche von Menschenhaut trügen, die aus der in Meudon eingerichteten Menschenledergerberei stammten. Weder bekräftige noch bestreite ich die Sache, ich war nicht in der Lage, ihre Richtigkeit festzustellen, ober be- stätigen kann ich mit gutem Gewissen, daß damals jedermann daran glaubte, daß man trotz des Terrors, der an der Tages- ordnung war, fast laut davon sprach, daß vor allem in Meudon niemand daran zweifelte und daß die Bewohner des Dorfes ein- ander mit geheimnisvollem Schauder die Saalfenster wiesen, hinter denen nach ihrer Meinung die schrecklichen Prozeduren vor sich gingen. Sie versicherten, man höre jede Nacht das fchaurihe Rollen der bedeckten Karren, die die vom Schafott des Revo- lutionsplatzes zur Versorgung der Gerberei gelieferten Leichen herbeischafften. Und warum nicht? Heißt es in der Tat die Führer der Revolutionsregierung zu verleumden, wenn man sie für allzu wenig zartfühlend hält, um sich eng anliegende Hosen aus der Haut ihrer Opfer machen zu lasten? Selbst wenn dieseErinnerungen" so zuverlässig wären, wie sie als Sammelsurium von Legenden, Erfindungen und Gehässig- leiten unzuverlässig sind, ließe sich damit nicht viel anfangen, denn D u o a l selber gesteht, aus eigener Kenntnis nichts zu wissen und lediglich ein damals allgemein geglaubtes Gerücht wiederzugeben. Eine besondere Bewandtnis hat es freilich mit dem Schloß von Meudon , das stets in diesem Zusammenhang genannt wird. Da sich die junge Republik auf allen Seiten der Angriffe des feudalen Europa zu erwehren hatte, legte der Wohlfahrtsausschuß des Konvents, der für die innere wie äußere Sicherheit die Ver- antwortung trug, größten Wert auf Vermehrung und Verbesserung des Kriegsmaterials. Zu diesem Ende wurde durch Dekret vom 22. März 1794 unter Aufsicht eines dreigliedrigen Ausschusses und mit dem Sitz im Schloß und Park zu Meudon eine militärische Versuchsanstalt für Artillerie. Luftschiffahrt und lelegraphie errichtet: neben anderen Erfindungen bestanden hier sowohl die militärischen Fesselballons, die in der Schlacht bei Fleurus gute Dienste leisteten, als auch der optische Telegraph, der eine rasche Nachrichten- und Befehlsübermittlung zwischen Paris und den Armeen im Felde gestattete, ihre erste Probe. Wie bei allen ahn- lichen Betrieben umgab die Versuche in Laboratorium und Werk- statt von Meudon unbedingtes Geheimnis; Unbefugten war der Zutritt zum Gelände streng verboten: Posten und Pa- trouillen einer Jnoalidenabteilung sicherten die Anstalt gegen das Eindringen von Spionen: wer es unternahm, sich ohne Ermächti- gung einzuschleichen und ergriffen wurde, galt als.verdächtig"«, und

von dieser Abstempelung war der Weg zur Guillotine verzweifelt kurz. Kein Wunder, daß diese Experimente hinter dreifach ver- schlossenen Türen tausend Vermutungen Spielraum ließen: daß urteilslose Menschen in Zeiten allgemeiner Erregung jeden, aber auch jeden Blödsinn glauben, hat der Weltkrieg zur Genüge gezeigt: ein gut Teil von der Anziehungskraft der Hitler -Partei beruht auf dieser Empfänglichkeit primitiver Gehirne für Wahngebilde aller Art. Daß die müßige Phantasie ausgeruhter Köpfe aber gerade von einer Menschenhautgerberei in Meudon zu raunen und zu reden begann, hatte zwei besondere Gründe. Einmal litt Frankreich Mangel an Leder: die Soldaten der Republik rückten mit Holzschuhen an die Front oder wickelten sich Heubündel um die Füße, weil die von raffgierigen Kriegslieferanten stammenden Stiefel mit Pappsohlen am ersten Marschtag in Stücke zerfielen: berühmteste Urkunde dieser Lcdernot wurde die Verordnung, die S a i n t- I u st als Kommissär des Konvents in Straßburg an- schlagen ließ:.Lehntausend Mann sind bei der Armee barfuß. Ihr müßt heute noch allen Aristokraten in Straßburg ihre Schuhe ab- nehmen, und bis morgen früh um zehn Uhr müssen die zehntausend Paar Schuhe auf der Reise nach dem Hauptquartier sein." Zum zweiten lebte im Volt noch hier und da die Erinnerung daran, daß sich gelangweilte Grandseigneurs des alten Regime wirklich ver- einzelt Gebrauchsgegenstände aus Menschenhaut hatten herstellen lassen: so wurde Ludwig XV. gegen Ende seiner Regierungszeit von einem bekannten Chirurgen ein Paar Pantoffel aus Menschenleder überreicht, und der Herzog von Orleans soll einmal in den Salons des Palais Royal in Hofen aus Menschen- haut aufgetreten sein. Aus diesen drei Elementen: ängstliche Geheimhaltung der Ver- suche in Meudon , Ledermangel und Erinnerung an frühere Fälle von Menschenhautgerberei entstand die Fabel, daß der Konvent, um die Armee mit dem nötigen Leder zu versorgen, im Schloß zu Meudon die Haut der Gouillotinierten gerben lasse, und nichts lag dann näher als das Gerede, daß, gewissermaßen zu Probezwecken, einzelne Abgeordnete schon in Beinkleidern aus Menschenleder herumliefen. Was so Blödheit, Schwatzsucht und Freude an abeck- teuerlichen Gerüchten verbreitete, nutzte die gegenrevolutionäre, die royalistische Propaganda mit teuflischem Geschick aus: Die Revolution gerbte Menschenhaut? Die Revolutionäre kleideten sich in Menschenleder? Da seht ihr's, daß die Revolution die Zerstörung jeder sittlichen Ordnung mit sich bringt und daß die Revolutionäre zynische Verbrecher und blut- triefende Barbaren sind! Dabei sprang jedem halbwegs Einsichtigen die Dummheit des Gerüchts in die Augen. Mit Recht betont Louis C o m b e s in seinenLpisödes et curiosites revolutionnaires"(Episoden und Merkwürdigkeiten der Revolution), daß das Geheimnis bei soviel Mitwissern: Wohlfahrtsausschuß, Gemeinderat, Scharfrichter mit Gehilfen, Fuhrleute der Leichenkarren, Empfänger der Trans- parte, Gerber, unmöglich Geheimnis bleiben tonnte, ganz zu schweigen von der Boraussetzung, daß sich Gelehrte von Weltruf, berühmte Chemiker wie B e r t h o l l e t und Fourcroy , in Meudon tätig, hätten zu Mitschuldigen machen müssen. Daß nie, auch dann nicht, als es jeder Gefahr entbehrte, ein Beteiligter den

Mund aufgetan hat, um von der Menschenhautgerberei in Meudon Kunde zu geben, ist der bündigste Beweis für die vollkommene Haltlosigkeit des Geschwätzes. Aber es gebricht auch nicht an unmittelbaren Beweisen. Als sich mit dem Sturz Robespierres am 27. Juli 1794 die Thermidor-Reaktion in den Sattel schwang, rieb sie bei. jeder Ge- legenheit dem alten Wohlfahrtsausschuß wirtliche und erdichtete Untaten unter die Nase: nicht ein einziges Mal wurde der Menschen- Hautgerberei in Meudon gedacht. In dem Einundzwanziger-Aus- schuh zur Untersuchung der Verbrechen des Wohlfahrtsausschusses saß der Abgeordnete B a t t e l i e r, der die Versuchsanstalt in Meudon unter sich gehabt hatte und Bescheid wissen mußte: als am 2. März 1795 im Konvent der Girondist E a l a d i n im Namen der Einundzwanzig gegen Collot d'Herbois , Billaud- Varenne , Barere und Vadier donnerte und die Ber - Haftung dieser vier wesentlichen Werkzeuge Robespierres im alten Wohlfahrtsausschuß vom Fleck weg durchsetzte, fiel auch nicht eine Silbe über ihre etwaige Mitschuld an der angeblichen Menschen- Hautgerberei von Meudon . Ja mehr! Die Sitzung schloß mit einem Zwischenfall, über den derM o n i t e u r" vom 15. Ventöse de- Jahres III berichtet: Die zur Ueberwachung der Versuche mit neuen Erfindungen nach Meudon entsandten Volksvertreter richten an den Konvent einen Brief, in dem sie gegen ein in verschiedenen Blättern wiedergegeben»? verleumderisches Gerücht Einspruch erheben, daß man unter der letzten Tyrannenherrschast (nämlich unter Robespierre . H. W.) in Meudon Menschenhaut gegerbt habe, um Leder daraus zu machen. Die Beschwerde kam von Abgeordneten, die den robespierreschen Wohlfahrtsausschuß verabscheuten, und der Konvent, der dem robespierreschen Wohlfahrtsausschuß todfeind war, drückte durch Uebergang zur Tagesordnung seine Verachtung für jenes doch allzu lächerliche Gerücht aus: den Antrag auf Uebergang zur Tages- ordnung hatte Merlin de Thionville , der gewiß den Mitgliedern des ivbespierrefchen Wohlfahrtsausschusses alles Böse wünschte, mit der Begründung gestellt, wir lebten nicht mehr in einem Jahrhundert, in dem man Menschenhaut gerbt. Tat nichts! Die gegenrevolutionäre Propaganda ging nicht zur Tagesordnung über oder vielmehr: ihre Tagesordnung bestand aus solchen Ber- leumdungen, mit dem Erfolg, daß noch im Jahre 1931 das Märchen auftaucht, der Konvent habedie Gerberindustrie der Menschen- haut" gefördert. Es oerhält sich damit ähnlich wie mit der Lüge der Entente- Propaganda aus dem Weltkrieg, daß die Deutschen die Leichen Ge- fallener zur Fettgewinnüng verwendet hätten. Aber halt! Auch dieser Schwindel stammt aus der Französischen Revolution. Der Abbe Guillon de Montleon behauptet in seinen 1824 ge- druckten Lyoner Revolutionserinnerungen, der Girondist Roland, bekannter Gatte einer bekannteren Frau, habe der Akademie zu Lyon eine Denkschrift mit dem Vorschlag überreicht, aus Knochen und Fett menschlicher Leichen Oel zu gewinnen! Allerdings weiß außer einem so ausgekochten Gegenrevolutionär, wie es der Abbe war, niemand von dieser Denkschrift. Hermann Wendel .

OHo S&ensin:

Sommerausklang

Die Heide blüht", hört man in aller Munde. Jung und alt pilgert vor die Tore der Stadt und kommt bepackt mit Sträußen heim. Manchmal sah ich Leute, die ganze Arme voll Heideblumen trugen, wahllos aus dem Boden herausgerissen. SolcheBlumen- freunde" mag es viele geben: wenig schadet es derErika" ihr Leben ist zäh und recht genügsam doch spricht es nicht im ge- ringften von Aesthetik und wahrer Freude an Blumen. Mein Weg führt mich abseits der großen Straßen, dorthin, wo die Natur in der Einsamkeit träumt. Wolken huschen vorüber, ein Wind weht durch die verkrüppelten Kiefern auf der Blöße. Birken werfen ihren lockigen Kopf in den Nacken, wie wenn ein Mädel dem Sturme trotzt. Gelassen setze ich einen Schritt vor den anderen durch die rote Landschaft. Die Heide blüht wieder... Hier mußt du verweilen", denke ich und lege mich in das knisternde Kraut. Honigsüßer Duft zieht durch die Nase, man atmet würzige Heideluft. Unzählige Bienen summen von Blüte zu Blüte und steuern, schwer beladen mit süßem Nektar, ihrem Flugloche zu. Blauschimmernd« und bräunliche kleine Schmetterlinge umgaukeln die winzigen roten Glöckchen. Auch weihe gibt es unter ihnen. Es liegt an dem Boden, aus dem die Erika wächst. Ich sehe Blüten von dem reinsten Weiß bis zu dem leuchtendsten Rosenrot, und zwischen diesen Farben wechselt auch das Grün der dickfleischigen Blätter. Auf den abgeplaggten Stellen eines Kahlschlages, wo junge Kiefern ihre ersten Jugendträume träumen, finde ich die schönsten Blüten: Saftiggrün sind die Blätter, gerade gewachsen die Pflanzen, an denen lange Reihen von leuchtenden Blüten stehen. Der Blüten auserlesenste stecke ich an den Hut und schlendere dem Berge zu. Eine Eidechse raschelt vom Wege fort und sucht im dichten Heidekraut Deckung. Zähe, als flösse dickes Oel in ihren Adern, gleitet sie über die sonnenbeschienene Fläche. Der wenige Sonnenschein macht ihre Glieder steif. Auch die Ringelnatter, die ich hier immer treffe, schlängelt sich nicht durch das hohe Schnittgras. Auf dem Hügel gibt's einen herrlichen Rundblick. Das ganze Freiland, weit und breit, ist in Rot gehüllt, über dem die Sonne flimmert. Das Summen der emsigen Bienen dringt zu mir, unter- mischt von dem Flüstern der sich schüttelnden Birten. Wie Schatten stehen die einzelnen Kiefern und Wacholderbüsche. Man könnte in ihnen mancherlei Gestalten erkennen. Der Wind hat dies Werk an ihnen getan;«r hat sie in der Jugend arg zerzaust und sie zu Krüppeln herabgedrückt. Und doch dürfen sie in vollen Zügen den Duft der blühenden Heide einatmen. Am Horizont gleiten weißgraue Wolkenfetzen vorüber und huschen als zerrissene Schattengebilde über das blühende rote Heide- land. Mit sich nehmen sie für Augenblicke das Sonnenlicht, das an sich schon in den letzte» Tagen spärlich genug war.

Mein Weg führt mich durch dunkle Kiefcrnschonungen, in denen ich manchen Pilz finde, und durch die räumen Buchen, wo der Täuber gurrt und der Häher mit lautem Gekreisch von seinem Baum ab- streicht. Er, der Aufpasser, warnt das Wild und läßt keinen un- angemeldet vorbeiziehen. Dicht liegt das vorjährige Laub am Boden. In den Sonnenstrahlen, die sich durch den Blätterwirrwar hindurch- stehlen, leuchtet es rot. Modergeruch entströmt der goldenen Decke. Es wird still wie in einem hohen, weiten Dom. Fast lautlos zieht eine Ricke mit zwei Kitzen zu Felde, der Sonne entgegen. Dorthin wandere ich. Auf dem Felde stehen die letzten Hafer- hocken. Grau sind die Stoppel, die noch vor kurzem an starken Halmen reiche Ernte trugen. Heute durchschneidet ein kalter Stahl in langen Furchen die Haut des Ackers, um sie für neue Erträgnisse vorzubereiten. Auf dem Gutshose brummt der Dreschsatz, In wilder Wut heulend, frißt er die Garben in sich hinein, um sie unter hellem, höhnischem Lachen als Stroh auszufpeien. Schleppfüßig ziehen die Kühe heim, auf dem Klee- und Serradellaschlag fanden sie gute Nahrung. Neugierig beschnüffeltKaro" mich und meinen Rucksack. Dann hetzt er hinter den Kälbern her, die in den Kartoffeln herum- kneten. In der hohen Birke am Feldrain herrscht lautes Leben. Die Jungstare haben Versammlung. Ein Schwärm, einer schwarzen Wolke gleichend, streicht über meinen Kops hinweg, ein kühler Luft- zug durchdringt mich. Die Stare sammeln sich schon! Dann muß wohl der Sommer ausgeklungen haben. Denn die Vögel haben mehr Sinn für das Wesen des Wetters. Sie, die sich in die freien, luftigen Höhen schwingen, fühlen die Zeit des Aufbruchs, obwohl diePro- pheten" sonniges Wetter verkünden. Sommer bleibe bei uns!", will ich ausrufen, aber wieder über- läuft mich ein kalter Lufthauch. Die Sonne sinkt, ihr folgt ein kühler Abendwind. Ja, die Stare haben mich an des Sommers Abschied gemahnt. Bald wird keine Blume uns noch erfreuen. Streng duften die Immortellen, als wollten sie mich betäuben und solche Gedanken vergessen machen. Aber die rauhe Wirklichkeit ist da, und ein kalter Abend paßt nicht mehr in den Sommer hinein. Das erste gelbe Blatt fällt von dem Lindenbaum, als ich in die Chaussee einbiege. Heiser schreiend ziehen in großer Höhe Wild- gänse. Sie kehren der nordischen Welt den Rücken und streben nach ewiger Sonne und grünen Auen. Krähen suchen ihr Nachtquartier in den der Stadt nahen Waldungen. Auch Borboten des Herbstes. Traurig halte ich den Hut mit dem Sträuhchen in der Hand und betrachte die rosenroten Glöckchen der Erika. Ja die Heide blüht und mit ihrem Bienengesumm und tausendtönigen Glockengeläute hat auch der Sommer für dieses Jahr ausgeklungen.