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neidischen Finsterwalder erzählen sich, daß der Senftenb erger Mchi» Wächter die braven Bürger mitten in der Nacht wecken muhte, damit sie sich umdrehten, wenn sie nicht wollten, daß der lieblich« Wein ihnen die Magenwand zerfresse. Schon rauchen und sauchen wieder die schwarzen Fabriken. Auf der Straße begegnen uns die Marktfrauen. Eine barfüßige Bäuerin zieht einen Handwagen. Ein Ochsenfuhrwerk trottelt heim. Drei wendische Bäuerinnen sie haben mindestens zehn Unterröcke an besteigen die Fahrräder und flitzen nach den fruchtbaren Rand» dörfern, die noch genug Grundwasier haben Und nun sind wir in der Stadt. Fast jeder kennt und beobachtet sich. Die Klasiengrenze ist hier viel schärfer gezogen als in einer Großstadt. Manchmal zieht ein Arbeiter noch die Mütze vor einem Herrn, aber die meisten Ar- beiter zichen keine Mütze mehr. Viele von ihnen tragen die Ab» zeichen ihrer Gesinnung sichtbar am Rock: den Reichsadler, den Sowjetstern, das Hakenkreuz. Die Industrie raucht und stampft über allen Abzeichen und preßt den Kohlenstaub zu harten, glänzenden Briketts. Wie lange wird die Industrie noch rauchen und jaulen und stampfen? Vielleicht noch S0 Jahre, vielleicht auch noch S0 Jahre. Und was wird dann? Wenn die Gruden ausgebeutet sind, steigt wieder das Grundwasser. Werden dann die Bauern ihre alten Felder wieder bekommen? Oder wird der geplant« Elbe-Spree» Oder-Kanal neue Industrien angelockt haben? Deutschland will leben. Sein Lebenstampf spiest sich in der Provinz viel dramatischer und heroischer ab als in den großen Städten.

Rudolf Sims: Wettenfchlag Autos und Straßenbahnen ratterten durch die brest « Frank- furter Geschäftsstraße. Auf den Bürgersteigen hasteten Menschen durch den schwülen Mittag. Plötzlich übertönten gellende Schreie den Lärm oes Verkehrs.Einbrecher!... Hilfe!" schrie ein beftig gestikulierendes Mädchen aus dem Fenster im ersten. Stock eines Bürohauses. Der Schupo an der Ecke begann zu laufen. Vor der Torfahrt. in der er verschwand, sammelt« sich bald«ine neugierig« Menge. Ein Raubüberfall bei Ebermeyer, Lederwaren-Bertrieb.... Der Täter ist entkommen.... Jawohl, Herr Kommissar", rief der Schupo in das Tslephon, legte den Hörer hin und trat zu der jungen Kontoristin, oie vor dem ohnmächtig am Boden liegenden Bürolehrting kniet« und ihm ein nasses Taschentuch auf die Stirn legte. Wachtmeister Kallweit öffnet« dem Jungen Kragen und Hemd, trug ihn in das Zimmer des Chefs und bettete ihn auf das Ädersofa. Das Büro bot das Bild eines wüsten Durcheinanders. Auf» gerissene und durchwühlte Schubkästen, Akten und Papier « am Boden verstreut. Umgestürzte Stühle. Aus dem Schreibtisch lag ein« stählern« Geldkassette. Die Gardin« des großen Fensters war heruntergerissen, der geöffnet« Flügel und das darunterliegende rerad« Dach einer Autogarage ließen den Fluchtweg des bei der Arbeit gestörten Einbrechers ahnen. Eine Biertelstunde später erschien der Kommissar Mörder, ein mittelgroßer, schlichtgekleideter Mann von etwa vierzig Iahren. Man sah ihm den Kriminalisten nicht im geringsten an.«r machte viel eher den Eindruck eines keinen, subalternen Beamten. Prüfend überschaute er die Situotton und begab sich in das Zimmer des Ehefs, der am Vormittag«ine Geschäftsreise angetreten hotte. Ich fand den Lehrling Siebenhaar langgestreckt am Boden liegen", wandt« sich sofort die Kontoristin an den Kommissar.In einer tiefen Ohnmacht", betonte sie und deutete auf den Lehrling, der, wieder bei Bewußtsein, blaß und oerstört in der Sofaecke lehnte. Kommissar Märker stemmt« die Hände in die Hüften und fragt« Siebenhaar:Na, wie war die Sache?" Als ich vom Mittagessen zurückkam, fand ich die Tür schon aufgeschlossen und ich sah einen fremden Mann mit der Geldkassette in der Hand im Büro stehen. Ich wollte...", stottert« Sicben- haar und verschluckte sich.Wollte schreien.... Da lies er auf mich zu, sti«ß mich gegen den Schreibtisch. Halts Maul, rief er, schlug mir auf den Kopf und... weiter weiß ich nichts." Wie sah der Mann aus?" forscht« Märk«r wester. Wie er aussah?" wiederHoll« der kleine, schmächtige Bursche gedehnt, besann sich sekundenlang und erklärte dann bestimmt:Er war groß und kräftig, hatte schwarzes, nach hinten gekämmtes Haar, trug einen hellgestreiften Sommeranzug und hatte ein« breite Narbe, wie einen Studentenschmih, auf der Back«...." Der Kommissar stutzte. Die Narbe? Das war Friseur Wend- landt, der Hochstapler und Einbrecher, den er schon fest Wochen suchte. Sonderbar. Er hatte Wendlandt in der Hauptstadt v«r> mutet und nun? Märker ging nachdenAich im Zimmer auf und ab.Herr Wachtmeister", sagt« er nach längerem Besinnen.Nehmen Sie den Lehrling zur Vernehmung mit zum Präsidium. Auch Fräulein...." Schmieder", neigt« die Kontoristin geziert den blonden Bubi» köpf und folgte dem Beamten. Noch«ine Frage, Fräulein Schmieder", rief Märker hinter ihr her.Wie hoch. ist Ihr Gehalt?" Hundertfiebzig Mark brutto", antwortet« sie und blickte etwas oerwirrt nach dem Kommissar.

im t&intenglas Ist Ihr Verlobter arbeitslos?" fragte er weiter, als er an ihrer Hand den Verlobungsring sah. Ja, aber warum?" entgegnete sie entrüstet und ihr hübsches Gesicht verfärbte sich.Er ist vor einigen Monaten abgebaut worden." Danke schön, ist schon gut." Kommissar Märker schaut« noch eine ganze Weile nach der Tür, die sich hinter der etwas auffällig gekleideten, schön gewachsenen Kontoristin geschlossen hatte, und ging dann hinüber in das Büro. Bedächtig untersuchte er das verwüstete Zimmer und beugte sich lange über die Geldkassette. Plötzlich steckte er lächelnd seine Lupe wieder in die Tasche. Dies« Spuren, kein Zweifel, hier hatten ungeschickte Hände mit un- geeignetem Werkzeug gearbeitet. Märker setzte sich in den Schreibtischsessel und schaute sich noch einmal im Zimmer um. Das wüste Durcheinander erschien ihm jetzt als planvolle Unordnung. Sein Blick fiel auf das Tintenglas und er ließ erregt die geballte Faust auf den Schreibtisch fallen. Im Polizeipräsidium spielte sich ein« Viertelstunde später eine kurz«, interessant« Szene ab. Di« Kontoristin hatte aufgeregt, mit hochrotem Kopf, ihre Aussagen zu Protokoll gegeben. Jetzt setzte sich der Lehrling dem Kommissar Märker gegenüber. Verlegen und erwartungsvoll rückt« der blasse, unscheinbar« Junge auf dem Sitz. «Wir kennen den Täter bereits, mein Lieber", begann Märk«r freundlich.Deine Beschreibung paßt genau auf den von uns ge- suchten Einbrecher Wendlandt ob«r.. er ist«s nicht gewesen, sondern du hast die Sache ausgesressen." Siebenhaar saß mit weitgeöffneten Augen und stammelte: Nein, ich habe es nicht...." Kein« Ausflüchte! Der Einbruch ist fingiert. Wendlandts Signalement hast du in der Zeitung gelesen, nicht wahr?" drang Märker weiter in den Lehrling. Nein! Nein! Ich bin es nicht gewesen...." Lüge nicht.... Du bist überführt, denn du hast an eines nicht gedacht: an das Tintenglas." Das Tintenglae?" fragte interessiert der Kriminalassistent Hinrichs, der der Vernehmung beiwohnte, und schaute mit einem kurzen Blick auf den sichtlich bestürzten Jungen. Ja! Siebenhaar log, als er behauptete, er sei von dem Täter gegen den Schreibtisch gestoßen worden. Ein leichter Schlag auf den Tisch genügt, um den Spiegel d«r Tinte zu bewegen, aber in dem wahrscheinlich erst am Morgen gesäuberten Tintenglae zeigte sich nicht die geringste Spur eines Wellenschlags." Der Wellenschlag im Tintenglas nicht übel", entgegnet.' Hinrichs anerkennend. Siebenhaar gab nach einigen weiteren Fragen das Leugnen auf und begann zögernd zu beichten. Er konnte einem jetzt leid tun, wie«r so da saß, in d«m billigen, verwachsenen Konfettions- anzug, und weinend erklärte:Meine Freunde spielen Fußball in der ersten Iugendmannschaft. Sie haben alle ein Mädchen und erzählen soviel. Ich wollte sie übertreffen. Mein Name sollte in allen Zeitungen gedruckt stehen. Stehlen wollte ich nichts....." Niedergedrückt und verschämt legte er das Taschenmesser auf den Tisch, mit dem er die Kratzspuren an der Geldkassette angebracht hatte. Kommissar Märker«ntli«ß den Jungen nach scharfen, ernsten Ermahnungen und schrieb in seinem Bericht:Die Handlungen des Lehrlings finden ihre Erklärung in dem ihm eigenen Minder- wertigkeit-komplex, den er durch seine Tat zu kompensieren suchte." Am nächsten Tage hatte Märker Sin langes, telephonisches Gespräch mit dem Chef der Firma Eberm�yer, der ihm dann erklärte, daß er kein Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung des Lehrlings habe. Noch in der gleichen Stund« wanderte der Akt Siebenhaar als erledigt in das Archiv des Polizeipräsidiums.

Ä" Da« Wonogramm Herr Christian Christiansen, in einem schönen Lande Skan» dinaoiens, war mit sich und der Welt zufrieden. Warum sollte er es auch nicht sein? Sein« Wäschefabrik ging glänzend und den einzigen Konkurrenten hatte er einfach mit seiner Tochter ver- heiratet. Rosig war also das Konto und damit auch die Welt- anschauung des Herrn Christiansen, Hemdenfabrik und V«rkauf seinerer Unterwäsche. Schmunzelnd, wie immer, saß der wohlbeleibte Herr Christian- sen eines Morgens am Frühstückstisch und las schmatzend die Post. Herr Christiansen war gewohnt, aus jedem Brief einen Scheck her- auszunehmen, deshalb waren die Briefe meistens so dick und wohl» beleibt wie ihr Empfänger. An diesem Morgen lag aber zwischen der Post ein dünner, kühler Brief. Mit einem unangenehmen Ge- fühl nahm Herr Christiansen den Brief und betrachtete ihn. Nanu! Das Stückchen Beefsteak blieb den Herrn Christiansen im Halse stecken. Amtsgericht! Zwei amlliche Siegel. Der Herr Fabrikant haßte Siegel , sie erinnerten ihn an das Finanzamt. Und nun noch Ge- richt? Was hatte da« Gericht mit ihm zu tun? Der Brief brannte in der Hand. Langsam öffnete Herr Christiansen, mit der ganzen Angst ein«s ehrlichen Bürgers, die Gerichtssiegel. Seine entsetzten Augen lasen: Herrn Christian Christiansen, hier. Die unverehelichte Paula Pausten hat gegen Sie im Namen ihres minderjährigen Kindes die Alimentenklage eingereicht. Sie werden ersucht, sich am.... in.... Zimmer.. zum Dorvtchör und Gegenüberstellung ein» zufinden. Amtsrichter." Die rosig» Welt des Herrn Christiansen wurde dunkel. Er sprang auf. Da mußte ein Irrtum vorliegen. Er? Ausgeschlossen! Der treu« Ehemann und gut« Bürger, Mitglied der Handelskammer, Borsitzeno« de» Industrieverband«», Herr Christiansen fühlt« sich unschuldig. Aus einmal aber begannen ihm die Knie zu zittern. Herrgott," wie alt war da» Kind? Oh. mein Gott, vielleicht vier Jahre?! Es könnte dann die Kleine von damals sein! Vielleicht hat sie mit der Klage nur so lang« warten müssen, bis sie seinen Namen erfahren hatte... Wie hieß sie doch noch? Paula, Paula, da« könnte schon sein! Der Appetit war dem Herrn Fabrikant«» vergangen. Er hört« oie Schritt« seiner zwar wenig besseren, aber um so dickeren Hälfte, und stürzte, den Brief hastig in die Tasche steckend, ins Büro. Herr Christiansen hatte die Morienbadreise erspart. Die 1« Tag« vor dem Gerichtstermin brachten ihn um 15 Pfund von seinem Lebendgewicht. Seine Frau wunderte sich wieso er ihr so schnell die Italienreise bewilligte. Am Tage des Termins trugen schon die Wellen von Lido die Masse der Frau Fabrikanttn und Herr Christiansen stand bibbernd mit seinem Anwalt auf dem Kor» ridor de» Gerichts. Lieber Herr Christiansen, wie hieß denn die Dame?" sprach dieser. ..Da» weiß ich leider nicht, aber erkenn«« werde ich sie be- stimmt!" Christiansen-Paulsen", rief der Gerichtsbeamte, und dem Herrn Fabritanten sank das Herz zum Portemonnaie. Er betrat den Saal und blickte unruhig um sich. Wo war sie? Er sah aber nur«in Bauernmädchen, vollkommen unbekannt, neben ihr einen An wall und an diesen wandte sich der Richter:Ihre Mandantin hat da» Wort!" Also Fräulein Paulsen, erzählen Sic....", sagt« der Anwall zu dem Mädchen in Bauernttacht. Da sprang Christiansen auf und schrie: Ich kenne dies« Dame gar nicht, das ist sie nicht!" Voll Würde griff der Richter ein: So, so... Na, Fräulein Pausten, erkennen sie in diesem Herrn Herrn Christiansen?" O ja, das könnte«r sein." Was heißt: könnte! Sie müssen ihn erkennen, Fräulein Paulsen!" Herr Richter, ich habe ihn doch nur so kurz gesehen..." Der anwesende Schriftführer kicherte. Scharf blickte ihn der Richter an und sprach zu dem Mädchen:Bitte, erzählen Sie, wie sie Herrn Christiansen kennenlernten." Na ja. er sprach mich im Kino an und dann gingen wir ins Cafä und dann nahm er mich in«in Hotel...." Richter:Und wie erfuhren sie seinen Namen? Stellte er sich selbst vor?" O nein, Herr Richter, aber ich bin klug. Ich habe seinen Namen auf seinem Hemd gelesen und da hob' ich e« hercua- geschnitten, hier Herr Richter!" Mit diesen Worten legt« Fräulein Pausten ganz stolz ein Stückchen Stoff vor den Richter. Ganz verwundert las der Richter da» s«llsam« Monogramm: Ehristtan Christiansen, Tstraß« 76." Herr Christiansen sch'.ie aus: Ich bin doch Wäfchefabrikant... Der Herr hat«in Hemd von meinem Fabrikat angehabt!" Es dauert« lange, bi» der Richter Fräulein Pausten klargemacht hatte, daß ein« Fabrikmarke kein Monogramm ist, und daß Herr Christiansen unmöglich für all« Taten, die in seinen Hemden be» gangen werden, verantwortlich ist. Herr Christiansen gewann seine Fassung wieder, und als kluger Geichästsmann sorgt« er für Verbreitung dieser Serichtsocrhand. lung. Jetzt lauten sein« Annoncen: Der galante Herr trägt Christiansen-Hemüenl"

Die Gelehrten sind sich noch nicht darüber einig, ob die Stadt ihren Namen aus Sumpenburg herleitet oder von einem Ritter Senftenberg , der einmal Herr über das alte Schloß und die wendische Siedlung war. Darüber aber ist sich jedermann einig, daß diese Stadt nicht zu den Glanzpunkten deutscher Städtebaukunst gehört und daß diese niederlausitzer Landschaft eine tragische ist. Da« Schicksal in diesem Revier wird von der Braunkohle bestimmt. Auf dem rechteckigen Markt ist viel Betrieb. Händler und Bäuerinnen sind gekommen und vertreiben Früchte, Fleisch, Gurten, Geflügel, Butter und Eier. Lastautos warten, Wagen warten und Hundegespanne. Der Markt ist wieder für einige Stunden das alte Zentrum. Die Hauptstraßen der Stadt sind asphatkiert, im nahen Park lockt ein neuer Tiergarten die Besucher an. Die neuen Sied» lungshäuser auf freiem Fell» und vor allem der Neubau einer großen Schule zeigen den Wagemut der Verwaltung. Aber bald wird für den Besucher die kleine Stadt unwichtig. Ihr größtes Haus ist noch immer das Krankenhaus. Die Stadtkrone bilden das Krankenhaus, das Warenhaus, das Rachaus. Hinter dem Bahnhof, an dem sich die Schienenstränge der Bahn verzehnfachen, vergißt der Besucher die kleine Stadt. Hinter dem Bahnhof beginnt die Verwilderung der Landschaft, beginnen die keuchenden Atemzüge der schweren Arbeit, erheben sich die fauchen- den Brikettfabriken unweit der tiefen kraterhaften Gruben. Die Felder sind trotz des nassen Sommers grau und schwarz. Sie sind dürr und unfruchtbar. Das Grundwasser liegt zu tief, die Berg- werte haben das Wasser in die Tiefe gedrückt. An der Straße nach Spremberg liegt eine kleine Siedlung. Sie hat ein tränendes Gesicht, das zu lächeln versucht. Ander» gesagt: die Siedlungshäuser sind schon freundlich und wohnlich, aber sie liegen in den gelben und schwarzen Rauchwolken und Gasangriffen der Industrie. Hinter den freundlichen Reihen, im Schatten der großen Werke, stehen rote Bocksteinbauten, einstöckig, selten zwei- stöckig. schwarzverräuchert und lieblos. Es sind deutsche Slum» an ungepflasterten Straßen. Sie sehen nicht anders aus als die nahen Fabriken. Sie sind ja selbst Fabriten. Kinderfabriken, kulturlose Steinbaracken, errichtet in der Frühzett des Bergbaues. Die neuen Siedlungen an den neuen Gruben sehen schon freundlicher au». Viele Bäume an den Straßenrändern gehen ein. E» fehlt ihnen das Wasser. Auf den Feldern gedeiht arme Frucht. In heißen Sommern muß sie verdorren und ersticken. Auf den Wegen, Feldern, Bäumen und Straßen liegt schwarz« Flugasche . Wir wandern wetter und haben das alte Dorf Reppist bald erreicht. Von den Bauern ist nicht mehr viel übrig geblieben. Alles Land gehört den Berg- Herren. Viele Bauern gehen in die Gruben oder in die Fabriken als Arbeiter. Reppist, vielleicht kommt der Name von Riba her, Riba. der Fisch. Aber es gibt keine Fische mehr in den Bewässern der schwarzen Elster. Alte Urkunden erzählen, diese versumpfte Niederung sei einmal ein Fisch- und Vogelparadies gewesen. Jetzt

xei: Senftenberg gibt es nur noch Kohle. Sie wird im Tagbau gewonnen und in den fauchenden Brikettfabriken verarbeitet. Senftenberg liegt in einer Talsentung und wird von drei Seiten von kleinen Hügeln und sandigen Riegeln eingekesselt. Von allen Seiten qualmen die hohen Essen. Oberhalb von Reppist beginnen die Bruch felder und die kahlen Kippen, die Sandhalden. Kies liegt da, bestanden mit kleinen Birken und dunklen Kiefern. Brombeec- gebüsche wuchern, in den Brachfeldern gibt es ab und zu wilde Rosen, stolze Königskerzen, silberne Disteln und blühendes Heide- kraut. Auch einige Glockenblumen sind ab und zu zu finden. Di« hohen Halden hinter den Bruchfeldern sollen aufgeforstet werden. Heute zeigen sie noch zerfallene Wände, steil abstürzend, vom Regen ausgewaschen, von Rauch und Ruß schwarz geschminkt. Die Stadt ist unsichtbar, aber sie ist zu hören. Die Arbeit ist zu hören. Die Glockensignals der Förderung, das Pfeifen und Rangieren der kleinen Transportzüge, das Winseln und Jaulen der großen Förderbrücken geht ununterbrochen. Man hört das heisere Fauchen aus den Britettfabriten und atmet Rauch und Ruh. Von allen Seiten greift die Industrie die kleine Stadt an. Es ist wie ein Krieg. Und wie ein Schlachtfeld sieht auch das verwilderte Land ringsum aus. Die Industrie wandert durch die Wälder und durch die Wiesen. Sie gräbt sich mit ihren Maschinen in die Erde, holt die schwarz« Kohl« herauf, schüttet die Kippen und baut die Bruch- felder. Sie rationalisiert und wandert immer weiter. Sie frißt neues Land, neue Wälder, neue Wiesen. Sie zerstört ganz« Dörfer und Straßen und raucht, rasselt und stinkt. Zurück bleiben die nun entwurzelten Dörfer, die arbeitslose Bevölkerung, die nun toten Wiesen und Aecker. Die Menschen in diesem Revier sehen trotz der vielen Betriebe bäuerisch aus. Alle deutschen Landschaften haben ihre willigen Zwechänder in dieses Gebiet geschickt. Es ist für die Zweihänder ein Hexenkessel der Armut geworden. Alles gehört ja den Gruben: das Land, viele Siedlungen und Wohnbaracken und auch die Kaufläden. Wir wandern weiter. Die Straße versandet plötzlich, wird breit und erinnert an russische Landstraßen. In der Stadt sahen wir drei junge Chinesen, Ingenieure, die den Berxbau studieren wollten. Sie studierten ihn sicherlich nur al» technisches, aber nicht al» soziologi- sche» Phänomen. Hier in diesem Revier zeigt sich da» wirkliche Deutschland , da» arme, arbeitsame und unpathetische Land. In den letzten Jahren wurden(5000 Bergleute durch die Rationatisierung arbeitslos. Sie werden in kein» Grub«, In keine Fabrik mehr kommen können. Die Gruben und Fabriken arbeiten schon mit Feierschichten. Was wird aus den 60Ü, aus ihren Frauen und Kindern? Wir wenden uns wieder der Stadt zu. Vor un» liegt die Höhe 804. Dt« Höhe 304 war ein berühmter Brennpunkt in der Schlacht bei Verdun . Um was geht die Arbeitsschlacht bei Senften- berg? Um die Versorgung der großen Städte, um die Elektrizität, um den Absatz, um den Prosit, um den Menschen? An den Hängen de? Höhen wuchs unter der sächsischen Herrjchaft auch Wein. Die