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Beilage
Freitag, 4. September 1931
Stribli Der Abend
Shalausgabe des Vorwärt
Mensch- Lärm- Maschine
Großstadteindrücke der Ohren/ Von Heinrich Hemmer
einschreiten auch gegen Tagist and knatterer( neulich entzog ein Kriminalkommissar einem Motorradfahrer den Fahrschein, der rein aus der lärmgeschaffenen Freude die Aufmerksamkeit zu erregen, sich durch Krach zu dokumentieren und die Schalldämpfer zu entfernen pflegte)... nein, man ist auch rein technisch weit genug vorgeschritten, Lärm abstellen, die Explosionen lautlos verpuffen lassen zu können. Das moderne Auto( Taxi sogar) fährt geräuschlos, arbeiten können, Halleluja; man wird wieder den Rhein und das ehemals stille Ampezzotal genießen können! Selbstmordkandidaten in Verkehrs- Frontwohnungen werden: wir werden unser
Es ist nicht wahr, daß Berlin die lauteste Stadt der Welt ist:| Note besitzt( das Korrekte, das Ostentative), so der Lärm: er tritt oh ihr Götter. Man wird wieder des Nachts schlafen und bei Tag es gibt noch lärmendere. es gibt Städte, in denen es sinnlos wäre, mit der Berechtigung der Tüchtigkeit auf. gegen den Lärm ein Wort oder eine Verordnung zu verlieren. Das ohrenbetäubende Getöse von Rio zum Beispiel muß man als ein unabänderliches organisches Greuel, als Fatum hinnehmen-
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Neger, Brasilportugiesen und alles, was dazwischen liegt, empfinden ganz einfach leben lärmen. Der Lärm der Temperamente vereinigt sich mit dem der Technik zu einer infernalischen, nimmer endenden Sinfonie.
Der Süden, der Orient...
Dann ist der Süden... der Orient..., auf dem Fischmarkt von Kairo oder auf der Börse von Bombay( die auf offener Straße in herz- und ohrenzerreißender Weise tagt) steigt die Geräuschinderziffer sicherlich hoch über das von den Aerzten oder von Gott gewollte Maß hinaus: Orientalen und Südländer haben anders geartete, anders erzogene Nerven als Mittel- und Westeuropäer.
Seit altersher hat der chinesische Schupo mit der Peitsche auf die fich in Verkehrsadern stauenden kreischenden Menschenknäuel eingeschlagen, niemals hat man auf einem richtiggehenden vrientalischen Basar sein eigenes Wort verstehen können. Und ein ganz analoges Zetergefchrei, das ich in einem neapolitanischen Gäulenhof vernahm, bedeutete nur eben, daß eine Insassin unter Einmischung der übrigen Hausgenoffinnen mit einem Straßenhändler um einen Fisch feilschte... Und auch am Lido( Hafenseite) hat die Morgenfiunde kein Gold, aber einen Höllenlärm im Munde... das ft so gute alte Sitte und Hausbrauch. Die Auseinandersehungen von Mensch zu Mensch wickeln sich in diesen pittoresken Gegenden in geräuschvoller, von Temperamentsausbrüchen durchseßter Weise ab. Niemand nimmt Anstoß daran, es ist für die( die Krämpfe deutscher Bildungstouristen mit innerlicher Genugtuung belächelnden) Eingeborenen fast ein Naturgeräusch, etwas in der Ferne unbewußt Bermißtes, eine akustische, mit dem Bild der Geliebten gemeinsam auftauchende Heimatsreminiszenz... aber! Bor vielen italienischen Städten sieht man die Einfahrtsstraßen mit breiten Leinwandstreifen überspannt, darauf in Riefenlettern die Aufforde= rung ergeht, den Auspuff zu schließen... hörst du's, Ber liner Autofahrer?
England, Amerita...
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Den Autofahrern ins Ohr geschrien. Nun gibt es zweierlei Lärm: Einen öffentlichen, technischen,
notwendigen" Lärm, der läßt sich, wenn nicht vermeiden, so doch sehr vermindern, und einen privaten, den Hauskrach, den Wirtshausfrach, den Krach, wo immer Deutscher mit Deutschem zusammenprallt, den ,, unnötigen" Krach, der ist unvermeid= lich. Man kann einzelne Jungens verhauen, aber eine Anzahl Menschen kann sich einen 3wang auferlegen, aber den Volks. harakter ändern kann man nicht. Der Pariser Polizeipräsident machte, die zweckmäßigkeit der Berliner Verkehrsampeln anerkennend, die psychologisch sehr richtige Ein wendung, daß sie nicht dem Pariser Volkscharakter" entsprächen. Der Pariser Fußgänger lebt nämlich immer noch in dem glücklichen Wahn, daß der Boulevard ihm gehört( nicht den Töftöfs). Tatsächlich schlängeln sich die Pariser nicht nur ungescheut zwischen den Autos durch, diese beschreiben auch ( o Triumph!) um den Fußgänger einen Kreis..., im schematischen Berlin fühlt der nach Ampelsignal blind losfahrende Chauffeur es schon beinahe als seine Pflicht, den unachtsamen Fußgänger zu überfahren.
Lärm: das heißt, seit der Motorisierung der Welt Auto lärm. Nachdem wir die fatale Gewohnheit angenommen haben, uns mittels Explosionen fortzubewegen, sinkt gegen das hirnzerrüttende Motorgefnatter jedes andere Geräusch zur Bedeutungslosigkeit her ab..., wirkt jeder andere Lärm sympathisch, human, Itebenswürdig fast. Und wenn man dann erfährt, daß diese Schrecken, diese Strafen, diese Torturen( so sagt man mir) ganz unnötig, vollständig überflüssig sind, hält man sich da nicht vor entrüstetem Staunen am Stuhlbein fest? Wir brauchen gar nicht so zu leiden! Nicht nur ist diese ganze Auto- Wichtigtuerei und-Tuterei ( Serrenfahrer influfive) etwas, das schließlich einer besseren Einsicht weichen muß; nicht nur schreitet die Polizei bereits gegen berüchtigte Lautfahrer ein und wird mehr und strenger( bitte, bitte!)
Gift wegstecken... toi toi, ich will lieber nicht zuviel darüber reden.
Was bleiben wird.
Bleiben aber wird der nationaldeutsche Lärm... die für uns typischen Geräuschformern werden rumoren, solange wir leben. Der Junge am Spielplatz, der seinem neben ihm stehenden Kameraden zu brüllt statt zuwinft, worauf sie beide wild auftreischend ziellos rennen: das ist deutsche Lebenslust, wie so manches Krakeelen, Krähen, Johlen, Grölen, Poltern, Brummen, Donnern in Weinund Bierkneipen, in Haus und Hof. Wir haben die laute Begeisterung und die laute Unzufriedenheit, den lauten Gesinnungszusammenflang und, wie gesagt, den Lärm der Tüchtigkeit auch dort, wo sie selber fehlt. Auch ferne, hoffentlich nicht allzu ferne Zeitalter, die sich in leiſen Autos fortbewegen, werden das Wort Haushalt mit Geräusch assoziieren, wir führen nun einmal lärmend Haus, sind aber im Café still, wo die Italiener laut sind, sind im Weinlokal laut. wo die Italiener und Franzosen still sind. Für und für werden die es die Olle wäre, die sie kloppten, für alle ihre Schikanen, und wenn zwei Deutsche am Nordpol finden, daß sie derselben Ansicht sind über die Welt im allgemeinen und den Nordpol insbesondere, so werden fie hoch und Hurra brüllen, daß die Eisbären Purzelbäume schlagen. Für und für wird die Stille des Hofes, welches die Stille des Landes ist, durch schrille Rufe von Fenster zu Fenster schrecklich unterbrochen werden, wird die herzinnige, aber keineswegs diskrete deutsche Lache erschallen, wir werden uns laut niedersetzen in einem stillen Lokal und nach dem Ober plärren. Das ist, das bleibt deutscher Lärm an an der Lust, deutsche Lust am Lärm in alle Ewigkeit, Amen.
hübschen deutschen Hausmädchen auf den Teppich losdreschen, als ob
PS. Könnte man nicht mittlerweile an Berliner Hausfronten in Erwartung stilleren Hauslebens die Jalousien reparieren lassen?
Untheatralisches über Theater
Ein Querschritt von Heinrich Heining
Am stillsten ist die englische Stadt: da spricht man am leisesten, da tuten die Autos am seltensten nicht einmal die Straßenjungen schreien gewohnheitsmäßig. Dies Wunder ist die Folge eines Zusammenwirkens von a) Phlegma, b) guter Kinderstube oder Schulstube, wo sanfte Lehrerinnen an den gentle" man- Sinn( wörtlich: den 3art"-Sinn) der wilden Jugend appellieren, c) einer allgemeinen, traditionellen, schon als Bolts charakter auftretenden inneren Disziplin, die zur Ueberzeugung führt, daß der einzelne am besten fährt, wenn er sich einpaßt, fein Schärfchen dazu beiträgt, daß sich der Verkehr möglichst reibungs Störung artet in vielen Fällen zu offener Feindschaft zwischen Die Begriffsverbindung Theater- Geschäft ist gestört. Diese los abspielt und eventuell zurücktritt, statt recht behalten zu wollen. künstlerischer und ökonomischer Produktivität Wenn wir auf dieser Insel der Seligen( Ruhe) bei großen Fußball- Selbst ausgesprochene Geschäftstheater sind oft feine Theater matches oder anderen nationalen Anlässen dennoch gelegentlich einen
wahren Weltuntergangstrach vernehmen, so ist das für sport: begeisterte Ohren nur Balsam. Prinzipiell ist man jedenfalls auf Ruhe und nicht auf Betrieb" eingestellt.
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Daß der Engländer ohne unser Zutun in den Amerikaner ausgeartet sein soll, scheint mir unfaßlich; andererseits ist ein charakterologischer Unterschied zwischen deutschem und amerikanischem Lärm unverkennbar. Auch der Amerikaner spricht leise in Hotelhalle und Restaurant, auch er besigt ein natürliches, kein Kommando erheischendes Sicheinordnungsgefühl aber: was immer der Fetisch business( eventuell Fortschritt genannt) verlangt, dafür verkauft der Jad, wie seine Seele, so auch seine Nervenruhe. Geschäft ist das Primäre, Mensch das Sekundäre. Jede Art Krach, die dazu angetan ist, jemandem einen Geschäftsvorteil zu bringen, gilt als etwas selbstverständlich hinzunehmendes in einer amerikanischen Stadt, auch wenn der Himmel darüber einstürzt. Aber: wenn man drüben mehr Lärm macht: es wird nie so ein unnötiger Krach sein wie bei uns.
Und wir!
Wir lärmen aus harmlosen, naiven, ärgerlicheren Motiven: vor allem aus falschem Ehrgeiz. Ruhe erscheint uns Deutschen provinzlerisch, fleinstädtisch: zurückgeblieben. Wenn wir auch teine großen Geschäfte machen, wollen wir doch glauben machen, daß etwas los fei, Betrieb" martieren. Es ist ein unseren Geschäftseifer, unseren Fleiß, unsere Tüchtigkeit markierender Lärm, den wir vom Direktionschef bis zur Reinmachefrau zu machen beslissen sind ein Lärm, der( andere) hauptsächlich durch seine Ueberflüssigkeit irritiert( denn er ist fein temperamentgeborener). Ruhe? Welche Blasphemie für Berlin ! Ruhe: das ist etwas für olle Knacker und neurasthenische Feuilletonisten.
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Wir Deutsche verwechseln Ruhe mit Schlafmüßigkeit und Radau mit Konjunktur. Wohl ist der Sinn für Ruhe bei uns Deutschen ausgeprägter als bei West- und Südländern: niemand vermag so andächtig stille zu fizen wie wir( im Sinfoniekonzert, in den Bibliotheken, im Theater, eventuell auch bei allerhand Mumpit). Die heilige Ruhe verstehen wir: die Ruhe des Lebens fomforts geht uns als Begriff ab, unsere Begeisterung und das Maeterlingtsche Schweigen genießen wir nur in der Literatur. Unsere Begeisterung nimmt( im Gegensatz zur englischen) an dauernd lärmende Formen an. Angesichts der stillen Würde der Natur brechen wir Gemanen mit Vorliebe in einen nicht wohltönenden Gesang aus, der z. B. den armen, vielangejohlten Bierwaldstätter See vollständig paralysiert.
Für das deutsche öffentliche Leben ist die Devise Ruhe" nicht ausgegeben worden, wie die Devise öflichkeit", die Devise„ Eleganz". Noch glauben wir( Unseligen) uns durch Ruhe etwas zu vergeben. Wir huldigen dem Snobismus des Lärms. Der Berliner will durch Lärm amerikanisch erscheinen, der Engländer will durch Ruhe unauffällig sein und very comfortable indeed". Der Amerikaner will verdienen, wir müßten unseren Ehrgeiz anders einstellen: wenn wir Ruhe als das Neuefte", als etwas Hochmodernes, Fortgeschrittenes ansehen würden... dann wären wir ruhig. Mittlerweile sind wir ( auf unsere Weise) laut. Wie die Berliner Eleganz ihre spezifische
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Es ist in der Regel so: Wenn das Theater ein schlechtes Geschäft ist, ist das Geschäft ein gutes Theater. Freilich ist diese Regel Theaterwirtschaft, ist immer ein Irrtum. tein Gejeg. Dekonomische Gesetzmäßigkeit, un den Bezirken der
geschäfte.
aus.
Optimismus oder Unkenntnis, das Theater als künstlerische AusWer in theaterdirektorialen Kreisen, sei es aus Mut, gabestelle zu dem Theater als finanzieller Einnahmestelle in eine harmonische Beziehung setzt, gilt schlechthin als Wigbold oder Idiot. Die Existenz des Theaters ist, wie jeder Wurstladen, an einen freundlichen Ausgleich der Aktiva und Passiva gebunden. Das Geschäft als Theater entbehrt jedoch, weil das Theater als Geschäft der Interessenten entbehrt, der Aktiva und kommt in den Passiven um. Aus diesem Tatbestand formt sich das Gesicht der den, deren eine privat ist, deren andere sich an Garantien bindet, Bilanz. Der Weg zur Bilanz bahnt sich nach zwei Metho= die Staat oder Stadt bieten.
Privatbühnen haben ihr privates Schicksal. Es gibt tapfere Führer, die sich diesem Schicksal freiwillig verwoben. Viele ließen ihr Geld, manche ließen ihre Eristenz, einige ließen ihr Leben. Es sind die Idealisten.
Die anderen sind die Spekulanten. Sie spekulieren auf Breitenwirkung. Ihr Spielplan baut sich auf Konjunktur. Die Szene wird zum Tribunal. Es sind die Börsianer des Theaters, denen die Wahl eines Stückes nichts als die instinktive Witterung einer Hausse bedeutet. Manchmal gibt es freilich eine Baisse. Das nennt man dann Pleite.
Die staatlichen und städtischen Bühnen haben in ihrem Etat einen goldenen Tragbalten: die Subvention. Unter dem Segen dieses Zauberwortes fristen diese Theater ihre Eristenz. Sie ist in ihren Lebensfunktionen sehr differenziert und zieht ihre fünftlerische Fruchtbarkeit einzig und allein aus dem Boden des Spielplanes. Der Spielplan ist, neben dem Gelde, die Seele des Theaters.
Den Idealtypus eines Theaterleiters stellt der Künstler dar, der zu sehr Kaufmann ist, um in der restlosen Erfüllung seines tünstlerischen Verlangens sein Ziel suchen zu wollen. Den Kaufmann also, der zu sehr Künstler ist, um sich in der Verfolgung ge= schäftlicher Spekulationen wohlfühlen zu können, braucht das Theater. Da ein Künstler selten ein Kaufmann und ein Kaufmann falten ein Künstler ist, nähern sich dem also stizzierten Idealtypus nicht gerade Scharen geeigneter Repräsentanten, in deren Brust zwei Seelen wohnen und ein Gedante, nämlich der an die Bilanz.
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Oper, Schauspiel und Operette sind die Ware. Das Publikum. ist Konsument. Oper und Schauspiel sind weniger, Operette ist mehr gefragt. Das liegt, rein äußerlich, an der musikalischen und tertlichen Substanz.
Aus dieser äußerlichen Voraussetzung flärt sich nicht die Abneigung des Publikums gegen das fünstlerische Moment des Theaters. Es ist auch abwegig, die Intereffenmängel aus einer Veränderung der geistigen Situation allein deuten zu wollen. Ganz irrtümlich aber ist der hundertfach eingeleitete Versuch, die Feind schaft gegen opern- und dramenliterarische Werke im lauten Tone des Allmachtswortes von der Wirtschaftstrise mitflingen zu lassen. Bugegeben: Geisteskrise und Wirtschaftsbankrott find zwei Faftoren, die den Zustand mitbestimmen. Die Entscheidung liegt auf anderer Ebene.
Die Entscheidung liegt in der Tatsache, daß es ein Publikum in des Mortes umfassendem Sinne nie gegeben hat. Wie vor fünfzig Jahren bedeutet heute breiten Voltsschichten der Begriff
„ Opernhaus " eine sagenhafte Borstellung von Ballrobe, Frack und nebenbei Musit, die aber nebenbei und langweilig ist dazu.
Das Theater als pädagogisches Institut hat täglich versagt. Man glaubte sich jahrzehntelang im Besitz eines PubliAbonnentenkolonnen formierten sich aus zahlkräftigen Bürgern, die fums und übersah, daß man nur seinen winzigen Bruchteil besaß. Rausche einer Premiere weniger dem Kunstsinn als dem Gesellschaftsallabendlich Ränge und Parkett bevölkerten und, recht oft, im in den kaufmännischen Theaterbüros, auf granitenem Boden und finn huldigten. Der Zustand wurde Gewohnheit. Man wähnte sich, fühlte ihn plötzlich schwanken, als die Zahlkraft schwand. Was tun?
Man entdeckte die Reklame und versuchte sich eines neuen Publikums zu vergewissern. Dieser Versuch mußte scheitern. Das Volk in seiner breitesten Schicht konnte nicht reagieren, weil es ja niemals in wurzelhafter Beziehung zur Schaubühne gestanden hatte. Zwischen der breiten Boltsschicht und dem Theater liegt, unabhängig von der herrlichen Teilarbeit der Volksbühne“, ein heute. Auch ein noch so erfahrener Psycholog und Propagandachef Vakuum, das man zu überbrücken vergaß. Diese Brücke fehlt wird sie nicht von heute auf morgen bauen können. Es wird systemvoller und zäher Arbeit bedürfen. Ist einmal der weite Abstand, den man heute noch Gegensatz nennen kann, überbrückt, wer
den über diese Brücke, als neu erschlossene geldliche und geistige Quelle, die Millionen derer in die Theater marschieren, die das Theater braucht und die das Theater brauchen. In der Doppelzüngigkeit dieser Tatsache klingen Notwendigkeit und Forderung.
Aus welchen Bausteinen die Brücke zu bauen ist, soll hier nicht erörtert werden. Spielplan als literarische Funktion, Schule als grundlegende Funktion und Reklame als wegweisende Funktion werden die Pfeiler sein.( Im übrigen müßte man sich die psychologischen, pädagogischen, künstlerischen und kaufmännischen Erkenntnisse der Gebrüder Rose dienstbar machen.)
Eines noch: zieht der allgemeine Reklameweg seine bisherige Bahn, hat man das unangenehme Gefühl, daß das Theater seine Schäflein, die sich in der Sahara verlaufen haben, in Grönland sucht.
Zwei Zahlen sollen den Beweis erbringen, daß Bublikum, wenn auch nicht für das Theater, wirklich existiert. Jährlich fließen 470 millionen Mart in Kinolassen. Knapp ein Fünftel dieser Summe würde genügen, um alle deutschen Staatsund Stadttheater ohne jeden Zuschuß lebensfähig zu machen. Das ist eine erstaunliche, aber offenbare Wahrheit. Das Allmachtswort von der Wirtschaftskrise, bezüglich auf das Theater, verliert Gewicht und Kang.
Das Theater ist fonkurrenzlos. Es besitzt, wie Kino, Varieté und Rundfunk, seine privaten Lebens- und Wirkungselemente.
Würde es, so wie das Kino aus seiner Existenz und seiner Wirkung seine ihm eigentümliche Pädagogik schmiedete, gemäß dieser Lebens- und Wirkungsform offen geçen offen Herz und Gehirn der überwiegenden Mehrheit des Volkes zu gewinnen trachten, würde selbst das unfruchtbare und unsinnige Lied von der fonkurrierenden Leinwand bald und endgültig verstummen.
Starwesen, Ensembleungeist, Geistestrise, Gesellschaftswande!, 3irkus, Kino, Geld, Gefühls- und Zeitstückmangel: diese Worte, wenn man sie wörtlich nimmt, bergen in ihrem Kern eine Wahrheit, genügen aber nicht, in ihrer finnlichen Umkehrung als Bilanzbürgschaft und somit als alleinige Hoffnung zu dienen.
Die Hoffnung gründet sich auf die Erziehung zur Kunst. Wer dem einfachen Menschen, sei es durch Schule, Presse oder durch das Theater selbst, einen natürlichen Weg in die Welt Mozarts und Hebbels zu bahnen sich bemüht, erschließt seinem Volke das Theater und das Theater seinem Volke. Auf diesem Boden mäch die fünstlerische und ökonomische Rettung der deutschen Schaubühne.