1931
Der Abend
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Spälausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 424
B 212
48. Jahrgang
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, 10. September. ( Eigenbericht.)
Ein Höhepunkt: Lord Cecil fordert Frankreich und Deutsch land unter minutenlangem stürmischem Beifall der ganzen Versammlung zur Annäherung in Taten auf; damit allein schon tönnten 75 Proz. aller Schwierigkeiten der internationalen Lage bes hoben werden. Auch Cecil verlangt Schuldenausgleich und wirksame Abrüstung, wobei er besonders Grandis Vorschlag auf sofortigen Rüstungsstillstand unterstützt. Der Eindrud seiner mutigen Rede ist sehr starf.
Zu Beginn gab der spanische Außenminister Lerroug eine Darstellung der Bemühungen seiner Regierung, zu neuen und besseren Verhältnissen zu gelangen. Er entwickelte
warme Sympathie für den Völkerbund, der nur gut arbeiten fönne, wenn hinter den Regierungen der demokratische Wille ihrer Bölfer zur Zusammenarbeit stehe.
Er beantragte, zusammen mit den Bresse organisationen Wege zur Verhinderung von Nachrichten zu suchen, die der Völkerverständi gung hädlich sein könnten. Lord Cecil erflärte, es tönnte nichts Schlimmeres getan werden, als die Autorität des Völkerbundes in dieser Zeit herabzusehen. Er legte eine Entschließung vor, in der vorgesehen wird, ein Spezialfomitee einzusehen, das die Methoden der Ratswahl studieren und der nächsten Vollversammlung Aenderungen vorschlagen soll. Das dringendste Ziel des Augenblics sei, den Ausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern zu schaffen, damit die Kapitalien für die Produktion und die Arbeit erhalten bleiben fönnten. Er gab an Hand des Baseler Layton- Berichts Beispiele dafür, wie Deutschland zu helfen sei, damit die Welt wieder ins Gleichgewicht tomme. Alle Verschläge der Europakonferenz müßten durchgeführt werden. Aber auf Grund des Hoover Jahres müsse die ausländische Kapitalanlage in Deutschland wieder ermöglicht werden durch langfristigen Ausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern. Auch von der
Mit vollem Magen schimpft sichs doch viel besser"
Da gäbe es Länder, die selbst zu guten Bedingungen anderen Staaten nicht Hilfe leisten wollten, sagte er mit deutlicher Anspielung auf Frankreich . Die Entwicklung werde ihnen aber viel Wasser in ihren Wein gießen. In der Welt sei eine Atmosphäre gegenseitigen Verdachtes, die zu beseitigen eine Spezialaufgabe des Völkerbundes sei. Keine Resolutionen und Kommuniqués könnten hier helfen, sondern einzig Taten, und die wichtigste Tat Cecil las sei die Verwirklichung der internationalen Abrüftung. Cecil las zur Bekräftigung einen eindrucksvollen Bericht über die Luftmanöver in England und anderen Ländern vor. Die Luftwaffe sei einzig eine Angriffswaffe. Diese Manöver hätten gezeigt, daß der Besitz einer Luftwaffe feinen Schuß darstelle gegen die Luftwaffe des anderen Landes. Aus dem Bericht der„ Times" gehe die furchtbare Wirkung von Luftangriffen hervor, gegen die jede Luftverteidigung nuglos fei.
Ein Ziel der Mächte sei heute in der ganzen Welt, große Städte mit ihrer Bevölkerung zu vernichten. Dagegen gebe es feine Berteidigungsmöglichkeit. Woher folle da das Sicherheitsgefühl kommen?
Erflärung zur Kaffenlage der Stadt.
Das Nachrichtenamt der Stadt Berlin teilt mit:
Im Anschluß an die Pressemitteilungen über die Finanz- und Kaffenlage Berlins wird zur Vermeidung jeder Beunruhigung ausdrücklich festgestellt, daß die Stadt Berlin die zum 1. Oktober fälligen 3insbeträge für die Amerikaanleihe sowie die fünfprozentigen Goldschahzanweisungen von 1928 und die achtprozentigen Goldfchatz anweisungen von 1929/30 ordnungsmäßig und rechtzeitig bereitstellen wird. Die Besizer von Berliner Inhaberanleihen können also in jeder Beziehung beruhigt sein.
Die nächtliche Schießerei.
Bisher 13 Verdächtige festgenommen.
Hedemannstraße fielen gegen 2.30 Uhr nachts vier Nazis über einen Mann her, der an seinem Rock das Reichsbannerabzeichen trug. Polizeibeamte kamen dem Ueberfallenen zu Hilfe und ver hafteten die vier Rowdys.
Kommunisten als Totschläger.
Karlsruhe , 10. September. Vor dem Karlsruher Schwurgericht hatten sich fünf Mitglieder der Kommunistischen Partei zu verantworten, die am Pfingstmontag während eines nationalsozialistischen Umzuges in der Kaiserstraße in Karlsruhe den Nationalsozialisten Billet aus Lahr vom Motors rad gerissen und so schwer mit Stöden geschlagen hatten, daß er noch am gleichen Tage im Städtischen Krankenhaus verstarb. Die dreitägige Verhandlung, in der über 50 Zeugen vernommen wurden, endete mit folgendem Urteil: Der 26jährige Schuhmacher Albert Haas wird wegen schwerer Körperverlegung mit nachfolgendem Tod in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch zu vier Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust, der 25jährige Gärtner Adolf Linder wegen des gleichen Vergehens zu drei Jahren sechs Monaten Gefängnis, und der 39jährige Steinhauer Theodor Schmalbach sowie der 26jährige Georg Edstein ebenfalls wegen schwerer Körperverlegung mit nachfolgendem Tod und schwerem Landfriedensbruch zu je zwei Jahren Gefäng nis verurteilt.
Ein Angeklagter wurde auf Kosten der Staatstafse freiges sprochen. Allen Angeklagten werden je zwei Monate Untersuchungs haft angerechnet.
Pfandbriefe weiter gebessert.
Anhaltend starte Nachfrage bei sehr geringem Angebot.
Der gestern veröffentlichte Reichsbankausweis hat an der heutigen Börse einen durchaus günstigen. Eindruck hinterlassen, so daß die feste Stimmung im wesentlichen anhielt. Bemerkenswert waren die weiteren Kurssteigerungen auf den Rentenmärkten besonders bei den achtprozentigen Pfandbriefen, die bei fehr geringem Angebot start gefragt wurden. Im Durchschnitt konnten hier die Kurse weiterhin um 1½ bis 2 Pro3. anziehen und erreichten damit 93 bis 94 Proj. Kommunalobligationen waren heute noch stärker begehrt als in den letzten Tagen, so dass sich auch auf diesem Gebiet gleichfalls durchweg Kurserhöhungen
durchsetzten.
Auf dem Aktienmarkt waren heute die Kursverände rungen verhältnismäßig geringfügig. Siemens wurde un 1 Broz. geringer mit 118, 3G- Farben gleichfalls mit 1 Proz. AbSchlag zu 108 gehandelt, Reichsbantanteile stellten sich auf 118/117 nach 119%. Eine größere Kurssteigerung trat bei Schultheiß ein, die sich von 93 auf 96% erhöhen konnten. Auf dem Markt der Montanwerfe drückte ein stärkeres Angebot den Rurs der Harpener Bergwertsaftien pon 44 bis auf 39. Auch die übrigen Montanwerte lagen schwa ch.
Die politische Polizei ist feit der vergangenen Nacht mit der Aufflärung der Revolverschießerei in der Gneisenaustraße, bei der ein Nationalsozialist getötet und drei erheblich verlegt wurden, beschäftigt. Bereits furz nach der Schießerei wurden sechs kommunisten festgenommen. darauf folgenden Razzia in mehreren fommunistischen Verkehrslokalen in der Umgebung der Gneisenaustraße wurden abermals sieben Personen verhaftet, die im Verdacht stehen, an der Schießerei Die teilgenommen zu haben.
Bei einer
Die Völker bereiteten sich vor, einander zu verwüsten. Deshalb begrüße er die Einberufung der Abrüftungskonferenz zum 2. Fe bruar 1932, und seine Regierung werde keine Verschiebung zulassen. Wenn gemäß dem Vorschlag Grandis die Rüstungen eingestellt werden bis zum Ergebnis der Konferenz, sei es die beste Vorbereitung. Die Abrüstungskonferenz müsse in einer wesentlichen Verminderung der Rüstungen Erfolg haben. Die Völker müßten nicht sehen, wie wenig, sondern wie viel sie tun könnten. Ob sich unter den Festgenommenen, die sämtlich der Abteilung Aber inzwischen könnte noch anderes geschehen. Da seien zwei IA übergeben wurden, die Schützen befinden, scheint allerdings noch Staaten im Präsidium der Vollversammlung vertreten, deren alte fraglich. Kriminalkommissar Rollag hat sich heute vormittag nach Kultur sie verbinden müsse, die aber immer noch einander dem Urbanfrankenhaus begeben, um die dort eingelieferten vergegenüberstehen. Beifall bei Reden und nationalistilegten Hakenkreuzler zu vernehmen. Wie die weiteren Ermittlungen fchen Demonstrationen feien leicht und billig zu erreichen.| ergeben haben, standen die Nationalsozialisten Tielsch und Seelig Es sei eine üble Lüge, daß England einer solchen Verständi- vor dem Eingang ihres Verkehrslokals als Wache. Von der gegengung entgegenstehe. Er tenne feinen Engländer, der je so etwas gesagt habe. Keine britische Regierung würde jemals einen solchen Gedanken faffen. Englands Hauptziel fei, so schloß Cecil unter stärkstem Beifall der Versammlung, zur Befriedung der Welt beizutragen.
Präsident Titulescu teilte am Schluß der Sitzung mit, die deutsche Regierung habe den Antrag eingebracht, daß, wie im Vorjahr, der Teil des Berichts des Generalsekretärs, der sich auf die Behandlung der Minderheitenfragen bezieht, der Politischen Kommission zur eingehenden Behandlung überwiesen werde. Auf diese Weise wolle die deutsche Regierung erreichen, daß das Interesse der Völkerbundsversammlung an ben Minderheitenfragen wach gehalten werde.
überliegenden Seite wurde auf die beiden plötzlich geschossen. Tiefsch brach auf der Straße zufammen, während sich Seelig noch in das Lokal hineinschleppen konnte. Es ertönten noch weitere Schüffe, von denen die Hakenkreuzler Abholz und Ihlenfeld getroffen wurden. Unweit des Lotals wurden eine Reihe von Patronenhülsen gefunden. Mit weiteren Festnahmen ist in den nächsten Stunden zu rechnen.
Nazis überfallen Reichsbanner.
An der Ecke der Solmsstraße und Baruther Straße wurde ein 16jähriger Reichsbannermann von zwei Nazis überfallen. Die Burschen schlugen mit Knüppeln auf den jungen Mann ein. Polizeibeamte bewahrten den Ueberfallenen vor dem Schlimmsten und nahmen die beiden Rohlinge fest. In der
Reichsgelder unterschlagen.
Verunreuungen beim Reichsamt für Landesaufnahme. Was ist mit dem schwarzen Fonds"? Um die Aufklärung der auffehenerregenden Unterfchlagungen im Reichsamt für Landesaufnahme, die im Frühjahr dieses Jahres entdeckt wurden, bemüht sich jeht das Schöfengericht Berlin- Mitte in einem wochenlangen Prozeß.
Angeklagt megen Emtsverbrechens sind vier Reichsbeamte im Alter von 52 bis 58 Jaren, und zwar der Verwaltungsamtmann Ladislam Wolff, der Jegierungsinspektor Artur Bluhm, der Oberregierungsfefretär Alfrd Wendt und der Oberregierungsfekretär Richard Baer . Den Vorsiz der auf drei Wochen anbe raumten Berhandlung führt Landgerichtsdirektor Rosemann
Bei der Prüfung der letzten Jahresabrechnung beanstandere eir Ministerialbeamter eine Abrechnung für Feldarbeiten. Da bereits vorher Unstimmigkeiten aufgefallen warn, sollten die ganzen Belege nachgeprüft werden. Nachdem dieser Beamte eine Differenz von 67 000 Mart festgestellt hatte, wurde Wendt front. In seiner Abwesenheit verschwanden alle beanstandeten Belege alus seinen Büroräumen. Bei der darauf folgenden genauen Revision ergab sich, daß seit dem Jahre 1924 von den Verrechnungsstellen des Reichsamts Borschußanweisungen für Feldvermessungsarbeiten ver