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Ar. 419» 45. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 8. September lS3i
Mrffchafispolitik in Zuschriften. Die Oeffentli6)keik nimmt in diesen Notzeiten an den wirtschaftlichen und finanziellen Problemen Deutschlands   leidenschaft- lichen Anteil. Für die Führung der Staaksgeschäfle durch die Reichsregierung, deren Unentschlossenheit und einseitige Stellungnahme für die Privatwirtschaft nach den Ereignissen der letzten Wochen beunruhigen mutz, sind die bei uns sich Häusenden Zuschriften darunter auch viele aus bürgerlichen Kreisen kein Lob. Wir geben im folgenden nur eine kleine Auswahl aus dem Eingang der allerletzten Tage.
Llm die Kreditkontrolle. Wann wird die Reichöbank reformiert? Ein Privatbantier schreibt uns: Darüber, daß eine Reform des deutschen   Bankenapparates anHaupt und Gliedern" unaufschiebbar ist, besteht nach den Er- cignissen seit dem 13. Juli nirgends ein Zweifel mehr. Der Streit durch die Beratungen des Sachverständigenausschusses zum Teil der Oeffentlichteit entrückt geht nur mehr darum, w i c diese Bankenkontrolle aussehen soll. Je länger die notwendige Entscheidung über die Aus- gestaltung der Bankenaufsicht hinausgezögert wird, um so eifriger sind die Kräfte am Werk, die diese Aufsicht der R e i ch s b a n k übertragen wollen. Derselben Reichsbank, die sich nach den schweren Fehlern der letzten Monate als kaum weniger reformbedürftig gezeigt hat als die Privatbanken, dem- stlben Reichsbankdirektorium, das durch die Einrichtung des Seneratrates seinerseits von den Großbanken abhängig ist: denn dieses Direktorium wird von dem Gencralrat, der aus den maß- gebendsten Großbankleitern besteht, auf 12 Jahre gewählt und kann aus wichtigem Grunde" auch wieder von ihm abberufen werden. We-r hängt nun von wem ab? Die Großbankdirek- torcn, di« den Kredit der Reichsbank brauchen und von ihr beauf­sichtigt werden sollen oder die Mitglieder des Reichsbankdirck- toriums wieder von den Großbankdirektoren, denen sie ihre Wahl und ihren Posten verdanken? In der Tat ist eine derartige Jnteressenverfilzung unerträglich auch dann, wenn aus beiden Seiten Männer von ungewöhnlicher Charakter- stärke säßen. Die letzten Borkommnisie anläßlich der Kreditkrise, die Hilf- lostgkeit und Ideenlosigkeit derWirtschaftsführer" und ihre schweren Fehler und Unterlassungen in dieser kritischen Zeit lassen aber höchstens eine mäßige Dlurchschnittsbegabung dieser Männer erkennen, died a s S t e u e r d e r W i r t f ch a f t" führen. Sowohl auf der Grohbankfeite wie auch bei der Reichs- b a n k. Man braucht diese Fehler nicht noch einmal aufzuzählen, sie
sind noch in aller Erinnerung, und ihre Folgen werden uns noch lange bedrücken. Es hätte auch keinen Zweck, die Schuldsrage wieder aufzurollen, wenn es nicht unbedingt erforderlich wäre, die Konsequenzen aus diesem Versagen der maßgeben- den Persönlichkeiten zu ziehen. Konsequenzen sachlicher und personeller Art. Denn noch sind wir nicht über den Berg. Die kommenden Monate werden gerade an die Führer unserer Kreditwirtschaft, insbesondere an die Leitung der Reichs- dank, außerordentliche Anforderungen stellen, denen die jetzigen Männer nach den letzten Erfahrungen einfach nicht, gc- wachsen sind. In einer Zeit, die unbedingt ein besonderes Maß volkswirtschaftlicher Einsicht erfordert, ist nicht ein einziger anerkannter Volkswirtschaftler unter den 8 Männern, die mit der Reichsbankpolitik überwiegend das Schicksal der Wirtschast be- stimmen. Das ist in England, Amerika   und sonstigen Ländern anders. Nur in Deutschland   wagt sich eine ein- seitig vorgebildete, unfähige und überhebliche Bürokratie an Auf- gaben heran, die sie in keiner Weise bewältigen kann. Nur in Deutschland   erlaubt man eine Jnteressenverbindung dieser Büro- kratie mit den Interessenten selbst, die das Gesamtinteresse zu Bruch gehen lassen muß. Noch immer bestimmt nach dem Bankgesetz der aus sechs privaten Großbankdireltoren, zwei' Mitgliedern des Reichsbank- Präsidiums, einem Gutsbesitzer und einem Textilfabrikanten gebil- dete Gencralrat über die Besetzung des Reichsbankdirettoriums. Der Einfluß des Reiches geht über ein formales Bestäti- gungsrecht nicht hinaus. Hier ist der Hebel anzusetzen. Ebenso dringend wie eine Neubesetzung maßgebender Posten im Reichs- bankdirektorium aber, ja ihre Vorbedingung ist eine Neubesetzung und Ergänzung des Generalrates. Gebrauchsanweisung für Kapitalflucht. Ein bürgerlicher Nichtleser unseres Blattes schreibt uns wie folgt: muß doch demVorwärts" bürgerliche Blätter üben sich ja im Nichtsehenwollen folgendes Rundschreiben der
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Winterhilfe für die Arbeitslosen. Göll die Arbeitskraft verkommen? Zuschrift eines Erwerbslosen  .
.KSnnen wir vier Millionen Arbeitslosen dafür, daß einige Länder das Gold der Erde horten und dadurch die ganze Weltwirtschaft auf den Kops stellen? Können wir dafür, daß in China  , Indien   usw. der Wert der Silberwährung gefallen ist, wodurch Hunderte Millionen Menschen als Warcnabnehmer oom Weltmarkt ausgeschieden sind? Können wir dafür? daß sich jedes Ländchen in der Welt mit einer hohen Zollmausr umgürtet und dadurch den Warenabsatz hemint? Können wir dafür, daß deutsche kapitalistischePatrioten" Milliarden Betriebskapitalien noch dem Auslande oerschoben haben? Können wir dafür, daß unsereWirtschaftsführer" Milliarden Auslandgeldcr in Fehl- investitionen gesteckt haben? Können wir dafür, daß die Preisdiktatur der Kartelle den deutschen   Jnnenmarkt ruiniert hat? Ich glaube, kein Mensch wird uns für all den Unsinn verantwortlich machen wollen. Trotzdem müssen wir Arbeitslosen schon Jahr und Tag die Kosten für oll diesen Unsinn tragen. Müssen heute noch immer Rie se n g e h ä l te r in der Privatwirtschaft von einer halben Million und mehr gezahlt werden, während der lange Jahre Erwerbslose mit 480 bis 500 Mark jährlich vielfach auskommen" muß? Müssen immer noch Aufsichtsrats- tantiemen für ein paar Sitzungen jährlich von vielen Tausenden Mark gezahlt werden, während der Erwerbslose nach ?lbzug der Miete kaum 40 bis 80 Pf. pro Tag zum Leben Hot? Müssen Großpensionäre noch 12 000 bis 20 000 Mark im Jahr er- halten, während viele Erwerbslose bald verzweifeln? Haben diese Zustände mit Gerechtigkeit noch etwas zu tun? Kein Mensch wird behaupten wollen, daß ein Erwerbsloser nach Zahlung der Miete mit 30 bis SO Pf. pro Tag existieren kann. Die Sonder- Zuwendungen sind zum Teil schon gestrichen und sollen nach den neuen Sparmaßnahmen der Gemeinden ganz wegfallen. Die Arbeftslosen haben auch nach der Reichsver- fafsung Rechte, und dieses Recht heißt Arbeit und nochmals Arbeit. Aus diesem Grunde darf es keine Auslieferung der Arbeitslosen an die private Mildtätigkeit
geben. Kann man unseren verfassungsmäßigen Anspruch auf Arbeit nicht erfüllen, so haben wir ein Recht darauf, daß man unsere Existenz während der Wintermonate sicherstellt. Auch wir wollen nicht, daß mit unserem Leben und mit unseren Familien unsere Arbeitskraft verkommt. Mit der Unterstützung kann das nicht mehr verhindert werden. Unsere Kleidung, unsere Wäsche, unsere Schuhe sind heute schon menschenunwürdig. Wenn das Geld zu Sonderunter- stützungcn fehlt, muß durch die Lieferung von Lebensmitteln und Kohlen aus den Unterstützungen etwas für die aller- notwendigsten Anschaffungen freigemacht werden. Es müßten Kar- toffeln und Kohle und wenn möglich auch Mehl und Kraut oder Rüben geliefert werden. Die Ausgaben für diese Winterbeihilfe könnten niedrig gehalten werden. Die Lebensmittelpreise müßten Erzeugerpreise ohne Zwischenhandclsaufschlog sein. Billige Einfuhr müßte heran- gezogen werden, nachdem die deutsche Ernte ohnehin zu knapp und auch schlecht ist. Auf den Ruhrhalden liegen allein 10 Millionen Tonnen Kahlen, die verkommen. Diese müßten zu Weltmarktpreisen geliefert werden. Für die deutschen   Erwerbslosen kann man die Kohlen doch wohl ebenso billig liefern, wie für das konkurrierende Ausland. Würde man auf diese Weise die Existenz der vier Millionen Erwerbslosen in diesem Winter sicherstellen, so könnten sie von ihren Unterstützungspfennigen einige Mark abzweigen und sich dafür Hemden, Strümpfe usw. kaufen und die Schuh« doppeln lassen. Manche Million der Unterstützungsgelder würde dann zur Industrie fließen und neue Arbeit schaffen. Man kann die Mittel für diese Winterbcihilfe auch ohne Steuererhöhung aufbringen. Alle Landesverteidigung in Ehren, aber niemand wird behaupten wollen, daß in solchen Not- zeiten wie jetzt Reichswehr   und Marine über 700 Mil- lionen Mark verpulvern müssen. Hier lassen sich die Mittel für die Winterbeihilfe ohne weiteres abzweigen. Hier ließen sich sogar auch große Mittel für die Sanierung der Gemeinden gewinnen."
Amsterdamer Bank Gerlings u. Co. zusenden, dos m überaus anschaulicher Weise zeigt, wie die Kapitalflucht von Holland   her planmäßig organisiert und die Panikstimmung am deutschen   Kapitalmarkt zu spekulativen Zwecken gefördert wirS. Die Bank Gerlings schreibt ihren Kunden oder solchen, di« es werden wollen: A yr st e r d a m, am 8. August 1931. Besitzen Sie I. G. Farben, AEG., Bemberg, Glanzstoff   oder Deutsche Bank, Disconto, Dresdner Bank, Reichsbank, Poune-Anleihe, Polyphon, A. K. II., Enka, Charlotten- bürg. Wasser, Berliner   Kraft und Licht, Schlesische Portland, Ver­ein. Kok-, Heyl Farben, Wintershall  , Kreuger, Berliner   Handels- gesellfchaft, Goldpfandbriefe? Die Berliner Börse   ist geschlossen. Die Effekten jetzt unver- käuflich. Katastrophenkurse werden wahrscheinlich nach Wiedereröffnung der Börse kommen. Wir können Sie jetzt noch retten, Ihnen schwere, weitere Verluste ersparen! Sie können ohne Verletzung der Notverordnung und des Kapital- sluchtgefehes realisieren. Keine Zeit versäumen! Beiliegenden Fragebogen sofort ausfüllen und einsenden.. (Folgt Unterschrift.) Soweit das Rundschreiben. Selbstverständlich ist es nicht Menschenliebe, die die holländische Bank zu solchen Geschäftstricks veranlaßt. Sie rechnet zwar mit Kurssturz, aber auch mit Er- holung dieser Kurse, denn um deutschen   Aktienbesitzern ihr Geld zu erhalten, wird sie sich wohl kaum in Unkosten stürzen oder gar ein ungünstiges Risiko eingehen. Sollte sich wirklich keine M ö g- l i ch k e i t finden lassen, im Einvernehmen mit Holland  solchenGeschäften" einen Riegel vorzuschieben?"
Appell an Gtegerwald. Ein Fünfwochenarbeitsplan, der vielen endlich helfen tonnte. ' Ein arbeitsloser Parteigenosse sendet uns aus dem Kreiskranken- haus Templin   einen Vorschlag zur Bekämpfung der Dauerarbeits- losigkcit, dessen Grundgedanke auch von uns schon vertreten wurde und der Sinn hat, solange die 40-Stunden-Woche noch nicht er- kämpft ist oder von der gegenüber den Unternehmern so schwqch�p, Reichsregierung sabotiert wird:, ncnr.i Millionen Volksgenossen leiden in unerträglicher Weise unter der Arbeitslosigkeit. Von den nun jahrelang andauernden Dis- kussionen und Kommissionsberatungen zur Bekämpfung der Arbeits- losigkeit ist noch nicht ein einziger Erwerbsloser wieder in Arbeit gekommen. Die Arbeietszcitoerkürzung wird von den Gewerk- fchaften propagiert. Die Arbeitgeber wehren sich aber mit voller Macht dagegen. Aber es muß doch endlich etwas geschehen. Es steht fest, daß Opfer auf allen Seiten gebracht werden müssen, und daß bei einer völligenBehebung der Erwerbslosigkeit auch der Staat mit einspringen muß. Es läßt sich wirklich eine völlige Be- Hebung der Erwerbslosigkeit erreichen durch Einführung eines Fünf- wochcnarbeitsplans, wobei man bei Besserung der Konjunktur wieder zu dem alten Verhältnis zurückkehrt. Es können dabei auch die Kleinbetriebe mit einer Belegschaft von nur vier Mann heran- gezogen werden. Hier ist ein Beispiel dieses Fünfwochenarbcitsplans: Ein Be- trieb hat eine Belegschaft von 1000 Mann. Nach dem Fünfwochen- plan könnten 250 Mann eingestellt werden. Es muß nun jede Woche ein Fünftel der Belegschaft aussetzen, so daß also jeder Arbeiter vier Wochen arbeitet und die fünfte Woche feiert. Der Streit um die Arbeitszeit spielt dann keine so entscheidende Rolle mehr. Die Lasten sind dann gleichmäßig verteilt. Einzig und allein müßte eine Lohnregelung gesunden werden, welche aber bedeutend leichter ist, da ja diesmal der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Staat bzw. die ArbeitslosenvAisicherung zu bestimmten Teilen einen Lohn- ausgleich übernehmen können. Wenn ich als Erwerbsloser diesen Vorschlag mache, so bin ich mir vollkommen darüber klar, daß dieser Plan bestimmt nicht über- all paßt und auch in den Ziffern je nach den Berufen vielleicht ge- ändert werden müßte. Aber das wäre doch nur eine Frage der Praxis, der Gedanke muß doch richtig sein. Ich würde mich glück- lich schätzen, wenn ich mir den Kopf mit Erfolg für eine gute Sache zerbrochen hätte. Das Elend ist ja so fürchterlich." So die Zuschrift. 5ierr Reichsarbeftsminister Stegerwald, Sie waren auch einmal Arbeiter und könnten auch heute. u,nd zwar seit Jahren, arbeitslos sein. Müssen Sie sich mit Ihrem Zögern durch diesen einfachen Mann beschämen lassen?
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