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BERLIN Voimerstag Z.September 1931

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Explosion in Treptow

Schweres Llnglück bei der AEG.- Oachsiuhl in die Lust gesprengt Siebzehn Arbeiter schwer verletzt

Di« Apparatefabrrk der AEG. in der Hoffmann- strafte 1323 in Treptow wurde heute mittag von einer schweren Explosionskatastrophe heimgesucht. Gegen'?L12 Uhr flog unter donnerndem Getöse ein Sauerstoff» oder Azetylenbehälter in der Schweifterei. die ihre Räume im 3. Stockwerk hat. in die Luft. Das Dach wurde in einer Länge von etwa 4v bis 30 Meter völlig abgedeckt. Durch die Explosion wurden 17 in dem Unglücksraum beschäftigte Arbeiter zum Teil lebensgefährlich verletzt. In der Hoffmannstraße in Treptow befinden sich auf freiem Gelände die langgestreckten fünfstöckigen Fabrikationsräume der AEG. Im linken Flügel, der mit seiner Front nach den umfang- reichen Werkstätten der BVG. liegt, ist in der fünften Etage die Schweißerei und Klempnerei untergebracht. Um%12 Uhr waren mehrere Arbeiter mit dem Anschließen einer Sauerstoff- oder Azetylenflasche beschäftigt. Plötzlich erfolgte unter heftiger Detonation eine gewaltige Explosion. Der Behälter barst auseinander und eine riesige Stich- flamme durchschoß den etwa 30 Meter langen Arbeitsraum, in dem 30 Personen beschäftigt waren. Durch den L u s t d r u ck wurde das Doch in feiner Gesamtlänge über dem Explosionsherd völlig abgedeckt. Die Explosion erschütterte das ganze Gebäude in seinen Grundsesten. Die Alarmglocke durchtönte bereits Sekunden nach dem Unglück die Fabrik und eine Maffenflucht der Belegschaft setzte«in. Alles stürzte entsetzt ins Freie. Schon wenige Minuten nach dem furchtbaren Explosionsunglück rückte die Feuerwehr auf den AlarmExplosion Menschen­leben in Gefahr' mit einem großen Aufgebot von Fahrzeugen an. Sie tonnte jedoch bald wieder abrücken, da ein Brand nicht ent- standen war. Meterhohe Flammen, die aus den Dachsparren schlugen, kenn- zeichneten die Stätte der Verwüstung. Unter der Gefahr neuer Explosionen drang die R e t t u n g s m a n n s ch a f t, die sich aus der Belegschaft der Fabrik zusammensetzt, gegen den Unglücksherd vor. Bier Arbeiter lagen mit schweren Brandverletzungen und Knochen- brllchen bewußtlos am Boden. Sie wurden sofort ins Freie ge- fchasft und mit Rettungswagen des Werkes in das Urban- und in das Krankenhaus Am Friedrichshain gebracht. Dreizehn weitere Verletzte, die sich selbst hatten in Sicherheit bringen können, wurden nach der Unfallstelle Südost, Mariannenufer 2, transportiett, wo ihnen erste Hilfe zuteil wurde. Die Namen der Versetzten. Die Namen der verunglückten Arbeiter sind: Willi M a a ß, Max K r u s ch i n s k i. Paul Münzberg. E. Hart ig, Fritz K e m p e, Otto Kretschmar, Kurt Gaericke, Erwin Becker. Heinz Rolosf. Kurt Jost, F. G o w i n und R. Harnisch. Ein Dild größter Verwüstung. Die Unglücksstätte bietet ein Bild größter Verwüstung. Im fünften Stockwerk ist nicht eine Mauer heil geblieben. Rabitz- wände sind einfach weggeblasen, starke Steinmauern haben gleich- falls dem ungeheuren Druck der Explosion nicht standgehalten. Nach der Spreeseit« klafft ein viele Quadratmeter großes L o ch im Mauer- werk. Di« Spuren der Explosion erstrecken sich bis zum zweiten Stockwerk, wo zahlreiche Fenster zertrümmert und das Mauerwerk zerstört ist. Das Dach des Gebäudes stürzt« auf das etwa 50 Meter entfernt liegende Versandlager nieder und brachte einen Teil de« Schuppens zum Einsturz. Glücklicherweise befand sich niemand im Lager.

Schwarzer Tag an der Börse Schwere Kursverluste auf allen Gebieten

Nach siebenwöchentlicher Pause ist die Berliner Börse heute mitlag wieder erössnet worden. Aeußerlich zeigte sich das in der Burgstraße, der Neuen Zriedrichstraße und im Großen wolfsgang durch die zahllos parkenden Autos, die die Bankdirektoren und Bankier» zur Börse führten. Die Stimmung war außerordentlich nervös. Um die Nischen der Deutschen Bank, der Reichsbank und der D a n a t- dank bildete« sich Gruppen diskutierender Bankicci, um die Lage noch einmal zu besprechen. Zahlreiche prominente Zinanzgewaltigc, die nur selten die Börse besuchen, haben sich heule eingefunden. Denn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen hat sich heule morgen vorbör»- lich erwiesen« daß die Verkaufsorders die Käufe fast auf allen Märkten überwiegen. Die schrillen Glocken rissen 12.15 die plaudernden Gruppen aus- einander. Die Makler traten in Aktion. Die Tafeln wurden mit --- Zeichen bedeckt, was bedeulel, daß die Tendenz scharf nach unten tendiett. Da» typische Gesicht von schwarzen Tagen an der Börse. ch Die Besürchtungen, daß es heute am Börsenerössnungstage zu ganz gewaltigem Angebot von Wertpapiermaterial kommen würde, hat sich in vollem Umfange bestätigt. Auf allen Gebieten

waren die Kurse gegenüber dem letzten Börsentag vom 11. Zuli stark gedrückt, verschiedene sührende werke, u. a. Rheinisch- Westsälische Elektrizitätswerke und Gessürel wurden wegen zu großen Angebotes nicht notiert. Auch bei einer großen Anzahl anderer Papiere war das Angebot derart drängend, daß die Ab- nähme auf 10 Proz. beschränkt werden mußte. Im einzelnen wurden Deutsche Bank mit 75 gegen 100,5 Proz.(am 11. Juli), JG.-Farben mit 93 gegen 122 Proz., Siemens mit 103 gegen 110 Proz., Kaliwerke Salzdetfurth mit 135 gegen 177 Proz. und Polyphon mit 80 gegen 108HL Proz. ge­handelt. Auffällig waren die verschiedenen Kursrückgänge bei den beiden in der Krise zusammengebrochenen Großbanken, der Dresdner Dank und der Danatbank. Während der Kurs der Dresdner Bank von 101 bis auf 47 Proz. fiel, hielt sich die Danatbank aus 70 Proz. gegen 10114 Proz. Der Grund für diese überraschende Festigkeit des Danatkurses liegt darin, daß in den Danataktien in der Zeit vor dem Zusammenbruch große Leerverkäufe erfolgt sind, die jetzt von den Baissespekulanten gedeckt werden müssen. Auch auf dem Rentenmarkt waren schwere Kurseinbrllche zu verzeichnen. Die achtprozentigen Pfandbriefe wurden im Durch- schnitt mit 8284 Proz. gegen rund 100 Proz. am 11. Juli an- geboten.

England-Anleihe in Frankreich . Am ersten Tage voll gezeichnet. P a r i s, Z. September.(Eigenbericht.) Der für das Publikum bestimmte Teil der kürzlich von den französischen Banken der englischen Regierung gewährte« Anleihe (2,5 Milliarden Franken) ist am Mittwoch fast voll gezeichnet worden. Die Nückzugserklärungen. Schober und Curtius verzichten auf Zollunion. Genf , 3. September. Der Europaausschuß(Studienausschuß für die Europaunion) ist heute vormittag unter dem Vorsitz des auf französischen Vorschlag gewählten schweizerischen Bundesrats Motta zu seiner vierten Tagung zusammengetreten. Außer England und Frankreich , die durch Lord Robert Cecil bzw. Franyois-Poncet vertreten sind, haben die meisten europäischen Staaten wie bisher ihre Außenminister entsandt. Von den europäischen NichtMitgliedern des Völkerbundes sind wie zu der letzten Tagung Sowjetrußland und die Türkei er- schienen. Außerdem sind Beobachter Japans und Chinas anwesend. In öffentlicher Sitzung gab der österreichische Außenminister Schober eine Erklärung über die Zollunion ab, in der er keine ver- traglichen Bestimmungen erwähnte, und zwar weder den Vertrag von St. Germain noch das Genfer Protokoll von 1922. Schober ertlätte unter Betonung der U eb e r e i nstimm u ng mit der deutschen Regierung, daß die beiden Regierungen beschlossen hätten, den Zollunionsplan nicht weiter zu verfolgen, insbesondere da dem Europäischen Ausschuß bereits Pläne allgemeiner europäischer Zollunionen und Markterweiterungen vorlägen. Dr. Schober machte dann den Vorschlag, einen Unteraus- schuh der Europa -Kommisiion einzusetzen, in dem die wesentlichen Elemente europäischer Zollunionen ausgearbeitet werden sollen. Ferner betonte Schober in seiner Rede, er habe mit Genugtuung fest­stellen können, daß die vorbereitenden Arbeiten des europäischen Studienkomitees die Ueberzeugung gebracht haben, daß der Ge- danke der Zollunion geeignet sei, der gegenwärtigen europäischen Wirtschaftskrise abzuhelfen und daß serner bei der Behandlung

des deutsch -österreichischen Zollunionsplanes die beteiligten Regierun- gen stets vom Gesichtspunkt des allgemeinen europäischen Interesses ausgingen. Die deutsche und die österreichische Regierung könnten daher mit Vertrauen die Weiterverfolgung dieser Pläne in die Hand der Europa -Kommission zurücklegen. Oesterreich könne deshalb in voller Uebereinstiinmung mit der deutschen Regierung erklären, daß es unter den veränderten wirt- schaftlichen Umständen die Zollunion mit Deutschland nickst weiter verfolgen werde. Curtius' Erklärung. Nach Schober nahm der deutsche Außenminister Dr. CurtiuS im Rahmen einer größeren, die gegenwärtigen Aufgaben der Europatommission behandelnden Rede zur Frage der deutsch - österreichischen Zollunion Stellung. Die Stellen seiner Rede, die auf die Zollunion Bezug nahmen, und die ebenfalls einen Verzicht auf das Projekt aussprechen, lauteten wie folgt: Der Gedanke der absoluten Notwendigkeit eines engeren wirt- schaftlichen Zusammenschlusses der europäischen Länder hat in der letzten Zeit große Fortschritte gemacht. Die Sachverständigen haben sich von der Welle dieser Erkenntnisse tragen lassen. Ich hoff«, daß diese Welle stark genug sein wird, auch die Regierungen über alle Hemmungen und Bedenken hinweg dem vorgezeichneten Ziel ent- gegenzutragen. Die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses berühren sich eng mit dem Gedanken, aus denen vor einigen Monaten der ihnen allen bekannte Plan der deutschen und der österreichischen Regierung hervorging.» Mir liegt deshalb daran, einige Bemerkungen dazu zu machen, Bemerkungen, die unabhängig von dem in den nächsten Tagen zu erwartenden Gutachten des Ständigen internationalen Gerichts- Hofes im Haag sind, das sich auf die rechtliche Seite der Angelegen- heit bezieht. Die Absicht der deutschen und der österreichischen Regie- rung bei dem Projekt einer Zollunion zwischen ihren Ländern ist von vornherein dahin gegangen, daß dieser Plan der Ausgangspunkt für weitergehende Mrtschoftsoerträge sein sollte, an denen eine möglichst große Anzahl europäischer Mächte teilzunehmen hätte. Seitdem haben sich die Ereignisse überstürzt, so daß sich die ursprüngliche Sachlage völlig verändert Hot. Wir stehen jetzt hier in der europäischen Studien-Kommisfion