Morgenausgabe
Nr. 425
A 214
48.Jahrgang
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Der„ Borwärts" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".
Freitag 11. September 1931
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Schulabbau/ Kulturabbau Finanzkapital unter Staatskontrolle
Ausbildung der Arbeiterjugend in Gefahr.
Nichts liegt mehr im Interesse der Arbeiterklasse und entspricht durchaus sozialistischen Grundsägen als rationelle un sparsame öffentliche Wirtschaft. Wenn die wirtschaftliche Krise, die Haushalt und Kassenschwierigkeiten dazu zwingen, überflüssigen Lugus zu beseitigen, so brauchen wir deswegen ganz bestimmt nicht zu protestieren.
Es gibt auch in der Entwicklung unseres Schul wesens eine Lurusentwicklung. Wir haben in den letzten Jahren im höheren Schulwesen eine Inflation erlebt, die durch nichts berechtigt ist. Mehr als 50 Proz. derjenigen, die teilmeise oder gar von Anfang bis zu Ende durch die höhere Schule hindurchgehen, haben fachlich einen derartig umständlichen Weg der Vor- und Ausbildung nicht nötig. Das Angebot an akademischen Kräften ist troz der Ausdehnung der akademischen Vorbildung für eine Reihe von Berufen katastrophal übergedeckt. Es ist daher eine durchaus vernünftige Politik, den Zuleitungsstrom zu den höheren Schulen energisch einzudämmen.
Doch trotz dieser Ueberfüllung der akademischen Berufe ist der Anteil der Arbeiterschaft an dem Aufstieg in den höheren Schulen außerordentlich gering. Wir Sozialdemokraten haben daher programmatisch stets, aber auch im letzten Jahrzehnt praktisch und tatsächlich uns vieler orts mit Erfolg bemüht, dafür zu sorgen, daß der Prozentjak der unbemittelten Kinder, die durch die höheren Schulen hin durchgehen können, sich start erhöht. Wir haben mit Recht geltend gemacht, daß die Arbeiterfreise, deren politischer Einfluß so außerordentlich bedeutsam geworden ist, deren politisches Denken wesentlich die gemeindliche und staatliche Entmicklung geformt hat, es sich nicht mehr länger gefallen lassen können, daß die höhere Schule und damit der akademische Nachwuchs fast ausschließlich ein Vorrecht des be mittelten Bürgertums sei.
Gegen die Diktatur der Banken und Kartelle.- Kampfprogramm gegen die bankrotte kapitalistische Führung.
Gestern fand im Saalbau Friedrichshain die Funktionär| Brasilien seine Schuldzinsen nicht mehr zahlen kann, und Argen fonferen; der Berliner Sozialdemokratie statt, die tinien dicht vor der gleichen Tatsache steht. Die deutsche Krise hat ihre wirtschaftliche und politische außerordentlich stark besucht war. Genosse Hilferding sprach über die wirtschaftspolitische Lage. Hilferding führte aus: Seite. Die gegenwärtige Krise ist nicht nur in ökonomischer, sondern Es ist bekannt, daß die ersten großen Kapitalabflüsse aus auch psychologischer und ideologischer Beziehung die schwerste Krise, Deutschland nach den Septemberwahlen einfchten. die der Kapitalismus je durchzumachen gehabt hat. Obwohl uns be= reits dreizehn Jahre vom Ende des Weltkrieges trennen, hängt die außerordentliche Härte dieser Krise doch ursächlich mit der Liquidation des Weltkrieges zusammen. In der gegenwärtigen Krise erleben wir es zum ersten Male,
daß auch das Finanzkapital von ihr voll erfaßt wird, jene monopoliftische. Organisation, die sich zum Herrscher der gesamten Wirtschaft aufgeworfen hat.
Diese Bank- und Kreditorganisation ist das Feinste aber auch Empfindlichste im Aufbau der fapitalistischen Wirtschaft. Die Apparatur des internationalen Kreditwesens ist deswegen so besonders empfindlich geworden, weil als Folge des Krieges ein Kapitalstrom von riesigen Ausmaßen von Europa nach Amerita geflossen ist. Es hat eine völlige Umwälzung derart gegeben, daß frühere Schuldnerländer zu Gläubigern und umgekehrt geworden sind.
Bir müssen bei der gegenwärtigen Weltfrise 3 mei befon bers ausgeprägte krijenherde unterscheiden. Der eine it 3entraleuropa, der andere Südamerika , wo Chile bereits Zahlungen eingestellt, alfo den Staatsbanfrott erflärt hat,
unterstützung, so bleiben für Schulgeldermäßigung 10 bis 15 Proz. übrig. Mit einem Mehreinkommen von Schulgeld wird der Kämmerer von Berlin nur in ganz geringem Umfange rechnen fönnen. Rechnerisch bedeutet selbstverständlich diese Maßnahme ein Mehr von rund 2 Millionen Mark.
Aber wir haben heute in unseren höheren Schulen Kinder von Erwerbslosen, ferner eine große Anzahl von Kindern, deren Eltern ein Einkommen von jährlich bis zu 3000 Mart haben. Sie alle können die Last eines solchen Schulgeldes ganz sicher nicht tragen. Sie werden daher ihre Kinder aus der Schule nehmen, aber Schulgeldmehreinnahmen werden dabei nicht heraustommen.
Ein besonderes Mittel, das zu verhindern, waren die Schulgeld staffelung nach dem Einkommen und die Errichtung von Aufbauschulen. Diese beiden Dinge sind im wesentlichen das Verdienst der Sozialdemokratie, und wir waren alle auf den Erfolg dieser Maßnahmen stolz. Sie führten dazu, daß in Berlin und besonders in den Arbeiter bezirken ein höherer Prozentsaz von Kindern aus den Arbeiterschichten in die höheren Schulen gekommen ist. Diese Kinder haben gute Abschluß- Lasten, die das höhere Schulwesen für die Deffentlichkeit beEs ist aber sozial völlig unerträglich, daß die ungeheuren prüfungen gemacht und zum Teil bereits heute ihre akademischen Prüfungen mit gutem Erfolge absolviert. Aller- deuten, von allen nur zugunsten einer begüterten Minderheit dings kommen wir in Berlin gerade in den Arbeitervierteln auf Schulgeldermäßigungen von über 60 Proz. Da Berlin außerdem noch nicht geringem Maße Wirtschaftsbeihilfen gab, so konnten wir auch die schweren wirtschaftlichen Nöte, unter denen sich ein hoher Prozentsaz unserer Arbeiterkinder in den höheren Schulen durchringen muß, mildern. Die Entscheidung, die der Magistrat Berlin nach den Mitteilungen der Presse jetzt getroffen hat, macht unter
diese Entwidlung.
einen ganz brutalen
Strich. Wenn die Stadt Berlin die Schulgeldstaffelung und die Erziehungsbeihilfen abschafft und an ihre Stelle etwa
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Die Beruhigungspause, die in den ersten fünf Monaten dieses Jah res eingetreten war, hatte ihre Ursache ganz zweifellos darin, daß die starke Abwehrpolitik der Sozialdemokratischen Partei gegen den Faschismus und damit auch die Stüßung der Brüning- Regierung das Bertauern im Auslande wiedererweckt hatte. Da setzten nach dem Riesenzusammenbruch im österreichischen Bankwesen eine Anzahl Zusammenbrüche in Deutschland ein, die allerschärfstes Mißtrauen gegen den deutschen Kapitalismus und gegen die Sicherheit der in Deutschland angelegten Kapitalien im Auslande hervorriefen. Das Wirtschaftsverbrechen Lahusens brachte nach der Serie der vorangegangenen privatfapitalistischen Skandale das Faß zum Ueberlaufen. Nichts kennzeichnet die kreditpolitik unserer Großbanken frasser als die Tatsache, daß die Danatbank zwei Drittel ihres Aktienkapitals in dem Nordwolle - Konzern investiert hatte. Diese Dinge mußten das deutsche Unternehmertum im Auslande ungemein fompromittieren. Wir haben dann jene dramatischen Wochen im Juli erlebt, in denen die Regierung zwei Großbanken unter die Arme greifen mußte, um das ergste zu verhüten.
Was war der Sinn dieser staatlichen Banken
höhere Schule in eine 8jährige umgewandelt wird oder noch beffer, daß das System der Aufbauschulen, das sich durchaus bewährt hat, mit aller Energie gefördert wird. Es wäre durchaus erträglich, daß auf der Unterstufe der höheren Schule teine Schulgeldermäßigung gewährt wird. Wenn da durch eine Reihe von Eltern gehindert werden, ihre Kinder in die höhere Schule zu schicken, so würde kein Nachteil entstehen, wenn ihnen der Weg durch die Aufbauschule mit dem 13. Jahr noch geöffnet wird. Im Gegenteil, in diesem Alter ist die Auslesemöglichkeit sehr viel sicherer, und es würde der Nebenerfolg erzielt, daß die oberen Klassen der Volksschule nicht so entvölkert werden, wie wir es in den
das ist eine absolut berechtigte Forderung, aber unter InneEinschränkung des Umfanges des höheren Schulwesens, haltung der sozialen Sicherungsmaßnahmen. Ueber die Abverordnetenversammlung zu entscheiden haben. Die Stadtver schaffung der Schulgeldstaffelung wird auch noch die Stadtordnetenversammlung wird ganz sicher nicht den Zustand be= lassen können, wie er vor dem Beschluß des Magistrats bes standen hat. Diese Ueberbelastung tann nicht getragen werden. Es wird aber Aufgabe der Stadtverordnetenversammlung sein, sche Vereinheitlichung verbilligt wird. Gewiß dafür zu sorgen, daß das höhere Schulwesen durch organi halten bleiben. Grundstock unseres Bildungswesens muß die Leistungsfähigkeit, aber auch soziale Gerechtigkeit! Die guten Anfänge, die Berlin gemacht hat, müssen erhalten bleiben. Grundstock unseres Bildungswesens muß die
letzten Jahren mit Entsetzen erleben mußten.
geldes erfordert jeder höhere Schüler einen Bedarf aus städtigetragen werden müssen. Auch unter Einrechnung des Schulschen Mitteln, der zwischen 600 und 650 Mark liegt. Die Duldung eines solchen Zustandes wäre nur verständlich, wenn der Herr Hartnacke , der Stadtschulrat von Dresden , recht darin hätte, daß die Intelligenz ein natürliches Erb borrecht der begüterten Schichten wäre. Das ist sie ganz bestimmt nicht. Wir haben in Tausenden von Fällen die Erfahrung gemacht, wieviel wichtige Intelligenz durch die mit Stolz den Erfolg unserer jungen Arbeiter und Arbeiterin foziale Not verschüttet worden ist. Seit Jahren beobachten wir nen bei den Abschlußprüfungen unserer höheren Schulen. 20 Proz. der Bruttoeinnahmen aus dem Schulgeldsoll feßt, Darum ist der Weg, den der Magistrat Berlin mit der Auf gemeinsame Grundschule bis zum 13. Jahr sein. Von diesem I um aus dieser Summe Schulgeldermäßigung, Erziehungsbeis hebung der Staffelung des Schulgeldes gehen will, ungerecht Grundstock aus führen die Aufbau klassen bis zur mittleren hilfen und Lernmittelunterstützung zu bestreiten, dann hat das für das Berliner höhere Schulwesen mit Sicherheit folgenden Erfolg: in allen Arbeiterbezirken und auch zu einem hohen Grade in den Bezirken mit starker bürgerlicher Bevölkerung werden wenigstens 50 Proz. aller Schulkinder die höhere Schule verlassen müssen. Bei den Auf bauschulen, wenn für sie nicht eine Sonderregelung getroffen wird, sogar 80 Proz.! Die höheren Schulen werden zu 75 Broz. wiederum die Domäne begüterter Eltern sein.
Ein jeder wird das leicht ausrechnen können, denn das Schulgeld beträgt 240 Mart im Jahre, und diese Belastung fann eben nur ein kleiner Teil der Bevölkerung tragen. Will man die Erziehungsbeihilfen im geringen Maße nur erhalten für besonders hochbegabte Kinder und ebenso die Lernmittel
und untragbar. Er wird ein solch hohes Maß von Empörung auslösen, daß er sicher nicht aufrechterhalten werden kann.
Wir halten es nicht für unberechtigt, im Gegenteil, wir fordern es, daß das gesamte höhere Schulwesen Berlins seinem Umfange nach wesentlich eingeschränkt wird. Man soll zu Ostern des nächsten Jahres die Aufnahmeklassen auf ein Mindestmaß zwangsweise beschränken. Man soll die Leistungsanforderungen in den höheren Schulen so hoch wie nur möglich schrauben und man soll alle, ob bemittelt oder unbemittelt, aus der höheren Schule entfernen, die den Anforderungen dieser Schule nicht gewachsen sind. Dadurch werden wir in den nächsten Jahren erhebliche Ersparnisse machen, und wir werden eine Ballastbelastung los, die selbst in besseren Zeiten nicht gerechtfertigt ist. Wir fordern, daß die 9jährige
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geldstaffelung und Erziehungsbeihilfen aber müssen erhalten Reife und die Aufbauschule bis zur Universitätsreife. Schulschule zur Schulbleiben. Können wir das höhere Schulwesen nicht in dem bisherigen Umfange erhalten, so mögen wir es getrost einschränken und mögen für eine Uebergangszeit auch die Schul geldstaffelung straffer machen. Nur eins dürfen wir nicht tun: die höhere Schule wiederum zum Privileg für die begüterten Schichten machen. Wirtschaftskrise und der Kurs der Regierung Brüning drücken schon genügend auf den Rücken der unbemittelten Schichten. Die Stadt Berlin hat unter sozialdemokratischer Leitung viel getan, um den sozialen und Bildungsaufstieg begabter Arbeitera tinder zu fördern. Die Stadtverordnetenversammlung muß dafür sorgen, daß nicht mit einem Federstrich das beseitigt wird, woran wir alle mit besonderer Liebe gearbeitet haben.
im Sportpalast, Potsdamer Str.72