Der Bürger in der Politik.
Humsti-bumsti in Vraunfchweig.
Emil Lederer . Zur Berufung an die Berliner Llniversitöt. Der preußische Kultusminister, Genosse Grimme, hat gegen den Widerstand der nationalökonomischen Gruppe der Berliner philoso- phischen Fakultät Emil Lederer nach Berlin berufen. Mit diesem Ruf bekommt die etwas vergreiste Berliner Universität zum ersten Riale seit vielen Jahren einen Sozialwissenschaftler, der eine ausgezeichnete Kenntnis der modernen ökonomischen Theorie mit lebendigster Anteilnahme am sozialen und politischen Geschehen verbindet. Emil Lederer , der bald Fünfzigjährige, ist seit 1912 Privat- dozent, seit 1920 Professor in Heidelberg . Feines theoretisches Denken und eine glänzend« Beredsamkeit haben ihn kiach dem Kriege an die Spitze der Heidelberger Nationalötonomen gestellt. Dort war er der Lehrer einer ganzen Generation junger sozialistischer Volks- Wirtschaftler, die heute für die Gewerkschaften, die Partei und unsere Reichstagsfraktion arbeiten. Ein besonderer Vorzug seiner wissen- schaftlichen Arbeit war es, daß er stets die brennenden praktischen Probleme der Volkswirtschaft in das Licht theoretischer Unter- suchung stellte. So hat er— um nur über die jüngste Zeit zu berichten— 1928 eindringlich die Gefahren der Monopolisierung dargetan und vor einigen Monaten die erste ausführliche Analyse des Zusammenhanges zwischen technischem Fortschritt und Arbeits- losigkeit herausgegeben. In der sozialistischen Bewegung ist Lederer als Mitglied der Sozialisierungskommission, und vor einigen Tagen erst als Referent auf dem Frankfurter Gewerkschaftskongreß hervorgetreten. Be- sondere Aufmerksamkeit hat er stets der freigcwerkfchaftlichen Ange- stclltcnbewegung entgegengebracht, über die er schon vor dem Kriege ein Buch verfaßte, und der er durch sein Referat auf dem AsA- Kongreß 1928 in Hamburg für den praktischen Kampf das theore- tische Rüstzeug gab. Sein verbreitetstes Werk ist der ausgezeichnete „Aufriß der ökonomischen Theorie"', der vor kurzem die dritte Auflage erzielte.
Landbunddemagogen. Und eine Antwort aus eigenen Kreisen. Liegnih, 11. September. (Eigenbericht.) Am Freitagmitlag fand in Liegnih eine große Landwirte- Versammlung statt, in der der Präsident des Reichsland - bundes, Graf Satckrenth- Berlin, eine große Pro- grammrede hielt. Cr stellte als Forderungen des Reichslandbundes auf: 1. Drosselung der Auslandseinsuhr agrarischer Produkte; 2. Erhöhung der Preise für agrarische Znlandsprodukte; 3. Senkung aller Zinslasten für die Landwirtschaft und 4. Steuern- und Ge- bührensenknng. * Die sture Demagogie des Reichslandbundes stößt mittlerweile ober auch in eigenen Kreisen auf scharfen Widerspruch. So fordert der Wgeordnete Schlange-Schöningen, Gutsbesitzer in Pommern , in der„Berliner Börsenzeiwng" vom 5. September völlige Abkehr von einer Agrarpolitik, die alles Hell von Zollmaucrn und hohen Inlandspreisen erwarte. Der Artikel stellt vom ersten bis zum letzten Satz eine einzige Kampfansage gegen die vom Reichslandbund und der„Grünen Front" betriebene Agrar- Politik dar. Er schließt mit folgenden Feststellungen: „Die Agrarpolitik Deutschlands steht an einem e n t s ch e i- denden Wendepunkt. Der Durchbruch zur Rettung in Richtung der Preiserhöhung unserer Produkte über Friedens- preis kann nur noch höchst zweifelhafte Augenblicks- erfolge bringen; im ganzen ist er an der geschwächten Kaufkraft der Konsumenten gescheitert. Diese Tatsache erfordert ein entschlossenes Herumwerfen des Steuers in Richtung der beschleunigten Entlastung großen Stils. Das ist die Aufgabe einer phrasenlosen agrarischen Führung, die auf den Beifall der Massen um der Sache willen zunächst zu verzichten wagt* Schlange-Schöningen, der die Agrarpolitik auf eine Senkung der Gestehungskosten abgestellt haben will, sagt zu diesem Punkt seinen Berufsgenosien noch andere bittere Wahrheiten. Mit deutlichem Wink an den Landbundpräsidenten, Graf Kalckreuth, fordert er für die Organisationen wieder wirkliche Ehren- ü m t e r— nicht solche, die mit 17 000 Mark bezahlt werden—, um die verarmten Mitglieder von Beiträgen zu entlasten. Auf das schärfste geißelt er die Tatsache, daß sich die Landwirtschaft„einen Beamten st aat im Staate" zugelegt habe, obwohl sie ständig gegen den Beamtenapparat des Staates Sturm lause. Die Direktoren- Wirtschaft und ihr Aufwand stehe im krasien Gegensatz zu den Ver- Insten der Landwirtschaft, die gegen den Steuerdruck des Staates protestiere,„sich selbst aber zu Tode steuert". Die Kritik von Schlange-Schöningen trifft ins Schwarze. Die Landwirtschaft ruft nach Zinssenkung, aber der Reichskanzler Brüning selbst muhte auf seiner Ostmarkreise die Vertreter der agrarischen Genossenschaften dringend ersuchen, eine gesündere Zins- Politik ihren Mitgliedern gegenüber zu treiben. Warum find die Zinsfpanncn bei den Genossenschaften so enorm? Weil ein aufge- blähter Beamtenapparat und die Pfründenwirtschaft die P e r s o- nalkosten ins Uferlose getrieben haben. Die Landwirtschaft steuert sich selbst zu Tode zugunsten einer Führerclique, die auf Kosten der arbeitenden Landwirte es sich in den Palästen der Organisationen wohl sein läßt. Bricht aber bei den Mitgliedern der Unmut über die untragbaren Zuschüsse durch, so wird die Empörung auf die„agrarfeindliche" Regierungspolitik» und die„marxistische Mißwirtschaft" abgebogen. Die Parasiten aber schmarotzen weiter.__ Länderkonferenz über Agrarpolitik. Auch Schiele für zusätzliche Naturalleistungen im Winter. Am Freitag fand in Anwesenheit des Reichskanzlers eine Kon- ferenz der Landwirtschaftsminister der Länder statt, in der Schiele über die agrarpolitische Entwicklung der letzten Jahre und über die Grundsätze einer künstigen Agrarpolitik sprach. Mit der Zollpolitik allein, so führte Schiele aus. fei der Agrarkrise nicht beizukommen. Zinsbelastungen wie heute von 9 bis 15 Proz. und darüber müßten in erster Linie durch Verringerung der Zinsspannen bei den Personal- krediten herabgesetzt werden. Reben der Ordnung der Absatzverhält- nisse im eigenen Lande, wie sie durch das Notprogramm von 1923 eingeleitet und den Ersatz ausländischer Futtermittel durch inländische fortgeführt wurde, seien staatliche Maßnahmen nur be- grenzt möglich. Eine besondere Aufgabe der Länder sei die energische Durchführung des§ 38 des MUchgesetzes. der zur straffen Zusammenfassung der Milchwirtschaft und für die rationelle Orga- nisation der Absatz- und V-rsorgungsverhältnlsie die Handhabe biete. Schiele erklärte, daß die Ziosvcrbilligung bei der Abfahfinanzicrung auch auf deu Berkaus von Weidevieh, Kartoffeln, Wein, Obst, Tabak, Hopsen und Hülsenfrüchte ausgedehnt werden solle, so daß also eine
Am 12. September 1921 konnte, nach blutiger Abwehr ungarischer Banden, die Republik Deutschösterreich dos Burgenland in Verwaltung nehmen, jenen deutschen Landstrerfen mit madjarischer und kroatischer Minderheit, den der Trianon-Irieden von Ungarn abgetrennt und Deutschösterreich zugesprochen hat. Der Einzug der deutschösterreichischen Truppen wurde jubelnd begrüßt;«r be- deutete das Ende einer T« r r or ist e n h« r r f chaft, die schwer auf dem Lande gelastet hatte. Vor allem aber jubelten die Burgenländer , weil sie sich nun mit ihrem Volk, mit dem großen, wenn auch schwer leidenden Deutschland vereinigt sahen. Die ungarische Herrschast war in den letzten Jahrzehnten radikal zur Madjardisterung.der Dcifti'chM, Slawen und Rumänen über- gegangen. Untrennbar ist diese Zeit gewaltsamer Entnationali- fierung verbunden mit dem Namen des damalZgcn Unterrichts- Ministers Graf Albert Apponyi— desselben Apponyi, der als Wortführer des so sehr verkleinerten Ungarns nicht müde wird, die Nachfolgestaaten olxzuklagen, daß sie sich unrechtmäßig an ungarischem Gut bereichert hätten und die madsarischen Minder- heiten auf das schwerste bedrückten. In diesen zehn Jahren hatte Deutschösterreich, selbst ein Staat. der dauernd ohne fremde Hilf« nicht leben kann, schwer zu tun, um die systematische Vernachlässigung dieses Grenz- gebietes durch die Budapest er Herrschaft ouszu- gleichen. Dabei hat das rote Wien durch eine größere Anleihe seiner städtischen Sparkasse wirksame Hilfe geleistet. Für die Minderheitsoölker ist auf kulturellem Gebiet einwandfrei gesorgt; selbst die Zigeunerdörfer im Süden des Landes erfreuen sich der staatlichen Fürsorge.
erhebliche und sehr bedenkliche Ausdehnung der Zins- fubventionen zu erwarten ist. Schiele warnte vor einer erneuten Ausdehnung der Roggenanbaufläche. Die 5)aferproduktlon müsie weiter eingeschränkt werden, nachdem sie noch immer um fast 10 Proz. über dem deutschen Bedarf liege. Da die Landwirtschast kein Interesse an absolut hohen Preisen habe, sondern nur an einer vernünf»' tigen Relation der Preise, müsse die Politik des Staates auf ein Schließen der Preisschere gerichtet sein. Schiele trat zum Schluß für besondere Maßnahmen zur Sicherstellung der Ernährung der Arbeitslosen im kommenden Win- ter ein. Mit der Bemerkung, es komme darauf an, trotz der Her- abfetzung der Richtsätze für die Unterstützung durch Gewährung billigerer Naturalleistungen, hat sich Schiele auch für die zusätz- liche Naturallieferung ausgesprochen.
Gandhi in Marseille . Für Autonomie, nicht für Losreißvng. Paris . 11. September.(Eigenbericht.) Der Führer der indifchen Freiheitsbewegung Gandhi ist am Freitagmorgen auf dem Wege zur Londoner Jndienkonferenz an Bord eines Dampfers in Marseille eingetroffen und hat nachmittags feine Reife mit der Bahn fortgesetzt. Am Sonnabcndsrüh wird er in Paris erwartet, wo Gandhi sich nur kurze Zeit auf- halten wird. Die Ankunft Gandhis in Marseille hatte ein ganzes Heer von Journalisten und Photographen an den Hafen gelockt. die nach dem Anlegen des Dampfers an Bord stiegen und Gandhi umringten. Gandhi ließ sich bereitwillig photographieren und er- klärte auf einige Fragen, daß sein Programm das des Kongresses von Delhi im Jahre 1922 fei und daß er d e m K ö u i g v o n E n g- land einen Besuch abstatten werde, wenn dieser ihn darum bitte. Auch den Präsidenten D o u m e r werde er während seines Aufenthalts besuchen. Die Privotsekretärin Gandhis gab dann eine ausführliche Er- klärung über die Absichten Gandhis in England ab:„Wenn die
Aus Grund einer s ch wi ndel ha ft e n Bolksabstim» mung, deren Ergebnis durch Drohungen übelster Art stark beeinflußt wurde, ist die alte Hauptstadt des Burgenlandcs, Oedenburg , mit ihrer Umgebung bei Ungarn geblieben. Das Burgenland ist dadurch in zwei Teile zerschnitten— Oedenburg aber zum unaufhaltsamen Verfall gebracht worden. In dem großenteils bäuerlichen, an Industrie noch recht armen Burgenland ist trotzdem die Sozialdemokratie die zweitstärkste Partei und stellt in Ludwig Leser , dem stellvertretenden Landeshauptmann, den bewährten Leiter der Landesverwaltung. Die Universität Heidelberg hat letzthin Leser die Ehrendoktorwürde verliehen. Gleich- falls ein Sozialdemokrat, der Bauarbeitersekretär und Landtags- abgeordnete Hans Sllcha?d, hat die Geschichte und den Kamps des Burgenlaudes dichterisch gestaltet in seinem neuen Buch „Unruhig Blut". Nur eine Stimme herrscht im ganzen Burgenland über die Frage semer staatlichen Zukunft: man fühlt sich als ein« Grenz- provinz Deutschlands . Die ständig« Bedrohung des Landes durch die ungarische Rückforderungspropaganda hat dieses Gefühl noch gestärkt. Sollte in Ungarn wirklich die Habsburger Monarchie ihre Auferstehung feiern, so würde dies gerade im Burgenland als eine äußerst schwere Gefahr für den Zusammenhang mit Deutschösterreich und Deutschland empfunden werden. Am Tage, da das Burgenland die ersten zehn Jahre dieser Gemeinsamkeit feiert, soll auch im Deutschen Reich dieses schönen Grenzlandes gedacht werden.
Londoner Konferenz scheitert, wird Gandhi nicht länger in England bleiben. Er will jedoch zum englischen Volk, vor allem zu den Arbeitslosen sprechen, die am meisten unter der Entwicklung der Industrie in Indien zu leiden hätten. Er will ihnen die Lage von Millionen von Indern auseinandersetzen und in Zusammenarbeit mit den englischen Arbeitern«in Atitionspre- gram in festlegen, das den Interessen der beiden Länder ent- spricht. Auf der Konferenz wird Gaiidhi die Autonomie Indiens , aber nicht die Trennung von England verteidigen. Er wird den Engländern sagen, daß die lokale Industrie ermutigt werden müsse, denn sie sei die Grundlage des Reichtums und des Wohlergehens für die indische Bevölkerung. Gandhi wird ferner das Verschwinden der Kastenunterschiede ver- langen, die manchmal grausam und immer ungerecht sind." Vormittags gegen 11 Uhr verließ Gandhi mit seinem Gefolge den Dampfer und begab sich zur Marseiller Studentenvereinigung. die ihm einen warmen Empfang bereitete und in einem indischen Restaurant ein Bankett zu seinen Ehren gab.
Königsputsch wird untersucht. Die spanische Republik rechnet ob. Madrid , 11. September. (Eigenbericht) Die Politische Uiüersuchungskommission über den Staat»- streich von 1923 hat chre Tätigkeit crössnet. Sie wird zunächst den Prozeß gegen die Generäle Damaso, Berenglier und Navarro und Munoz Cobos durchführen. Sie beschloß außerdem, dos gesamte letzte Kabinett Alhucemas zu vernehmen. Unterkommissionen sind in Barcelona und Jaca an Ort und Stelle tätig.
Der freigewordene Staalsratsposten im bayerischen Finanzministerium, desien Inhaber zugleich stellvertretender Finanzminister ist wird trotz der allgemeinen Bestrebungen und Verhandlungen zur Regierungsmnbildnng neu besetzt werden. Zum neuen Staats- rat ist der Landtagsabgeordnete Schäffer bestimmt, der erste Vorsitzende der Bayerischen Volkspartei . Er wird ab 16. S«p- ternber die Leitung des Finanzministeriums übernehmen.