Internationaler Zreidenker-Kongreß Kirche und Kolonialpoliiik— Klerikalismus und Faschismus
Der internationale Frcidenkerkongreß wurde gestern im Plenarsaal des früheren Herrenhauses unter Vorsitz von Ronzaal- Oesterreich weitergeführt. Nach einer kurzen Gedenkrede auf August Forel nahm zu- nächst Boulanger-Belgien das Wort zu einem Referat über Kirche und Kolonialpolitik. Er beleuchtete die kirchlichen Machenschaften in den Kolonien und betonte vor allem den großen Einfluß der katholischen Kirche , di« durch die Einfuhr von jungen Missionsschülern die Eingeborenen einer unerhörten Ausplünderung preisgebe. Die belgische Regie- rung habe im Kongo der Missionstätigkeit 300 000 Hektar zur Verfügung gestellt. Der Ertrag aus diesem Gebiet fließt nicht in die Staatskasse, sondern nach Rom.„Wir in Belgien müssen versuchen, im Parlament den antiklerikalen Einfluß zu stärken, damit dieses Geld den Missionsgesellschaften entzogen und für Kultur» und Sozialpolitik verwendet werden kann." Eine lebhafte Diskussion schloß sich an. Siewers-Deutschland hielt sodann sein groß angelegtes Referat über Klerikalismus und Faschismus. Die Frage des Faschismus steht heute im Mittelpunkt der politischen Betrachtungen. Für uns Freidenker erhebt sich die Frage: Wie können wir unseren Bruderorganisationen, den sozialistischen Par- tcien und den Gewerkschaften, bei der Ueberwindung des Faschis» mus helfen? Daneben steht die zweite Frage: Wie steht der Kleri- kalismus zum Faschismus? Der Faschismus hat im letzten Jahr- zehnt erhebliche Armeen gesammelt. Neun Jahre Blutregime Mussolini-Jtalien, Schreckensherrschaft in Polen und Litauen , Dik- taturen auf dem Balkan , Gefahr der Machtergreifung in Deutsch- österreich durch die Heimwehr 1930 und die Hitler-Gefahr in Deutschland , auf die gegenwärtig die Augen der ganzen Welt ge- richtet sind,— das sind die einzelnen Stationen. Was ist der Faschismus? Er ist nichts Einheitliches. Er ist das Schlagwort für jede reaktionäre Gewaltherrschaft. Er ist das Sammelwort für alle die Richtungen, die mit rein physischer Gewalt das Volt unterdrücken und rechtlos machen wollen. Das Staatsideal ist die absolute uneingeschränkte Diktatur, ist der „Führer", der unabhängig ist von dem Kabinett und dem Parla- ment. Er bestimmt alles selbst. Er sucht sich seine wirtschaftlichen und politischen Berater und er unterdrückt das Volk mit roher brutaler Waffengewalt. Er kennt vier Stände: Besitz und die hohe Bürokratie in Verwaltung und Militär sind tonangebend. Die Bauern als zweiter Stand haben besondere Privilegien. Der M i t t e l st a n d hat die Möglichkeit zum Aufstieg, der vierte Stand, die Besitzlosen, ist ohne Aufstiegsmöglichkeit. Der faschistische Grundsatz gleicht dem christlichen:„Wer Knecht ist, soll auch Knecht bleiben." Wirtschaftlich greift man auf den Frühkapitalismus und das Zünftewesen zurück und fügt sozialistische Tendenzen ein, die man bei Marx gestohlen hat.(Sehr richtig!) Man wendet sich schein- bor gegen den Kavitalismus, indem man den anonymen Kapita- listen der Truste, Kartelle und Syndikate durch den Einzelunter- nchmer ersetzt. Es fehlt die Erkenntnis, daß der heutige Zustand des Kapitalismus auf zwangsläufiger Entwicklung beruht. Durch die Rückkehr zum indiv-duellen Unternehmer fall der Klassenkampf beseitigt und verboten werden. Bei der Erziehung steht das Körperliche über dem Geistigen. Allzuviel Wissen schadet und beeinträchtigt die Fähigkeit zum Mili- tärdienst. Nach dem deutschen Programm stehen vier Fächer beim Unterricht im Vordergrund: Deutsch , Rechnen, Schreiben und in verstärktem Maße Religion. Der Lehrer von heute soll wieder der „alte deutsche Schulmeister" werden. Die Einführung dieses barbarischen Regiments mühte das größte "nglück für die Menschheit werden, die in ihrer geistigen Entwicklung künstlich niedergehalten und kulturell um Jahrhunderte zurückgeworfen würde. Welche Chancen hat der Faschismus in den großen Ländern? Die Chancen steigen und fallen in dem Maße, wie es dem Faschismus gelingt, Bundesgenossen zu gewinnen. Stellt sich die Kirche mit ihrer gewaltigen Propaganda und ihren großen Fähigkeiten in den Dienst des Faschismus, so müssen seine Chancen steigen. Als Musso- lini die Regierung antrat, rührte Pius Xl. keinen Finger. Die Katholiken spalteten sich, die Besitzenden gingen ins faschistische Lager, die Arbeiter setzten sich zu Zehntausenden zur Wehr und wurden entrechtet, gemetzelt und gefangen gesetzt. Der Vatikan hatte kein Wort der Empörung. Der Pap st löste die tatho- tischen Gewerkschaften auf und schloß den Lateran -Pakt und das Konkordat. Der Konflikt zwischen Mussolini und dem Papst brachte zwar kein Abrücken von Mussolini , sondern nur ein Eintreten für die katholische Aktion, alle anderen Rechte, die dem geknechteten Volke entrissen waren, berührten den Papst nicht. Als im vergangenen Jahre die faschistische Gefahr in Oester- reich drohte, standen hohe kirchliche Kreise im Anfang hinter der Heimwehr . Die Distanzierung trat erst ein, als der Sieg illusorisch wurde und vor allem tausende von Wiener Arbeitern aus der Kirche austraten. In Deutschland ist von den zwei großen Konfessionen die evangelische zahlenmäßig weit stärker, die katholische aber po- litisch weit machtvoller. In der evangelischen Kirche überwiegen die nationalsozialistischen Tendenzen. Man steht bereits in einer Art Bündnis mit dem Faschis- mus und evangelische Pastoren nennen den Nationalsozialismus eine gottgewollte Bewegung. Der Katholizismus zögert. Er hat in der Republik verschiedenes zu verlieren. Aber seine In- tcressen sind geschmiedet an die Interessen der herrschenden kapita- listischen Klasse. Brüning hat eine günstige Position. Die Faschisten stehen vor dem Ladentisch, er steht hinter dem Ladentisch der Re> gierungsgewalt. Schon heute kann man mit ziemlicher Gewißheit sagen, daß die Nationalsozialisten aus eigener Kraft niemals die Macht erreichen werden.(Lebhaftes Bravo.) Deshalb zeigt sich Brüning zugeknöpft und hält lieber seine Notoerordnungsdiktatur aufrecht, die zu einem Ausnahmegesetz gegen die Freidenker führte. Aber nach meiner Ueberzeugung handelt es sich bei Brüning nur um die Festlegung der Prozentsätze, zu denen die Macht ge- teilt werden soll. Diese Ausfassung sst stark umstritten. Auch anti- faschistische Kreise, bis in die Arbeiterschaft hinein, glauben nicht an ein Bündnis zwischen Zentrum und Nationalsozialisten. An- fang April freilich schrieb die„Germania ", daß, wenn Hitler das Genie Mussolinis hätte, man sehr schnell zusammenkommen könne. Nun, Mussolini war früher«in Ketzer und Pfaffenstesser, und er
ist auch heute noch kein gläubiger Christ, wenn nicht zehn Jahre Blutregime Kennzeichen eines gläubigen Christen sind.(Stürmische Zustimmung.) Der„Angriff" erwiderte damals, daß unter natio- nalsozialistischem Regiment die Kirche ohne Zweifel eine größere Wirkungsmöglichkeit hätte. Welche Motive führen zu einem Bündnis zwischen Kirche und Faschismus? Es sind die Zwangsläufigkeiten der Wesensverwandt- schaft. Beide, Faschismus und Kirche, wollen die absolute, unum- schränkte Gewalt über Körper und Geist. Die Demokratie schafft dem ganzen Volke die Möglichkeit zur Beteiligung an der Macht und den Aufstieg. Sie nach Möglichkeit zu drosseln und abzubauen liegt im Interesse der Klerisei. Die Wirtschaftskrise hat zu einer Depression in kapi- talistischen Kreisen geführt, die an den Zauberlehrling erinnert, der die Geister nicht los wurde, die er rief. Man will eine Rückwärts- entwicklung, denn hinter einem zusammengebrochenen Kapitalismus steht das Gespenst des Sozialismus. Weil die Kirche den Kapitalis- mus erhalten will, unterstützt sie di« Armeen der Faschisten. In seiner Enr�clica Quadragesimo anno hat der Pap st ein
Wirtschaftsprogramm entwickelt, das eine Kopie des faschistischen Program mes ist. Aber auch dies erweist die Einigkeit der beiden gegen den Marxismus. Um dem zu begegnen, muß der Freidenker zu seinem anti- religiösen Bekenntnis ein politisches Bekenntnis hinzu- fügen. Die Kirche ist ein politischer Faktor. Man kann sie nicht nur mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaft bekämpfen. Unser polllischer Weg ist klar. Er verlangt di« Treue zu den sozialistischen Parteien, zu den Gewerkschaften und allen mit ihnen streitenden proletarischen Organisationen. Nur durch diese Mitarbeit tragen wir bei zum Sieg über Faschismus und damit auch über die reaktis- nären Gewalten der Kirche.(Stürmischer Beifall.) In der Distusston gab Roel-Frankreich wertvoll« Ergänzungen vom französischen Ge- sichtspunkt aus. Krenn-Schweiz und Reumann-Hamburg verlangten eine Erweiterung der proletarischen Front. Als Neumann die Mög- lichkeiten eines Zusammengehens mit den Kommunisten andeutete, er- hob die Mehrheit des Kongresses lebhaften Widerspruch. Harlwlg-Prag bezeichnete die faschistische Bewegung als eine Revolte der Kleinbürger. Vosman-Holland schilderte den holländi- schen Faschismus als einen„machtlosen Operettensaschismus". Rkaeder-Thüringen und Glaß-Braunfchweig erstatteten Bericht über die reaktionären Umtriebe der Frick und Franzen. In seinem Schlußwort unterstreicht Siewers die restlose Einigkeit aller Diskussionsredner im Willen zum Kampfe gegen den Faschismus. Die Verhandlungen wurden darauf auf Montag, 14 Uhr, vertagt.
Jack Londons Modell Oer Einsiedler von Aordland
Einer der Haupthekden aus Jack Londons heute weltberühmten Werken, zum Beispiel der Erzählungen„Abenteuer",„Jerry", „Michael" und anderer Südseebücher ist ein Mann, der noch heute am Leben ist und der all die Dinge, die Jack London ihn, wenn auch unter einem anderen Namen, erzählen läßt, selber erlebt hat. C. W. Oeberg heißt dieser Mann und wohnt in einer kleinen Hülle im Bezirk Stora Skedvi in Schweden -Dolarne. Er ist heute fünsundsieben- zig Jahre alt, und'die abenteuerreiche Zeit seiner Jugend liegt weit hinter ihm DieHütte, in der er heute wohnt, hat er sich als ganz junger Mann selber gezimmert, dann aber hat die Abenteuerlust ihn hinaus- getrieben, unwiderstehlich, bis er schließlich wieder heimkehrte,„weil Dolarne das einzig mögliche Land ist, wenn es auf den Herbst geht", wie er selbst sagte. Er fand die selbstgebaute Hütte wohlcrhalten vor, sie hatte auf ihn gewartet und nahm den Abenteurer auf. Jetzt birgt sie die größte ethnographische Sammlung aus der Südsee, die Schweden aufzuweisen hat. Mit der Zeit wird die Besucherzahl immer größer werden, aber der Alle erzählt gern, und er hat so viel erlebt, daß er sich nie wiederholt, wie lange er auch sprechen mag. Seine Stube ist wie eine Kajüte«inzerichtet, nur so kann der alte Seebär sich an Land wohlfühlen. Schon früh begannen die Abenteuer in seinem Leben. Zu Be- ginn der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erlebte er einen Schiffbruch des Dampfers„Baggcn" mit und dann einen zweiten, nämlich den einer deutschen Bark, die bei Tistlarna strandete. In der Nordsee wurde er eines Tages von einer Sturzsee über Bord geschleudert, konnte aber gerellet werden. Einmal stürzte er neun Meter hoch von den Rahen ab, ohne andern Schaden zu nehmen. als daß seine Pfeife zerbrach, und kehrte wohlbehallen von Fahrten heim, bei denen die Pest an Bord gewütet hatte. Sein dritter Schiff- bruch warf ihn an die Küste von Queenslands In der Nähe des Riffs, das dem Schiff verhängnisvoll geworden war, lag ein« kleine paradiesische Insel mit mächtizen Palmen an blauer Lagune, mit einem weißen Sandstrand, den noch nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Diese Insel lehrte den Schweden Oeberg die Südsee lieben, und in der Südsee blieb er, bis der Ruf der Heimat über- mächtig wurde. In der Südsee traf er Menschenfresser, denen sein Gefährte zum
Opfer fiel, während er selber entkam. Später richtete er dann auf einer abgelegenen Insel eine Plantage ein und trieb Handel. Auf dieser Insel lebt« er als Häuptling, aber er mußte seine Würde mit der Flinte verteidigen. So sehr ihm das Leben der Wildnis auch zu- sagte, litt er doch unter der Einsamkell, und seiner eigenen Aussag« nach konnte das Verlangen, mit einem weihen Menschen zu sprechen. ihn wie ein« Krankheit plagen. Es war eigentlich nur Aufall, wenn er einmal«inen weihen Kameraden fand, der dorthin verschlagen worden war. Bei seinen Fahrten in der Südsee kam er auch noch den Sa- lomon-Infcln, wo die wildesten Meiischensresser leben. Als er mit seinem Schiff dort Anker warf, sammelten die Eingeborenen sich, scheinbar friedlich und unbewaffnet, am Strande, ober als das Boot sich dem Ufer näherte, hoben sie auf ein gegebenes Signal den im Sande vergrabenen Speer mit den Zehen auf und schleuderten ihn blitzschnell auf den Fremden. Noch heute sind an Oebergs Körper die Narben von diesen Verwundungen zu sehen. Außer Oeberg gab es verschiedene andere und bemerkenswerte Erscheinungen in der Südsee. Auf einer kleinen Insel zum Beispiel herrschte ein ehemolizer Sträfling. Er hielt sein« Insel in muster- hafter Ordnung und zivilisierte seine Untertanen, so weit es ihm möglich war. Als Oeberg zum ersten Mal dorthin kam, fand er in fast jeder Hütte eine Nähmaschine. Außerdem aß dieser schwarze Stamm mit der Gabel. Grauenhaft sind Oebergs Erzählungen von einem Schiffer, dessen Frau von den Angehörigen eines wilden Stammes ermordet wurde. Der Schiffer trieb den ganzen Stamm auf eine öde Klippe im Meer, wo sie achtundoierzig Stunden ohne Wasser und Nahrung bleiben muhten, bis di« Frauen und Kinder massenweise starben. Das aber war dem blutdürstigen Kapitän noch nicht Rache genug. Er steckte die Eingeborenen der Insel systematisch mit den schwarzen Pocken an, durch die die Bevölkerung ausgetilgt wurde.— Teuflisches und Herrliches hat dieser Fünfundsiebzigjährige in seinem an Ereignissen überreichen Leben miterlebt und gesehen, und es sst schon Gewinn, ihn nur von all diesen selssamen und eigenartigen Schicksalen sprechen zu hören. E. V.
„Götterdämmerung." Neuinszenierung in der Städtischen Oper. Viel gibt es in diesem Werk, worüber die Zeit Gewalt hat: die Zeit, die uns ändert und formt und uns zu neuer Stellung- nähme zwingt der Vergangenheit gegenüber. Was ist uns Heutigen noch dieses überlebensgroße Finale des Nibelungenringes? Hier überschneiden sich olle Linien der Handlung, hier werden alle Fäden endgültig verwirrt und entwirrt, die Konflikte vertieft und tragisch gelöst, hier sind die dramatischen Angelpunkte und Höhepunkte— Hier ist für uns der Prüfstein der Tetralogie. An das Gedankliche, an das Ethos der Dichtung glauben wir nicht mehr. Hätte Wagner seinen ursprünglichen Plan ausgeführt und in Siegfried den reoo- lutionären Helden erschaffen, der gegen Besitz und Macht kämpft und die Knechtschaft zerbricht, wäre es anders: so überschattet die Tragik Wotans alles. Ueberwindung und Entsagung aber, Götter- dämmerung als Nirvana— das sind keine Wahrheiten mehr, das ist ein artistischer Vorwurf, einer für uns versunkenen Gedanken- welt verhaftet. Im Musikalischen ist's ähnlich: wir empfinden das unaufhörliche Kombinieren tönender Symbole, die auf die Spitze getriebene Leit- motivtechnik als geniale Artistik, oft schon als artistische Routine. Kostbarer als die Instruktionen der Handlung, als die pathetischen Gesten und dramatischen Akzente sind die großartig erschauten und wuchtig gestalteten Sagenbilder. Sie tauchen aus dem Dunkel, sie verdämmern in halbem Licht: Hagens Wache, Siegfrieds Tod , Brün- hild in nächtiger Halle an seiner Bahre— hier schält sich Unver- gängliches aus Vergänglichem, Zeitgebundenem: hier atmen wir verzauberte Luft des Mythos, hier lassen wir uns verzaubern, hier sind wir erschüttert, hier glauben wir noch. Gerade darum sind Wagners Bühnenbilder von großer Wichtigkeit: es ist nicht so, als begäbe sich alles Wesentliche im Gesang und im Orchester. Oft ist die szenische Vision das Primäre, Szene und Musik haben dann eine Einheit zu bilden: die Möglich- leiten des Experimentierens und Modernisierens sind hier sehr ge- gring, das phantastische Element wird dieser Musik immer näher sein als das konstruktive. Otto Kraus hat sich mehr für das konstruktive Element entschieden. Er erhält dadurch in manchen Szenen— Gibichungen-Hall«, wildes Wald- und Felsental am Rhein — zu abstrakte Linien, deren stille Geometrie mit dem färben- schillernden Orchester in Widerspruch gerät. Die Bühne hat durch- aus nicht die Ausgabe, die Phantasie durch sparsame Andeutungen lediglich anzuregen: im Gegenteil, sie soll dem Auge etwas bieten, das mit Musik und Handlung zusammenstimmt. So will es die Oper, so verlangt es noch mehr das Streben nach dem Gesamtkunst- werk. Kraus verschließt sich dem nicht immer, und so gelingt ihm
Schönes, wie der Schluß des letzten Aktes.— Gegen das Spiel wäre sowohl in den Einzel- wie in den musikalisch-exakten Ensemble- szenen manches zu sagen gewesen, gesanglich aber gaben alle ihr Bestes: Gertrud Bindernagel als Brünhild , Karl Hart- mann, dem man den Siegfried glaubt, die Onegin als Wal - traute. A n d r e s e n ein finsterer, vierschrötiger Hagen, R. v. Schi- räch, Reinmar , Kandl. Fritz Stiedry brachte die Riesenparti- tur in epischer Breite und schönen Steigerungen zum Klingen: seiner Leistung gebührt der Hauptanteil des Erfolgs. Arnold Walter. „Oer Wittiber" von Ludwig Thoma . Münchener Uraufführung. Das nach Ludwig Thomas Roman„Der Wittiber" von einem jungen Schäuspieler Hanns Schopper bearbeitete Drama wurde um Residenztheater zur Uraufführung herausgebracht und beifällig ausgenommen. Die die meisterhafte Schilderung eines Großbauernmilieus in Thomas Erzählung bewundern, mußten die verunglückte Dramatisierung dieser Meisternovelle beklagen, in der es Ludwig Thoma gelang— Dostojewski nahekommend—, ebensowohl die dumpfe Triebhaftigkeit wie auch die geldgierige Gerissen- heit der bäuerischen Leute in der Umgebung des verwitweten Groß- dauern in psychologisch glaubhafter Weise nachzuzeichnen. In schlichten phrasenlosem Ausdruck wird Seelisches freigelegt. Das aber wird, trotz wörtlicher Herllbernahme verschiedener Dialogstellen, in der Handlung auf der Bühne ausgelöscht. Es gelingt dem Bearbeiter nicht, dem Stück die Atmosphäre zu geben, die sich bei der Lektüre des Romans auch noch zwischen den Zeilen im epischen Grund- charakter des Werkes so ganz selbstverständlich einstellt. Bühnen- mäßig gerettet werden nur einzelne Ensembleszenen(Leichenschmaus und Hochzeitsfeier). Im Drama kam bei der Münchener Aufführung die Psychologie des„Willibers" ins Schwanken, well gerade das Hin und Her zwischen Hilflosigkeit und Energie nicht suggestiv herauskam. Der Darsteller stellte den Großbauern zu jung dar, er war auch zu intellektuell. Der Beifall des Publikums galt der sonst sehr guten Darstellung und zumeist dem Andenken Ludwig Thomas ■Alckred Mayer. wie viele Berliner besuchen da» Kino? Welche Anziehungskraft trotz aller wirtschaftlicher Depression die Kinotheater auf die breiten Massen ausüben, geht aus den Veröffentlichungen des Statistischen Jahrbuches von Berlin eindeutig hervor. Nicht weniger als 38 Mill. Menschen besuchen im Jahre die Lichtspieltheater Berlins , dos entspricht einem täglichen Durchschnitt von fast 160 000 Personen. Fritz Kortner wurde dem Deusschen Theater verpflichtet. Er spielt den»Antonius" in»Antonius und Cleopatra.