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Rr. 417 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 6. September 1931

Ernten Saat

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summ

Für das Pilzesuchen gibt es zufällig noch keine Maschinen. Jeden Bilz und jede Beere hat eines Menschen Hand geerntet. Die Heinzel­männchen bringen keine Pilze auf den Markt. Das Kapital der Pilz­sucher beträgt 50 Pfennig. Das ist der Preis für den Erlaubnisschein zum Sammeln, den die Förster ausstellen. Und wer auch von besseren Zeiten her kein Fahrrad besitzt, fährt mit der Eisenbahn in den Wald. Wer dort zuerst ankommt, mahlt zuerst. Langschläfer taugen nicht zum Pilzesuchen. Wer erst um sieben Uhr in den Wald spaziert kommt, fann sehen, wo die anderen geerntet haben. Pilzsucher müssen um vier Uhr aufstehen und machen, daß sie zum Zuge kommen, dann erreichen sie gerade noch vor den Dörflern den Wald. Wer um sieben Uhr tommt, auf den zeigen die Dorffinder mit den Fingern: ,, Riet mal, jezt fommen die Berliner ."

Sind Pilze mondsüchtig?

Frühmorgens um halb fünf Uhr geht der erste Zug nach Bernau . Das ist der Pilzsucherzug. Mit Körben und Kiepen geht es in den Morgen hinein. Alles, was über den schwarzen Schotter des Bahndammes hinausreicht, ist nicht mehr zu erkennen. So dicht liegt der Frühnebel auf der Landschaft. Wenn man nicht wüßte, daß gleich hier unten ein Acker ist und dort drüben eine Wiese, fönnte man annehmen, der Zug führt an den Strand eines Meeres entlang. Kein Baum, fein Strauch, fein Haus ist zu sehen, ob Nebel nder Wasser wäre gleich. Erst wenn in der sechsten Morgenstunde die Sonne wie das feurige Auge der Welt über den Horizont lugt, tommt Bewegung in die beklemmende Nebelwand, langfam flichen die Schleier. Dann beginnen die Pilzsucher ihr Tagewert.

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,, Ihr habt ja eure Sensen vergessen," uzen die einen die anderen. Was sollen wir denn mit Sensen, wo wir unsere Messer haben", geben die anderen zurück. Na, wollt ihr denn nicht Pilze mähen gehen?" Was wollen wir machen, Pilze mähen? Ihr seid ja verrückt!" Das ist die Begrüßung der Pilzsucherkolonnen, draußen an der Kreisgrenze von Ober- und Niederbarnim . Rauh, aber herzlich. Wenn sie dann alle im Walde verschwunden sind, wer­den ihre Hälse lang und länger: es ist wieder einmal ein schlechter Pilztag. Pilzsucher haben wie Bauersleute ihre Regeln, die sie geheimnisvoll hüten. Deshalb wollen wir auch über die Regel mit dem Regen lieber schweigen. Selbst Bankdirektoren ist es schon auf­gefallen, daß nach einem Regen die Pilze über Nacht aus der Erde schießen. Aber da haben die Pilzsucher noch etwas mit dem Mond. ,, Der Mond zieht die Pilze aus der Erde ", sagen sie, wenn Neu­mond war, dann gehen wir erst gar nicht in den Wald." Angler fagen umgekehrt: bei Mondschein beißen die Fische nicht, die haben lieber Neumond. Es ist nun mal so, was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall. Oder wenn das Reisig im Wald knistert bei jedem Schritt und Tritt, dann hat es auch nicht viel Zweck, nach Bilzen herumzustöbern, aber wenn der Waldboden buchstäblich mit Wasser vollgesogen ist, dann sind die Pfifferlinge und die Stein­pilze da.

Wie gesagt, Pilze gibt es wie Sand am Meer, aber Stein= pilze wollen die Pilzsucher haben. Jeder hat sein Steinpilz­versted. Da hat der eine kleine Waldlichtung, da blüht jetzt das Heidekraut. Daneben haben die Rehe ihren Weg. Menschen, die wenig in den Wald kommen, würden diese Stelle zeitlebens nicht mehr wiederfinden. Ein Pilzsucher läuft drei Stunden durch den Wald, ganz grau ist die Jacke schon von den Spinnweben, bis er an diese Lichtung tommt. Ja", sagt er ,,, das ist meine Steinpilzquelle, ein guter Regenguß in der Nacht, und am nächsten Tag hole ich mir hier meine sieben Pfund Steinpilze. Oder da wird der Wald ein wenig hügelig. Ein Hügel sieht wie der andere aus. Die Pilzsucher aber haben ihre ganz bestimmten Hügel. Wo Gräser, Halme und Kräuter wachsen, die Stellen fümmern sie nicht, da wachsen keine Pilze, aber den Moosteppich da unten in der Mulde, den durchwühlen sie aha, da find ja die Pfifferlinge! Pilze suchen ist einfach. Man braucht sie nur abzuschneiden, vorausgesetzt, daß man etwas zum abschneiden findet.

Keine Regel ohne Ausnahme. Bilzsuchern geht es wie dem Reiher, der kiesätig war. ,, Kie­fätig" ist berlinisch und fäßt sich schwer übersehen. Jedenfalls war es ein Reiher, der einen Hecht verschmähte. Es wird schon noch ein Bander kommen, sagte er sich. Aber die Zander kamen nicht und in­zwischen waren auch die Hechte losgezogen. Nur ein Barsch war noch da. Hab ich nötig, Barsche zu fressen, stolzierte der Reiher weiter. Als der Abend fam, war auch der Barsch weg. Und da den Reiher der Hunger peinigte, mußte er zum Abendbrot mit einem

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Pilze suchen ist einfach, denken die meisten Leute. Denn Pilze gibt es doch wie Sand am Meer. Pilze suchen aber ist schwer. Man muß verstehen, die richtigen zu finden. Denn Pilze und Pilze ist zweierlei. Wer den Unterschied nicht kennt, lasse am besten die Finger von allen Pilzen. Dicht neben dem Speisepilz wächst oft ein Giftpilz. Beide sehen zum Ver­wechseln ähnlich. Gerade unser schönster Pilz, der Fliegenpilz, ist einer der giftigsten. Und die anderen, um derentwillen die Pilzsucher unverdrossen die Wälder durchstreifen, wollen erst gefunden sein: der Steinpilz und der Pfefferling. Knapp, daß einer unter dem Moos ein wenig hervorlugt. Es ist überhaupt ein saures Brot, sich durch Pilz- oder Beerensuche seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Jemand schüttelt den Kopf, das wäre nicht möglich? Genug ausgesteuerte Tischler, Schlosser und Bäcker ziehen allmorgendlich von Berlin aus in die herbstlichen Wälder. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang laufen sie gebückt herum, bis sie ihren Korb gefüllt haben.

| Gründling fürlieb nehmen. Genau so machen es die Pilzsucher. Sie| wieder Regeln zur Unterscheidung der giftigen von den eßbaren könnten schon um zehn Uhr vormittags wieder zu Hause sein mit Bilzen . Da ist die Sache mit dem silbernen Löffel, den Giftpilze einem Zentner Sandpilze auf dem Ast. Aber an den Sandpilzen, beim Kochen schwarz färben oder die mitgekochte Zwiebel, die sich stolzieren sie vorbei, als hätte da der Teufel was in den Wald ge- ebenfalls verfärbt. Das ist dasselbe, wenn jemand sein Portemonnaie macht. Wenn sie dann einen Dreivierteltag wie die Wild die be umschüttelt, wenn ein Leichenwagen vorbeifährt. Oder es sagen die durch die Schonungen geschlichen sind und im ganzen sechs Stein- Pilzsucher: an Giftpilzen gehen keine Schnecken und keine Maden pilze ergattert haben, gedenken sie reumütig der Pfifferlinge, an heran. Ach Gott, der giftige Fliegenpilz scheint den Maden beson­denen sie morgens achtlos vorübergingen. Aber die hat jetzt schon ders gut zu schmecken. Es hlft eben alles nichts, wer Pilze kennen­ein anderer abgeschnitten, und so stehen die Pilzsucher abends um lernen will, mache sich ein paarmal früh auf die Socken und gehe sechs Uhr an der gleichen Stelle, an der sie morgens um sechs Uhr mit alten, gewiegten Pilzsuchern mit, und wenn sich dann nach dem standen, racken schnell noch einen Sad voll Sandpilze, dann hauen Abschneiden das Fleisch eines Pilzes sofort blau oder grün oder rot sie ab. färbt, dann ist am besten Hände weg!

Wenn keine Sandpilze da sind, nehmen sie Butter- oder Kuhpilze mit. Das sagt sich so einfach. Aber wer von tausend Berlinern vermag wohl einen Waldchampignon von einem jungen Knollenblätterpilz zu unterscheiden? Vielleicht einer. Und vor

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Im Frühnebel durch den Wald

diesem Knollenblätterpilz gibt es keine Rettung, jeder Mensch, der von ihm ißt, muß sterben. Selbst alte Pilzsucher schwanken mit­unter, das Messer haben sie schon angesetzt, dann sagen sie sich: ,, Nee, das ist wohl doch kein Steinpilz." und lassen ihn stehen. Denn der Satanspilz ist der Bruder vom Steinpilz. Natürlich gibt es auch

Wie der Pilzpreis zustande kommt.

Der Herbst ist die Zeit der Pilzernte. Augenblicklich sind gute, madenfreie Pilze in Berlin für 35 Pfennig das Pfund zu haben. Da fann man sich ausrechnen, was die Pilzsucher verdienen. Abends stehen vor den Toren der kleinen Landstädte und in den Dörfern die Händler mit ihren Wagen und Waagen. Für das Pfund Pfifferlinge mögen sie jetzt 20 Pfennig zahlen. Hat der Mann seinen Korb voll gesammelt, dann mag er neun Pfund darin haben, also bekommt er 1,80 Mart. Durch zwölf Stunden Arbeitszeit geteilt, macht das einen Stundenlohn von 15 Pfennig. Für Steinpilze gibt es nicht mehr, der Händler will ja auch verdienen. Dabei muß man Steinpilze so schnell wie möglich verkaufen, wenn ein Pilz nur eine Made hat, ist am nächsten Morgen der ganze Korb Pilze von Maden durchfressen. Pfifferlinge halten sich eher, mitunter acht Tage lang. Die Maden, der ärgste Feind des Pilzsuchers, scheinen den würzigen Geruch der Pfifferlinge nicht zu vertragen. Dann hat es noch folgende Be= wandtnis mit dem Pilzpreis: da geht eine arme Dorffrau, viel­leicht eine Witme, mit ihren kleinen Kindern frühmorgens in den Wald. An einem guten Bilztag ist es kein Kunststück, zwei Körbe Steinpilze, die rund 15 Pfund miegen, zu sammeln. Dafür gibt der einen blanken Taler. Und diese Frauen sehen in diesem Taler immer noch das Geldstück von 1913, nicht das von 1931. Fein, denken sie, ein Taler, dafür gibt es acht Brote zu je viereinhalb Pfund. Das Pfund Brot einem Groschen. Der Preis von Anno dazumal. Erst wenn sie nachher zum Bäcker gehen, merken sie ihren Irrtum. Aber mögen sie sich gar nichts denken, auf jeden Fall haben die Frau und ihre zwei Kinder für einen Stundenlohn von 9 Pfennig ge= arbeitet. Mit den Blaubeeren war es in diesem Jahre nicht besser, und in vierzehn Tagen ist die zweite Reife der Preißelbeeren. Was werden die Händler zahlen? Für einen 16- Pfund- Korb viel­leicht zwei Mark.

Pilze- und Beerensuchen ist etwas für Waldmenschen. Und

Geständnis des 70jährigen.

Das nächtliche Feuer in Klein- Machnow aufgeklärt.

Unter der Wucht des gegen ihn zusammengetragenen Beweis| zwecken nach Weimar mußte, hielt er den geeigneten Augenblick Die Brandstifteruten­materials hat der unter dem Verdacht der vorfählichen Brandstif- für gekommen, um die Villa anzuzünden. tung und des Versicherungsbetruges verhaftete 70 Jahre alte Schrift- filien hatte er sich schon früher nach und nach gekauft, er brauchte fteller Karl Streder gestern nachmittag bei einem nochmaligen 26. zum 27. Auguſt fuhr er mit der Bahn nach Berlin . Hier stieg nur noch die letzten Vorbereitungen zu treffen. In der Nacht vom Verhör durch Amtsgerichtsrat Dr. Edartsberg ein umfassendes 26. zum 27. Auguſt fuhr er mit der Bahn nach Berlin . Hier stieg Geständnis abgelegt. Streder hat zugegeben, die Billa broschke, die ihn nach Klein- Machnow hinaus brachte. er in einem Hotel ab und nahm einige Stunden später eine Auto­in Klein- Machnow vorfählich in Brand gesteckt zu haben, um sich in den Besitz der Versicherungssumme in Höhe von 50 000 Mark zu

setzen.

Nach dem Geständnis handelt es sich um ein lange vorbe reitetes Unternehmen. Streder hatte große Schulden, von denen seine Frau jedoch nichts wußte. Verschiedene Versuche, sich Geld zu leihen, schlugen fehl und so kam der greise Mann auf den Gedanken, durch die Brandstiftung seiner Geldverlegenheit ein Ende zu bereiten. Der verbrecherische Plan wäre beinahe ge­glückt, wenn das Feuer nicht rechtzeitig entdeckt worden wäre, so daß es schon nach kurzer Tätigkeit von der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Streder war von den Vorbereitungen und dem Ges lingen seines Planes so überzeugt, daß er mit diesem Umstand offenbar gar nicht gerechnet hatte. Nachdem seine Frau an den Bodensee zur Erholung gefahren war, und er angeblich zu Studien­

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& EICKE

Unbemerkt schlich er sich in die Billa .

In die Fußböden der Zimmer bohrte er an verschiedenen Stellen Löcher, damit das Benzin und der Spiritus richtig in die Dielen eindringen konnte. Dann verteilte er das Schwarzpulver und andere leichtbrennbare Stoffe. In der Mitte eines Zimmers häufte er zum Schluß Papier auf und stellte zwei Kerzen von langer Brenn­dauer mitten hinein. Nach dieser Tat verließ Strecker wieder un-. gesehen das Haus, lief zu Fuß nach Teltow und benutzte von dort einen Personenzug nach Halle. Im Auto fuhr er dann direkt in das Weimarer Hotel zurück.

Strecker behauptet mit Bestimmtheit, daß er feinen Helfershelfer gehabt hat. Dieser Angabe begegnet man je­doch mit starken Zweifeln. Strecker ist nach seinem Geständnis völlig zusammengebrochen.

Immer noch die Perser Teppiche!!!

NOCH NIE SO BILLIG!

DIESE PREISE MIT: Anatol.... x140 48.-| Karadja... 075x120 87.- Sultanabad. 260x360 665.-| Youraghan. 231x311 515.-| Beloudjistan 185x302 382,-| Täbris .... 234x327 620.­Shiras.... 080x130 85.- Tabris ..080x133 108,- Mouscabad. 269x364 680.- Heris Hamadan.4x125 81Beloudjistan 080x130 61 Mabal

224x313 650.- Afghan

240x322 650.- Shiras.

200x300 540.- Chinese. 251x300 630.­

198x900 520- Fourkbaff..212x30s 758.- Yomouth.x300. 13/0